L 10 R 5288/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4268/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5288/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.07.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1955 geborene Kläger ist i. Staatsbürger und hat keine Berufsausbildung. Er war in Deutschland - mit Unterbrechungen - von 1979 bis 1999 als ungelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitslos. Im März 2008 ist er mit seiner Familie nach I. zurückgekehrt.

Der Kläger beantragte am 18.09.2003 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In einem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten kam der Internist Dr. Br. zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne ständiges Stehen und Gehen, ohne Knien und Hocken, ohne Klettern und Steigen vollschichtig verrichten. Der Kläger leide an einer Gon- und Retropatellararthrose beidseits, einem HWS-Syndrom, einer beginnenden Coxarthrose beidseits, einer beginnenden Arthrose des rechten oberen Sprunggelenks und Adipositas. Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik von Belang oder sichere Hinweise für ein Fibromyalgiesyndrom bestünden nicht.

Mit Bescheid vom 24.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab.

Mit seiner am 12.07.2005 beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren einer Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt und vorgetragen, er sei bereits wegen eines schweren Fibromyalgiesyndroms erwerbsunfähig, leide aber auch an einem Tinnitus, der mit einer reaktiven Depression einhergehe.

Das Sozialgericht hat nach Befragung des Dr. D. , Rheumazentraum B. (u.a. Fibromyalgie- und depressives Syndrom, leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen nur bis vier Stunden täglich), des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (u.a. Somatisierungsstörung mit Schmerzsymptomatik, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis halbschichtig), des Facharztes für Orthopädie Dr. S. (u.a. degenerative Veränderungen der Knie- und Hüftgelenke und der Halswirbelsäule, Fibromyalgiesyndrom, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig möglich) und des HNO-Arztes Dr. Pe. (aus hno-ärztlicher Sicht leichte Tätigkeiten acht Stunden täglich bei dekompensiertem Tinnitus mit depressiver Symptomatik zumutbar) ein Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychia¬trie Dr. H. , Klinikum am W. , eingeholt. Er hat ausgeführt, der Kläger leide unter rezidivierenden Rückenbeschwerden bei radiologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen und unter einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Bei Ausschluss von Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss, gleichförmigen Körperhaltungen, häufigem Bücken, Überkopfarbeiten und Heben und Tragen von schweren Lasten sowie von Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, mit erhöhter Verantwortung, besonderer geistiger Beanspruchung oder mit vermehrtem Publikumsverkehr könne er noch leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichten.

In einem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten hat der Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. B. beim Kläger u.a. ein Fibromyalgiesyndrom, eine depressive Störung, eine Angststörung und verschiedene Gelenkserkrankungen diagnostiziert. Durch Schmerzen in Gelenken und Muskulatur und Rücken wegen der Fibromyalgie sei die körperliche Belastbarkeit des Klägers erheblich eingeschränkt. Die psychischen Beschwerden seien zusätzlich leistungsmindernd. Der Kläger sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Durchschnitt wahrscheinlich etwa zwei Stunden täglich zu verrichten. Er benötige nach etwa 1 ½ Stunden eine halbe Stunde Pause zur körperlichen und seelischen Erholung.

Mit Urteil vom 26.07.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf nervenärztlichem Gebiet folge es der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und der Einschätzung des Leistungsvermögens durch Dr. H. , auf orthopädischem Fachgebiet den Ausführungen von Dr. S. Die abweichende Beurteilung von Dr. B. überzeuge angesichts der von ihm mitgeteilten Diagnosen und Befunde nicht.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 26.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.11.2007 Berufung eingelegt. Er sei nicht in der Lage, einer nennenswerten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Sozialgericht habe nicht alle behandelnden Ärzte befragt und die Leistungsbeurteilung von Dr. B. nicht ausreichend gewürdigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.07.2007 und den Bescheid vom 24.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Der Senat hat weitere sachverständige Zeugenaussagen bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. (mittelgradige soziale Anpassungsstörung mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen und einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei somatoformer Schmerzstörung, Angst- und depressive Störung gemischt, Klaustrophobie und Tinnitus), bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Si. (Ausschluss von Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit hoher Konzentration wegen degenerativem HWS-Syndrom, Fibromyalgie, depressiver Verstimmung und arterieller Hypertonie) und dem Facharzt für Orthopädie Dr. Ha. (Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, möglicherweise auch anhaltende lokale oder muskulär ausstrahlende Beschwerden bei degenerativem Zervikalsyndrom und Osteochondrosis dissecans des rechten oberen Sprunggelenks) eingeholt.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Di. hat in einem Gutachten für den Senat nach Untersuchung des - am Vortag mit dem Auto aus N. zum Untersuchungstermin in K. angereisten - Klägers eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestätigt. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich beruflich leistungsfähig, soweit es sich dabei nicht um Tätigkeiten handele, die zu einer besonderen psychischen Beanspruchung führten.

