Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 100/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin eine Brustauf- bauoperation (Mammaaugmentationsplastik) zu gewähren hat.
Die am 00.00.0000 als Mann geborene Klägerin ist als Person transsexueller Prägung anerkannt und als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen. Am 26.07.2007 beantragte sie die Übernahme der Kosten geschlechtsangleichender Maßnahmen bei Transsexualität, u.a. einen Brustaufbau. Nach Einholung von Gutachten und Beiziehung von Berichten bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 30.11.2007 und 20.03.2008 eine operative Genitalangleichung und eine Permanent-Epilation im Bart- bzw. Gesichtsbereich. Einen operativen Brustaufbau bewilligte sie nicht; sie stellte diesen Teilantrag zurück mit dem Hinweis, die Hormontherapie bleibe abzuwarten.
Mit Schreiben vom 17.04.2008 wandte sich die Klägerin gegen die Nichtbewilligung des Brustaufbaus. Sie trug vor, die Hormonbehandlung werde kein weiteres Brustwachstum bewirken; sie habe nur eine leichte knospenhafte Brustentwicklung; der behandelnde Arzt verweigere eine höhere Hormongabe mit Blick auf erhöhte Nebenwirkungen und Risiken. Schon aus Angst vor weiteren Verzögerungen bekomme sie Depressionen. Die Klägerin Iegte einen Arztbericht von Prof. Dr. O. (Frauenklinik des Universitätsklinikum B.) vom 02.05.2008 vor. Darin heißt es, unter der Hormontherapie sei es zu einer typisch weiblichen Veränderung der Körpersilhouette gekommen; die Hormontherapie werde gut vertragen; die Hormonkonzentration liege im mittleren weiblichen Normbereich; die Patientin klage. dass die Brustgröße schwankend sei.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. P. kam im Gutachten vom 10.07.2008 zum Ergebnis, aus sozialmedi- zinischer Sicht stelle eine kleine Brust keine Erkrankung dar. Bei der Klägerin bestünden beidseits kleine, regulär angelegte Brustdrüsenkörper, es bestehe wegen der Mikromastie eine Anpassungsstörung. Diese begründe jedoch keine Indikation für eine brustvergrö- ßernde Operation; eine solche Operation sei als ästhetische Operation einzuordnen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 1 9.08.2008 ab. Dagegen legte die KIägerin am 28.08.2008 Widerspruch ein. Sie behauptete, sie sei weit und breit die einzige Transsexuelle, die keine Mammaaugmentationsplastik genehmigt be- komme. Sie legte ein Attest des Psychotherapeuten Dr. S. vom 15.04.2009 vor; die- ser teilte mit, die Klägerin leide psychisch massiv unter dem Brustumfang, sodass ein plastischer Brustaufbau dringend geraten sei. In einem weiteren von der Klägerin vorge- Iegten Attest der Frauenklinik des N.-Krankenhauses in G. vom 14.05.2009 heißt es, bei der Klägerin bestehe eine Mikromastie beidseits, die durch den Einsatz von Hormonen nicht weiter zu beeinflussen sei, weshalb eine Mammaaugmentation beidseits empfohlen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.06.2009 zurück: Soweit für die Klägerin die als zu klein empfundenen Brüste psychisch sehr belastend sei- en, könne dies auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. In ständiger Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass bei Vorliegen einer psychischen Störung ausschließlich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychothera- pie in Betracht komme. Die Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen operativen Eingriff in einen regel- gerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern.
