Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 KN 105/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres ist eine Minderung des Zugangsfaktors vorzunehmen, die jedoch auf höchstens 36 Kalendermonate, also maximal 10,8 v.H., begrenzt ist (entgegen BSG, Urteil vom 16.05.2006, Az: B 4 RA 22/05).
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0.
Der am 1949 geborene Kläger bezog seit Mai 1996 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau, die unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 berechnet wurde. Ab 01.01.1997 erhielt er Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung, ebenfalls unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0. Mit Bescheid vom 09.06.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Beginn ab 01.10.2004, befristet bis zum 31.08.2006. Dabei ermittelte die Beklagte die persönlichen Entgeltpunkte in der Anlage 6 des Bescheides getrennt für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und für die knappschaftliche Rentenversicherung. Bei der Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten legte die Beklagte einen Zugangsfaktor von 0,892 zugrunde und begründete dies damit, dass sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 31.01.2009 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 vermindere. Danach betrage die Verminderung für 36 Kalendermonate 0,108. Angesichts der Summe aller Entgeltpunkte (Ost) von 14,5594 würden daher die persönlichen Entgeltpunkte (Ost) 14,2153 betragen. Aus der knappschaftlichen Rentenversicherung ergäben sich bei Zugrundelegung der Summe aller Entgeltpunkte (Ost) von 25,6813 auch 25,6813 persönliche Entgeltpunkte, da Entgeltpunkte (Ost), die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien, den Zugangsfaktor von 1,0 behielten.
Mit Bescheid vom 14.07.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.09.2006 auf Dauer, längstens aber bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Unter dem 11.09.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 09.06.2004 sowie etwaiger Folgebescheide durch die Beklagte und machte geltend, dass bei der Berechnung seiner Erwerbsminderungsrente im Bescheid vom 09.06.2004 Abschläge berücksichtigt worden seien. Dies sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05 R) gesetzes- und grundrechtswidrig.
Mit Schreiben vom 19.02.2007 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Entscheidung des BSG nicht der Rechtsauffassung der Träger der Deutschen Rentenversicherung entspreche und regte unter Hinweis auf anhängige Musterprozesse an, das Überprüfungsverfahren zunächst ruhen zu lassen. Der Kläger erklärte sich in der Folgezeit mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden.
Mit Bescheid vom 13.04.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und begründete dies damit, dass sowohl während des Gesetzgebungsverfahrens als auch bei der Anwendung der Vorschriften im Rahmen von Rentenberechnungen alle Beteiligten davon ausgegangen seien, dass bei sämtlichen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Rentenbeginn vor dem 63. Lebensjahr des Versicherten Abschläge zu berücksichtigen seien. Die bis zur Entscheidung des BSG mit der Problematik befassten Gerichte seien auch stets von der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung ausgegangen.
Dagegen legte der Kläger am 24.04.2007 Widerspruch zur Niederschrift ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung, die der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.05.2006 vertreten habe, sei der Zugangsfaktor bei Renten wegen Erwerbsminderung auch bei Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) zu vermindern. Die Höhe des Abschlags betrage grundsätzlich 10,8 v. H ... Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprächen für die Auslegung der Rentenversicherungsträger und gegen die Auslegung des 4. Senats des BSG. Der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 werde daher nicht gefolgt.
Mit seiner am 15.06.2007 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er bezieht sich auf das Urteil des BSG vom 16.05.2006 und ist weiterhin der Ansicht, dass Abschläge bei Renten wegen Erwerbsminderung für Rentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, rechtswidrig seien.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 09.06.2004 sowie den Folgebescheid vom 14.07.2006 dahin abzuändern, dass ihm unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab Rentenbeginn am 01.10.2004 eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Vorverfahren.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten (Band I und II) der Beklagten (Versicherungsnummer: ) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 13.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 06.09.2004 und 14.07.2006 und Zahlung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab dem 01.10.2004.
Rechtsgrundlage für die Überprüfung von rechtswidrigen Verwaltungsakten ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Danach ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise zurückzunehmen. Voraussetzung ist, dass bei Erlass des zur Überprüfung gestellten Bescheides das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es bestehen weder Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 06.09.2004 und 14.07.2006 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch wurde bei Erlass dieser Bescheide das Recht unrichtig angewandt.
Die Beklagte hat den Monatsbetrag der Rente des Klägers in Anwendung der Rentenformel des § 64 SGB VI zutreffend berechnet und dabei bei der Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte des Klägers aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zu Recht einen auf 0,892 geminderten Zugangsfaktor in Ansatz gebracht. Die Bewertung des Zugangsfaktors durch die Beklagte beruht auf der Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist nach § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme (§ 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).
Nach Ansicht der Kammer sind die Vorschriften des § 77 Abs. 2 SGB VI dahingehend auszulegen, dass Erwerbsminderungsrenten nach dem 01.01.2004 (vgl. § 253a SGB VI), die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, auf Grund des geminderten Zugangsfaktors stets einem Abschlag von 10,8 v. H. unterliegen (so auch die rentenrechtliche Literatur, vgl. Polster in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, 2006, § 77 SGB VI Rn. 21; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, § 77 Rn. 45; Plagemann in jurisPR SozR 20/2006 m. w. N.). Daraus ergibt sich vorliegend bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten der Zugangsfaktor von 0,892.
Die Kammer vermag der Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI, die der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 zu Grunde liegt und auf die sich der Kläger bezieht, nicht zu folgen. Nach diesem Urteil des 4. Senats des BSG unterliegen Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Rentenabschlägen nur dann, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen. Zwar bezieht sich die Entscheidung des 4. Senats anders als der vorliegende Fall auf den Rentenanspruch einer Versicherten, deren zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres begann und vor Vollendung des 60. Lebensjahres endet. Das Urteil des BSG enthält aber den Hinweis, dass auch bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr begonnen haben, der Rentenabschlag von 10,8 v. H. (36 x 0,003) ab Vollendung des 60. Lebensjahres greift (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 37).
Der 4. Senat führt insoweit aus, dass allein diese Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI, die einen verringerten Zugangsfaktor für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres ausschließe, rechtmäßig und frei von verfassungswidriger Willkür sei. Denn auf der Grundlage dieser Vorschrift sei eine Durchbrechung des Prinzips der "(Vor-) Leistungsbezogenheit der Rente" nicht zulässig. Das Prinzip der "(Vor-) Leistungsbezogenheit der Rente" sei Ausdruck der Beachtung der Vorleistung, die ein Versicherter für die Rentenversicherung erbracht habe und werde durch den in die konkrete Rentenberechnung einzustellenden Zugangsfaktor, der grundsätzlich mit 1,0 anzusetzen sei, gewährleistet. Eine Reduzierung dieses Zugangsfaktors und damit eine Nichtbeachtung der erbrachten Vorleistungen sei nur möglich, wenn besondere, im Gesetz ausdrücklich ausgestaltete und verfassungsgemäße Sachgründe dies ausnahmsweise erlaubten. Solche Sachgründe lägen dann vor, soweit gegenüber der nach dem Gesetz "normalen" Inanspruchnahme einer Rente eine "vorzeitige" Inanspruchnahme mit individuellen Vermögensvorteilen im Vergleich zu "Normalrentnern" mit gleicher Vorleistung erfolge, so dass die Nichtberücksichtigung eines Teils der Vorleistung zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten, systemwidrigen Vermögensvorteile notwendig sei (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 15 f.). Die Zeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres gelte gemäß § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI aber ausdrücklich nicht als vorzeitige Inanspruchnahme. Auch schließe die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ausdrücklich einen Rentenabschlag für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 25).
