L 1 AS 3121/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 2675/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3121/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.6.2009 wird zurückgewiesen.

2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Der 1968 geborene Bf. beantragte erstmalig am 10.12.2007 Leistungen nach dem SGB II bei dem Beschwerdegegner (Bg.). Er gab an, gemeinsam mit der 1975 geborenen C. B. (C.B.) als Partner in Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft leben zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt wohnte der Bf. in L., C.B. hingegen in R ... Dem Antrag war unter anderem eine Verdienstbescheinigung von C.B. über ein Bruttomonatsgehalt für Dezember 2007 in Höhe von 1264,52 EUR beigefügt.

Mit Bescheid vom 07.02.2008 bewilligte der Bg. Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von C.B. als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft.

Zum 15.02.2008 begründeten der Bf. und C.B. einen gemeinsamen Wohnsitz in W., was der Bf. dem Bg. am 18.2.2008 mitteilte. Nach dem Mietvertrag vom 23.01.2008 ist für die Wohnung eine monatliche Kaltmiete von 470,00 EUR und ab dem 01.02.2009 in Höhe von 510,00 EUR zuzüglich Abfallgebühren von 3,15 EUR, Verwaltungskosten in Höhe von 5,00 EUR, Wasserkosten in Höhe von 26,00 EUR sowie Kabelgebühren in Höhe von 9,50 EUR zu entrichten; hinzu kommen Heizstromkosten in Höhe von monatlich 76,00 EUR (Abschlagszahlung) und eine weitere Stromkostenvorauszahlung von 41 EUR.

Mit Bescheiden vom 06.03.2008 wurden dem Bf. unter Anrechnung einer Rente bei angemessener Kaltmiete von 390,00 EUR Kosten der Unterkunft in Höhe von 79,75 EUR bewilligt.

Mit Folgebescheiden vom 29.04.2008, 02.07.2008 und 26.09.2008 wurden erneut Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung einer weiteren Person in der Bedarfsgemeinschaft bewilligt, zuletzt mit Wirkung bis zum 31.01.2009.

Mit Fortzahlungsantrag vom 23.01.2009 für die Zeit ab dem 01.02.2009 legte der Bf. bei dem Bg. erstmalig zahlreiche Unterlagen über die Vermögensverhältnisse der C.B. vor (Einkommenserklärung, Kontoübersicht vom 03.11.2008 bis 19.02.2009, sowie Werbungskosten aus dem Arbeitsverhältnis).

Der Bg. nahm daraufhin mit Bescheid vom 30.03.2009 eine Anrechnung des Einkommens von C.B. für die Zeit bis zum 28.02.2009 vor. Mit weiterem Bescheid vom 15.04.2009 teilte der Bg. dem Bf. mit, dass dem Antrag für die Zeit ab dem 01.03.2009 nicht entsprochen werden könne, weil das monatliche Einkommen von C.B. in Höhe von 1197,80 EUR den monatlichen Bedarf beider Personen in Höhe von 1136,65 EUR übersteige.

Der Bf. widersprach der Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft mit C.B ... Er erhalte von C.B. keinerlei finanzielle Unterstützung und habe diese bei Antragstellung nur deswegen als eheähnlichen Partner angegeben, weil ihm die juristische Tragweite dieser Angabe nicht bekannt gewesen sei. Durch die Formulierung in dem Antragsformular sei ihm nahegelegt worden, dass die anderen vorgegebenen Antworten noch weniger auf seine Situation gepasst hätten. Eine eheähnliche Gemeinschaft entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Sinne einer Einstandsgemeinschaft liege nicht vor. Man lebe erst seit einem Jahr zusammen und führe getrennte Konten. C.B. gab in einem vom Bf. vorgelegten Schreiben an, dass sie erst seit dem 01.04.2008 dauernd in der gemeinsamen Wohnung lebe und den Bf. nicht finanziell unterstütze. Sie zahle die komplette Miete, jedoch werde diese anteilig mit dem vom Bf. gezahlten Strom und den Telefonkosten verrechnet, so dass im Ergebnis jeder die Hälfte der Miete und der Nebenkosten bezahle. Ansonsten findet keinerlei finanzielle Unterstützung statt. Sie und der Bf. hätten eine sexuelle Beziehung ohne engere innere Bindung, und stünden nicht in Notsituationen füreinander ein.