Dagegen hat die Klägerin am 03.07.2009 Klage erhoben. Sie trägt vor, die gegenge- schlechtliche Hormonbehandlung, die in den meisten Fällen zu einer ausreichenden Brust- entwicklung führe, sei bei ihr nicht hinreichend erfolgreich gewesen; die Behandlung habe zwar zunächst angeschlagen, jedoch nur zeitlich begrenzt; es sei zur Rückbildung der Mamma gekommen. Sie verfüge nun als Person weiblichen Geschlechts nicht über eine anatomische Ausprägung der Brust. Dieser Fehler stelle eine anatomische Abweichung dar und für sie auch eine äußere Entstellung, die den Bedarf der Mammaoperation be- gründe. Das Fehlen der Brust stelle auch eine erhebliche Belastung in psychischer Hin- sicht dar. Auf Anfrage des Gerichts hat die Klägerin vier Lichtbilder vorgelegt, die nach ih- ren Angaben den aktuellen Zustand (Juli 2009) der Brust dokumentieren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 10.06.2009 zu verurteilen, ihr eine Operation zum Aufbau der Brust beidseits (Mamma- augmentationsplastik) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsaufassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwi- schen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsak- te sowie der beigezogenen die KIägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf eine Brustvergrößerungsoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte An- spruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt also eine Krankheit voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung be- darf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2005 § 27 Nr. 3 m.w.N.). Bei der Klägerin liegt jedoch keine körperliche Anomalie vor, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit kommt Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Recht- sprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leis- tungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Ab- weichung entstellend wirkt (BSG a.a.O.).
Die bei der KIägerin bestehende Mikromastie kann schon deshalb nicht als behandlungs- bedürftige Krankheit bewertet werden, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbun- den ist. Allein das fehlende Fettgewebe macht den Zustand der Brüste nicht zu einem krankhaften.
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Kläge- rin wegen einer äußerlichen Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Die behandelnden Ärzte haben mit keinem Wort von einem entstellenden Aussehen der Brüs- te gesprochen. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalie. Vielmehr - so das BSG (Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 1 9/07 R = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 m.w.N.) - muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemein- schaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist ... Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Die Kammer konnte sich anhand der vorgelegten Lichtbilder davon überzeugen, dass die Brüste der Klägerin zwar klein, aber keineswegs entstellend sind. Die Bezeichnung des Zustands ihrer Brüste als Entstellung wäre mit dem Krankheitsbegriff kaum in Einklang zu bringen,vor allem wenn man die außerordentliche Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust berücksichtigt (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 1 9. 1 O.2004 - B 1 KR 3103 R).
Die von der Klägerin als zu klein empfundenen Brüste bedingen nach den Mitteilungen ih- rer behandelnden Ärzte ersichtlich keinerlei körperliche Beeinträchtigungen, sondern ha- ben ausschließlich psychische Auswirkungen. Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt aber keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversiche- rung. Die Kammer folgt auch insoweit der ausführlichen Begründung des BSG im Urteil vom 1 9.10.2004 (a.a.O.).
Auch die festgestellte und anerkannte Transsexualität der Klägerin begründet keinen An- spruch auf die begehrte Brustaufbauoperation. Soweit die äußeren weiblichen Ge- schlechtsmerkmale einer Frau betroffen sind, ist dieser Erfolg bei der Klägerin durch die genitalverändernden Operationen sowie die hormonelle Behandlung eingetreten. Die Kammer konnte sich in der mündlichen Verhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks davon überzeugen, dass die Klägerin ein deutlich weibliches Erscheinungsbild hat. Auch Prof. Dr. Neulen von der Frauenklinik des Universitätsklinikums Aachen hat in der ärztlichen Bescheinigung vom 02.05.2008 dargelegt, dass es unter der Hormontherapie zu einer typisch weiblichen Veränderung der Körpersilhouette gekommen sei. Einer trans- sexuellen Versicherten steht nicht jegliche Art von geschlechtsangleichender operativer Maßnahme im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild zu, wie sich gerade am BeispieI der Brustvergrößerung zeigt (Sächsisches LSG, Urteil vom 03.02.1999 - L 1 KR 31/98; BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3(03 R). Anderen- falls hätten transsexuelle Versicherte gegenüber als Frau geborenen Versicherten bei gleichgroßem Brustumfang einen besseren Anspruch auf eine Brustaufbauoperation; dies wäre nicht gerechtfertigt. Wenn eine transsexuelle Versicherte als Frau anerkannt und behandelt sein will, muss sie sich für den hier zu beurteilenden Sachverhalt auch an den für jede Frau geltenden Maßstäben messen lassen. Die vorgelegten Lichtbilder zeigen den Oberkörper der Klägerin von vorne wie auch von der Seite. Ihre Brüste sind klein, aber deutlich weiblich und keinesfalls entstellend. Unter diesen Umständen besteht kein An- spruch auf eine Brustaufbauoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin eine Brustauf- bauoperation (Mammaaugmentationsplastik) zu gewähren hat.