Diese Auslegung werde auch durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (EM-ReformG – BGBl. I, S. 1827) bestätigt. Prägender Leitgedanke für die Einbeziehung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Regelungen über den Zugangsfaktor durch das EM-ReformG sei gewesen, die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzupassen und damit Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden könnten, in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken. Solche Ausweichreaktionen aus der nur bei Inkaufnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmenden vorzeitigen Altersrente auf die Erwerbsminderungsrente seien aber erst ab dem 60. Lebensjahr denkbar (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16. 05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 32 f.). In den Gesetzesmaterialien zum EM-ReformG fänden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Rechtsinhabers begonnen hätten, auch für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres gekürzt werden dürften (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 34). Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass ebenfalls ab 01.01.2001 die Zurechnungszeiten für die Versicherten, die bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres erwerbsgemindert seien und Rente bezögen, verlängert worden seien (BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 36 f.).
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich diese Auslegung der Vorschrift des § 77 Abs. 2 SGB VI durch den 4. Senat des BSG weder aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes noch wird sie durch den Willen des Gesetzgebers und die Gesetzeshistorie gestützt. Vielmehr sprechen der Wortlaut, die Systematik und insbesondere auch der Wille des Gesetzgebers und die Entstehungsgeschichte der Norm dafür, dass auch Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, mit einem Abschlag zu versehen sind. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung der Beklagten, die zwischenzeitlich auch in einer Reihe von Entscheidungen der Instanzgerichte ihre Bestätigung gefunden hat (vgl. insbesondere LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 - L 2 R 415/07 -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007- L 7 R 97/07 -; Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 - L 5 R 228/06 -; SG Detmold, Urteil vom 14.08.2007 - S 20 R 83/07 -; SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 - S 3 R 85/07 -; SG Leipzig, Urteil vom 03.07.2007 - S 3 R 1397/06 -; SG Duisburg, Urteil vom 02.07.2007 - S 21 R 145/07 -; SG Freiburg, Urteil vom 14.06.2007 - S 6 R 886/07 -; SG Nürnberg, Urteil vom 30.05.2007 - S 14 R 4013/07 -; SG Aachen, Urteil vom 29.05.2007 - S 13 KN 9/07 -; SG für das Saarland, Urteil vom 08.05.2007 - S 14 R 82/07 -; SG Köln, Urteil vom 23.04.2007 - S 3 R 367/06 -; SG Augsburg, Urteil vom 23.04.2007 - S 3 R 26/07 -; SG Altenburg, Urteil vom 22.03.2007 - S 14 KN 64/07 -; SG Bremen, Urteil vom 21.11.2006 - S 8 RA 180/03 -; der Auffassung des 4. Senates des BSG im o.g. Urteil vom 16.05.2006 angeschlossen haben sich hingegen insbesondere LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.05.2007 - L 8 R 353/06 -; SG Lübeck, Urteil vom 26.04.2007 - S 14 R 235/07 -; LSG für das Saarland, Urteil vom 09.02.2007 - L 7 R 40/06 -; auch der zwischenzeitlich sachlich zuständige 5. Senat des BSG beabsichtigt offensichtlich, von der Rechtsprechung des 4. Senats abzuweichen, vgl. die Medieninformation Nr. 6/08 des BSG über die Anfrage des 5a. Senats beim 13. Senat, ob dieser an der vom 4. Senat entwickelten Rechtsprechung festhalte).
Nach dem Wortlaut der Ausgangsregelung des § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor zunächst nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der Zugangsfaktor für die genannte Rentenlaufzeit einheitlich zu bestimmen ist. Diesen Grundsatz lässt auch die Ausnahmebestimmung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI unberührt. § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bestimmt lediglich, dass "für die Bestimmung des Zugangsfaktors" die Vollendung des 60. Lebensjahres maßgebend ist, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Damit hat der Gesetzgeber nach Auffassung der Kammer lediglich normiert, dass bei Erwerbsminderungsrenten der Zugangsfaktor nicht unter den Wert von 0,892 (= 1,00 - 0,003 x 36) sinken darf. Die in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI verwendete Formulierung "für die Bestimmung des Zugangsfaktors" verdeutlicht dabei, dass der Gesetzgeber auch bei Erwerbsminderungsrenten von einem einheitlich für die gesamte Rentenlaufzeit festzulegenden Zugangsfaktor ausgegangen ist. Aus dem Gesetzeswortlaut ergeben sich demgegenüber nach Auffassung der Kammer keine Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, dass ein verminderter Zugangsfaktor erst für Rentenbezugszeiten ab vollendetem 60. Lebensjahr relevant werden sollte. Vielmehr liegt der Regelungsgehalt des § 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI nach Ansicht der Kammer lediglich in der Begrenzung der Wirkung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007- L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 21). Denn diese Vorschrift könnte für sich genommen zur Folge haben – wie auch das BSG in der genannten Entscheidung darlegt - , dass der Zugangsfaktor auf 0 absinkt und deshalb keine Rente bewilligt würde. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI im Sinne einer Klarstellung wiederholt oder ob § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch eine eigenständige Bedeutung in Fällen des vorübergehenden Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung und eines späteren Bezugs einer Altersrente in Gestalt einer Modifikation des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI zukommt (so die Auffassung der Rentenversicherungsträger, vgl. Mey, in RV aktuell 3/2007, S. 44, 46; von Koch/Kolakowski, SGb 2007, 71, 73; Wollschläger, DRV 2001, 276, 282).
