L 3 AS 80/07

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 AS 151/06
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 AS 80/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Trotz Belehrung über die Unangemessenheit der Kaltmiete durch den Sozialhilfeträger sind Hilfebedürftige, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, erneut über die angemessene örtliche Kaltmiete zu belehren, wenn sich der Wohnbedarf durch ein neues Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (hier: Geburt eines weiteren Kindes) erhöht hat.
2. Anforderungen an die Ermittlung der angemessenen örtlichen Kaltmiete durch den Grundsicherungsträger bei fehlendem Mietspiegel (Fortführung von LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.06.2008, Az.: L 3 AS 41/06).
1. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.07.2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2005 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 16.03.2005 und vom 10.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2006 geändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.02.2005 bis zum 31.08.2005 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlich aufgewandten Kosten zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger in der Zeit vom 01.02.2005 bis zum 31.08.2005 gegen die Beklagte Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft haben.
Die am 14.10.1968 geborene Klägerin zu 1) beantragte im September 2002 erstmals für sich und ihren am 05.11.1996 geborenen Sohn J T B , den Kläger zu 3), Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Zum damaligen Zeitpunkt bewohnte sie bereits ihre jetzige Wohnung in B , A , die damals über drei Zimmer verfügte und eine Wohnfläche von 65 qm aufwies. Die Kaltmiete betrug damals wie im streitgegenständlichen Zeitraum 350,00 EUR monatlich. Daneben waren ein Heizkostenabschlag in Höhe von 85,00 EUR monatlich und ein Nebenkostenabschlag in Höhe von 65,00 EUR monatlich zu zahlen. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt nicht über die Heizung. In der BSHG Akte der Beklagten befindet sich ein handschriftlicher Vermerk vom 04.09.2002, in dem die angemessene Miete mit 60 qm x 3,71 EUR = 223,00 EUR fest-gehalten wurde. Es findet sich weiterhin der Vermerk, dass die Klägerin zu 1) im persönlichen Gespräch über die angemessene Miete von der Verbandsgemeinde B informiert worden sei. Entsprechend bewilligte die Beklagte den Klägern zu 1) und zu 3) mit Bescheid vom 17.09.2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ab dem 16.09.2002 unter Berücksichtigung von Kosten der Un-terkunft und Heizung in Höhe von 323,00 EUR (Kaltmiete in Höhe von 223,00 EUR, Ne-benkosten in Höhe von 50,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 50,00 EUR).
Am 04.09.2004 wurde der zweite Sohn der Klägerin zu 1) N L E , der Kläger zu 2), geboren.
Im Oktober 2004 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen lediglich in Form der Kindergeldzahlungen für ihre beiden Söhne, die Kläger zu 2) und zu 3), in Höhe von 308,00 EUR monatlich. Der Kläger zu 3) erhielt eine Halbwaisenrente aus der Versicherung seines Ende 2001 verstorbenen Vaters in Höhe von 60,27 EUR monatlich. Für den Kläger zu 2) wurde im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 ein Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von 122,00 EUR monatlich gezahlt. Zum 01.07.2005 erhöhte sich der Vorschuss auf 127,00 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 20.12.2004 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 536,12 EUR monatlich für Regelleistung/Sozialgeld und Mehrbedarfe sowie in Höhe von 358,88 EUR monatlich für Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung und Nebenkosten. Der Leistungsberechnung zugrunde gelegt wurden neben einer Regelleistung für die Klägerin zu 1) in Höhe von 345,00 EUR ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,20 EUR sowie Sozialgeld für die Kläger zu 2) und zu 3) in Höhe von je 207,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 366,15 EUR (Miete in Höhe von 241,15 EUR, Nebenkosten in Höhe von 65,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 60,00 EUR). In der Folgezeit legten die Kläger eine Mietbescheinigung des Vermieters vom 05.01.2005 vor, aus der sich ergab, dass sich das Mietverhältnis zum 01.02.2005 insofern verändert hatte, als nunmehr die Wohnfläche der Wohnung 76 qm betrug. Die Kläger hatten einen weiteren Raum zu der ursprünglichen Wohnung hinzugemietet. Die Kaltmiete sowie die Heizungs und Nebenkostenabschläge blieben unverändert (insge-samt 500,00 EUR monatlich).
