S 104 AS 1870/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
104
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 1870/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung eines befristeten Zuschlags nach Bezug von Arbeitslosengeld für die Monate April 2005 und Oktober 2005 bis Februar 2006 in Höhe von 94,00 Euro.

Der am ... 1974 geborene Kläger bezog vom Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin bis zum 31. März 2005 Wohngeld in Höhe von 289,00 Euro monatlich (Bescheid vom 10. November 2004). Des Weiteren erhielt er von der Agentur für Arbeit Berlin Ost Arbeitslosengeld I (Alg I) bis zum 19. April 2005 in Höhe von 677,70 Euro monatlich. Auf seinen Antrag vom 17. März 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger und seinen beiden mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern für die Monate April 2005 bis September 2005 durch Bescheid vom 12. Mai 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Hierbei wurde in den Monaten Mai bis September 2005 ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 94,00 Euro monatlich geleistet. Auf seinen Widerspruch erging der Änderungsbescheid vom 7. September 2005, mit dem wiederum nur für die Monate Mai bis September 2005 ein befristeter Zuschlag in Höhe von 94,00 Euro gewährt wurde. Der darüber hinausgehende Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 28. Februar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben (Az.: S 104 AS 1870/06).

Durch weiteren Bescheid vom 4. Oktober 2005 gewährte die Beklagte Alg II für den Zeitraum von Oktober 2005 bis März 2006. Ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld wurde hierbei nicht bewilligt. Auch hiergegen legte der Kläger u.a. mit der Begründung Widerspruch ein, ihm stehe der befristete Zuschlag zu. Der Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger ebenfalls am 28. Februar 2006 Klage erhoben (Az.: S 104 AS 1871/06).

Durch Beschluss vom 23. Mai 2006 hat die Kammer die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Begründung führt der Kläger aus: Auf Nachfrage bei der Wohngeldstelle sei ihm erklärt worden, dass er keinen weiteren Antrag auf Wohngeld stellen brauche, da er ab dem 20. April 2005 Alg II beziehen werde und somit nicht mehr anspruchsberechtigt sei. Der Antrag würde auch mit dieser Begründung abgelehnt werden. Im Merkblatt "Arbeitslosengeld II/Sozialgeld" der Beklagten stehe auf Seite 24 u.a. "Neben den genannten Leistungen (Leistungen für Unterkunft und Heizung) bestehe kein Anspruch auf Wohngeld. Dies gelte bereits ab Antragstellung auf Leistungen zur Grundsicherung." Somit habe er Alg I bis zum 19. April 2005 bezogen. Sein Wohngeldanspruch sei jedoch bereits am 31. März 2005 ausgelaufen und aufgrund der Tatsache, dass er Alg II beantragt habe, habe er keinen neuen Antrag auf Wohngeld stellen können. Dies werde ihm jetzt von der Beklagten zum Vorwurf gemacht. Auf telefonische Nachfrage bei der Beklagten hätte er für den Monat April 2005 einen Anspruch auf Wohngeld haben müssen, um den befristeten Zuschlag zu erhalten. Diesen Bewilligungsbescheid habe er jedoch nicht erbringen können, da er aufgrund der Alg II-Berechtigung nicht anspruchsberechtigt gewesen sei. Diese Entscheidung sei für ihn nicht hinnehmbar. Einerseits habe er keinen neuen Antrag auf Wohngeld stellen dürfen, da er bereits im April die telefonische Auskunft der Beklagten bekommen habe, dass er anspruchsberechtigt sei, jedoch noch nicht über die Höhe endgültig entschieden worden sei, andererseits habe die Beklagte den befristeten Zuschlag abgelehnt, da er im April keinen gültigen Wohngeldbescheid gehabt habe.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Bescheid vom 12. Mai 2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2006 und den Bescheid vom 4. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, in den Monaten April 2005 und Oktober 2005 bis Februar 2006 ein um 94,00 Euro höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, hinsichtlich des begehrten Zuschlags nach Vorbezug von Alg I gemäß § 24 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei nochmals festzustellen, dass eine Anspruchsberechtigung seit Beginn der Hilfebedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Soweit ein solcher gleichwohl gewährt worden sei, sei diese Entscheidung rechtswidrig begünstigend gewesen. Bestehe Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II gebe es grundsätzlich den Zuschlag nach § 24 SGB II, wenn der SGB II-Auszahlungsbetrag unter dem Betrag des zuletzt bezogenen Alg I plus eventuell parallel dazu bezogenen Wohngeldes liege. Der Leistungsanspruch nach dem SGB II sei insoweit mit 825,17 Euro anzusetzen gewesen. Das zuletzt bezogene Alg I habe hingegen bei 677,70 Euro gelegen. Es bestehe daher kein Anspruch auf den begehrten Zuschlag nach § 24 SGB II.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 12. Mai 2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2006 sowie der Bescheid vom 4. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2006 sind hinsichtlich der streitgegenständlichen Versagung des befristeten Zuschlags nach Bezug von Alg I für die Monate April 2005 und Oktober 2005 bis Februar 2006 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums keinen Anspruch nach § 24 SGB II auf Bewilligung des befristeten Zuschlags nach Bezug von Alg I.

