L 19 B 245/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 24 AS 105/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 245/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.07.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die beiden minderjährigen Antragsteller wohnen mit ihren Eltern, Herrn I und Frau D, zusammen.

Durch Bescheide vom 07.09.2007, 15.10.2007 und vom 19.12.2007, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008, bewilligte die Antragsgegnerin der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus Herrn I, Frau D und beiden Antragstellern, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 29.02.2008 unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens des Herrn I in schwankender Höhe und Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR mtl ... Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage, S 24 AS 85/08. Sie machten geltend, dass ihnen höhere Heizkosten zuständen. Des weiteren sei von dem Erwerbseinkommen des Herrn I ein höherer Betrag - als von der Antragsgegnerin angesetzt - als Werbungskosten abzuziehen.

Durch Bescheid vom 18.03.2009 hob die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 07.09.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.10.2007 und vom 19.12.2007 betreffend die Regelleistungen an die beiden Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen der Anrechnung eines höheren Einkommens von Herrn I für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 29.02.2008 in Höhe von jeweils 179,05 EUR auf und forderte einen Betrag von 358,10 EUR nach § 50 SGB X zurück. In dem Bescheid war ausgeführt, dass die Regionaldirektion die Zahlungsweise, die Fälligkeit, das Kassenzeichen und die Bankverbindung noch gesondert mitteilen werde. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen den Bescheid ein Widerspruch eingelegt werden kann. Die Antragsteller legten Widerspruch ein.

Am 14.07.2009 haben die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.03.2009 wiederherzustellen und ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Sie haben vorgetragen, dass der Bescheid vom 18.03.2009 offensichtlich rechtswidrig sei. Sie hätten in dem Aufhebungszeitraum kein Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung bezogen. Das Einkommen ihres Vaters sei der Antragsgegnerin jeden Monat offenbart worden.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass eine Sollstellung der Forderungen nicht erfolgt sei, da der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens S 24 AS 85/08 geworden sei.

Durch Beschluss vom 21.07.2009 hat das Sozialgericht Köln den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.03.2009 gegen den Bescheid vom 18.03.2009 und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 31.07.2009 im Verfahren S 24 AS 85/08 eingeräumt habe, dass auf das Einkommen ihres Vaters ein weiterer Freibetrag von 37,23 EUR anzurechnen sei. Auch seien noch weitere Werbungskosten vom Erwerbseinkommen abzuziehen. Außerdem ständen ihnen höhere Heizkosten zu.

Die Antragsteller beantragen,

unter Aufhebung des Beschlusses vom 21.07.2009 ihnen Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die hinreichende Erfolgsaussicht des Begehrens der Antragsteller verneint.

Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.03.2009 ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - wegen Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses unzulässig gewesen.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ganz oder teilweise die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen. Ein Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz1 Nr. 2 SGG ist gegeben, wenn die erstrebte gerichtliche Entscheidung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann, z. B. wenn weitere Vollstreckungsmaßnahmen unterbunden werden. Es liegt nicht vor, wenn die Vollziehung ohne gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn 7a m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Vollziehung des Bescheides vom 18.03.2009 ist auch ohne gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen.

Im Bescheid vom 18.03.2009 hat die Antragsgegnerin zwei selbständige Verfügungen getroffen, zu einem die rückwirkende teilweise Aufhebung der Bewilligung von Regelleistung für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 28.02.2008 an die Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und zum anderen die Rückforderung von 358,10 EUR, die aufgrund der aufgehobenen Bewilligung erbracht worden sind, nach § 50 Abs. 1 SGB X. Dieser Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 24 AS 85/08 geworden, in dem die Antragsteller eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und Abs. 4 SGG erhoben haben. Der Bescheid vom 18.03.2009 ändert die im Verfahren S 24 AS 85/08 angefochtenen drei Bewilligungsbescheide vom 07.09.2007, 15.10.2007 und vom 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 ab, da durch ihn den Antragstellern ein Teil der in den drei genannten Bescheiden in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 bewilligten Regelleistung entzogen und damit ihre Beschwer erhöht wird (vgl. zur Einbeziehung von Aufhebungsbescheide in Klageverfahren nach § 96 SGG Leitherer in n Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 96 Rn 4b m.w.N). Insoweit ist der von den Antragstellern erhobene Widerspruch unzulässig.