Mit Bescheid vom 19.01.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit ab dem 01.02.2005 Leistungen für Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung und Nebenkosten in Höhe von 326,98 EUR monatlich. Die übrigen Leistungen nach dem SGB II wurden mit monatlich 483,02 EUR festgesetzt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es werde nunmehr eine Kaltmiete in Höhe von 278,25 EUR anerkannt. Des Weiteren werde bei dem Kläger zu 2) ein Unterhaltsvorschuss in Höhe von 122,00 EUR berücksichtigt. Aus der dem Bescheid beigefügten Anlage zur Bedarfsberechnung ergab sich, dass nunmehr Kosten der Unterkunft in Höhe von 403,25 EUR zugrunde gelegt wurden (Kaltmiete in Höhe von 278,25 EUR, Nebenkosten in Höhe von 65,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 60,00 EUR jeweils monatlich).
Gegen den Bescheid vom 19.01.2005 legten die Kläger am 16.02.2005 Widerspruch ein. Der Widerspruch richtete sich zum einen gegen die Höhe der Regelleistungen für den Kläger zu 3) und zum anderen gegen die von der Beklagten ausgehend von einem Quadratmeterpreis von 3,71 EUR festgelegten Kaltmiete. Für diesen Quadratmeterpreis seien im Bereich der Grundschule B keine bzw keine ausreichenden Wohnungen zu finden.
Mit Bescheid vom 16.03.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit ab dem 01.02.2005 monatliche Leistungen in Höhe von 825,00 EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 418,25 EUR monatlich und übrige Leistungen in Höhe von 406,75 EUR monatlich). Zur Begründung teilte die Beklagte mit, es würden jetzt Heizkosten in Höhe von 75,00 EUR anerkannt. Der Berechnung wurden nunmehr Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 418,25 EUR zugrunde gelegt. Mit weiterem Bescheid vom 10.06.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.08.2005 lediglich noch 820,00 EUR monatlich. Zur Begründung führte sie aus, dass ab dem 01.07.2008 Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 127,00 EUR angerechnet würden. Die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten für Unterkunft und Heizung blieben unverändert.
Nachdem zum 01.09.2005 in der Verbandsgemeinde B eine getrennte Trägerschaft eingeführt worden war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2006 den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 19.01.2005 betreffend die Kosten für Unterkunft und Heizung als unbegründet zurück. Die Unterkunftskosten der Kläger seien unangemessen hoch. Für einen Dreipersonenhaushalt sei eine Wohnfläche von maximal 75 qm angemessen, so dass die tatsächliche Größe von 76 qm diese angemessene Größe wenn auch nur geringfügig überschreite. Unangemessen sei auch der Mietpreis von 350,00 EUR für 76 qm, was einem Quadratmeterpreis von 4,61 EUR entspreche. Sie habe unter Berücksichtigung der Kriterien und Erfahrungswerte vor Ort den angemessenen Quadratmeterpreis mit 3,71 EUR ermittelt. Die Kläger seien dem nicht substantiiert entgegengetreten. Ein Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächli-chen Kosten der Unterkunft ergebe sich auch nicht aus § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei auf Fälle beschränkt, in denen Hilfesuchende eine im Sinne des SGB II unangemessene Wohnung bei Eintritt der Hil-febedürftigkeit bereits bewohnten. Die Kläger hätten jedoch bereits vor Inkrafttreten des SGB II und der entsprechenden Leistungsgewährung diese Wohnung nicht aus eigenen Mitteln finanziert, sondern in der Zeit von September 2002 bis Dezember 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG von der Beklagten bezogen. Bereits im Rahmen der Gewährung dieser Hilfe sei lediglich ein angemessener Quadratmeterpreis von 3,71 EUR berücksichtigt worden. Nebenkosten würden in der tatsächlichen Höhe von 65,00 EUR monatlich und Heizkosten in angemessener Höhe von 75,00 EUR monatlich berücksichtigt. In dem Änderungsbescheid vom 16.03.2005 sei versehentlich das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft auf die in die Trägerschaft der Agentur für Arbeit entfallenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kosten für Unterkunft und Heizung angerechnet worden, während dieses korrekterweise lediglich als Einkommen bei den Klägern zu 2) und zu 3) anzurechnen gewesen wäre und daher auch ihren Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung gesenkt hätte. Dies habe jedoch lediglich zu einer Begünstigung der Kläger geführt.
Die Kläger haben am 20.01.2006 Klage beim Sozialgericht Koblenz erhoben.
Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, ein Wohnort bzw Schulwechsel sei dem Kläger zu 3) nach Ansicht seiner Ärzte nicht zuzumuten. Er habe vor nicht allzu langer Zeit sowohl seinen Vater als auch seinen Bruder verloren und habe dieses traumatische Erlebnis bisher noch nicht vollständig verkraftet. Er solle daher nicht aus seinem gewohnten sozialen Umfeld herausgerissen werden.
Die Beklagte hat Aufstellungen über die in der O sowie im B in den Jahren 2005 bis 2007 inserierte Wohnungen sowie Abschriften von Mietbescheinigungen vorgelegt.
Mit Urteil vom 11.07.2007 hat das Sozialgericht Koblenz die Beklagte verpflichtet, die tatsächlich anfallenden Nebenkosten und die angemessenen Heizkosten zu übernehmen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Wohnung der Kläger sei zwar nicht unangemessen groß, jedoch hinsichtlich des Quadratmeterpreises zu teuer. Der ortsübliche Durchschnitt für angemessenen Wohnraum liege in der Verbandsgemeinde B bei 3,71 EUR pro Quadratmeter, der von den Klägern zu entrichtende Mietzins belaufe sich jedoch auf 4,60 EUR. Die Kläger seien auch über die Kriterien einer sozialhilfe-rechtlich angemessenen Wohnung während ihres vorhergehenden Sozialhilfebe-zugs vollständig und zutreffend aufgeklärt worden. Bereits während des Sozialhilfebezugs sei ihnen der Quadratmeterpreis, der der Berechnung ihrer Unterkunftskosten zugrunde gelegt worden sei, offengelegt worden. Sie seien daher schon vor dem 01.01.2005 in der Lage gewesen, sich zielgerichtet um eine nach Größe und Preis angemessene Wohnung zu bemühen, um ihre Unterkunftskosten zu senken. Nur im Hinblick auf den Wechsel des Leistungsträgers zum 01.01.2005 sei eine erneute Aufklärung der Kläger in Bezug auf die Angemessenheit der Wohnung nicht erforderlich gewesen. Hinsichtlich der Nebenkosten sei allerdings davon auszugehen, dass diese entsprechend der tatsächlichen Kosten zu gewähren seien. Eine Pauschalierung sei nicht zulässig. Die Beklagte habe deshalb auch die angemessenen Heizkosten zu übernehmen und könne sich nicht auf die Bewilligung und Zahlung einer Heizkostenpauschale zurückziehen.
Gegen das ihnen am 09.08.2007 zugestellte Urteil haben die Kläger am 28.08.2007 Berufung eingelegt.
Die Kläger tragen vor, eine Auswertung der von der Beklagten vorgelegten Zeitungsannoncen und Mietbescheinigungen habe gezeigt, dass in der Gemeinde B kein ausreichendes Wohnungsangebot zu einem Quadratmeterpreis von 3,71 EUR für einen 3 Personenhaushalt vorhanden sei. Das Gericht hätte daher die Angemessenheit selbst überprüfen müssen. Im Übrigen müssten auch Kriterien wie Einkaufsmöglichkeiten, Schule, Kindergarten, Notwendigkeit eines Pkws uä Beachtung finden. Als alleinerziehende Mutter sei die Klägerin zu 1) in ihren organisatorischen Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Gerade in vielen Ortsgemeinden außerhalb des Grundzentrums des B , welches aus den Gemeinden B und N besteht, fehle es an ausreichenden Einkaufsmöglichkeiten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.07.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2005 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 16.03.2005 und 10.06.2005 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern für die Zeit vom 01.02.2005 bis zum 31.08.2005 höhere Unterkunftskosten nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Kläger hätten bereits seit September 2002 Gelegenheit gehabt, in eine preisgünstigere Wohnung um-zuziehen. Es seien immer wieder vereinzelt Wohnungen zu dem von ihr als angemessen erachteten Quadratmeterpreis im Angebot gewesen und auch noch aktuell im Angebot. Dabei sei auch zu beachten, dass ein erheblicher Anteil von Wohnungen im unteren Preissegment häufig durch "Mund zu Mund Propaganda" bzw durch Aushänge in Einkaufszentren oder durch Hinweisschilder direkt an den Häusern vermietet würde. Diese Wohnungen würden aus Kostengründen erst gar nicht in Annoncen der einschlägigen Zeitungen erscheinen. Nach ihren Feststel-lungen ergebe sich innerhalb der Verbandsgemeinde B ein unteres Mietpreis-segment von ca 3,40 EUR bis 4,00 EUR und ein oberes Preissegment von ca 4,50 EUR bis 5,00 EUR. Das untere Mietpreissegment sei dabei geprägt von Altbauwohnungen, insbesondere auch sehr häufig von alten Bauernhäusern, welche für die in früherer Zeit von der Landwirtschaft dominierte Region typisch seien. Bei diesen Häu-sern richte sich der Mietpreis nach dem Umfang der durchgeführten Renovie-rungsarbeiten und dem technischen Standard. Dabei seien auch Wohnungen mit Einzelöfen und geringerer Ausstattung durchaus auch von nicht Hilfeempfängern mit niedrigem Einkommen aus Kostengründen angemietet und akzeptiert worden. Folglich könnten sie auch einem Leistungsempfänger nach dem SGB II zugemutet werden. Schließlich sei auch anzumerken, dass die Mietpreise in der hiesigen Region nach ihrer Einschätzung seit Jahren stagnierten.
