L 15 SO 141/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 1732/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 141/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2009 geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin I B bewilligt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der 1981 geborene Antragsteller wird seit dem 17. März 2009 wegen verschiedener Abhängigkeitserkrankungen in der "Stationären Rehabilitation Sucht" des Thof B-B e. V. behandelt. Die Aufnahme erfolgte direkt aus der Strafhaft wegen Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung in Verbindung mit einer Therapieauflage der Staatsanwaltschaft Amberg gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz. Der Antragsgegner übernahm die Kosten der stationären Maßnahme bis zum 16. Juli 2009. Den von den behandelnden Therapeutinnen befürworteten Antrag vom 08. Juli 2009 auf weitere Kostenübernahme für die übliche, zur Erreichung der Therapieziele erforderliche Behandlungsdauer von insgesamt 6 Monaten lehnte der Antragsgegner mündlich mit der Begründung ab, er sei nicht mehr zuständig, weil der Antragsteller inzwischen krankenversichert sei, nachdem das JobCenter C-W ihm mit Bescheid vom 30. Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 26. März bis 30. September 2009 bewilligt hatte. Die AOK B, bei der der Antragsteller infolge der Leistungsbewilligung krankenversichert ist, vertrat gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 15. Juli 2009 die Auffassung, dass dieser als Kostenträger für die Fortführung der laufenden Behandlung zuständig bleibe.

Am 15. Juli 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen für die weitere stationäre Suchtrehabilitation für die Zeit vom 17. Juli bis 30. September 2009 zu gewähren und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Zur Begründung hat er unter Hinweis auf ein Schreiben der Einrichtung vom selben Tage geltend gemacht, er sei von akuter Obdachlosigkeit bedroht, da wegen der ungeklärten weiteren Kostenübernahme die stationäre Behandlung am 17. Juli 2009 vorzeitig abgebrochen werden solle. Die aktuelle Situation habe bei ihm eine Krise ausgelöst, die eine intensive therapeutische Begleitung zwingend notwendig mache. Denn er sei noch nicht ausreichend stabilisiert, um die gewonnene Abstinenz von Suchtmitteln auch unter den ihm drohenden Bedingungen aufrechterhalten zu können.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17. Juli 2009 die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Antragsteller habe jedenfalls einen Anordnungsgrund nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller ohne weitere Kostenübernahme die Einrichtung tatsächlich verlassen müsse. Denn wenn die von ihm wie auch vom Einrichtungsträger behauptete akute Gefahr eines Drogenrückfalls tatsächlich bestehe, verbiete sich eine einseitige Beendigung des Aufenthalts durch den Einrichtungsträger unter dem strafrechtlichen Gesichtspunkt der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323 c Strafgesetzbuch. Die Frage der Kostenübernahme sei deshalb bei Sachverhalten wie dem vorliegenden grundsätzlich nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern im Klageverfahren zu klären. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sei gemäß § 73 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO – wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht ebenfalls zurückzuweisen.

Mit seiner Beschwerde vom 28. Juli 2009 wendet sich der Antragsteller nur gegen die Ablehnung seines PKH-Antrages. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts habe eine hinreichende Erfolgsaussicht vorgelegen. Ein Anordnungsanspruch habe bestanden, denn der Antragsgegner habe mit Schreiben vom 20. Juli 2009 die Kosten der weiteren stationären Rehabilitation bis zum 16. September 2009 bewilligt. Auch ein Anordnungsgrund habe vorgelegen, denn der Einrichtungsträger habe angekündet gehabt, ihn wegen der fehlenden weiteren Kostenübernahmeerklärung zu entlassen. Damit habe die Gefahr seiner Obdachlosigkeit unmittelbar bevorgestanden. Es sei unerheblich, ob sich der Einrichtungsträger später möglicherweise dafür strafrechtlich zu verantworten gehabt hätte.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73 a SGG i. V. m. §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO für das Verfahren vor dem Sozialgericht liegen sämtlich vor: Der Antragsteller konnte und kann die Kosten der Rechtsverfolgung nicht selbst aufbringen, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war erforderlich und der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bot erstinstanzlich auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. War – wie hier – eine begehrte Leistung (noch) nicht zuerkannt worden, setzt die einstweilige Verpflichtung zur Leistung voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 ZPO; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit feststellbar sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund). Dabei reicht für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits die "gute Möglichkeit" eines Erfolges in der Sache aus, insbesondere wenn die Rechtslage nicht einfach zu beurteilen ist. Ein Anspruch auf die vom Antragsteller begehrte weitere Kostenübernahme für die stationäre Rehabilitation zu Lasten des Antragsgegners war aus den von der Krankenkasse dargelegten Gründen hinreichend wahrscheinlich, dies bestätigt auch die vom Antragsgegner nunmehr unter dem 20. Juli 2009 abgegebene Kostenzusage.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Antragsteller aber auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Eilbedürfnis ergibt sich daraus, dass die in Rede stehenden Leistungen der stationären Suchtrehabilitation sofort erforderlich waren, um die Notlage des Antragstellers zu beseitigen und der Einrichtungsträger angekündigt hatte, ihn ohne weitere Kostenzusage in Kürze zu entlassen. Ob dieser sich damit angesichts der geltend gemachten Gefahr eines Drogenrückfalles wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen könnte, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist deshalb im Rahmen des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes nicht ein Anordnungsgrund zu verneinen, denn es kann einem Leistungsträger regelmäßig nicht angesonnen werden, das Risiko, angefallene Kosten für eine den Umständen nach erforderliche stationäre Behandlung nicht ersetzt zu bekommen, bis zum Abschluss eines – oft länger andauernden – Hauptsacheverfahrens zu tragen. Ebensowenig ist dem in einer labilen Phase seiner Suchttherapie befindlichen Antragsteller zuzumuten, sich über längere Zeit dem Risiko ausgesetzt zu sehen, entweder die Einrichtung verlassen zu müssen oder möglicherweise vom Einrichtungsträger selbst in Anspruch genommen zu werden, wenn die entstandenen Aufwendungen nicht von einem Träger von Sozialleistungen übernommen werden. Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Frage der Kostenübernahme bei Sachverhalten wie dem vorliegenden grundsätzlich nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern im Klageverfahren zu klären sei, ist zumindest in dieser Allgemeinheit nicht haltbar.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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