Diese Auslegung des Wortlauts wird durch eine ergänzende systematische Auslegung be-stätigt. In der Literatur ist überzeugend dargelegt worden, dass § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI lediglich die Grundregel aufstellt, dass für die bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legenden Entgeltpunkte der Zugangsfaktor zu reduzieren ist, wenn diese vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird (vgl. von Koch/Kolakowski, SGb 2007, 71 ff.). Anders als für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten enthält § 77 Abs. 2 SGB VI mit den Sätzen 2 und 3 für Erwerbsminderungsrenten auch die Berechnungsregeln, aufgrund derer die für die Reduzierung des Zugangsfaktors zu berücksichtigenden Monate zu bestimmen sind. Danach regelt § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zunächst, ab welchen Zeitpunkt die Monate zählen, die für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgeblich sind. Mit dem Datum der Vollendung des 63. Lebensjahres wird der Zeitpunkt zur Berechnung des Minderungszeitraumes benannt, d. h. der Beginn des zeitlich rückwärts zu betrachtenden Zeitraums (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 – L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 22). Die Berechnung setzt sich sodann in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI fort, wonach gerade nicht jeder Monat, in dem die Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, zu einer Reduzierung des Zugangsfaktors führen soll. Eine Reduzierung ist vielmehr ausgeschlossen für die Monate der Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres liegen, womit das Ende des zeitlich rückwärts zu betrachtenden Zeitraums festgelegt wird (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 – L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 23).
Auch in den Gesetzesmaterialien zum EM-ReformG findet sich kein Hinweis auf eine beabsichtigte Privilegierung der unter 60-jährigen. Durch das EM-ReformG sollte die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angepasst werden (BT-Drucksache 14/4230 S. 1, 26). Zwar sollte die Neuregelung auch Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden können, in die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegenwirken (BT-Drucksache 14/4230 S. 26 Nr. 22 ). Insofern wird in der Entscheidung des BSG zu Recht ausgeführt, dass eine solche Ausweichreaktion nur bei Personen stattfinden kann, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Dennoch hat der Gesetzgeber generell zum Ziel gehabt, Vorteile eines längeren Rentenbezugs durch einen verminderten Zugangsfaktor auszugleichen (BT-Drucksache 14/4230 S. 26 zu Nr. 16) und damit dem vom BSG mehrfach zur Begründung herangezogenen Grundsatz der "(Vor-) Leistungsbezogenheit" Rechnung zu tragen. Denn diese ist, worauf das BSG nicht weiter eingeht, bei Erwerbsminderungsrentnern gerade geringer als bei vom Versicherungsverlauf her vergleichbaren Rentnern, die Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen (bei Erwerbsminderung ab dem 60. Lebensjahr ist sie höchstens gleich hoch). Der Gesetzesbegründung ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor lediglich für Versicherte gelten soll, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Vielmehr geht die Gesetzesbegründung allgemein davon aus, dass die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten in der Weise angeglichen wird, dass die Renten mit einem Abschlag von höchstens 10,8 v. H. versehen werden (BT-Drucksache 14/4230 S. 24). Aus dieser Formulierung ist zwar nur indirekt, zur Überzeugung der Kammer aber zwingend zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Verringerung des Zugangsfaktors auch Erwerbsminderungsrenten erfasst, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Denn eine solche Begrenzung des Abschlags auf höchstens 10,8 v. H. ist nur dann zu erwähnen, wenn sich ohne eine entsprechende Formulierung – wie bei isolierter Betrachtung von § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI - ein höherer Abschlag ergeben könnte (vgl. SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Auch mit Blick auf die ebenfalls durch das EM-ReformG eingeführte, ab 01.01.2001 geltende Verlängerung der Zurechnungszeit gemäß § 59 SGB VI vermag sich die Kammer der Auslegung des BSG nicht anzuschließen. Bis zum 31.12.2000 endete gemäß § 59 Abs. 3 SGB VI a.F. die Zurechnungszeit mit dem Zeitpunkt, der sich ergibt, wenn die Zeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr in vollem Umfang, die darüber hinausgehende Zeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr zu einem Drittel hinzugerechnet wird. Mit der Einführung des zu kürzenden Zugangsfaktors auch für Erwerbsminderungsrenten seit dem 01.01.2001 endet die volle Zurechnungszeit gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erst mit der Vollendung des 60. Lebensjahres. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/4230 S. 24, 26) sollten die Auswirkungen der Verminderung des Zugangsfaktors dadurch abgemindert werden, dass die Zeit zwischen dem vollendeten 55. und 60. Lebensjahr künftig voll als Zurechnungszeit angerechnet wird (vgl. SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Der Gesetzgeber hat insoweit die Art der Berücksichtigung der geringeren Vorleistung verändert und sich damit für eine andere Art der Berechnung der Rentenminderung bei Inanspruchnahme einer Rente vor dem 60. Lebensjahr für alle Rentenarten entschieden. Während er zuvor die Zurechnungszeit gekürzt hatte, hat er nunmehr die Zurechnungszeit erhöht, andererseits dies aber teilweise durch den niedrigeren Zugangsfaktor wieder ausgeglichen. Dabei werden insbesondere die Abschläge bei den mit den vorzeitigen Altersrentnern nicht vergleichbaren Erwerbsminderungsrentnern unter 60 Jahren, bei denen eine Ausweichreaktion faktisch gar nicht möglich ist, richtigerweise zumindest teilweise wieder ausgeglichen (vgl. SG Detmold, Urteil vom 26.06.2007 – S 20 R 68/05 – zitiert nach Juris, Rn. 18 m. w. N.). Insgesamt ergibt sich danach nach Auffassung der Kammer aus der dem EM-ReformG zugrundeliegenden Gesamtregelung aus Absenkung des Zugangsfaktors bei gleichzeitiger Anhebung der Zurechnungszeit, dass auch bei einem Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres Abschläge geplant waren. Dass es sich hierbei nicht um isolierte und nicht in Verbindung stehende Berechnungselemente handelt, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Zusammenspiel der Übergangsregelungen des § 264 c SGB VI in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (§ 264c SGB VI a. F.) und des § 253 a SGB VI (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 36). Eine Auslegung, die diese gesetzessystematische Betrachtungsweise außer Acht lässt und entgegen dem Willen des Gesetzgebers bei einem Regelungskomplex – hier dem Zusammenspiel der Verlängerung der Zurechnungszeit mit der Verminderung des Zugangsfaktors - einen Teil des Regelungskomplexes für verfassungswidrig erklärt, den anderen – begünstigenden - Teil der Regelung hingegen unangetastet lässt, hält die Kammer für nicht zulässig. Dies hätte im Übrigen anstelle einer Verminderung der vorzeitig in Anspruch genommenen Erwerbminderungsrenten, die offensichtlich Intention des Gesetzgebers war, deren faktische Erhöhung zur Folge (so auch SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 - S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Darüber hinaus hätte die Umsetzung der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zur Folge, dass ein Erwerbsminderungsrentner, dessen Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt, zunächst eine ungekürzte Rente erhielte, die dann mit Vollendung des 60. Lebensjahres - ausschließlich aufgrund seines Geburtstages, ohne Veränderung in den Verhältnissen - um 10,8 v. H. gekürzt werden müsste. Nach dem in § 88 Abs. 1 SGB VI geregelten Besitzschutz für Folgerenten sind hingegen die in einer zuvor festgestellten Rente ermittelten Entgeltpunkte auch für eine Folgerente zu übernehmen, wenn diese innerhalb von 24 Monaten nach der letzten Rente beginnt. Aus dem gesamten Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch in diese Besitzschutzregelung eingreifen wollte (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 39).