Am 20.4.2009 hat der Bf. beim Sozialgericht Stuttgart (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Laut Mitteilung seiner Krankenkasse sei er zum 28.2.2009 abgemeldet worden. Da jedoch eine medizinische Reha-Maßnahme erforderlich sei, bestehe Eilbedarf hinsichtlich der Aufnahme in die Krankenversicherung.

Ein Überprüfungsantrag des Bf. nach § 44 SGB X wurde mit Bescheid vom 22.04.2009 abschlägig verbeschieden.

Das SG hat dem Bf. mit Schreiben vom 15.5.2009 mitgeteilt, dass vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werde, jedoch könne ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung bestehen. Die vom SG angeforderten Unterlagen zur Berechnung des möglicherweise vorliegenden Anspruchs auf einen Zuschuss hat der Bf. trotz Aufforderung durch das SG nicht vorgelegt.

Mit Beschluss vom 18.06.2009 hat das SG den Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Vorliegend sprächen gewichtige Indizien dafür, dass so enge Bindungen zwischen dem Bf. und C.B. bestünden, dass ein Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne und beide "aus einem Topf" wirtschafteten, so dass von einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen Bf. und C.B. auszugehen sei. So habe der Bf. bereits bei seiner ersten Antragstellung angegeben, mit C.B. als Partnerin zusammenleben zu wollen. Der Bf. habe beabsichtigt, im Sinne seiner Angaben mit C.B. zusammen zu leben, wobei von seiner Absicht nicht umfasst gewesen sein müsse, dass die Rechtsordnung hieran die Folge der Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft knüpfe. Anhaltspunkte dafür, dass der Bf. ursprünglich irrtümlich einen falschen Sachverhalt mitgeteilt haben könne, seien nicht ersichtlich. Aus dem Zeitablauf ergebe sich, dass die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung erfolgt sei, um die bereits bestehende Lebenspartnerschaft zu festigen und das Zusammenleben zu intensivieren. Denn schon bei der ersten Antragstellung des Bf. habe dieser eine Erklärung über die Einkommensverhältnisse und eine Verdienstbescheinigung von C.B. vorgelegt. Auch in der Folgezeit sei vom Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Der Bf. habe C.B. auch in nachfolgenden Schreiben an den Bg. häufig miterwähnt und diese seine Freundin genannt. Unter Berücksichtigung der von C.B. eingeräumten sexuellen Beziehung sei vom Vorhandensein innerer Bindungen auszugehen, die über eine reine Haushaltsgemeinschaft hinausgingen. Spätestens nach dem ersten Jahr des Zusammenlebens weise hierauf auch die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II hin. Für die Widerlegung der Vermutung geeignete Tatsachen seien nicht vorgetragen worden. Die von dem Bf. angeführte getrennte Kontoführung sei demgegenüber auch unter Eheleuten anzutreffen und kein zwingender Nachweis einer fehlenden Einstandsgemeinschaft.