Ergänzend zu den bereits vorgelegten Aufzeichnungen über Wohnungsannoncen hat die Beklagte noch eine Aufstellung von Zeitungsinseraten aus der O sowie aus dem B für Ende 2007/Anfang 2008 vorgelegt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte darüber hinaus weitere Angaben dazu gemacht, wie der für angemessen erachtete Kaltmietpreis ermittelt worden ist. Insofern wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten (einschließlich der Akten über den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG) der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Bera-tung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten im streitgegen-ständlichen Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 31.08.2005.
Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Abs 1 Satz 2 in der hier noch anwendbaren Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I S 2954 (jetzt: Satz 3) als Bedarf des al-leinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Vorliegend können die Kläger ihr Begehren bereits darauf stützen, dass die Be-klagte sie nicht hinreichend über die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten aufgeklärt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss des erkennenden Senats vom 19.09.2006 – Az.: L 3 ER 161/06 AS; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 27.02.2008 - Az.: B 14/7b AS 70/06 R). Dem Hilfebedürftigen ist auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) regelmäßig zumindest der für seine Bedarfsgemeinschaft angemessene Mietpreis zu benennen, es sei denn die maßgeblichen Gesichtspunkte sind diesem bereits aus anderem Grund bekannt. Die Klägerin zu 1) ist zwar im September 2002 durch den Sozialhilfeträger darüber belehrt worden, dass die angemessene Miete zum damaligen Zeitpunkt 223,00 EUR (60 qm x 3,71 EUR) betrage. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Bedarfsgemeinschaft (bzw. Haushaltsgemeinschaft) jedoch nur aus der Klägerin zu 1) selbst und ihrem 1996 geborenen Sohn J T B , dem Kläger zu 3). Der Kläger zu 2) wurde erst zwei Jahre später geboren, wodurch sich der Wohnbedarf der Familie erhöhte. Die Beklagte hätte diesen Umstand daher zum Anlass nehmen müssen, die Kläger auf den nunmehr für sie geltenden Mietpreis hinzuweisen.
Darüber hinaus konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Unterkunftskosten der Kläger, insbesondere die von ihnen zu zahlende Kaltmiete unangemessen sind.
Die Prüfung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine Einzelfallprüfung voraus. Im Rahmen dieser Prüfung ist zunächst anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwoh-nungsbaus die maßgebliche Wohnungsgröße zu bestimmen (BSG, SozR 4 4200 § 22 Nr 3). Dies waren im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß der Verwal-tungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen zum Vollzug des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsge-setz) vom 17.12.1991 (490 04/1 459) Nr 5.10 für einen Haushalt mit drei Familienmitgliedern Wohnungsgrößen bis zu 75 qm (vgl für den aktuellen Leistungszeitraum das Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 09.02.2007 zum Vollzug der Bindungen geförderter Wohnungen, Az.: 490 04/1 1 4511 unter Nr 7.3.2, welches nunmehr bei einem 3 Personenhaushalt von Wohnungsgrößen von bis zu 80 qm ausgeht). Mit einer Wohnfläche von 76 qm überschreitet die Wohnung der Kläger die zulässige Höchstwohnfläche von 75 qm bei einer aus drei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft nur sehr geringfügig. Diese geringe Abweichung ist leistungsrechtlich ohne Bedeutung.
Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard auf-weist. Die Wohnung muss von daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Woh-nungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (so genannte Produkttheorie, vgl BSG, a-aO).