Ebenso erscheint es der Kammer mit Blick auf das durch die Erwerbsminderungsrente angestrebte Versorgungsziel nicht erklärbar, dass ein Versicherter ab dem 60. Lebensjahr eine deutliche Rentenkürzung hinzunehmen hätte, obwohl seine Hinzuverdienstmöglichkeiten mit zunehmendem Alter sinken, während der Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, deren Bezugszeit vor dem 60. Lebensjahr endet, keinen Abschlägen unterläge (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2006 - L 2 R 566/06 -; SG Berlin, Urteil vom 24.09.2007 – S 15 R 1830/07 – zitiert nach Juris, Rn. 28).
Auch aus dem Regelungsinhalt und der Begründung des "Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung" vom 20.04.2007 (RV-Altersgrenzenan-passungsgesetz, abgedruckt in BGBL. I Nr. 16 vom 30.04.2007 S. 554-575) lässt sich im Übrigen entnehmen, dass die Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI durch den 4. Senat des BSG gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers des EM-ReformG entspricht (so auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 29). Die Zielsetzung der in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 SGB VI getroffenen Regelungen wird in dem Entwurf dieses Gesetzes (BR-Drucksache 2/07 S. 91 zu Nr. 23) im Zusammenhang mit der vorgesehenen Anhebung der Altersgrenzen in § 77 SGB VI (hier: 62. statt 60. Lebensjahr) wie folgt beschrieben: "Die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten in Höhe von 10,8 Prozent sind entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung des Gesetzes und entgegen einer Entscheidung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R) in allen Fällen vorzunehmen, in denen die Rente mit oder vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnt, also auch dann, wenn die Rente in jungen Jahren in Anspruch genommen wird."
Die mit § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 SGB VI geregelte Absenkung des Zugangsfaktors begegnet schließlich auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung verletzt insbesondere nicht Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen nach Art. 14 Abs. 1 GG ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet werden kann. Diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht (zum Schutz sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche durch Art. 14 Abs. 1 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 – 1 BvL 5/80 = BVerfG 69, 272 (300 f.); Lenze, NRW 2003, 1427; Neumann, NZS 1998, 401). In dem durch Beitragsäquivalenz geprägten Leistungsbereich ist der Eigentumsschutz dabei nach dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten "abgestuften Eigentumsschutz" intensiver als im sonstigen Bereich der Bewilligung von Leistungsanteilen ohne oder mit nur geminderter Beitragsleistung; hier verfügt der Gesetzgeber über einen weiteren Gestaltungsspielraum (zu Ausbildungs-Ausfallzeiten: BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981 – 1 BvR 874/77 = BVerfGE 58, 81 = SozR 2200 § 1255a Nr. 7). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die durch das Fremdrentengesetz begründeten Anwartschaften ausgeführt, dass diese nicht dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 – 1 BvL 9/00). Insofern könnte bereits zweifelhaft sein, ob der 4. Senat des BSG, soweit er als "Vorleistung" alle sich aus der Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten nach § 63 Abs. 1-3 SGB VI ergebenden Entgeltpunkte heranzieht, hinreichend berücksichtigt, dass in die Rentenberechnung mit der sogenannten Zurechnungszeit auch Zeiten einfließen, die nicht auf Beitragszahlungen beruhen (so Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 41; SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 – zitiert nach Juris, Rn. 18; hierzu auch von Koch/Kolakowski, SGb 2007, S. 71 ff.).
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sich nicht von der Zurechnungszeit trennen lässt, weil nur durch die Zurechnungszeit das Sicherungsziel dieser Rentenart - die Gewährleistung eines Einkommensersatzes oberhalb des Niveaus der Grundsicherung für den Fall der Verminderung der Erwerbsfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze - überhaupt erreicht werden kann, und als Gegenstand des Schutzes des Art. 14 GG daher die Rentenanwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergibt, ansieht (so wohl zutreffend Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 33), wäre deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nach ständiger Rechtsprechung nicht generell ausgeschlossen (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 - 1 BvL 9/00, u. a. - BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr. 5; BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 – 1 BvL 10/00 – NJW 2007, 1577, beide m. w. N.).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums näher bestimmen und eingrenzen darf, soweit Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dies rechtfertigen (vgl. hierzu BVerfGE 72, 9, 23). Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung hat der Gesetzgeber vorliegend mit dem EM-ReformG vorgenommen. Dabei war das Gesetz sowohl aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten als auch verhältnismäßig. Ein öffentliches Interesse an der Einführung eines geminderten Zugangsfaktors auch im Bereich der Erwerbsminderungsrenten ergibt sich aus der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Bereits mit dem Rentenreformgesetz 1992 wurden Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vorgenommen. Mit dem späteren Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 01.01.1997 wurde die Altersgrenzenanhebung mit einhergehendem Rentenabschlag vorgezogen und beschleunigt. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Einschätzung getroffen, dass viele Versicherte, die sowohl erwerbsgemindert waren als auch die Voraussetzungen einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllten, wegen der bei vorgezogenem Altersrentenbezug drohenden Rentenabschläge die EM-Rente in Anspruch nehmen würden (zur Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und den gesetzgeberischen Motiven vgl. ausführlich Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.04.2005 - L 1 RA 255/04 - m. w. N.). Dies zu verhindern und insbesondere auch die durch die Frühverrentungspraxis entstandene finanzielle Belastung der Rentenversicherungsträger in Grenzen zu halten, um dem Konsolidierungsbedarf Genüge zu tun, begründet nach Auffassung der Kammer ein ausreichendes öffentliches Interesse (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 43; vgl. auch ausführlich Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 36).
Darüber hinaus ist die Regelung über den Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrenten verhältnismäßig, da sie eine Übergangsregelung beinhaltet und durch die Kompensationsmaßnahme der Anhebung der Zurechnungszeit über das 55. Lebensjahr hinaus bis zum 60. Lebensjahr zu 1/1 statt früher zu einem Drittel bzw. zwei Dritteln eine gewisse Abfederung ermöglicht (vgl. hierzu Urteil LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.04.2005 - L 1 RA 255/04). Die Veränderung von Berechnungsgrundlagen muss gerade dann zu rechtfertigen sein, wenn sie durch gleichzeitige Verbesserungen kompensiert wird (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 44 m. w. N.).
Die Kammer hat auch im Übrigen keinen Anlass an der Berechnung der Höhe der Rente zu zweifeln. Hierzu ist seitens des Klägers auch nichts vorgetragen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0.
