L 22 R 831/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 R 2068/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 831/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Gewährung einer Ausbildung zum Heilpraktiker.

Der 1966 geborene Antragsteller, der von August 1986 bis Juni 1988 erfolgreich zum Industriekaufmann ausgebildet wurde und anschließend ein Hochschulstudium im September 1995 als Diplom-Volkswirt abschloss, war u. a. als Reporter und redaktioneller Mitarbeiter bei einem Radiosender (Juni 1995 bis März 1999) und danach bei verschiedenen Arbeitgebern im Bereich Marketing und Management, zuletzt von Mai 2003 bis Dezember 2006 als Innovationsmanager beschäftigt. Von November 2007 bis Oktober 2008 war er nach eigenen Angaben als freier Journalist tätig. Seither ist er arbeitslos.

Nachdem ihm die Agentur für Arbeit Berlin-Süd mit Schreiben vom 23. März 2009 mitgeteilt hatte, dass für die Feststellung, ob und ggf. in welchem Umfang Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich seien, die beigefügten Vordrucke auszufüllen seien, beantragte der Antragsteller am 26. März 2009 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung zum Heilpraktiker. Es liege eine erhebliche Gehbehinderung vor, eine überwiegend sitzende Bürotätigkeit sei ihm nicht mehr möglich. Er legte u. a. die Arbeitsagenturgutachten der Ärztin S vom 07. November 2006 und der Dr. J vom 21./30. Januar 2009 vor.

Die Antragsgegnerin holte den Befundbericht der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. J und S vom 27. März 2009, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, ein und lehnte mit Bescheid vom 17. April 2009 den Antrag ab: Die Erwerbsfähigkeit sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil der Antragsteller in der Lage sei, eine Beschäftigung als Innovationsmanager/Diplom-Volkswirt weiterhin auszuüben.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Antragsteller geltend, seine Leistungsfähigkeit sei durch dauerhafte Schmerzen, Schlafstörungen und schnelle körperliche Erschöpfung erheblich eingeschränkt. Dies ergebe sich aus den Arbeitsagenturgutachten. Zudem sei zuletzt nicht die Tätigkeit eines Innovationsmanagers/Diplom-Volkswirts, sondern die eines Journalisten ausgeübt worden.

Am 23. April 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat darauf hingewiesen, über eine Arbeitsplatzzusage als Heilpraktiker zu verfügen. Bei der renommierten S-Schule in B stehe in dem diesjährigen Kurs ab Februar 2009 lediglich noch ein Ausbildungsplatz zur Verfügung, weswegen Eilbedürftigkeit bestehe. Seit April 2009 nehme er als Gasthörer dort teil.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Übernahme der Weiterbildungskosten für die Umschulung zum Heilpraktiker im Kurs M 5 2009 bei der S-Schule zu erbringen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, der geltend gemachte Anspruch bestehe schon dem Grunde nach nicht. Zur weiteren Abklärung im Widerspruchsverfahren sei die Erstellung eines orthopädischen Fachgutachtens angeordnet worden. Die Ausführungen des Antragstellers zur Tätigkeit als Innovationsmanager/Diplom-Volkswirt erschienen nicht plausibel. Einer überwiegend sitzenden Bürotätigkeit könne mit entsprechenden Arbeitsplatzausstattungen begegnet werden, die einen permanenten Haltungswechsel ermöglichten. Jedenfalls dürften selbst in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit nur Maßnahmen angeordnet werden, die auch in einem Hauptsacheverfahren durch Urteil getroffen werden könnten.

Während des Widerspruchsverfahrens veranlasste die Antragsgegnerin das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. M vom 19. Juni 2009.

Mit Beschluss vom 13. Juli 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt: Unabhängig davon, ob der Antragsteller aufgrund seiner aktuellen gesundheitlichen Probleme den körperlichen und psychischen Belastungen eines Heilpraktikers überhaupt gewachsen wäre, sei nicht zu erkennen, dass, selbst wenn eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu bejahen sein sollte, diese nur durch die angestrebte Ausbildung zum Heilpraktiker beseitigt werden könnte. Es erscheine vielmehr sachgerecht, gezielt die Aufnahme einer der bisherigen Berufe zu fördern, statt eine weitere Berufsausbildung, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit den bisherigen Ausbildungen und Tätigkeiten des Antragstellers stehe, durchzuführen. Jedoch selbst wenn der Bescheid vom 17. April 2009 insoweit ermessensfehlerhaft wäre, könne daraus lediglich ein Anspruch auf Neubescheidung, nicht aber auf Gewährung der begehrten Maßnahme folgen.