Da in der Verbandsgemeinde B kein Mietspiegel bzw keine Mietdatenbanken (§§ 558c ff Bürgerliches Gesetzbuch BGB ) vorhanden sind, auf die für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises zurückgegriffen werden könnte, muss dieser auf andere Art und Weise ermittelt werden. Grundsätzlich kann dies durch eine Beobachtung des Wohnungsmarktes, dh durch Beobachtung der ein-schlägigen Immobilienanzeigen, der Angebote der Immobilienmakler sowie der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und die Erstellung eigener grundsicherungsrelevanter Mietspiegel oder Tabellen durch den Grundsicherungsträger erfolgen. Nur soweit ergänzende Möglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiter führen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum Wohnraumförderungsgesetz erlassenen landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Betracht (vgl erneut BSG, aaO). Dabei müssen die von den Grundsicherungsträgern erstellten Mietspiegel oder Tabellen nach der Rechtsprechung des Senats gewissen Anforderungen genügen, insbesondere nach der Wohnungsgröße differenzieren. Weiterhin muss sichergestellt sein, dass das vorhandene Angebot nicht nur punktuell, sondern umfassend erfasst wird und dass keine veralteten Mietverträge in die Berechnung einfließen (vgl Urteil des erken-nenden Senats vom 10.06.2008 Az.: L 3 AS 41/06).
Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen betreffend die Beobachtung des Wohnungsmarktes in der Verbandsgemeinde B seit dem 01.01.2005 zeigen, dass der von der Beklagten als angemessen erachtete Quadratmeterpreis von 3,71 EUR nicht den tatsächlich existierenden Wohnungsmarkt für das hier maßgebliche Segment von Wohnungen mit einer Wohnfläche von bis zu 75 qm widerspiegelt. Legt man den Anteil der Wohnungen mit einer Wohnfläche von 65 bis 75 qm zugrunde, welche im Wesentlichen für einen 3 Personenhaushalt in Betracht kommen, so ist festzustellen, dass keine der in der O im Jahr 2005 in-serierten Wohnungen mit einer entsprechenden Wohnfläche einen Quadratmeter-preis von 3,71 EUR oder niedriger aufweist. Von den im Jahr 2006 inserierten insgesamt 77 Wohnungen mit einer solchen Wohnfläche weisen lediglich sieben Woh-nungen einen Quadratmeterpreis unterhalb der Angemessenheitsgrenze der Be-klagten aus, wobei es sich bei einigen der Wohnungen um Doppelnennungen handeln dürfte. Entsprechendes gilt für das Jahr 2007. Auch hier sind nur verein-zelt Wohnungen mit einem geringeren Quadratmeterpreis als 3,71 EUR aufgelistet, wobei auch hier einige Anzeigen Doppelnennungen sein dürften. Von den 43 im Jahr 2005 im "B " inserierten Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 65 und 75 qm war keine zu einem Quadratmeterpreis von 3,71 EUR oder darunter verfügbar. Sieben Wohnungen wurden zu einem Quadratmeterpreis von 3,73 EUR und eine zu einem Quadratmeterpreis von 3,78 EUR angeboten, wobei auch hier Doppelnennungen wahrscheinlich sind. Auch im Jahr 2006 war keine der 39 Wohnungen mit entsprechender Wohnfläche zu einem Quadratmeterpreis von 3,71 EUR oder darunter zu vermieten. Lediglich eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 76 qm wurde zu einem Quadratmeterpreis von 3,69 EUR angeboten sowie zwei wei-tere mit einer Wohnfläche von bis zu 75 qm zu einem Quadratmeterpreis von 3,78 EUR, wobei es sich jedoch auch hier um die gleiche Wohnung handeln dürfte. Von den vorgelegten Mietbescheinigungen wurden lediglich zwei für Wohnungen ausgestellt, die eine Wohnfläche von 65 bis 75 qm hatten und einen von der Beklagten als angemessen akzeptierten Quadratmeterpreis aufwiesen. Diese Woh-nungen wurden zum Oktober 2005 bzw zum Juli 2006 angemietet. Sollten diese über ein Inserat vermietet worden sein, dürften sie sich auch in den vorliegenden Listen der O und des "B " finden.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass ihrer Auffassung nach Woh-nungen aus dem unteren Preissegment häufig mit "Mund zu Mund Propaganda" oder durch Aushänge in Geschäften etc vermietet würden. Hierfür hat die Beklagte keine Nachweise vorgelegt oder auch nur angeboten.