Der Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts der Bedarfsgemeinschaft sei durch das zu berücksichtigende Einkommen der C.B. gedeckt. Als Bedarf sei ein höherer Gesamtbedarf als ein Betrag von 1141,65 EUR nicht nachgewiesen (2 Regelleistungen von jeweils 316,00 EUR, 390,00 EUR Kaltmiete, 43,65 EUR Nebenkosten sowie 76,00 EUR Heizkosten). Ein Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete in Höhe von 510,00 EUR sei nicht glaubhaft gemacht worden, da bei einer angemessenen Wohnung von 60 m² für einen Zwei-Personen-Haushalt in W. die vom Bg. angenommene höchste angemessene Kaltmiete von 390,00 EUR nicht zu beanstanden sei (unter Hinweis auf den Mietspiegel 2009 der Stadt L., welcher Rückschlüsse auf das in W. maßgebliche Mietpreisniveau zulasse). Danach sei der vom Bg. als angemessen zu Grunde gelegte Mietpreis von 6,50 EUR je m² nicht zu beanstanden; Gegenteiliges habe auch der Bf. nicht vorgetragen. Kostensenkungsbemühungen seien indes zu keiner Zeit vorgenommen worden, obwohl ein Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten erfolgt sei. Dem Gesamtbedarf stehe ein höheres Gesamteinkommen von 1200,61 EUR gegenüber. Das Einkommen des Bf. bestehe aus einer Berufsunfähigkeitsrente von 514,94 EUR abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 EUR und des Kfz-Haftpflichtversicherungsbeitrags von 24,66 EUR monatlich, woraus sich ein anzurechnendes Einkommen von 460,28 EUR ergebe. Mangels Glaubhaftmachung eines geringeren Einkommens sei für C.B. auf die Verdienstbescheinigung für das Jahr 2008 für den Monat Dezember zurückzugreifen, in welcher ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1444,27 EUR ausgewiesen sei. Hierbei sei von einem aus dem Kontoauszug vom 29.12.2008 zu entnehmenden Nettoeinkommen von 1020,33 EUR, welcher tatsächlich zugeflossen sei, auszugehen. Abzüglich des Grundfreibetrags von 100,00 EUR, Erwerbstätigenfreibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von 180,00 EUR ergebe sich ein anzurechnendes Einkommen von 740,33 EUR. Den Grundfreibetrag von 100,00 EUR übersteigende Beträge nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3 bis 5 SGB II seien nicht glaubhaft gemacht worden. Auch ein Anspruch nach § 26 Abs. 2 SGB auf die Übernahme der Aufwendungen für die Krankenversicherung sei nicht glaubhaft gemacht worden, da trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht Nachweise über den gegebenenfalls zu zahlenden Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung und zur aktuellen Höhe des Einkommens von C.B. nicht vorgelegt worden seien. Der Beschluss des SG wurde dem Bf. am 20.6.2009 zugestellt.

Am 9.7.2009 hat der Bevollmächtigte des Bf. beim Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Der Bf. habe nie beabsichtigt, mit C.B. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zu führen. Die zutreffende Antwortmöglichkeit "Zusammenwohnen/Mitbewohnerin" lasse das Antragsformular des Bg. indes nicht zu, so dass der Bf. insoweit zu einer falschen Antwort gedrängt worden sei. Der Bf. habe wegen eines Streits mit seinen Eltern kurzfristig eine Unterkunft benötigt, woraufhin C.B. sich bereit erklärt habe, mit ihm eine Wohngemeinschaft zu gründen. Die Kosten für die Wohnung würden getrennt getragen, da C.B. die Miete begleiche und einen entsprechenden Ausgleich durch den Bf. bei den Strom- und Telefonkosten erhalte. Eine sexuelle Beziehung zu C.B. könne der Bf. nicht unterhalten, da ihn hieran sein schwerer Tinnitus hindere; im Übrigen habe C.B. wechselnde Sexualpartner, was ebenfalls gegen eine Bindung spreche. Zu diesen Behauptungen sind Versicherungen an Eides statt des Bf. sowie der C.B. vom 12.08.2009 vorgelegt worden. Die Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a SGB II sei ein verfassungswidriger Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot und das Gebot der Rechtsstaatlichkeit; der Gegenbeweis sei insoweit praktisch nicht zu erbringen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2009 aufzuheben und den Beschwerdegegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes über den 28.02.2009 hinaus zu gewähren.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Bg. hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig. Der Bf. habe das Antragsformular eigenhändig abgeändert, um die beabsichtigte Gründung eines gemeinsamen Haushalts mit C.B. anzugeben; hätte es sich bei C.B. nicht um seine Partnerin gehandelt, hätte es nahegelegen, dass der Bf. auch die Angabe "Partner" in dem Formular durch "Mitbewohner" oder "Wohngemeinschaft" ersetzt hätte. Im Übrigen hätte der Bf. zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit auch ohne Weiteres alleine eine Wohnung anmieten können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

II. Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II ist grundlegende Voraussetzung der Leistungsberechtigung von erwerbsfähigen Personen die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II (in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706)) u.a. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1 a.a.O.) sowie als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen (Nr. 3 Buchst. c a.a.O.).

