L 12 AS 3632/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2698/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3632/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Karlsruhe vom 24.06.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Energiekostenschulden, die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und die Stundung einer Darlehensforderung. Der Antragsteller, der seit dem 01.03.2006 im Leistungsbezug steht, bewohnt eine Unterkunft, für die eine Nettokaltmiete von 290,00 Euro zzgl. eines monatlichen Betriebskostenvorschusses von 50,00 Euro zu entrichten sind. Nach den von dem Antragsteller vorgelegten Unterlagen der Stadtwerke P. GmbH & Co. KG hatte der Antragsteller an diese ab dem 01.05.2006 Abfallgebühren von monatlich 7,00 Euro und ab dem 01.07.2006 Stromabschlagszahlungen von monatlich 39,00 Euro zu leisten. Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller zunächst Leistungen für seine Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 274,80 Euro (217,80 Euro als angemessen anerkannte Nettokaltmiete zzgl. 50,00 Euro Betriebskosten und 7,00 Euro Abfallgebühren). Am 23.10.2006 machte der Antragsteller geltend, sein "Strom" werde nicht übernommen. Seit dem 01.07.2006 habe er keine Abschläge mehr an die S. gezahlt, weshalb eine Forderung von 235,00 Euro offen sei. Auf Nachfrage teilten die S. dazu mit, von den Abschlagszahlungen von 39,00 Euro entfielen 14,00 Euro auf die Heizenergie. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 01.05.2006 weitere KdU in Höhe von 14,00 Euro. Am 20.11.2007 legte der Kläger eine Turnusabrechnung der S. vom 12.10.2007 für den Abrechnungszeitraum 28.10.2006 bis 17.09.2006 vor, die einen Verbrauch von 5.202 kWh auswies. Die S. forderten den Antragsteller darin auf 508,94 Euro nachzuzahlen, und teilten mit, die Abschlagszahlung betrage ab dem 30.11.2007 monatlich 95,- Euro. Darauf Bezug nehmend beantragte der Antragsteller, die Beklagte solle die Forderung der S. von 127,43 Euro aus der Abrechnung vom 11.12.2006 sowie die weitere Forderung von 508,94 Euro aus der Abrechnung vom 12.10.2007 übernehmen und künftig den vollen "Stromvorauszahlungsbetrag" von 95,00 Euro bei den KdU berücksichtigen. Er habe sich in der Vergangenheit nicht unwirtschaftlich verhalten. Der Strommehrbedarf könne nur von den in seiner Unterkunft ("Altbau") vorinstallierten Geräten herrühren. Mit Schreiben vom 30.10.2007 stellten die S. klar, der Antragsteller solle ab dem 17.10.2007 Abschlagszahlungen von monatlich insgesamt 102,00 Euro leisten (95,00 Euro Strom zzgl. 7,00 Euro Abfallgebühren). Unter dem 14.11.2007 bezifferten sie den zur Nachzahlung fälligen Betrag auf 528,26 Euro. Am 18.12.2007 schlossen die Beteiligten daraufhin einen Darlehensvertrag, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, dem Antragssteller auf der Grundlage des § 22 Abs. 5 SGB II ein an die S. zu zahlendes Darlehen in Höhe von 441,26 Euro zu gewähren, das zur Begleichung der "Stromschulden aus Heizkosten" Verwendung finden solle. Der Antragsteller verpflichtete sich, das Darlehen ab dem 01.02.2008 in monatlichen Raten von 10,- Euro zu tilgen. Mit Bescheid vom 25.02.2008 bewilligte ihm die Antragsgegnerin daraufhin zunächst Leistungen für die Zeit vom 01.03.2008 bis 31.08.2008 in Höhe von 724,80 Euro und berücksichtigte dabei KdU in Höhe von 377,80 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 16.09.2008 bewilligte sie Leistungen für die Zeit vom 01.09.2008 und legte dabei KdU zunächst in Höhe von 379,60 Euro, ab dem 01.11.2008 in Höhe von 269,60 Euro zugrunde. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller unter dem 14.10.2008 Widerspruch. Unter dem 14.10.2008 übermittelte die S. eine Turnusabrechnung für die Zeit vom 18.09.2007 bis 27.09.2008, die einen Verbrauch von 11.366 kWh auswies. Die S. forderten den Antragsteller darin auf, 1.243,67 Euro nachzuzahlen, und teilten mit, die Abschlagszahlung betrage ab dem 30.11.2007 monatlich 188,00 Euro (davon 81,00 Euro Heizenergie). Hierauf nahm der Antragsteller unter dem 23.10.2008 Bezug, wies auf die noch nicht beschiedenen Anträge aus dem Oktober 2007 hin und führte zur Begründung seines Widerspruchs aus, der in der jüngsten Abrechnung ausgewiesene Verbrauch könne nicht zutreffen, möglicherweise sei das Zählwerk des Stromzählers defekt. Die Antragsgegnerin solle auch den neuerlichen Nachzahlungsbetrag übernehmen und künftig die vollen Abschlagszahlungen berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers unter Hinweis auf die sie treffende Gesetzesbindung als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 9 AS 5489/08), über die noch nicht entschieden ist.

