L 7 B 311/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 93/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 311/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.08.2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, der Antragstellerin für die Abnahmestelle I-str. 00 in 00000 L ein Darlehen in Höhe von 248,00 EUR zur Tilgung der bei der Stadtwerken L GmbH bestehenden und mit Schreiben vom 10.09.2009 angemahnten Zahlungsrückstände zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu 1/4.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist in dem tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

2. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Leistungen für Heizung und Warmwasser in vollem Umfang über Juni 2009 hinaus gemäß § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren; die Regelleistung gemäß § 20 SGB II ist damit nicht Gegenstand dieses einstweiligen Streitverfahrens. Der erkennende Senat hatte mit Beschluss vom 19.01.2009 (L 7 B 307/08 AS ER) die Antragsgegnerin einstweilen verpflichtet, die rückständigen und laufenden Kosten bis einschließlich Juni 2009 für die Belieferung mit Fernwärme durch die Stadtwerke L darlehensweise zu übernehmen.

a) Soweit die Antragstellerin sinngemäß die Tilgung der bei der Stadtwerken L GmbH bestehenden und mit Schreiben vom 10.09.2009 angemahnten Zahlungsrückstände in Höhe von 248,00 EUR begehrt, ist die Beschwerde der Antragstellerin begründet. Die Antragstellerin kann die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Gewährung eines entsprechenden Darlehens zur Tilgung dieser bei der Stadtwerken bestehenden Zahlungsrückstände mit Erfolg beanspruchen.

Die Übernahme dieser Rückstände ist in Anlehnung an § 22 Abs. 5 SGB II gerechtfertigt und geboten, um einen der Wohnungslosigkeit gleichzusetzenden Zustand der Unbewohnbarkeit der Wohnung der Antragstellerin zu vermeiden; gemäß § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II sollen die Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Zur Überzeugung des Senats steht die fehlende Energieversorgung einer Wohnung einer Unbewohnbarkeit gleich, jedenfalls soweit - wie es hier der Fall ist - auch Kinder hiervon betroffen sind. Die Stadtwerke L GmbH hat mit Schreiben vom 10.09.2009 eine Sperrung der Versorgungsanlage zum 22.09.2009 angekündigt; ein Versuch des Berichterstatters des Senats, diesen Termin aufzuschieben, blieb ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Senats basiert insoweit ausschließlich auf einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung. Denn die Antragstellerin bewohnt zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern ihre Wohnung; der Senat hatte sich schützend gerade vor die Grundrechte der Kinder zu stellen. Wegen der Eilbedürftigkeit hat der Senat davon abgesehen, die beiden Kinder als weitere Antragsteller mit in das Rubrum aufzunehmen.

b) Zu einer weitergehenden Anordnung bestand kein Anlass. Denn die Antragstellerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass sie zur Erbringung der laufenden Energieabschläge finanziell nicht in der Lage ist. Entgegen ihrer Rechtsauffassung hat sie insoweit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Denn sie hat nach wie vor nicht glaubhaft gemacht, dass sie hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Soweit der Ehemannes der Antragstellerin meint, seine Einkommens- und Vermögenssituation spiele hierbei keine Rolle, ist dies rechtlich falsch. Der Senat hat die Antragstellerin und ihren Ehemann wiederholt darauf hingewiesen, dass der Ehemann mit der Antragstellerin und ihren beiden Kindern eine Bedarfsgemeinschaft bildet und deshalb Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind. Denn zur Bedarfsgemeinschaft gehören als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die vorübergehende räumliche Trennung innerhalb der Woche steht der Beurteilung nicht entgegen. Der Begriff des dauernden Getrenntlebens (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB) wird durch den Zustand gekennzeichnet, dass die zum Wesen der Ehe gehörende Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht. Bei fehlender häuslicher Gemeinschaft ist wesentlich auf den Trennungswillen abzustellen, der sich nach außen etwa in der Stellung eines Scheidungsantrages manifestieren kann (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 Rn. 41). Ein Trennungswille lässt sich dem Vortrag der Antragsteller und auch den Ausführungen des Ehegatten im früheren Erörterungstermin vom 06.01.2009 nicht entnehmen. Zwar hat letzterer ausgeführt, sich überwiegend in der Eigentumswohnung in O aufzuhalten. Von dort versuche er sich eine neue berufliche Basis aufzubauen. Er hat aber selbst darauf hingewiesen, dass er nicht getrennt von der Familie lebe. So sei er in der Regel an den Wochenenden in der Regel in L, in der Woche praktisch nicht, weil er deutschlandweit unterwegs sei.

Besteht, wie vorliegend eine Bedarfsgemeinschaft mit den Antragstellerin, ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch die Einkommens- und Vermögenssituation des Ehegatten zu berücksichtigen. Die Einkommens- und Vermögenssituation des Ehegatten der Antragstellerin ist jedoch immer noch ungeklärt. Denn der Ehegatte weigert sich nach wie vor, die Geschäftsunterlagen der J GmbH vorzulegen. Aus diesem Grunde lässt sich nicht feststellen, ob Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus dieser Tätigkeit zustehen. Die Schriftsätze der Antragstellerin wurden unter der Kopfzeile "J GmbH O" gefaxt. Diese Gesellschaft tritt damit nach außen hin nach wie vor auf. Der weitere Zusatz in der Telefaxkopfzeile "GF" dürfte wohl auf "Geschäftsführung" bzw. "Geschäftsführer" hinweisen.

Die Erläuterungen des Ehegatten der Antragstellerin im Erörterungstermin am 06.01.2009 und die aus dem Verfahren bekannten sonstigen Umstände geben Veranlassung, die finanziellen Voraussetzungen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die J Vertriebs- und Dienstleistungsgesellschaft mbH (J GmbH) einer Prüfung zu unterziehen. Zum einen ist es ungewöhnlich, dass er behauptet, seit Entlassung aus seiner Untersuchungshaft (14.06.-26.11.2007) eine vollzeitige Geschäftsführertätigkeit ohne Vergütung zu verrichten. Zum anderen ist klärungsbedürftig, inwieweit er persönlich berechtigten Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen hat. Er bestreitet nämlich die mit der Tätigkeit als Geschäftsführer verbundenen Aufwendungen (u.a. PKW-Kosten, Reisekosten) nach seinen Angaben aus dem Restvermögen der GmbH, die ihrerseits eine spanische Form der GmbH und eine J Limited als Gesellschafter hat. Wer hinter diesen Gesellschaften steht, konnte er bei seiner Anhörung nicht angeben. Er hat zwar ausgeschlossen, dass er, die Antragstellerin oder sonst jemand aus der Familie Gesellschafter dieser Gesellschaften ist. Gleichwohl erweckt das Geschäftsgebaren der J GmbH den Eindruck, dass das Gesellschaftsvermögen für die privaten Belange des Geschäftsführers und seiner Familie Verwendung findet. Es ist z.B. augenfällig, dass das von der J GmbH für einen monatlichen Mietzins von 1.750 EUR angemietete Haus in L für 600 EUR monatlich teiluntervermietet wurde an den Ehegatten der Antragstellerin und dieser Untermietzins seit Mitte 2007 gestundet wird.

Eine abschließende und eingehende Klärung dieses Sachverhaltes muss dem sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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