Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 166/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 55/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Tod des am. 1946 geborenen und am. 2004 verstorbenen Ehemanns der Klägerin, D Z (nachfolgend der Verstorbene), Folge einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 51 bzw. 92 der Liste der BKen zur Ver-ordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen der DDR – Krank-heiten bzw. bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung – (BK 51/92 BKVO-DDR) war.
Nach dem Vortrag der Klägerin war der Verstorbene von Mai 1966 an bis Oktober 1990 Berufssoldat der NVA und dort u.a. als Funkmesstechniker tätig. Am 20. März 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 51 BKVO-DDR und verwies zur Begründung auf den Bericht der Radarkommission vom 2. Juli 2003.
Mit Bescheid vom 25. April 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 51 bzw. 92 BKVO-DDR ab und legte zur Begründung dar, dass der Verstor-bene nicht der Sozialversicherung, sondern der Versorgungsordnung der NVA (VersO-NVA) als einem eigenständigen Sonderversorgungssystem unterlegen habe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Mai 2007 Widerspruch und vertrat die Ansicht, bei der VersO-NVA handele es sich um eine Sozialpflichtversicherung. Bei Bürgern der DDR, die aus den bewaffneten Organen ausgeschieden seien, gebe die Eintragung im Sozialversicherungsausweis Aufschluss über eine bestehende Sozialversicherung im Zeitpunkt des möglichen Versicherungsfalles (unter Hinweis auf Petri u.a., Leistungs-gewährung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in den neuen Bundesländern, Erich Schmidt Verlag 1993, S. 21 ff.). Auch aus § 220 Abs. 4 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR (AGB) sei ersichtlich, dass die durch Ausübung des Dienstes bei den bewaff-neten Organen bzw. der Zollverwaltung der DDR erlittenen Körper- und Gesundheits-schäden als Folgen eines Arbeitsunfalls bzw. einer BK gelten würden. Im Übrigen ver-stoße eine ungleiche Behandlung von Radarsoldaten der NVA gegen den Gleichbe-handlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Da innerhalb der Zeit- und Berufssoldaten der NVA gleiches Recht angewandt werde, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf die Überleitungsregelungen zum Dienstbeschädigtenrecht keine verfassungsrechtlichen Bedenken (mehr) geäu-ßert. Schließlich sei zu beachten, dass § 220 Abs. 4 AGB nur für jene Personen gegol-ten habe, die während ihres Dienstes bei den bewaffneten Organen sozialversichert gewesen seien, was nach den §§ 1, 2 und 11 der Verordnung zur Sozialpflichtversiche-rung der DDR (vom 17. November 1977, GBl. I 373) nur auf die zivilen Arbeiter und Angestellten sowie die Grundwehrdienstleistenden zugetroffen habe.
Am 8. November 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Auffassung weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Anerkennung einer BK scheide schon deshalb aus, weil die Tätigkeit des Verstorbenen als Berufssoldat der NVA keine versicherte Tätigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung sei. Zu prüfen sei allenfalls das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung nach Maßgabe der §§ 80 ff. des Soldaten-versorgungsgesetzes (SVG), wofür die Beklagte aber nicht zuständig sei.
Gegen den am 15. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Juni 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und an ihrer Mei-nung festgehalten.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2008 sowie den Be-scheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 1. Oktober 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Tod von Dietrich Zeiler Folge einer Berufskrankheit nach den Nummern 51 bzw. 92 der Liste der Berufskrankheitenverordnung der DDR war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhand-lung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrens-weise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbe-gründet. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 ist nämlich nicht zu beanstanden und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Denn schon die Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach den geltend gemachten Nrn. sind nicht erfüllt.
Es kann dahinstehen, ob sich der von der Klägerin verfolgte Anspruch noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversiche-rung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungs-ordnung (RVO) richtet oder wegen Eintritts der zum Tode führenden Erkrankung des Verstorbenen erst nach diesem Zeitpunkt das SGB VII anzuwenden ist (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Denn nach beiden Rechtslagen scheidet die Anerkennung einer BK 51 bzw. 92 BKVO-DDR aus.
Würde entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beendigung der als schädigend geltend gemachten Einwirkung, also spätestens Oktober 1990, abgestellt, ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Krankheiten als BKen nach dem Recht der gesetzli-chen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden (§ 215 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung gelten Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht BKen der Sozialversicherung waren, als BKen im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt nicht für Krankheiten, die einem ab dem 1. Januar 1991 für das Bei-trittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO). Diese Vorschrift ist hier einschlägig, weil der Beklagten der behauptete Versicherungsfall erst am 20. März 2007 bekannt geworden ist. Anhaltspunkte für einen früheren Zeitpunkt sind weder ersichtlich noch von der Klä-gerin behauptet. Grundvoraussetzung des begehrten Anspruchs ist demnach, dass die Merkmale einer BK sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG); sie-he nur Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405, 116).
