L 4 KR 285/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 285/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 104/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Betreuungsleistungen für Krankenkassen außerhalb des Wohnsitzstaates entfallen für Beihilfeberechtigte gemäß § 28 EU-VO 1408/71 auch, wenn die Beihilfe unter 100 v.H. liegt.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Landshut vom 4. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erbringung von Betreuungsleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung des Klägers über den 31.12.2002 hinaus streitig.

Der 1934 geborene Kläger arbeitete zunächst von Februar 1949 bis November 1951 als Hilfsarbeiter bzw. Maler in Österreich. Daran an schloss sich von Dezember 1951 bis Ende Juni 1972 eine Arbeit als Arbeiter bzw. Angestellter in Deutschland. Ab 01.07.1972 bis zur vorzeitigen Pensionierung war der Kläger Beamter in Deutschland (Baden-Württem-berg). Seit 01.01.1972 war er freiwilliges Mitglied der AOK Baden-Württemberg. Die Mitgliedschaft kündigte der Kläger zum 01.01.2000 und beantragte die Aufnahme bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, da er neben seiner Beamtenpension (im Jahr 2003 in Höhe von 1.137,- EUR) und einer Rente von der BfA (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund seinerzeit in Höhe von 529,- EUR) auch eine österreichische Rente (in Höhe von ca. 12,- EUR monatlich) erhält. Nachdem der Kläger seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, stellte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse eine Betreuungsbescheinigung (Vordruck E 121) aus.

Im Zusammenhang mit der Erbringung von EU-rechtlichen Betreuungsleistungen für den Kläger rückwirkend zum 01.02.2001 war bereits ein Klageverfahren vor dem SG Landshut (S 10 KR 111/01) und anschließend ein Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat (L 4 KR 126/03) anhängig. Nachdem das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 07.05.2003 die streitigen Bescheide der Beklagten (seinerzeit die AOK Baden-Württemberg) vom 14.05.2001 und 18.07.2001 bestätigt hatte, schlossen die Beteiligten am 08.09.2005 vor dem erkennenden Senat einen Vergleich dahingehend, dass die damalige Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei ihr fortführte und Beiträge erst ab November 2003 beanspruchte. Eventuelle Überzahlungen würden durch sie erstattet. Der Kläger erklärte, dass er weiterhin in der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten verbleiben werde und nahm das Angebot der Beklagten an, woraufhin die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärten.

Mit (hier) streitigem Bescheid vom 13.02.2003 stellte die nunmehrige Beklagte die Betreuungsleistungen rückwirkend zum 31.12.2001 ein. Im Hinblick auf das seinerzeit anhängige Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut - S 10 KR 111/01 - wurde der gegen den Bescheid vom 13.02.2003 erhobene Widerspruch (zunächst) zurückgestellt.

Schließlich wies die Beklagte nach Abschluss des Vergleichs vor dem erkennenden Senat mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 den Widerspruch als unbegründet zurück. Da der Kläger gegenüber dem Land Baden-Württemberg einen Beihilfeanspruch besitze, könnten Betreuungsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährt werden. Dies sei auch von der Deutschen Verbindungsstelle Ausland (DVKA) mit Schreiben vom 13.06.2001 und vom Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 07.05.2003 - S 10 KR 111/01 - so bestätigt worden.

Mit dem sich anschließenden Klageverfahren hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgen lassen. Aufgrund der von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ausgestellten und nicht widerrufenen Bescheinigung E 121 habe die Beklagte Betreuungsleistungen zu erbringen. Aufgrund des Rentenbezugs bestehe in Österreich eine gesetzliche Pflichtversicherung, die gegenüber einer freiwilligen Krankenversicherung vorrangig sei und diese verdränge. Die österreichische Pflichtversicherung entspreche nach ihrem System der deutschen Krankenversicherung. Bereits vor Aufnahme der Republik Österreich in die EU sei die österreichische Pflichtversicherung in Deutschland anerkannt - und damit eine zusätzliche freiwillige Krankenversicherung nicht erforderlich gewesen. Durch den Beitritt Österreichs zur EU habe sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Art. 28 EWG-VO Nr. 1408/71 sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein 100 %iger Beihilfeanspruch gegenüber dem Dienstherrn bestehen müsse. Der Kläger sei aber nur zu 50 bzw. 70 % beihilfeberechtigt. Infolge des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung komme der Beihilfeanspruch regelmäßig nicht zum tragen.