Der am 1949 geborene Kläger bezog seit Mai 1996 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau, die unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 berechnet wurde. Ab 01.01.1997 erhielt er Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung, ebenfalls unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0. Mit Bescheid vom 09.06.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Beginn ab 01.10.2004, befristet bis zum 31.08.2006. Dabei ermittelte die Beklagte die persönlichen Entgeltpunkte in der Anlage 6 des Bescheides getrennt für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und für die knappschaftliche Rentenversicherung. Bei der Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten legte die Beklagte einen Zugangsfaktor von 0,892 zugrunde und begründete dies damit, dass sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 31.01.2009 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 vermindere. Danach betrage die Verminderung für 36 Kalendermonate 0,108. Angesichts der Summe aller Entgeltpunkte (Ost) von 14,5594 würden daher die persönlichen Entgeltpunkte (Ost) 14,2153 betragen. Aus der knappschaftlichen Rentenversicherung ergäben sich bei Zugrundelegung der Summe aller Entgeltpunkte (Ost) von 25,6813 auch 25,6813 persönliche Entgeltpunkte, da Entgeltpunkte (Ost), die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien, den Zugangsfaktor von 1,0 behielten.
Mit Bescheid vom 14.07.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.09.2006 auf Dauer, längstens aber bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Unter dem 11.09.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 09.06.2004 sowie etwaiger Folgebescheide durch die Beklagte und machte geltend, dass bei der Berechnung seiner Erwerbsminderungsrente im Bescheid vom 09.06.2004 Abschläge berücksichtigt worden seien. Dies sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05 R) gesetzes- und grundrechtswidrig.
Mit Schreiben vom 19.02.2007 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Entscheidung des BSG nicht der Rechtsauffassung der Träger der Deutschen Rentenversicherung entspreche und regte unter Hinweis auf anhängige Musterprozesse an, das Überprüfungsverfahren zunächst ruhen zu lassen. Der Kläger erklärte sich in der Folgezeit mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden.
Mit Bescheid vom 13.04.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und begründete dies damit, dass sowohl während des Gesetzgebungsverfahrens als auch bei der Anwendung der Vorschriften im Rahmen von Rentenberechnungen alle Beteiligten davon ausgegangen seien, dass bei sämtlichen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Rentenbeginn vor dem 63. Lebensjahr des Versicherten Abschläge zu berücksichtigen seien. Die bis zur Entscheidung des BSG mit der Problematik befassten Gerichte seien auch stets von der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung ausgegangen.
Dagegen legte der Kläger am 24.04.2007 Widerspruch zur Niederschrift ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung, die der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.05.2006 vertreten habe, sei der Zugangsfaktor bei Renten wegen Erwerbsminderung auch bei Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) zu vermindern. Die Höhe des Abschlags betrage grundsätzlich 10,8 v. H ... Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprächen für die Auslegung der Rentenversicherungsträger und gegen die Auslegung des 4. Senats des BSG. Der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 werde daher nicht gefolgt.
Mit seiner am 15.06.2007 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er bezieht sich auf das Urteil des BSG vom 16.05.2006 und ist weiterhin der Ansicht, dass Abschläge bei Renten wegen Erwerbsminderung für Rentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, rechtswidrig seien.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 09.06.2004 sowie den Folgebescheid vom 14.07.2006 dahin abzuändern, dass ihm unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab Rentenbeginn am 01.10.2004 eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Vorverfahren.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten (Band I und II) der Beklagten (Versicherungsnummer: ) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 13.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 06.09.2004 und 14.07.2006 und Zahlung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab dem 01.10.2004.
Rechtsgrundlage für die Überprüfung von rechtswidrigen Verwaltungsakten ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Danach ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise zurückzunehmen. Voraussetzung ist, dass bei Erlass des zur Überprüfung gestellten Bescheides das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es bestehen weder Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 06.09.2004 und 14.07.2006 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch wurde bei Erlass dieser Bescheide das Recht unrichtig angewandt.
Die Beklagte hat den Monatsbetrag der Rente des Klägers in Anwendung der Rentenformel des § 64 SGB VI zutreffend berechnet und dabei bei der Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte des Klägers aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zu Recht einen auf 0,892 geminderten Zugangsfaktor in Ansatz gebracht. Die Bewertung des Zugangsfaktors durch die Beklagte beruht auf der Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist nach § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme (§ 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).
Nach Ansicht der Kammer sind die Vorschriften des § 77 Abs. 2 SGB VI dahingehend auszulegen, dass Erwerbsminderungsrenten nach dem 01.01.2004 (vgl. § 253a SGB VI), die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, auf Grund des geminderten Zugangsfaktors stets einem Abschlag von 10,8 v. H. unterliegen (so auch die rentenrechtliche Literatur, vgl. Polster in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, 2006, § 77 SGB VI Rn. 21; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, § 77 Rn. 45; Plagemann in jurisPR SozR 20/2006 m. w. N.). Daraus ergibt sich vorliegend bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten der Zugangsfaktor von 0,892.
Die Kammer vermag der Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI, die der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 zu Grunde liegt und auf die sich der Kläger bezieht, nicht zu folgen. Nach diesem Urteil des 4. Senats des BSG unterliegen Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Rentenabschlägen nur dann, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen. Zwar bezieht sich die Entscheidung des 4. Senats anders als der vorliegende Fall auf den Rentenanspruch einer Versicherten, deren zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres begann und vor Vollendung des 60. Lebensjahres endet. Das Urteil des BSG enthält aber den Hinweis, dass auch bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr begonnen haben, der Rentenabschlag von 10,8 v. H. (36 x 0,003) ab Vollendung des 60. Lebensjahres greift (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 37).
Der 4. Senat führt insoweit aus, dass allein diese Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI, die einen verringerten Zugangsfaktor für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres ausschließe, rechtmäßig und frei von verfassungswidriger Willkür sei. Denn auf der Grundlage dieser Vorschrift sei eine Durchbrechung des Prinzips der "(Vor-) Leistungsbezogenheit der Rente" nicht zulässig. Das Prinzip der "(Vor-) Leistungsbezogenheit der Rente" sei Ausdruck der Beachtung der Vorleistung, die ein Versicherter für die Rentenversicherung erbracht habe und werde durch den in die konkrete Rentenberechnung einzustellenden Zugangsfaktor, der grundsätzlich mit 1,0 anzusetzen sei, gewährleistet. Eine Reduzierung dieses Zugangsfaktors und damit eine Nichtbeachtung der erbrachten Vorleistungen sei nur möglich, wenn besondere, im Gesetz ausdrücklich ausgestaltete und verfassungsgemäße Sachgründe dies ausnahmsweise erlaubten. Solche Sachgründe lägen dann vor, soweit gegenüber der nach dem Gesetz "normalen" Inanspruchnahme einer Rente eine "vorzeitige" Inanspruchnahme mit individuellen Vermögensvorteilen im Vergleich zu "Normalrentnern" mit gleicher Vorleistung erfolge, so dass die Nichtberücksichtigung eines Teils der Vorleistung zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten, systemwidrigen Vermögensvorteile notwendig sei (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 15 f.). Die Zeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres gelte gemäß § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI aber ausdrücklich nicht als vorzeitige Inanspruchnahme. Auch schließe die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ausdrücklich einen Rentenabschlag für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 25).