Ausgehend hiervon kann offen bleiben, ob die Erkrankung, die zum Tod des Verstor-benen geführt hat, nach dem Recht der DDR als BK zu werten wäre (siehe hierzu § 221 AGB vom 16. Juni 1977, GBl. I 185, i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981, GBl. I 137, und der Anlage zu deren Ersten Durchführungsbestimmung vom 21. April 1981, GBl. I 139 – Liste der Berufskrankheiten), wobei der Senat entsprechend den Darlegungen der Beklagten gerade nicht der Meinung der Klägerin zuneigt. Auch die von ihr zitierte Quelle (Petri u.a., S. 22) verweist unter Bezugnahme auf § 220 Abs. 4 AGB i.V.m. § 2 Abs. 2 Buchstabe b der Rentenverordnung vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 43) nämlich darauf, dass nur Grundwehrdienstpflichtige der NVA, die keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen der bewaffneten Organe hatten, dem versicher-ten Personenkreis zugehörten. Denn jedenfalls scheidet nach der RVO eine Anerken-nung als BK aus. Nichts anderes ergibt sich bei Heranziehung des SGB VII. Nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO (bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungs-schutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO (§ 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 SGB VII). Zwar sind in Nr. 2402 der Anlage zur BKV Erkrankungen durch ionisierende Strahlen als BK bezeichnet. Für die Aner-kennung einer Erkrankung als eine solche BK müssen aber folgende Tatbestands-merkmale erfüllt sein: Der Betroffene muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Ein-wirkungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt gewesen sein (versicherte berufliche Einwirkung = Exposition = arbeitstechnische Voraussetzungen), die diese Erkrankung hervorgerufen haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) gesichert sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit verbun-denen Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaß-stab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (siehe etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es fehlt bereits an einer nach den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO (§§ 2,3 oder 6 SGB VII) versicherten Tätigkeit. Ebenso wie Soldaten der Bundeswehr unterliegen auch Berufssoldaten der NVA nicht dem Versicherungsschutz nach den §§ 539 ff. RVO bzw. den §§ 2,3 oder 6 SGB VII. Ledig-lich ehemalige Grundwehrdienstpflichtige der NVA, denen weder Ansprüche nach dem SVG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Dienstbeschädigtenausgleichs-gesetz (DbAG, in der Fassung vom 21. Dezember 2008, BGBl. I 2933) zustehen und die auch nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung unterlagen, hat der Ge-setzgeber durch die Neufassung von § 215 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII nachträglich rückwirkend in den Kreis der versicherten Personen einbezogen (siehe Art. 1 Nr. 33 Buchstabe a und Art. 13 Abs 2 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Un-fallversicherung vom 30. Oktober 2008, BGBl. I, 2130; dazu auch BT-Drucks 16/9154, 37 und BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 35/07 R – juris). Der grundlegende Unterschied zwischen der VersO-NVA und der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich bereits aus der Bezeichnung. Denn die VersO-NVA stellt keine Versicherung, sondern eine Versorgung der Angehörigen der NVA dar. Das Sonderversorgungssys-tem der NVA gewährleistete eine eigenständige Sicherung der einbezogenen Perso-nen, die der bundesdeutschen Beamtenversorgung vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 – B 2 U 19 / 98 R – SozR 3-2200 § 1150 Nr. 2 mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese Absicherung außerhalb der Sozialversicherung bestanden habe).
Auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann der Senat nicht erkennen. Werden als vergleichbare Personengruppe die Soldaten der Bundeswehr herangezogen, liegt schon deshalb keine Ungleichbehandlung vor, als auch diese keinen Versicherungs-schutz nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung genießen. Sofern darauf abgestellt würde, dass Bundeswehrsoldaten der Versorgung nach dem SVG unterlie-gen, wohingegen Berufssoldaten der NVA stattdessen dem Anwendungsbereich des DbAG zuzuordnen sind, ist für den Senat nach der Neufassung des DbAG durch das 2. Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1939) ebenfalls keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mehr ersichtlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. November 2001 – 1 BvL 19/93 u.a. – SozR 3-8570 § 11 Nr. 5).