Da der Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, hat die Anfechtungsklage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung gegen diesen Bescheid. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 SGG. Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 SGG liegen nicht vor. Auch greift die Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG nicht ein, wonach die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen entfällt. Zwar ordnet § 39 Nr. 1 SGB II an, dass eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung regelt, keine aufschiebende Wirkung hat. Der Regelungsgehalt der Vorschrift des § 39 Nr. 1 SGB II erstreckt sich aber nicht auf Erstattungsbescheide nach § 50 SGB X, da solche Verwaltungsakte keine Leistungen der Grundsicherung aufheben (48 SGB X), zurücknehmen (§ 45 SGB X) oder widerrufen (§§ 46, 47 SGB X), sondern nur den sich aus einer Entscheidung nach den §§ 45 - 47 SGB X ergebenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch regeln. Mithin ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 durch eine gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich, da die Vollziehung des Erstattungsbescheides bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens gesetzlich ausgeschlossen ist, sofern die Antragsgegnerin nicht - wie hier - die sofortige Vollziehung nach § 86a Abs. 1 Nr. 5 SGG anordnet.

Ebenso ist das Rechtschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 18.03.2009 nicht gegeben. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde den Antragstellern keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Anwendungsbereich des § 39 Nr. 1 SGB II auch auf Bescheide, in denen Leistungen nach dem SGB II ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, aufgehoben oder widerrufen werden, erstreckt. Jedenfalls besteht in einem solchen Fall in der Regel kein Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, auch wenn ein Widerspruch oder eine Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Denn die Aufhebung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Leistungsbewilligung mit ausschließlicher Wirkung für die Vergangenheit, also für einen abgeschlossenen Zeitraum, entfaltet keine Rechtswirkungen für die Zukunft, sondern begründet lediglich einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin gegen einen Leistungsbezieher. Die Durchsetzung dieses öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist abschließend in § 50 SGB X geregelt, der die Rechtsgrundlage und Befugnisnorm für den Erlass von Rückforderungsverwaltungsakten bildet. Durch die (gesetzliche) Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Klage gegen den Erstattungsbescheid ist damit die Vollziehung der Aufhebungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit, d. h. die Beitreibung des sich aus der Aufhebungsentscheidung ergebenden Erstattungsanspruchs, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens ausgeschlossen.

Vorliegend ist in dem Aufhebungsbescheid vom 18.03.2009 lediglich die teilweise Aufhebung der bewilligten Regelleistungen an die Antragsteller für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 28.02.2008 , also ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit, nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X regelt. Dieser Bescheid entfaltet keine Wirkung für die Zukunft, d. h. er entzieht keine bewilligten Leistungen für die Zeit ab Erlass des Bescheides. In Hinblick darauf, dass die Beitreibung des auf der Aufhebungsentscheidung beruhenden Erstattungsanspruches aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 ausgeschlossen ist, ist nicht erkennbar, welchen Vorteil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid den Antragstellern bringt. Ein solches Interesse ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragsteller. Die Klärung der Rechtslage kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Auch wenn das Begehren der Antragsteller im Wege des Meistbegünstigungsprinzips als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Erstattungsbescheid vom 18.03.2009 ausgelegt wird (siehe zur Zulässigkeit eines solchen Antrags Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn 15 m.w.N.), ist kein Rechtschutzbedürfnis gegeben gewesen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und auch nicht von den Antragstellern vorgetragen, dass die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung der Klage nicht beachtet und versucht, den Erstattungsanspruch faktisch zu vollziehen. Vielmehr ergibt sich aus den Einlassungen der Antragsgegnerin, dass sie die Unterlassung der Beitreibung der Erstattungsforderung bis Abschluss des Klageverfahrens verfügt hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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