Auf den für die Beklagte von der Fachärztin für Chirurgie Dr. Hi. vorgebrachten Einwand, die psychophysisch sehr belastende Anfahrt des Klägers aus I. mit Übernachtung im Hotel und ohne weiter bestehende Beeinträchtigungen am Untersuchungstag spreche gegen eine wesentliche Beeinträchtigung des Durchhaltevermögens, hat Dr. Di. in einer ergänzenden Stellungnahme entgegnet, die vom Kläger berichtete Fahrzeit von elf Stunden zeige gerade, dass der Kläger rascher ermüde und daher immer wieder kürzere Pausen einlegen müsse. Die mittelschwer ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung führe zu einer Einschränkung des Durchhaltevermögens und einer außergewöhnlichen Erschöpfbarkeit.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung sind beim Kläger nicht erfüllt.

Im Hinblick auf die bei ihm bestehenden orthopädischen Erkrankungen (degeneratives HWS-Syndrom, beginnende Coxarthrose beidseits, Gonarthrose beidseits, beginnende Arthrose des rechten oberen Sprunggelenks, Haglundferse rechts) kann der Kläger nach übereinstimmender Auffassung von Dr. Br. und Dr. H. nur noch leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen, diese aber in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich, verrichten. Ausgeschlossen sind - vor allem wegen der Kniegelenksarthrose, so zutreffend Dr. Br. - ständiges Stehen und Gehen, Knien und Hocken, Klettern und Steigen, sowie - vor allem wegen der Rückenbeschwerden, so zutreffend Dr. H. - Arbeiten in Kälte oder unter Kälteeinfluss, gleichförmige Körperhaltungen, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten und Heben und Tragen von schweren Lasten. Soweit hiervon abweichend Dr. D. und Dr. B. auch eine quantitativ einschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers vertreten haben, haben sie dies nicht vorrangig auf die orthopädischen Erkrankungen gestützt, sondern entscheidend mit einer Schmerzerkrankung des Klägers begründet.

Eine solche Schmerzerkrankung ist zwar nachgewiesen, führt aber nicht zu einem Rentenanspruch des Klägers. Dr. P. , Dr. H. , Dr. A. und Dr. Di. haben - im Hinblick auf die durch organische Erkrankungen nicht im beklagten Ausmaß erklärbaren Beschwerden des Klägers überzeugend - eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung beim Kläger diagnostiziert. Die hiervon abweichende diagnostische Einordnung der Erkrankung durch Dr. B. als Fibromyalgie hat für die Leistungsbeurteilung keine Bedeutung, weil nicht die Diagnose, sondern die aus der Erkrankung resultierenden Einschränkungen, vorliegend insbesondere das Ausmaß der verbliebenen psycho-physischen Belastbarkeit, maßgeblich sind.

Wegen der somatoformen Schmerzstörung sind dem Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne erhöhte Verantwortung, ohne besondere geistige Beanspruchung und ohne vermehrten Publikumsverkehr zumutbar. Der Senat folgt dabei den von Dr. H. aufgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, die im Ergebnis auch mit der von Dr. Di. ausgeschlossenen besonderen psychischen Beanspruchung übereinstimmen, sowie seiner zeitlichen Leistungseinschätzung.