Die weiteren Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung haben im Übrigen gezeigt, dass die eigentliche Festsetzung des angemessenen Quadratmeterpreises nicht auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen, sondern bereits im Jahr 2000 aufgrund der damals ausgewerteten Anzeigen in der O und im "B " ermittelt worden waren. Im Anschluss wurde dann der Markt weiter beobachtet, ob Wohnungen zu dem ermittelten Quadratmeter-preis vorhanden sind, ohne jedoch den Quadratmeterpreis selbst zu überprüfen.
Die Methode der Beklagten, drei (Preis-)Kategorien allein ausgehend von der Kalt-miete zu bilden, ohne dabei den Wohnungsstandard zu berücksichtigen, ist nach dem oben gesagten nicht zulässig. Im Übrigen hat die Beklagte auch nach ihren Angaben nicht berücksichtigt, inwiefern die Wohnungen, deren Kaltmieten im unteren Preissegment (3,40 EUR bis 4 EUR) liegen, einem gewissen Mindeststandard, der auch Leistungsempfängern nach dem SGB II zuzugestehen ist, genügen. So wur-de bei der Auswertung insbesondere ohne nähere Überprüfung unterstellt, dass alle Wohnungen der unteren Kategorie mit Bad und WC innerhalb der Wohnung ausgestattet sind. Die ausgewerteten Anzeigen haben hierzu wie die Beklagte selbst angibt nicht immer Angaben gemacht.
Die Beklagte hat weiterhin eingeräumt, dass bei der Bildung der drei Wohnungs-kategorien eine Differenzierung nach der Wohnungsgröße nicht statt gefunden hat. Ferner ist nach den Angaben der Beklagten zu ihrer Vorgehensweise nicht sicher gestellt, dass der Wohnungsmarkt umfassend erfasst wurde, da auf eine Auswertung des Internets sowie der Rhein-Zeitung verzichtet wurde. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Anzeigen nur im Internet oder nur in der Rhein-Zeitung geschaltet werden und daher nicht von der Auswertung der Beklagten erfasst werden.

Ausgehend von den vorgelegten Unterlagen der Beklagten und den von ihr ergän-zend im Termin gemachten Angaben genügen die von ihr angestellten Ermittlungen nicht den oben näher dargelegten Anforderungen. Der Senat sieht sich allerdings auch nicht in der Lage, aus den von der Beklagten vorgelegten Listen selbst den angemessenen Quadratmeterpreis im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 31.08.2005 zu ermitteln. Dies schon deswegen, weil ausge-schlossen werden müsste, dass das Ergebnis durch Doppelnennungen verfälscht wird. Dies kann jedoch nicht überprüft werden, da erst seit Ende 2006 die Tele-fonnummern der Inserenten notiert wurden. Auch enthalten die Listen keine Anga-ben zur Ausstattung der Wohnung. Dies geht letztendlich zu Lasten der Beklagten. Ein Rückgriff auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG scheidet deswegen aus (vgl hierzu erneut Urteil des erkennenden Senats vom 10.06.2008, aaO).

Da nicht feststellbar ist, dass der von der Beklagten zugrunde gelegte Quadratme-terpreis von 3,71 EUR in der Verbandsgemeinde B angemessen ist, kommt es nicht darauf an, ob seit dem Beginn des Sozialhilfebezugs im September 2002 oder im streitgegenständlichen Zeitraum möglicherweise Wohnraum zu dem von der Beklagten für angemessen erachteten Mietzins zur Verfügung stand. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dies wie sich aus den vorgelegten Listen und Mietbescheinigungen ergibt nur ganz vereinzelt der Fall war.
Da die Wohnfläche der von den Klägern bewohnten Wohnung die Grenze der Angemessenheit von 75 qm, welche bereits im Februar 2007 auf 80 qm heraufgesetzt wurde, nur sehr geringfügig, nämlich um einen Quadratmeter übersteigt, erscheint es vorliegend sachgerecht, die tatsächliche Kaltmiete in Höhe von 350,00 EUR der Leistungsberechnung zugrunde zu legen. Daneben haben die Kläger Anspruch auf die tatsächlichen Nebenkosten in Höhe des Abschlags von 65,00 EUR, wie er von der Beklagten hier auch bereits der Leistungsberechnung zugrunde gelegt wurde, sowie die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 85,00 EUR monatlich. Soweit das Sozialgericht Koblenz hier tenoriert hat, es bestehe ein Anspruch auf die "angemessenen" Heizkosten, ohne diese näher zu definieren, ist dies nicht nachvollziehbar. Der monatliche Anspruch der Kläger auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung beläuft sich somit auf monatlich 500,00 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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