Gegen den ihm am 17. Juli 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 05. August 2009 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist.

Er trägt vor: Das Sozialgericht sei in keiner Weise auf die bisherige unsachgemäße Handhabung der Bundesagentur für Arbeit eingegangen. Bei seinen Einschränkungen handele es sich um erhebliche neuroorthopädische Beschwerden, die zu einer starken Beeinträchtigung und zu einer chronischen Schmerzsymptomatik führten. Hingegen liege keine überwiegend psychische oder psychiatrische Erkrankung vor, weswegen zwischenzeitlich der Grad der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 herabgesetzt worden sei. Wie seine langen Arbeitsunfähigkeitszeiten belegten, sei er bereits 2006 im Beruf als Innovationsmanager nicht mehr ausreichend erwerbsfähig gewesen. Das Sozialgericht sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, denn es habe ohne Hinzuziehung eines Gutachters und ohne Berücksichtigung eingereichter Unterlagen der behandelnden Ärzte eine Einschätzung bezüglich der Befähigung in Bezug auf die angestrebte Tätigkeit als Heilpraktiker vorgenommen. Die angestrebte Umschulung stelle die einzige Möglichkeit zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit dar, denn eine andere berufliche Perspektive, bei der immer wieder auftretende Erschöpfungszustände durch körperliche und berufliche Überlastung vermieden würden, habe er trotz zahlreicher Eigeninitiativen und Arbeitsaufnahmen nicht finden können. Die Möglichkeit der Gasthörerschaft an der S-Schule ende mit Ablauf der Berliner Sommerferien, so dass bis dahin eine Bewilligung vorliegen müsse. In seinen bisherigen Berufen gebe es kaum Arbeitsangebote, die seinen gesundheitlichen Einschränkungen gerecht würden. Durch seine Teilnahme als Gasthörer habe er seine Belastbarkeit für die Ausbildung zum Heilpraktiker hinreichend unter Beweis gestellt. Das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. M vom 19. Juni 2009 sei mangelhaft und stehe in krassem Gegensatz zu sämtlichen Stellungnahmen und Berichten seiner behandelnden Ärzte und zum Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 21./30. Januar 2009. Außerdem beziehe sich dieses Gutachten auf die Tätigkeit eines Journalisten. Für den Fall, dass aus Sicht des Senats die Anordnung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht hinreichend begründet sei, sei ein medizinisches Zweitgutachten anzuordnen.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2009 die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zur zumindest vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der begehrten Umschulung zum Heilpraktiker an der S-Schule Berlin einschließlich der dafür notwendigen sonstigen Leistungen, hilfsweise zur Neubescheidung zu verpflichten

und ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ( ), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Damit kommt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Dabei kann dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist. Ein Anordnungsanspruch ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Voraussetzung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund, welche glaubhaft zu machen sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Sie sind glaubhaft gemacht, wenn das Vorliegen der insoweit beweisbedürftigen Tatsachen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. Zoeller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, § 920 Rdnr. 8, § 294 Rdnrn. 1 und 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 65. Auflage, § 920 Rdnr. 11, § 294 Rdnr. 1).

Daraus folgt: Besteht kein Anordnungsanspruch oder ist er nicht überwiegend wahrscheinlich, ist eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen, denn der begehrte Anspruch könnte auch im Hauptsacheverfahren nicht festgestellt werden. Ist hingegen der Anordnungsanspruch überwiegend wahrscheinlich, genügt dies für eine einstweilige Anordnung nicht, wenn nicht zugleich ein Anordnungsgrund vorliegt und dieser überwiegend wahrscheinlich ist. Selbst wenn der Anordnungsanspruch sicher feststeht, entfällt die Notwendigkeit eines Anordnungsgrundes nicht; die Anforderungen hinsichtlich der wesentlichen Nachteile, die überwiegend wahrscheinlich sein müssen, können jedoch geringer sein. Im Übrigen kann ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung in Betracht kommen, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner Interessen und der öffentlichen Interessen nicht zuzumuten ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Dies gilt insbesondere, wenn ein Anordnungsanspruch zumindest möglich erscheint sowie wesentliche Nachteile eintreten und nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden können, weil das Leben, die Gesundheit oder die wirtschaftliche Existenz betroffen sind. Eine Vorwegnahme der Hauptsache darf durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht stattfinden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 31). Insoweit ist allerdings der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) niedergelegte Grundsatz des Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes zu beachten. Daher kann der Entscheidung in der Hauptsache vorgegriffen werden, wenn ansonsten ein Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) begegnet es in gerichtlichen Eilverfahren grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Fachgerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren. Allerdings ist in den Fällen, in denen es um existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Die Gerichte haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (Beschlüsse des BVerfG vom 06. Februar 2007 - 1 BvR 3101/06 und vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02, abgedruckt in NJW 2003, 1236). Erforderlich ist hierbei eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 19. März 2004 - 1 BvR 131/04, abgedruckt in NJW 2004, 246). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 BvR 3101/06, zitiert nach juris). Dasselbe gilt, wenn Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums begehrt werden, denn der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, abgedruckt in BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, 927).