Diese Auslegung werde auch durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (EM-ReformG – BGBl. I, S. 1827) bestätigt. Prägender Leitgedanke für die Einbeziehung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Regelungen über den Zugangsfaktor durch das EM-ReformG sei gewesen, die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzupassen und damit Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden könnten, in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken. Solche Ausweichreaktionen aus der nur bei Inkaufnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmenden vorzeitigen Altersrente auf die Erwerbsminderungsrente seien aber erst ab dem 60. Lebensjahr denkbar (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16. 05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 32 f.). In den Gesetzesmaterialien zum EM-ReformG fänden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Rechtsinhabers begonnen hätten, auch für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres gekürzt werden dürften (vgl. BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 34). Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass ebenfalls ab 01.01.2001 die Zurechnungszeiten für die Versicherten, die bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres erwerbsgemindert seien und Rente bezögen, verlängert worden seien (BSG 4. Senat, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R – zitiert nach Juris, Rn. 36 f.).
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich diese Auslegung der Vorschrift des § 77 Abs. 2 SGB VI durch den 4. Senat des BSG weder aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes noch wird sie durch den Willen des Gesetzgebers und die Gesetzeshistorie gestützt. Vielmehr sprechen der Wortlaut, die Systematik und insbesondere auch der Wille des Gesetzgebers und die Entstehungsgeschichte der Norm dafür, dass auch Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, mit einem Abschlag zu versehen sind. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung der Beklagten, die zwischenzeitlich auch in einer Reihe von Entscheidungen der Instanzgerichte ihre Bestätigung gefunden hat (vgl. insbesondere LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 - L 2 R 415/07 -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007- L 7 R 97/07 -; Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 - L 5 R 228/06 -; SG Detmold, Urteil vom 14.08.2007 - S 20 R 83/07 -; SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 - S 3 R 85/07 -; SG Leipzig, Urteil vom 03.07.2007 - S 3 R 1397/06 -; SG Duisburg, Urteil vom 02.07.2007 - S 21 R 145/07 -; SG Freiburg, Urteil vom 14.06.2007 - S 6 R 886/07 -; SG Nürnberg, Urteil vom 30.05.2007 - S 14 R 4013/07 -; SG Aachen, Urteil vom 29.05.2007 - S 13 KN 9/07 -; SG für das Saarland, Urteil vom 08.05.2007 - S 14 R 82/07 -; SG Köln, Urteil vom 23.04.2007 - S 3 R 367/06 -; SG Augsburg, Urteil vom 23.04.2007 - S 3 R 26/07 -; SG Altenburg, Urteil vom 22.03.2007 - S 14 KN 64/07 -; SG Bremen, Urteil vom 21.11.2006 - S 8 RA 180/03 -; der Auffassung des 4. Senates des BSG im o.g. Urteil vom 16.05.2006 angeschlossen haben sich hingegen insbesondere LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.05.2007 - L 8 R 353/06 -; SG Lübeck, Urteil vom 26.04.2007 - S 14 R 235/07 -; LSG für das Saarland, Urteil vom 09.02.2007 - L 7 R 40/06 -; auch der zwischenzeitlich sachlich zuständige 5. Senat des BSG beabsichtigt offensichtlich, von der Rechtsprechung des 4. Senats abzuweichen, vgl. die Medieninformation Nr. 6/08 des BSG über die Anfrage des 5a. Senats beim 13. Senat, ob dieser an der vom 4. Senat entwickelten Rechtsprechung festhalte).
Nach dem Wortlaut der Ausgangsregelung des § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor zunächst nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der Zugangsfaktor für die genannte Rentenlaufzeit einheitlich zu bestimmen ist. Diesen Grundsatz lässt auch die Ausnahmebestimmung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI unberührt. § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bestimmt lediglich, dass "für die Bestimmung des Zugangsfaktors" die Vollendung des 60. Lebensjahres maßgebend ist, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Damit hat der Gesetzgeber nach Auffassung der Kammer lediglich normiert, dass bei Erwerbsminderungsrenten der Zugangsfaktor nicht unter den Wert von 0,892 (= 1,00 - 0,003 x 36) sinken darf. Die in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI verwendete Formulierung "für die Bestimmung des Zugangsfaktors" verdeutlicht dabei, dass der Gesetzgeber auch bei Erwerbsminderungsrenten von einem einheitlich für die gesamte Rentenlaufzeit festzulegenden Zugangsfaktor ausgegangen ist. Aus dem Gesetzeswortlaut ergeben sich demgegenüber nach Auffassung der Kammer keine Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, dass ein verminderter Zugangsfaktor erst für Rentenbezugszeiten ab vollendetem 60. Lebensjahr relevant werden sollte. Vielmehr liegt der Regelungsgehalt des § 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI nach Ansicht der Kammer lediglich in der Begrenzung der Wirkung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007- L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 21). Denn diese Vorschrift könnte für sich genommen zur Folge haben – wie auch das BSG in der genannten Entscheidung darlegt - , dass der Zugangsfaktor auf 0 absinkt und deshalb keine Rente bewilligt würde. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI im Sinne einer Klarstellung wiederholt oder ob § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch eine eigenständige Bedeutung in Fällen des vorübergehenden Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung und eines späteren Bezugs einer Altersrente in Gestalt einer Modifikation des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI zukommt (so die Auffassung der Rentenversicherungsträger, vgl. Mey, in RV aktuell 3/2007, S. 44, 46; von Koch/Kolakowski, SGb 2007, 71, 73; Wollschläger, DRV 2001, 276, 282).
Diese Auslegung des Wortlauts wird durch eine ergänzende systematische Auslegung be-stätigt. In der Literatur ist überzeugend dargelegt worden, dass § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI lediglich die Grundregel aufstellt, dass für die bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legenden Entgeltpunkte der Zugangsfaktor zu reduzieren ist, wenn diese vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird (vgl. von Koch/Kolakowski, SGb 2007, 71 ff.). Anders als für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten enthält § 77 Abs. 2 SGB VI mit den Sätzen 2 und 3 für Erwerbsminderungsrenten auch die Berechnungsregeln, aufgrund derer die für die Reduzierung des Zugangsfaktors zu berücksichtigenden Monate zu bestimmen sind. Danach regelt § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zunächst, ab welchen Zeitpunkt die Monate zählen, die für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgeblich sind. Mit dem Datum der Vollendung des 63. Lebensjahres wird der Zeitpunkt zur Berechnung des Minderungszeitraumes benannt, d. h. der Beginn des zeitlich rückwärts zu betrachtenden Zeitraums (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 – L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 22). Die Berechnung setzt sich sodann in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI fort, wonach gerade nicht jeder Monat, in dem die Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, zu einer Reduzierung des Zugangsfaktors führen soll. Eine Reduzierung ist vielmehr ausgeschlossen für die Monate der Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres liegen, womit das Ende des zeitlich rückwärts zu betrachtenden Zeitraums festgelegt wird (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.09.2007 – L 2 R 415/07 – zitiert nach Juris, Rn. 23).