Die am 00.00.0000 als Mann geborene Klägerin ist als Person transsexueller Prägung anerkannt und als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen. Am 26.07.2007 beantragte sie die Übernahme der Kosten geschlechtsangleichender Maßnahmen bei Transsexualität, u.a. einen Brustaufbau. Nach Einholung von Gutachten und Beiziehung von Berichten bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 30.11.2007 und 20.03.2008 eine operative Genitalangleichung und eine Permanent-Epilation im Bart- bzw. Gesichtsbereich. Einen operativen Brustaufbau bewilligte sie nicht; sie stellte diesen Teilantrag zurück mit dem Hinweis, die Hormontherapie bleibe abzuwarten.
Mit Schreiben vom 17.04.2008 wandte sich die Klägerin gegen die Nichtbewilligung des Brustaufbaus. Sie trug vor, die Hormonbehandlung werde kein weiteres Brustwachstum bewirken; sie habe nur eine leichte knospenhafte Brustentwicklung; der behandelnde Arzt verweigere eine höhere Hormongabe mit Blick auf erhöhte Nebenwirkungen und Risiken. Schon aus Angst vor weiteren Verzögerungen bekomme sie Depressionen. Die Klägerin Iegte einen Arztbericht von Prof. Dr. O. (Frauenklinik des Universitätsklinikum B.) vom 02.05.2008 vor. Darin heißt es, unter der Hormontherapie sei es zu einer typisch weiblichen Veränderung der Körpersilhouette gekommen; die Hormontherapie werde gut vertragen; die Hormonkonzentration liege im mittleren weiblichen Normbereich; die Patientin klage. dass die Brustgröße schwankend sei.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. P. kam im Gutachten vom 10.07.2008 zum Ergebnis, aus sozialmedi- zinischer Sicht stelle eine kleine Brust keine Erkrankung dar. Bei der Klägerin bestünden beidseits kleine, regulär angelegte Brustdrüsenkörper, es bestehe wegen der Mikromastie eine Anpassungsstörung. Diese begründe jedoch keine Indikation für eine brustvergrö- ßernde Operation; eine solche Operation sei als ästhetische Operation einzuordnen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 1 9.08.2008 ab. Dagegen legte die KIägerin am 28.08.2008 Widerspruch ein. Sie behauptete, sie sei weit und breit die einzige Transsexuelle, die keine Mammaaugmentationsplastik genehmigt be- komme. Sie legte ein Attest des Psychotherapeuten Dr. S. vom 15.04.2009 vor; die- ser teilte mit, die Klägerin leide psychisch massiv unter dem Brustumfang, sodass ein plastischer Brustaufbau dringend geraten sei. In einem weiteren von der Klägerin vorge- Iegten Attest der Frauenklinik des N.-Krankenhauses in G. vom 14.05.2009 heißt es, bei der Klägerin bestehe eine Mikromastie beidseits, die durch den Einsatz von Hormonen nicht weiter zu beeinflussen sei, weshalb eine Mammaaugmentation beidseits empfohlen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.06.2009 zurück: Soweit für die Klägerin die als zu klein empfundenen Brüste psychisch sehr belastend sei- en, könne dies auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. In ständiger Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass bei Vorliegen einer psychischen Störung ausschließlich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychothera- pie in Betracht komme. Die Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen operativen Eingriff in einen regel- gerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern.