Ein Anordnungsanspruch, nämlich ein Anspruch auf die Gewährung einer Umschulung zum Heilpraktiker, ob an dem bereits seit Februar 2009 laufenden Kurs oder an einem nachfolgenden Kurs bzw. ein Anspruch auf Neubescheidung ist nicht überwiegend wahrscheinlich.

Nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung u. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte nach § 10 Abs. 1 SGB VI die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Der Begriff der im Gesetz nicht definierten Erwerbsfähigkeit ist als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Nicht hingegen sind die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - B 5 RJ 15/05 R, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 29. März 2006 - B 13 RJ 37/05 R, abgedruckt in SozR 4-2600 § 10 Nr. 1 bezogen auf eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit). Daher genügt schon eine Minderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit allein in dem bisherigen Beruf des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Juni 1980 – 1 RA 51/79, abgedruckt in SozR 2200 § 1237 Nr. 15 = BSGE 50, 156). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130 zur insoweit wortgleichen, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschrift des § 43 Abs. 2 SGB VI).

Die Träger der Rentenversicherung erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 SGB IX (§ 16 erste Alternative SGB VI). Die Leistungen umfassen insbesondere 1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes, 2. Berufsvorbereitung, 3. berufliche Anpassung und Weiterbildung, 4. berufliche Ausbildung und weitere Leistungen (§ 33 Abs. 3 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt (§ 33 Abs. 4 Sätze 1 und 2 erster Halbsatz SGB IX).

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.

Dies bedeutet: Soweit die persönlichen (und versicherungsrechtlichen) Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt sind, hat der Rentenversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, insbesondere welche Leistung er bewilligt. Eine solche Ermessensentscheidung ist lediglich eingeschränkt auf Ermessensfehler im Sinne eines Ermessensnichtgebrauchs, einer Ermessensüberschreitung und eines Ermessensmissbrauch zu überprüfen, wobei im Falle eines Ermessensfehlers ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung erst dann in Betracht kommt, wenn jedwede andere Entscheidung rechtsfehlerhaft wäre (so genannte Ermessensreduzierung auf Null).

Das Sozialgericht hat nach Maßgabe dieser Vorschriften einen Anordnungsanspruch zu Recht als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers führt zu keinem anderen Ergebnis.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers belegen die vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht, dass die Ausübung des bisherigen Berufes ausgeschlossen ist. Bisheriger Beruf ist, da der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen zuletzt als freier Journalist tätig war, die von Mai 2003 bis Dezember 2006 ausgeübte Beschäftigung als Innovationsmanager.