Was die Kriterien für das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II anbelangt, ist auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur eheähnlichen Gemeinschaft entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen (vgl. z.B. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -); hiernach muss es sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handeln, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264 f.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 - NVwZ 2005, 1178; BSGE 90, 90, 90, 98 f. = SozR 3-4100 § 119 Nr. 26; BVerwGE 98, 195, 198 f.). Dem trägt die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II Rechnung; dabei ist - wie bereits dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist -, hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen. Nicht ausschlaggebend ist deshalb die subjektive Sicht der betroffenen Personen; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht freilich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. auch Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. a)). Allerdings wird ein Verantwortungs- und Einstehenswille nach der - gleichfalls mit dem Fortentwicklungsgesetz eingeführten - Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn (1.) Partner länger als ein Jahr zusammenleben, (2.) mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, (3.) Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder (4.) befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Vermutungsregelung dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnissen entgegengewirkt werden, wobei hinsichtlich der Kriterien für die Vermutung einer Einstehensgemeinschaft auf die Vorgaben des BVerfG und daran anschließend des BSG zurückzugreifen ist (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b)); hierzu gehören die lange Dauer und Intensität des Zusammenlebens, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, die gemeinsame Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen (vgl. BVerfGE 87, 234, 265; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; ferner BVerwGE 98, 195, 200; BVerwG, Beschluss vom 24.06.1999 - 5 B 114/98 -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 B -). Allerdings können auch andere äußere Tatsachen das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft begründen; dies ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles von Amts wegen zu prüfen (vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 f. (zu Nr. 7 Buchst. b)). Ist indes zumindest einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast dafür, dass keiner der dort aufgeführten Sachverhalte vorliegt oder die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (LSG Baden-Württemberg vom 22.03.2007 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2007 - L 13 AS 3747/06 ER-B -; Bundestags-Drucksache 16/1410 S. 19 (zu Nr. 7 Buchst. b); Spellbrink, NZS 2007, 121, 126 f.; a.A. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 69).

Das Tatbestandsmerkmal "länger als ein Jahr zusammenleben" kann allerdings ohne nähere Präzisierung nicht allein als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dienen, weil insoweit auch eine Wohngemeinschaft im Sinne einer gemeinsam genutzten Wohnung erfasst würde (vgl. dazu Wenner, SozSich 2006,146 ff.). Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann vor, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Sie ist auf Dauer angelegt und lässt daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zu. Sie geht über eine Haushaltsgemeinschaft hinaus (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 RdNr. 69; zum Ganzen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2007 - L 28 B 295/07 AS ER -).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist auch nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit C.B. nicht besteht. Mit dem SG erachtet der Senat gewichtige Indizien dafür als gegeben an, dass so enge Bindungen zwischen dem Bf. und C.B. bestehen, dass ein Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und beide "aus einem Topf" wirtschaften. Es spricht mehr dagegen als dafür, dass beide in ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung voneinander unabhängig entscheiden.

Das SG hat in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und schlüssig dargelegt, dass aufgrund von Widersprüchlichkeiten im Vortrag des Bf. die Tatsachen zur Widerlegung der Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Insbesondere ist hierbei darauf hinzuweisen, dass nach der vom Senat für verfassungsgemäß erachteten Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II die erforderliche Entkräftung der gesetzlichen Vermutung nicht gelungen ist. Die Vermutungsregelung ist einschlägig, weil der Bf. mit C.B. jedenfalls seit dem 01.04.2008 ständig in einer gemeinsamen Wohnung lebt und erstmalig am 20.04.2009 einstweiligen Rechtsschutz beantragt hat. Die gesetzliche Vermutung ist nicht entkräftet worden. Dem Argument des Bf., er habe zur Abwendung von Wohnungslosigkeit mit C.B zusammenziehen müssen, hat die Bg. zu Recht entgegen gehalten, dass auch der alleinige Abschluss eines Mietvertrages für eine Person hierfür ausreichend gewesen wäre. Sofern der Bf. auf das Antragsformular des Bg. verweist und hierzu vorträgt, dieses sehe Wohngemeinschaften oder Haushaltsgemeinschaften nicht vor, hat der Bf. schlüssig darauf hingewiesen, dass der Bf. sich an anderer Stelle nicht an die Vorgaben des Formulars gebunden sah und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er mit C.B. erst noch zusammenziehen wolle; demnach hätte es auch nahegelegen, die Bezeichnung "Partner in Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft" abzuändern. In diesem Zusammenhang hält der Senat das Formular des Bf. im Übrigen nicht für unvollständig, weil dieses ausdrücklich die Möglichkeit der Angabe einer "sonstigen Person" zulässt. Der Senat misst insoweit auch den ersten und unbefangenen Einlassungen des Bf. ein besonderes Gewicht bei, zumal - siehe oben - zwingende Gründe für die Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes mit C.B. nicht ersichtlich sind bzw. waren.