Dagegen hat die Klägerin am 03.07.2009 Klage erhoben. Sie trägt vor, die gegenge- schlechtliche Hormonbehandlung, die in den meisten Fällen zu einer ausreichenden Brust- entwicklung führe, sei bei ihr nicht hinreichend erfolgreich gewesen; die Behandlung habe zwar zunächst angeschlagen, jedoch nur zeitlich begrenzt; es sei zur Rückbildung der Mamma gekommen. Sie verfüge nun als Person weiblichen Geschlechts nicht über eine anatomische Ausprägung der Brust. Dieser Fehler stelle eine anatomische Abweichung dar und für sie auch eine äußere Entstellung, die den Bedarf der Mammaoperation be- gründe. Das Fehlen der Brust stelle auch eine erhebliche Belastung in psychischer Hin- sicht dar. Auf Anfrage des Gerichts hat die Klägerin vier Lichtbilder vorgelegt, die nach ih- ren Angaben den aktuellen Zustand (Juli 2009) der Brust dokumentieren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 10.06.2009 zu verurteilen, ihr eine Operation zum Aufbau der Brust beidseits (Mamma- augmentationsplastik) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsaufassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwi- schen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsak- te sowie der beigezogenen die KIägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf eine Brustvergrößerungsoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte An- spruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt also eine Krankheit voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung be- darf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2005 § 27 Nr. 3 m.w.N.). Bei der Klägerin liegt jedoch keine körperliche Anomalie vor, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit kommt Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Recht- sprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leis- tungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Ab- weichung entstellend wirkt (BSG a.a.O.).
Die bei der KIägerin bestehende Mikromastie kann schon deshalb nicht als behandlungs- bedürftige Krankheit bewertet werden, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbun- den ist. Allein das fehlende Fettgewebe macht den Zustand der Brüste nicht zu einem krankhaften.
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Kläge- rin wegen einer äußerlichen Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Die behandelnden Ärzte haben mit keinem Wort von einem entstellenden Aussehen der Brüs- te gesprochen. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalie. Vielmehr - so das BSG (Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 1 9/07 R = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 m.w.N.) - muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemein- schaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist ... Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Die Kammer konnte sich anhand der vorgelegten Lichtbilder davon überzeugen, dass die Brüste der Klägerin zwar klein, aber keineswegs entstellend sind. Die Bezeichnung des Zustands ihrer Brüste als Entstellung wäre mit dem Krankheitsbegriff kaum in Einklang zu bringen,vor allem wenn man die außerordentliche Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust berücksichtigt (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 1 9. 1 O.2004 - B 1 KR 3103 R).
Die von der Klägerin als zu klein empfundenen Brüste bedingen nach den Mitteilungen ih- rer behandelnden Ärzte ersichtlich keinerlei körperliche Beeinträchtigungen, sondern ha- ben ausschließlich psychische Auswirkungen. Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt aber keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversiche- rung. Die Kammer folgt auch insoweit der ausführlichen Begründung des BSG im Urteil vom 1 9.10.2004 (a.a.O.).
Auch die festgestellte und anerkannte Transsexualität der Klägerin begründet keinen An- spruch auf die begehrte Brustaufbauoperation. Soweit die äußeren weiblichen Ge- schlechtsmerkmale einer Frau betroffen sind, ist dieser Erfolg bei der Klägerin durch die genitalverändernden Operationen sowie die hormonelle Behandlung eingetreten. Die Kammer konnte sich in der mündlichen Verhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks davon überzeugen, dass die Klägerin ein deutlich weibliches Erscheinungsbild hat. Auch Prof. Dr. Neulen von der Frauenklinik des Universitätsklinikums Aachen hat in der ärztlichen Bescheinigung vom 02.05.2008 dargelegt, dass es unter der Hormontherapie zu einer typisch weiblichen Veränderung der Körpersilhouette gekommen sei. Einer trans- sexuellen Versicherten steht nicht jegliche Art von geschlechtsangleichender operativer Maßnahme im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild zu, wie sich gerade am BeispieI der Brustvergrößerung zeigt (Sächsisches LSG, Urteil vom 03.02.1999 - L 1 KR 31/98; BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3(03 R). Anderen- falls hätten transsexuelle Versicherte gegenüber als Frau geborenen Versicherten bei gleichgroßem Brustumfang einen besseren Anspruch auf eine Brustaufbauoperation; dies wäre nicht gerechtfertigt. Wenn eine transsexuelle Versicherte als Frau anerkannt und behandelt sein will, muss sie sich für den hier zu beurteilenden Sachverhalt auch an den für jede Frau geltenden Maßstäben messen lassen. Die vorgelegten Lichtbilder zeigen den Oberkörper der Klägerin von vorne wie auch von der Seite. Ihre Brüste sind klein, aber deutlich weiblich und keinesfalls entstellend. Unter diesen Umständen besteht kein An- spruch auf eine Brustaufbauoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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