Nach § 24 Abs. 1 SGB II erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Alg I einen monatlichen Zuschlag, soweit er innerhalb dieses Zeitraums Alg II bezieht. Nach § 24 Abs. 2 SGB II beträgt der Zuschlag zunächst zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen 1. dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und 2. dem an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu zahlenden Alg II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 SGB II oder Sozialgeld nach § 28 SGB II.

Ausgehend hiervon besteht jedoch in dem streitigen Zeitraum bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Bewilligung des befristeten Zuschlags. Denn ausgehend von einem dem Kläger (und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft) zustehenden Alg II-Anspruchs in Höhe von 825,17 Euro (= 311,00 Euro Regelleistung für den Kläger + 414,00 Euro Sozialgeld für die beiden Kinder des Klägers + 408,17 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung - 308,00 Euro Einkommen in Form von Kindergeld) lässt sich bezogen auf die Zeit nach dem Ende des Alg I-Anspruchs (ab dem 20. April 2005) kein Überschuss zugunsten des bis zum 19. April 2005 bezogenen Alg I in Höhe von nur 677,70 Euro bilden. Das Wohngeld in Höhe von 289,00 Euro kann hierbei nicht berücksichtigt werden, da es nicht zeitgleich mit dem Alg I auslief, sondern bereits zum 31. März 2005 eingestellt wurde. Zeitpunkt der Vergleichsberechnung kann hier (hinsichtlich des Alg I und des Wohngeldes) nur der letzte Tag des Bezugs von Alg I sein, hier also der 19. April 2005, denn der Zuschlag soll finanzielle Härten abfedern, die entstehen können, wenn der Bezug des entgeltbezogenen Alg I endet und an seine Stelle das bedarfsorientierte Alg II auf Sozialhilfeniveau tritt (vgl. Brünner in: Münder, Sozialgesetzbuch II, § 24, Rdnr. 2).

Etwas anderes kann sich hier auch nicht unter Heranziehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergeben (vgl. zur dogmatischen Herleitung Mrozynski, SGB I, 3. Aufl., § 14, Rdnrn. 22 und 23). Über dieses gewohnheitsrechtlich anerkannte Institut lassen sich sozialrechtliche Schlechterstellungen korrigieren, die aufgrund einer rechtswidrigen Verletzung von drittschützenden Pflichten der Verwaltung gegenüber dem Berechtigten, u.a. Beratungsfehler, hervorgerufen worden sind. Der Kläger trägt insoweit (sinngemäß) vor, aufgrund einer falschen Beratung der Wohngeldstelle und der Beklagten habe er Alg II zum 1. Januar 2004 beantragt mit der Folge, dass ihm daneben bis zum Auslaufen des Alg I am 19. April 2005 kein Wohngeld mehr habe gezahlt werden können, so dass bei der Berechnung des Zuschlags nach § 24 SGB II das Wohngeld nicht mehr habe berücksichtigt werden können. Dieser Vortrag ist zwar für die Kammer nachvollziehbar, denn bei einer Beantragung des Alg II erst ab dem 20. April 2005 hätte bis zum 19. April 2005 ein Anspruch auf Wohngeld dem Grunde nach bestanden (der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Wohngeldgesetz -WoGG- hätte insoweit nicht vorgelegen), so dass es bei der Berechnung des Zuschlags hätte berücksichtigt werden können. Gleichwohl kann der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im vorliegenden Fall nicht weiterhelfen, denn auch für den Fall, dass ein entsprechender Beratungsfehler seitens der Beklagten unterstellt würde, ließen sich die von dem Kläger erstrebten Rechtsfolgen (Zahlung des Zuschlags ab dem 20. April 2005) nicht durch eine an sich zulässige Amtshandlung bewirken (vgl. Mrozynski, a.a.O., Rndr. 31). Voraussetzung wäre nämlich, dass die Gewährung von Wohngeld bis zum 19. April 2005 noch möglich wäre. Das ist jedoch infolge der (insoweit bestandskräftigen) Gewährung von Alg II vom 1. bis zum 19. April 2005 infolge der Ausschlussregelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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