Von einer quantitativen Leistungsminderung für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist der Senat bei Berücksichtigung des nachgewiesenen Ausmaßes der Schmerzerkrankung des Klägers dagegen nicht überzeugt. Die Auffassung der Sachverständigen Dr. B. und Dr. Di. , auch bei Ausschluss von psychisch belastenden Arbeiten seien wegen der Schmerzerkrankung dem Kläger selbst leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von nur noch durchschnittlich täglich zwei Stunden (Dr. B. ) bzw. drei bis unter sechs Stunden (Dr. Di. ) zumutbar, ist nicht schlüssig. Sie haben ihre Einschätzung vor allem damit begründet, der Kläger sei wegen der somatoformen Schmerzstörung in seiner Belastbarkeit eingeschränkt und daher vorzeitig erschöpfbar. Entsprechende Befunde haben sie allerdings nicht erhoben. Vielmehr findet sich im Gutachten von Dr. B. die ausdrückliche und gegenteilige Feststellung, die Konzentrationsfähigkeit und das Durchhaltevermögen hätten während der Befragung (mit Beantwortung von Fragebögen) nicht nachgelassen, erst am Ende der gesamten Untersuchung, die ausweislich des vom Kläger vorgelegten Kostenerstattungsantrags von 9 Uhr bis 14 Uhr, also fünf Stunden, gedauert hat, sei der Kläger müde und erschöpft gewesen. Weshalb der Kläger - so Dr. B. - täglich nur noch zwei Stunden arbeiten kann und nach 1 ½ Stunden Arbeit eine halbstündige Pause einlegen muss, erschließt sich dem Senat nicht, erscheint doch die von Dr. B. nach fünf Stunden Befragung und Untersuchung (wobei der Kläger ausweislich seines Kostenerstattungsantrages schon eine einstündige Anreise bewältigt hatte) dokumentierte Müdigkeit und Erschöpfung des Klägers angesichts der Anforderungen während einer solchen Exploration und Untersuchung selbst für einen Gesunden nachvollziehbar. Auch bei Dr. H. hat der Kläger eine mehrstündige (laut Kostenerstattungsantrag fast drei Stunden bei 2 ½-stündigem vorherigem Reiseantritt) Untersuchung - so ausdrücklich Dr. H. - ohne relevantes Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit und des Durchhaltevermögens bei durchgängig intakter Auffassung und ohne Einschränkung der Merkfähigkeit oder der Gedächtnisfunktionen durchgestanden. Selbst nach der 1 ½ Stunden dauernden Untersuchung und Befragung bei Dr. Di. ist der Kläger ohne Erschöpfungszeichen geblieben, obwohl er am Vortag von seinem Wohnort in O. mit dem Auto zur Begutachtung in K. angereist ist (laut Kostenerstattungsantrag 800 gefahrene Kilometer) und im Hotel, also in fremder Umgebung, übernachtet hat. In diesem Zusammenhang hat Dr. Hi. für die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Belastung selbst für einen Gesunden zu Beeinträchtigungen führen könne, beim Kläger aber gerade nicht geführt hat.

Gerade der Umstand, dass der Kläger sich trotz seiner Schmerzerkrankung und seinen wiederholten Angaben, er fühle sich immerzu müde, selbst für in der Lage gehalten hat, die anstrengende Anfahrt mit dem Auto zu unternehmen, anstatt mit den von allen Sachverständigen für zumutbar gehaltenen öffentlichen Verkehrsmitteln (beispielsweise mit dem Zug) zu fahren und am Tag nach der Untersuchung die Rückfahrt anzutreten, begründet durchgreifende Zweifel an der von ihm behaupteten drastischen Leistungsminderung. Den Hinweis von Dr. Di. , die vom Kläger berichtete Fahrzeit von elf Stunden für die Anreise mache die Notwendigkeit häufiger Pausen bei der Anfahrt glaubhaft und dies sei gerade ein Indiz dafür, dass er rascher ermüde, überzeugt nicht. Denn im Hinblick darauf, dass die vom Kläger im Kostenerstattungsantrag angegebene Fahrstrecke von 800 km auch ohne Pausen kaum unter acht Stunden mit dem Auto zu schaffen ist, ist der Anteil der Pausen bei einer - nach Angaben des Klägers - elfstündigen Fahrt nicht übermäßig hoch. Schließlich weckt auch das Verhalten des Klägers in der Untersuchung durch Dr. Di. Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. So ist die Untersuchung - wie Dr. Di. ausdrücklich erwähnt - nicht frei von Aggravationstendenzen und die Mitarbeit des Klägers bei der körperlichen Untersuchung nicht völlig befriedigend gewesen, insbesondere bei der Mobilitäts- und Kraftprüfung hat der Sachverständige leichte demonstrative Tendenzen berichtet.