Auch in den Gesetzesmaterialien zum EM-ReformG findet sich kein Hinweis auf eine beabsichtigte Privilegierung der unter 60-jährigen. Durch das EM-ReformG sollte die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angepasst werden (BT-Drucksache 14/4230 S. 1, 26). Zwar sollte die Neuregelung auch Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden können, in die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegenwirken (BT-Drucksache 14/4230 S. 26 Nr. 22 ). Insofern wird in der Entscheidung des BSG zu Recht ausgeführt, dass eine solche Ausweichreaktion nur bei Personen stattfinden kann, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Dennoch hat der Gesetzgeber generell zum Ziel gehabt, Vorteile eines längeren Rentenbezugs durch einen verminderten Zugangsfaktor auszugleichen (BT-Drucksache 14/4230 S. 26 zu Nr. 16) und damit dem vom BSG mehrfach zur Begründung herangezogenen Grundsatz der "(Vor-) Leistungsbezogenheit" Rechnung zu tragen. Denn diese ist, worauf das BSG nicht weiter eingeht, bei Erwerbsminderungsrentnern gerade geringer als bei vom Versicherungsverlauf her vergleichbaren Rentnern, die Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen (bei Erwerbsminderung ab dem 60. Lebensjahr ist sie höchstens gleich hoch). Der Gesetzesbegründung ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor lediglich für Versicherte gelten soll, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Vielmehr geht die Gesetzesbegründung allgemein davon aus, dass die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten in der Weise angeglichen wird, dass die Renten mit einem Abschlag von höchstens 10,8 v. H. versehen werden (BT-Drucksache 14/4230 S. 24). Aus dieser Formulierung ist zwar nur indirekt, zur Überzeugung der Kammer aber zwingend zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Verringerung des Zugangsfaktors auch Erwerbsminderungsrenten erfasst, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Denn eine solche Begrenzung des Abschlags auf höchstens 10,8 v. H. ist nur dann zu erwähnen, wenn sich ohne eine entsprechende Formulierung – wie bei isolierter Betrachtung von § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI - ein höherer Abschlag ergeben könnte (vgl. SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Auch mit Blick auf die ebenfalls durch das EM-ReformG eingeführte, ab 01.01.2001 geltende Verlängerung der Zurechnungszeit gemäß § 59 SGB VI vermag sich die Kammer der Auslegung des BSG nicht anzuschließen. Bis zum 31.12.2000 endete gemäß § 59 Abs. 3 SGB VI a.F. die Zurechnungszeit mit dem Zeitpunkt, der sich ergibt, wenn die Zeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr in vollem Umfang, die darüber hinausgehende Zeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr zu einem Drittel hinzugerechnet wird. Mit der Einführung des zu kürzenden Zugangsfaktors auch für Erwerbsminderungsrenten seit dem 01.01.2001 endet die volle Zurechnungszeit gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erst mit der Vollendung des 60. Lebensjahres. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/4230 S. 24, 26) sollten die Auswirkungen der Verminderung des Zugangsfaktors dadurch abgemindert werden, dass die Zeit zwischen dem vollendeten 55. und 60. Lebensjahr künftig voll als Zurechnungszeit angerechnet wird (vgl. SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Der Gesetzgeber hat insoweit die Art der Berücksichtigung der geringeren Vorleistung verändert und sich damit für eine andere Art der Berechnung der Rentenminderung bei Inanspruchnahme einer Rente vor dem 60. Lebensjahr für alle Rentenarten entschieden. Während er zuvor die Zurechnungszeit gekürzt hatte, hat er nunmehr die Zurechnungszeit erhöht, andererseits dies aber teilweise durch den niedrigeren Zugangsfaktor wieder ausgeglichen. Dabei werden insbesondere die Abschläge bei den mit den vorzeitigen Altersrentnern nicht vergleichbaren Erwerbsminderungsrentnern unter 60 Jahren, bei denen eine Ausweichreaktion faktisch gar nicht möglich ist, richtigerweise zumindest teilweise wieder ausgeglichen (vgl. SG Detmold, Urteil vom 26.06.2007 – S 20 R 68/05 – zitiert nach Juris, Rn. 18 m. w. N.). Insgesamt ergibt sich danach nach Auffassung der Kammer aus der dem EM-ReformG zugrundeliegenden Gesamtregelung aus Absenkung des Zugangsfaktors bei gleichzeitiger Anhebung der Zurechnungszeit, dass auch bei einem Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres Abschläge geplant waren. Dass es sich hierbei nicht um isolierte und nicht in Verbindung stehende Berechnungselemente handelt, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Zusammenspiel der Übergangsregelungen des § 264 c SGB VI in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (§ 264c SGB VI a. F.) und des § 253 a SGB VI (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 36). Eine Auslegung, die diese gesetzessystematische Betrachtungsweise außer Acht lässt und entgegen dem Willen des Gesetzgebers bei einem Regelungskomplex – hier dem Zusammenspiel der Verlängerung der Zurechnungszeit mit der Verminderung des Zugangsfaktors - einen Teil des Regelungskomplexes für verfassungswidrig erklärt, den anderen – begünstigenden - Teil der Regelung hingegen unangetastet lässt, hält die Kammer für nicht zulässig. Dies hätte im Übrigen anstelle einer Verminderung der vorzeitig in Anspruch genommenen Erwerbminderungsrenten, die offensichtlich Intention des Gesetzgebers war, deren faktische Erhöhung zur Folge (so auch SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 - S 3 R 85/07 - zitiert nach Juris, Rn. 17).
Darüber hinaus hätte die Umsetzung der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zur Folge, dass ein Erwerbsminderungsrentner, dessen Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt, zunächst eine ungekürzte Rente erhielte, die dann mit Vollendung des 60. Lebensjahres - ausschließlich aufgrund seines Geburtstages, ohne Veränderung in den Verhältnissen - um 10,8 v. H. gekürzt werden müsste. Nach dem in § 88 Abs. 1 SGB VI geregelten Besitzschutz für Folgerenten sind hingegen die in einer zuvor festgestellten Rente ermittelten Entgeltpunkte auch für eine Folgerente zu übernehmen, wenn diese innerhalb von 24 Monaten nach der letzten Rente beginnt. Aus dem gesamten Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch in diese Besitzschutzregelung eingreifen wollte (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 39).