Da demnach bereits keine BK festzustellen ist, konnte die Berufung keinen Erfolg ha-ben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Tod des am. 1946 geborenen und am. 2004 verstorbenen Ehemanns der Klägerin, D Z (nachfolgend der Verstorbene), Folge einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 51 bzw. 92 der Liste der BKen zur Ver-ordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen der DDR – Krank-heiten bzw. bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung – (BK 51/92 BKVO-DDR) war.
Nach dem Vortrag der Klägerin war der Verstorbene von Mai 1966 an bis Oktober 1990 Berufssoldat der NVA und dort u.a. als Funkmesstechniker tätig. Am 20. März 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 51 BKVO-DDR und verwies zur Begründung auf den Bericht der Radarkommission vom 2. Juli 2003.
Mit Bescheid vom 25. April 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 51 bzw. 92 BKVO-DDR ab und legte zur Begründung dar, dass der Verstor-bene nicht der Sozialversicherung, sondern der Versorgungsordnung der NVA (VersO-NVA) als einem eigenständigen Sonderversorgungssystem unterlegen habe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Mai 2007 Widerspruch und vertrat die Ansicht, bei der VersO-NVA handele es sich um eine Sozialpflichtversicherung. Bei Bürgern der DDR, die aus den bewaffneten Organen ausgeschieden seien, gebe die Eintragung im Sozialversicherungsausweis Aufschluss über eine bestehende Sozialversicherung im Zeitpunkt des möglichen Versicherungsfalles (unter Hinweis auf Petri u.a., Leistungs-gewährung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in den neuen Bundesländern, Erich Schmidt Verlag 1993, S. 21 ff.). Auch aus § 220 Abs. 4 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR (AGB) sei ersichtlich, dass die durch Ausübung des Dienstes bei den bewaff-neten Organen bzw. der Zollverwaltung der DDR erlittenen Körper- und Gesundheits-schäden als Folgen eines Arbeitsunfalls bzw. einer BK gelten würden. Im Übrigen ver-stoße eine ungleiche Behandlung von Radarsoldaten der NVA gegen den Gleichbe-handlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Da innerhalb der Zeit- und Berufssoldaten der NVA gleiches Recht angewandt werde, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf die Überleitungsregelungen zum Dienstbeschädigtenrecht keine verfassungsrechtlichen Bedenken (mehr) geäu-ßert. Schließlich sei zu beachten, dass § 220 Abs. 4 AGB nur für jene Personen gegol-ten habe, die während ihres Dienstes bei den bewaffneten Organen sozialversichert gewesen seien, was nach den §§ 1, 2 und 11 der Verordnung zur Sozialpflichtversiche-rung der DDR (vom 17. November 1977, GBl. I 373) nur auf die zivilen Arbeiter und Angestellten sowie die Grundwehrdienstleistenden zugetroffen habe.
Am 8. November 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Auffassung weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Anerkennung einer BK scheide schon deshalb aus, weil die Tätigkeit des Verstorbenen als Berufssoldat der NVA keine versicherte Tätigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung sei. Zu prüfen sei allenfalls das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung nach Maßgabe der §§ 80 ff. des Soldaten-versorgungsgesetzes (SVG), wofür die Beklagte aber nicht zuständig sei.
Gegen den am 15. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Juni 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und an ihrer Mei-nung festgehalten.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2008 sowie den Be-scheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 1. Oktober 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Tod von Dietrich Zeiler Folge einer Berufskrankheit nach den Nummern 51 bzw. 92 der Liste der Berufskrankheitenverordnung der DDR war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhand-lung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrens-weise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbe-gründet. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 ist nämlich nicht zu beanstanden und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Denn schon die Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach den geltend gemachten Nrn. sind nicht erfüllt.
Es kann dahinstehen, ob sich der von der Klägerin verfolgte Anspruch noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversiche-rung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungs-ordnung (RVO) richtet oder wegen Eintritts der zum Tode führenden Erkrankung des Verstorbenen erst nach diesem Zeitpunkt das SGB VII anzuwenden ist (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Denn nach beiden Rechtslagen scheidet die Anerkennung einer BK 51 bzw. 92 BKVO-DDR aus.
Würde entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klägerin maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beendigung der als schädigend geltend gemachten Einwirkung, also spätestens Oktober 1990, abgestellt, ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Krankheiten als BKen nach dem Recht der gesetzli-chen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden (§ 215 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung gelten Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht BKen der Sozialversicherung waren, als BKen im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt nicht für Krankheiten, die einem ab dem 1. Januar 1991 für das Bei-trittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO). Diese Vorschrift ist hier einschlägig, weil der Beklagten der behauptete Versicherungsfall erst am 20. März 2007 bekannt geworden ist. Anhaltspunkte für einen früheren Zeitpunkt sind weder ersichtlich noch von der Klä-gerin behauptet. Grundvoraussetzung des begehrten Anspruchs ist demnach, dass die Merkmale einer BK sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG); sie-he nur Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405, 116).