Das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. M vom 19. Juni 2009 bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller diesen Beruf nicht mehr ausführen könnte. Danach kann der Antragsteller vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeit in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend sitzend ausüben, wobei häufige und längerdauernde Zwangshaltungen, häufiges Heben und Tragen von Lasten sowie der Einfluss von erheblichen Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Zugluft zu vermeiden sind. Dies ist unter Berücksichtigung der von diesem Arzt erhobenen Befunden und der daraus herrührenden Diagnosen einer mäßigen Cervikalneuralgie links, eines mäßigen Brustwirbelsäulensyndroms und eines mäßigen Lumbalsyndroms nachvollziehbar. Trotz radiologisch nachgewiesener degenerativer Veränderungen, insbesondere eines Bandscheibenvorfalls in Höhe L 5/S 1 links, einer mäßigen bis deutlichen älteren Läsion der Wurzel L 5 und S 1 links, einer älteren Läsion des Labrum glenoidale im Bereich des linken Schultergelenks und einer Tendovaginitis hat die klinische Untersuchung der Wirbelsäule in allen drei Abschnitten keine Beweglichkeitseinschränkung ergeben. Bis auf eine Hypersensibilität im Dermatom L 5 und S 1 links haben sich keine neurologischen Ausfälle gezeigt, was selbst der Antragsteller einräumt. Im Übrigen sind lediglich Verspannungen der Muskulatur im Bereich der Halswirbelsäule, der Nacken- und Schultergürtel und der unteren Lendenwirbelsäule sowie Druck- und Klopfschmerzen entlang der Wirbelsäule festzustellen gewesen. Es hat auch eine freie Beweglichkeit aller großen und kleinen Gelenke bestanden. Soweit in diesem Gutachten beurteilt worden ist, dass die Leistungsfähigkeit für die letzte Arbeit als freier Journalist erhalten ist, erscheint dies unter Berücksichtigung des dargestellten Leistungsvermögens einleuchtend. Auf den Beruf eines freien Journalisten kommt es zwar nicht an. Es ist jedoch auch nicht ersichtlich, dass mit diesem Leistungsvermögen eine Gefährdung oder Minderung im Beruf eines Innovationsmanagers verbunden wäre. Dies folgt aus dem Arbeitsagenturgutachten der Ärztin Dr. S vom 07. November 2006, das bei fast identischen Leistungseinschränkungen (allerdings waren danach nur körperlich leichte Arbeiten und nur im Wechsel der Körperhaltungen zumutbar) den Antragsteller für fähig gehalten hat, die Tätigkeit als Produktmanager, bevorzugt im Innendienst, weiter auszuführen. Auf einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz sei zu achten.

Die gegen das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. M vom 19. Juni 2009 vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Der Antragsteller stützt sich insoweit vornehmlich auf in der Vergangenheit objektivierte und gesicherte Diagnosen und technische Untersuchungsbefunde, auf die es jedoch nach dem eigenen mit der Beschwerde geltend gemachten Vorbringen nicht ankommen kann. So trägt der Antragsteller vor, es gehe ihm seit ca. November/Dezember 2008 insoweit besser, dass seitdem die chronischen Dauerschmerzen nachgelassen hätten. Lediglich belastungsabhängige Schmerzen nach zu starker körperlicher Beanspruchung bestünden weiter. Insbesondere seit Anfang Februar 2009 ginge es ihm weiter besser. Ob eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, bestimmt sich jedoch nicht nach einem Gesundheitszustand in der Vergangenheit, sondern danach wie sich der Gesundheitszustand aktuell zukunftsbezogen darstellt. Insofern ist weder das Arbeitsagenturgutachten der Dr. J- vom 21./30. Januar 2009 noch sind die weiteren vorliegenden ärztlichen Berichte älteren Datums aussagekräftig.

Die aktuelleren ärztlichen Berichte sind für eine Glaubhaftmachung unzureichend. Der Befundbericht der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. J und S vom 27. März 2009 enthält keinen eigenen Untersuchungsbefund; vielmehr wird auf die in der Anlage beigefügten älteren ärztlichen Unterlagen verwiesen. Das Attest des Facharztes für Orthopädie R vom 16. Juli 2009 ist unsubstantiiert. Es benennt ausschließlich Diagnosen (chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden Lumboischialgien, eine chronifizierte rezidivierende Tendovaginitis im linken Unterschenkel und ein Traktus-iliotibialis-Syndrom links), verweist auf Beschwerden, enthält aber keinerlei Befunde, die den Gesundheitszustand des Antragstellers objektivieren.

Damit ist nicht glaubhaft gemacht, dass der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann.

Eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens, findet im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht statt. Die o. g. Ausnahmen nach der Rechtsprechung des BVerfG liegen nicht vor.

Sind damit die Tatbestandsvoraussetzungen der § 9 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 1 SGB VI zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht glaubhaft gemacht, hat die Antragsgegnerin auch nicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche Leistung sie bewilligt. Ein Ermessensfehler, der zur Neubescheidung des Antrages auf solche Leistungen verpflichtet, scheidet mithin aus.

Das weitere Vorbringen des Antragstellers ist aus Rechtsgründen unwesentlich.

Fehlt es an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch, muss die Beschwerde erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.

Da die Beschwerde aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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