Mit angefochtenem Urteil vom 04.04.2007 hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2003 - S 10 KR 111/01 -, welches rechtskräftig geworden sei, verwiesen.

Gegen das Urteil vom 04.04.2007 richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgen lässt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2009 wies der Vorsitzende auf die damalige mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 08.09.2005 hin, wo die hier bestehende Problematik ausführlich erörtert worden sei und sich auf Drängen des Senats die damalige Beklagte bereit erklärt habe, die freiwillige Versicherung fortzuführen und dabei so gar noch auf Beiträge verzichtet habe. Die Problematik hinsichtlich eines Betreuungsanspruchs habe sich nicht geändert.

Die Vertreterin des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 04.04.2007 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 13.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Betreuungsleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung über den 31.12.2002 hinaus zu erbringen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen weiterer Einzelheiten auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 13.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005, mit dem die Beklagte die Erbringung von EU-rechtlichen Betreuungsleistungen an den Kläger mit sofortiger Wirkung einstellte.

Zulässig verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG).

Zutreffend haben sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil festgestellt, dass der Kläger bereits ab 25.10.1998 nicht mehr aufgrund des Vordrucks E 121 betreut werden konnte.

Denn der Kläger ist nicht nach Art. 28 EWG-VO 1408/71 berechtigt, Sozialleistungen bei Krankheit durch die Beklagte (AOK Bayern) als Betreuungsleistungen im Auftrag der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus dem Anhang VI Teil D (Deutschland) Nr. 22 der Änderungsverordnung Nr. 1606/98. Hier ist geregelt, dass Art. 27 EWG-VO 1408/71 auf Personen anwendbar ist, die sowohl auf ein Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsrecht als auch auf eine Rente nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates Anspruch haben.

Beim Kläger ist dies der Fall, da er ein Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsrecht bezieht. Nach Art. 27 EWG-VO 1408/71 erhält ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften von zwei Mitgliedsstaaten, darunter dem Mitgliedsstaat in dem er wohnt, zum Bezug von Renten berechtigt ist und nach den Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Mitgliedsstaats Anspruch auf Leistungen (bei Krankheit) hat, diese Leistungen vom Träger des Wohnortes und zu dessen Lasten, als ob der Rentner nach den Rechtsvorschriften nur dieses Mitgliedsstaates zum Bezug einer Rente berechtigt wäre. Da der Kläger beihilfeberechtigt ist, ist er also so zu behandeln, als ob er nur (ausschließlich) in Deutschland zum Bezug einer Rente bzw. eines Ruhegehaltes berechtigt wäre und somit eine Mitgliedschaft bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse nicht bestünde.

Die europäische Regelung ist eindeutig. Eine Auslegung im Sinne der Ausführungen der Klägerbevollmächtigten, dass Anhang VI Buchstabe C Nr. 22 nur dann die Leistungen einschränkt, wenn die durch Beamtenstellung erworbene Fürsorge einer vollen Sachleistung entspricht, ist nicht möglich. Die übliche Beamtenversorgung beinhaltet in Deutschland weder im Bund noch in den Ländern eine 100 %ige Übernahme der Krankheitskosten durch die Beihilfe. Jeder deutsche Beamte ist (deshalb) vernünftigerweise für die restliche Leistung zusätzlich versichert. Dass der Kläger diese private Versicherung nicht eingegangen ist und jetzt wohl auch mit Sicherheit nicht mehr eingehen kann, war seine persönliche Entscheidung. Die Tatsache, dass er die freiwillige Versicherung auf (falsche) Beratung der Beklagten hin (zunächst) beendet hat, kann nicht dazu führen, dass Europarecht nicht angewendet wird bzw. dem Wortlaut widersprechend auszulegen ist.

Von daher könnte auch ein sog. Herstellungsanspruch nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da damit nur ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechender Zustand erreicht werden kann.

Der Krankenversicherungsschutz des Klägers ist durch die bestehende freiwillige Krankenversicherung bei der AOK Baden-Württemberg und seinen Beihilfeanspruch vollständig abgedeckt. Es ist nicht nachvollziehbar, worin für den Kläger eine "untragbare Folge" der Anwendung der VO liegen soll.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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