Ausgehend hiervon kann offen bleiben, ob die Erkrankung, die zum Tod des Verstor-benen geführt hat, nach dem Recht der DDR als BK zu werten wäre (siehe hierzu § 221 AGB vom 16. Juni 1977, GBl. I 185, i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981, GBl. I 137, und der Anlage zu deren Ersten Durchführungsbestimmung vom 21. April 1981, GBl. I 139 – Liste der Berufskrankheiten), wobei der Senat entsprechend den Darlegungen der Beklagten gerade nicht der Meinung der Klägerin zuneigt. Auch die von ihr zitierte Quelle (Petri u.a., S. 22) verweist unter Bezugnahme auf § 220 Abs. 4 AGB i.V.m. § 2 Abs. 2 Buchstabe b der Rentenverordnung vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 43) nämlich darauf, dass nur Grundwehrdienstpflichtige der NVA, die keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen der bewaffneten Organe hatten, dem versicher-ten Personenkreis zugehörten. Denn jedenfalls scheidet nach der RVO eine Anerken-nung als BK aus. Nichts anderes ergibt sich bei Heranziehung des SGB VII. Nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO (bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungs-schutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO (§ 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 SGB VII). Zwar sind in Nr. 2402 der Anlage zur BKV Erkrankungen durch ionisierende Strahlen als BK bezeichnet. Für die Aner-kennung einer Erkrankung als eine solche BK müssen aber folgende Tatbestands-merkmale erfüllt sein: Der Betroffene muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Ein-wirkungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt gewesen sein (versicherte berufliche Einwirkung = Exposition = arbeitstechnische Voraussetzungen), die diese Erkrankung hervorgerufen haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) gesichert sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit verbun-denen Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaß-stab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (siehe etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es fehlt bereits an einer nach den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO (§§ 2,3 oder 6 SGB VII) versicherten Tätigkeit. Ebenso wie Soldaten der Bundeswehr unterliegen auch Berufssoldaten der NVA nicht dem Versicherungsschutz nach den §§ 539 ff. RVO bzw. den §§ 2,3 oder 6 SGB VII. Ledig-lich ehemalige Grundwehrdienstpflichtige der NVA, denen weder Ansprüche nach dem SVG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Dienstbeschädigtenausgleichs-gesetz (DbAG, in der Fassung vom 21. Dezember 2008, BGBl. I 2933) zustehen und die auch nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung unterlagen, hat der Ge-setzgeber durch die Neufassung von § 215 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII nachträglich rückwirkend in den Kreis der versicherten Personen einbezogen (siehe Art. 1 Nr. 33 Buchstabe a und Art. 13 Abs 2 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Un-fallversicherung vom 30. Oktober 2008, BGBl. I, 2130; dazu auch BT-Drucks 16/9154, 37 und BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 35/07 R – juris). Der grundlegende Unterschied zwischen der VersO-NVA und der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich bereits aus der Bezeichnung. Denn die VersO-NVA stellt keine Versicherung, sondern eine Versorgung der Angehörigen der NVA dar. Das Sonderversorgungssys-tem der NVA gewährleistete eine eigenständige Sicherung der einbezogenen Perso-nen, die der bundesdeutschen Beamtenversorgung vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 – B 2 U 19 / 98 R – SozR 3-2200 § 1150 Nr. 2 mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese Absicherung außerhalb der Sozialversicherung bestanden habe).
Auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann der Senat nicht erkennen. Werden als vergleichbare Personengruppe die Soldaten der Bundeswehr herangezogen, liegt schon deshalb keine Ungleichbehandlung vor, als auch diese keinen Versicherungs-schutz nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung genießen. Sofern darauf abgestellt würde, dass Bundeswehrsoldaten der Versorgung nach dem SVG unterlie-gen, wohingegen Berufssoldaten der NVA stattdessen dem Anwendungsbereich des DbAG zuzuordnen sind, ist für den Senat nach der Neufassung des DbAG durch das 2. Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1939) ebenfalls keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mehr ersichtlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. November 2001 – 1 BvL 19/93 u.a. – SozR 3-8570 § 11 Nr. 5).
Da demnach bereits keine BK festzustellen ist, konnte die Berufung keinen Erfolg ha-ben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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