Mit Änderungsbescheid vom 09.02.2009 änderte die Antragsgegnerin die Höhe der dem Kläger in der Zeit vom 01.09.2008 bis 28.02.2009 bewilligten Leistungen und berücksichtigte dabei im Rahmen der KdU für die Zeit vom 01.12.2008 bis 28.02.2009 Heizkosten (Nachtstrom) und Abfallgebühren in Höhe von insgesamt 87,00 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 09.02.2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ferner mit, auf seinen Antrag auf Übernahme der Nachzahlung von 1.243,67 Euro könne sie 134,72 Euro übernehmen. Im Übrigen betreffe die Nachforderung Energiekosten, die von der Regelleistung erfasst seien. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller keinen Widerspruch. Der Antragsteller hat am 23.06.2009 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum SG gestellt und im wesentlichen geltend gemacht, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm einmalig 1.640,45 Euro zu gewähren, Abschlagszahlungen in Höhe von 194,00 Euro zu übernehmen und einer Stundung der Forderungen aus der Darlehensvereinbarung vom 18.12.2007 zuzustimmen. Mit Beschluss vom 24.06.2009 wies das SG den Antrag zurück. Die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Anordnung seien nicht gegeben. Eine einstweilige Anordnung müsse erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil sei nur anzunehmen, wenn glaubhaft gemacht sei, dass ihm zum einen ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zustehe (Anordnungsanspruch) und es ihm zum anderen nicht zuzumuten sei, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache dürfe nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es dürfe keine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordere. Eine solche Notlage sei vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich sei, müsse im Wege einer Folgenabwägung entschieden werden, welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen sei. An diesen Maßstäben gemessen seien die Anträge abzulehnen gewesen. Soweit der Antragsteller die Übernahme rückständiger Energiekosten begehre, fehle es bereits an einem Anordnungsanspruch. Als Rechtsgrundlage für die Übernahme der Energiekostenschulden des Antragstellers komme allein § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht. Nach dieser Bestimmung können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten drohe. Nach S. 4 dieser Vorschrift sollen Geldleistungen zur Schuldenübernahme als Darlehen erbracht werden. Der Antragsteller habe ausdrücklich erklärt, für die Übernahme seiner Energiekostenrückstände kein Darlehen, sondern allein eine zuschussweise Gewährung von Leistungen ("Beihilfe") zu begehren. Für dieses Begehren biete § 22 Abs. 5 SGB II aber vorliegend keine taugliche Anspruchsgrundlage. Denn durch diesen Wortlaut ("sollen") sei ein Ermessen des Leistungsträgers determiniert, als Zuschuss könne eine Leistung zur Schuldentilgung daher nur in atypischen Fällen gewährt werden. Das Vorliegen einer solchen besonderen Fallgestaltung sei hier nicht ersichtlich. Schon angesichts der bislang nicht abschließend geklärten Ursache des hohen Energieverbrauchs des Antragstellers wäre im Rahmen einer Eilentscheidung - allenfalls - eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Darlehens in Betracht gekommen. Auch soweit der Antragsteller beantrage, die an die S. zu entrichtenden Abschlagszahlungen künftig in voller Höhe von zuletzt 194,00 Euro zu übernehmen, fehle es bereits an einem Anordnungsanspruch. Von diesen Abschlägen beträfen nach deren Auskunft der S. 81,00 Euro Heizenergie, weitere 107,00 Euro sonstigen Haushaltsstrom und weitere 6,00 Euro Abfallgebühren. Hiervon berücksichtige die Antragsgegnerin seit dem 01.12.2008 insgesamt 87,00 Euro bei der Bewilligung der dem Antragsteller laufend gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sodass er insoweit allenfalls die