Ebenso erscheint es der Kammer mit Blick auf das durch die Erwerbsminderungsrente angestrebte Versorgungsziel nicht erklärbar, dass ein Versicherter ab dem 60. Lebensjahr eine deutliche Rentenkürzung hinzunehmen hätte, obwohl seine Hinzuverdienstmöglichkeiten mit zunehmendem Alter sinken, während der Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, deren Bezugszeit vor dem 60. Lebensjahr endet, keinen Abschlägen unterläge (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2006 - L 2 R 566/06 -; SG Berlin, Urteil vom 24.09.2007 – S 15 R 1830/07 – zitiert nach Juris, Rn. 28).
Auch aus dem Regelungsinhalt und der Begründung des "Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung" vom 20.04.2007 (RV-Altersgrenzenan-passungsgesetz, abgedruckt in BGBL. I Nr. 16 vom 30.04.2007 S. 554-575) lässt sich im Übrigen entnehmen, dass die Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI durch den 4. Senat des BSG gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers des EM-ReformG entspricht (so auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 29). Die Zielsetzung der in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 SGB VI getroffenen Regelungen wird in dem Entwurf dieses Gesetzes (BR-Drucksache 2/07 S. 91 zu Nr. 23) im Zusammenhang mit der vorgesehenen Anhebung der Altersgrenzen in § 77 SGB VI (hier: 62. statt 60. Lebensjahr) wie folgt beschrieben: "Die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten in Höhe von 10,8 Prozent sind entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung des Gesetzes und entgegen einer Entscheidung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R) in allen Fällen vorzunehmen, in denen die Rente mit oder vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnt, also auch dann, wenn die Rente in jungen Jahren in Anspruch genommen wird."
Die mit § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 SGB VI geregelte Absenkung des Zugangsfaktors begegnet schließlich auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung verletzt insbesondere nicht Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen nach Art. 14 Abs. 1 GG ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet werden kann. Diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht (zum Schutz sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche durch Art. 14 Abs. 1 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 – 1 BvL 5/80 = BVerfG 69, 272 (300 f.); Lenze, NRW 2003, 1427; Neumann, NZS 1998, 401). In dem durch Beitragsäquivalenz geprägten Leistungsbereich ist der Eigentumsschutz dabei nach dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten "abgestuften Eigentumsschutz" intensiver als im sonstigen Bereich der Bewilligung von Leistungsanteilen ohne oder mit nur geminderter Beitragsleistung; hier verfügt der Gesetzgeber über einen weiteren Gestaltungsspielraum (zu Ausbildungs-Ausfallzeiten: BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981 – 1 BvR 874/77 = BVerfGE 58, 81 = SozR 2200 § 1255a Nr. 7). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die durch das Fremdrentengesetz begründeten Anwartschaften ausgeführt, dass diese nicht dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 – 1 BvL 9/00). Insofern könnte bereits zweifelhaft sein, ob der 4. Senat des BSG, soweit er als "Vorleistung" alle sich aus der Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten nach § 63 Abs. 1-3 SGB VI ergebenden Entgeltpunkte heranzieht, hinreichend berücksichtigt, dass in die Rentenberechnung mit der sogenannten Zurechnungszeit auch Zeiten einfließen, die nicht auf Beitragszahlungen beruhen (so Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 41; SG Köln, Urteil vom 13.08.2007 – S 3 R 85/07 – zitiert nach Juris, Rn. 18; hierzu auch von Koch/Kolakowski, SGb 2007, S. 71 ff.).
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sich nicht von der Zurechnungszeit trennen lässt, weil nur durch die Zurechnungszeit das Sicherungsziel dieser Rentenart - die Gewährleistung eines Einkommensersatzes oberhalb des Niveaus der Grundsicherung für den Fall der Verminderung der Erwerbsfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze - überhaupt erreicht werden kann, und als Gegenstand des Schutzes des Art. 14 GG daher die Rentenanwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergibt, ansieht (so wohl zutreffend Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 33), wäre deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nach ständiger Rechtsprechung nicht generell ausgeschlossen (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 - 1 BvL 9/00, u. a. - BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr. 5; BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 – 1 BvL 10/00 – NJW 2007, 1577, beide m. w. N.).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums näher bestimmen und eingrenzen darf, soweit Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dies rechtfertigen (vgl. hierzu BVerfGE 72, 9, 23). Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung hat der Gesetzgeber vorliegend mit dem EM-ReformG vorgenommen. Dabei war das Gesetz sowohl aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten als auch verhältnismäßig. Ein öffentliches Interesse an der Einführung eines geminderten Zugangsfaktors auch im Bereich der Erwerbsminderungsrenten ergibt sich aus der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Bereits mit dem Rentenreformgesetz 1992 wurden Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vorgenommen. Mit dem späteren Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 01.01.1997 wurde die Altersgrenzenanhebung mit einhergehendem Rentenabschlag vorgezogen und beschleunigt. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die Einschätzung getroffen, dass viele Versicherte, die sowohl erwerbsgemindert waren als auch die Voraussetzungen einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllten, wegen der bei vorgezogenem Altersrentenbezug drohenden Rentenabschläge die EM-Rente in Anspruch nehmen würden (zur Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und den gesetzgeberischen Motiven vgl. ausführlich Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.04.2005 - L 1 RA 255/04 - m. w. N.). Dies zu verhindern und insbesondere auch die durch die Frühverrentungspraxis entstandene finanzielle Belastung der Rentenversicherungsträger in Grenzen zu halten, um dem Konsolidierungsbedarf Genüge zu tun, begründet nach Auffassung der Kammer ein ausreichendes öffentliches Interesse (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 43; vgl. auch ausführlich Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 04.09.2007 – L 7 R 97/07 – zitiert nach Juris, Rn. 36).
Darüber hinaus ist die Regelung über den Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrenten verhältnismäßig, da sie eine Übergangsregelung beinhaltet und durch die Kompensationsmaßnahme der Anhebung der Zurechnungszeit über das 55. Lebensjahr hinaus bis zum 60. Lebensjahr zu 1/1 statt früher zu einem Drittel bzw. zwei Dritteln eine gewisse Abfederung ermöglicht (vgl. hierzu Urteil LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.04.2005 - L 1 RA 255/04). Die Veränderung von Berechnungsgrundlagen muss gerade dann zu rechtfertigen sein, wenn sie durch gleichzeitige Verbesserungen kompensiert wird (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24.08.2007 – L 5 R 228/06 – zitiert nach Juris, Rn. 44 m. w. N.).
Die Kammer hat auch im Übrigen keinen Anlass an der Berechnung der Höhe der Rente zu zweifeln. Hierzu ist seitens des Klägers auch nichts vorgetragen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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