Im Übrigen ist auch der Umstand nicht zu vernachlässigen, dass es dem Bf. überhaupt möglich war, im Verwaltungsverfahren im Frühjahr 2009 sämtliche wesentlichen Unterlagen über die Vermögensverhältnisse von C.B. vorzulegen, was für eine bloße Wohn- oder Haushaltsgemeinschaft nicht selbstverständlich ist. Zudem hat C.B. auch noch am 19.04.2009 schriftlich gegenüber dem Bg. eine sexuelle Beziehung eingeräumt. Dass diese inzwischen gegebenenfalls nicht mehr besteht, worauf die Erklärungen des Bf. und der C.B. an Eides statt hindeuten, ist inzwischen von untergeordneter Bedeutung, da die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II seit dem 01.04.2009 gilt und das Fehlen einer sexuellen Beziehung nicht das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft widerlegt.

Hinzukommt, dass die behauptete Teilung der Wohnkosten unklar geblieben ist, da bei der vollständigen Wohnkostenübernahme durch C.B. bei den oben genannten tatsächlichen Wohnkosten nicht nachvollziehbar ist, wie alleine aufgrund der Übernahme von Strom- und Telefonkosten ein Ausgleich durch den Bf. erfolgen könnte. Auch die ergänzenden Ausführungen des Bevollmächtigen des Bf. vom 01.10.2009 haben diesen Widerspruch nicht ausräumen können, da nach den Versicherungen an Eides statt C.B. die "komplette Miete" (von 510,00 EUR zuzüglich Nebenkosten - ohne Stromkosten - von 43,65 EUR, s.o.) begleicht und nicht glaubhaft gemacht worden ist, wie allein über die Stromkosten von insgesamt monatlich 117 EUR (76 EUR Heizstromkostenvorauszahlung und 41 EUR sonstige Stromkostenvorauszahlung; vgl. die Angaben des Bf. in seinem Schreiben vom 02.09.2008, Bl. 113 der Verwaltungsakte) und die Telefonkosten (bei Vorliegen einer Flatrate für das Telefon) ein Ausgleich durchgeführt werden kann.

Dass der Bf. und C.B. für ihre Form des Zusammenlebens nicht die Bezeichnung "eheähnliche Lebensgemeinschaft" bzw. "Einstandsgemeinschaft" wählen würden, ist unerheblich, da sie die Voraussetzungen dieser Lebensformen im Sinne des Gesetzes und der Rechtsprechung jedenfalls erfüllen.

Der Bg. konnte auch die Gewährung von Leistungen ohne die Rücksicht auf die zuvor ausgesprochenen Bewilligungen ablehnen, weil die letzten Bewilligungen vom 26.09.2008 und 30.03.2009 ausdrücklich bis zum 31.01.2009 bzw. bis zum 28.02.2009 befristet waren. Auf die Voraussetzungen der §§ 45 oder 48 SGB X kam es daher für die Leistungsablehnung nicht an.

Zur Berechnung des Anspruchsausschlusses wird auf den angegriffenen Beschluss des SG Bezug genommen, wonach auch unter Berücksichtigung der nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Freibeträge, Werbekosten und sonstigen Abzüge das Gesamteinkommen von C.B. und Bf. ihren Gesamtbedarf nach dem SGB II übersteigt.

Hinsichtlich des Fehlens eines Anspruchs nach § 26 Abs. 2 SGB II über einen Zuschuss zur Krankenversicherung ist auf die fehlende Glaubhaftmachung durch den Bf. hinzuweisen, der trotz entsprechender Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen (Schreiben des Bg. vom 30.03.2009 und vom 15.04.2009; Hinweise des SG vom 15.05.2009 und vom 29.05.2009, zuletzt mit Fristsetzung bis zum 08.06.2009) weder das entsprechende Formular noch die angeforderten Belege eingereicht hat.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe war wegen nicht hinreichender Erfolgsaussicht aus den oben genannten Gründen abzulehnen, § 73 a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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