Gewährung von weiteren Leistungen in Höhe von 107,00 Euro geltend machen könne. Als Anspruchsgrundlage hierfür komme allein § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht, denn bei dem Haushaltsstrom handle es sich um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch diese Vorschrift biete jedoch eine Rechtsgrundlage ausschließlich für die Gewährung eines Darlehens (§ 23 Abs. 1 S. 1 SGB II), das zu erhalten der Antragsteller ausdrücklich abgelehnt habe. Soweit der Antragsteller schließlich im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zustimmung zur Stundung der Forderungen aus dem Darlehensvertrag vom 18.12.2007 begehre, habe er auch insoweit keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn es fehle an einer Rechtsgrundlage, auf die ein dahingehender Anspruch gestützt werden könnte, da sich die Parteien des Vertrags vom 18.12.2007 lediglich das Recht eingeräumt hätten, das Darlehen zu kündigen. Hieran habe der Antragsteller freilich ersichtlich kein Interesse, weil dies zur sofortigen Fälligkeit des gesamten noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages führen würde. Eine Bestimmung dagegen, wonach eine Vertragspartei bei bestimmten, etwa wirtschaftlichen, Voraussetzungen auch eine Stundung zu verlangen berechtigt wäre, enthalte der Vertrag nicht.

Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller am 24.07.2009 Beschwerde beim LSG Baden-Württemberg ein und beantragte gleichzeitig die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er führte im wesentlichen aus, die veraltete Heizungsanlage verbrauche auch unter tags Strom und somit könne nicht der gesamte von seinem Tageszähler gemessene Strom zu den in der Grundsicherung enthaltenen Stromkosten gezählt werden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Vorraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt und die beantragte einstweiligen Anordnung zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ausgehend von den vom SG ausgeführten Grundsätzen erscheint die begehrte Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile auch nicht nötig, soweit die Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen für vergangene Zeiten begehrt wird. Der Antragsteller hat nicht das Vorliegen besonderer Umstände wie etwa den sofortigen Verlust der Unterkunft wegen aufgelaufener Mietschulden glaubhaft gemacht, die ausnahmsweise eine Befriedigung vergangenen Bedarfs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen könnten. Eine solche Ausnahme könnte etwa durch die drohende Obdachlosigkeit begründet sein. Hierzu ist aber nichts vorgetragen und deshalb ist dieser Umstand nicht zu berücksichtigen. Auch eine Unbewohnbarkeit der Wohnung und eine dadurch drohende Wohnungslosigkeit wurde nicht vorgetragen. Auch scheitert der Anordnungsgrund - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - bereits daran, dass der Antragsteller auf einer zuschussweisen Übernahme der rückständigen und auch zukünftigen Energiekosten besteht. Das Gesetz sieht in § 22 Abs. 5 SGB II und § 23 Abs. 4 SGB II die Gewährung eines Darlehens als Regelfall an. Eine Reduzierung des der Antragsgegnerin eingeräumten Ermessens auf Null ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat dem Antragssteller bereits bei einem Darlehen moderate Rückzahlungsverpflichtungen eingeräumt, die dieser aus der Regelleistung erfüllen könnte. Eine darlehensweise Gewährung berücksichtigt die Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers. Nur wenn bei moderaten Raten diese nicht gegeben ist, kann ein Zuschuss in Betracht kommen. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war wegen der sich aus den obigen Ausführung ergebenden mangelnden Erfolgsaussicht abzulehnen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 173 SGG).
Rechtskraft
Aus
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