Die Leistungseinschätzung von Dr. B. vermag somit schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie - mangels messbarer Befunde, wie Dr. B. ausdrücklich mitgeteilt hat - im Wesentlichen auf den Angaben des Klägers zu seinem Befinden und den von ihm berichteten Tagesablauf beruht. Mit Ausnahme einer derben Verdickung und eines Ergusses im rechten Knie hat er keine gegenüber den Vorgutachten wesentlich neuen Befunde erhoben. Gelenkbeschwerden oder Rückenbeschwerden hat er sogar als jetzt nicht feststellbar bezeichnet und auch im Hinblick auf die Ergebnisse der von ihm durchgeführten labortechnischen Untersuchung eine entzündliche rheumatische Erkrankung ausgeschlossen. Damit hat er seiner rheumatologischen - und auch seiner fachfremdem psychiatrischen - Beurteilung vor allem die Angaben des Klägers zu seinem Befinden, seinen Schmerzen, zur raschen Erschöpfbarkeit und zu Schlafstörungen sowie die Beantwortung von Fragebögen zu seiner Leistungsfähigkeit zu Grunde gelegt, ohne den (oben bereits aufgezeigten) Widerspruch zwischen dem vom ihm beschriebenen Restleistungsvermögen und der vom Kläger im Rahmen der Untersuchung gezeigten Leistungen zu erklären und die Angaben des Klägers einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Das Ergebnis der von Dr. B. durchgeführten Begutachtung orientiert sich somit im Wesentlichen an der Selbsteinschätzung des Klägers, er sei nicht mehr leistungsfähig. Im Übrigen hat Dr. B. die von ihm angenommene quantitative Leistungsminderung auch nicht konkret begründet.

Auch Dr. Di. hat über die eigenen Angaben des Klägers hinaus keine objektiv nachweisbaren Befunde mitgeteilt, die seine Einschätzung tragen, der Kläger sei durch die somatoforme Schmerzstörung in seiner Lebensführung und -gestaltung, insbesondere in seinen sozialen Kompetenzen, erheblich beeinträchtigt und damit leistungsgemindert. Obwohl er auf seinem Fachgebiet den psychischen Leidensgrad als eher leicht eingeschätzt hat, hat er den physischen Leidensgrad als schwer angesehen, weil der Kläger sich - entgegen den objektiven Befunden - für physisch schwer krank hält und davon überzeugt ist, körperlich kaum noch leistungsfähig zu sein. Damit hat er - wie Dr. B. - maßgeblich auf die Selbsteinschätzung des Klägers abgestellt, ohne die zu dieser Einschätzung in Widerspruch stehenden und oben dargelegten Umstände zu berücksichtigen.

Weitere Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet liegen nicht vor. Insbesondere eine depressive Störung, wie von Dr. A. in Form einer "Angst- und depressiven Störung gemischt" und - ohnehin fachfremd - von Dr. B. und Dr. Si. bescheinigt, ist nicht zur Überzeugung des Senates nachgewiesen. Eine depressive Erkrankung haben beide nervenärztlichen Sachverständige und auch der behandelnde Nervenarzt Dr. P. gerade nicht diagnostiziert. Dr. H. hat weitere Erkrankungen neben der diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung und damit auch eine depressive Störung ausdrücklich ausgeschlossen, was angesichts der mitgeteilten ausgeglichenen Stimmungslage des Klägers überzeugend ist. Auch wenn der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. Di. klagsam, auf seine Beschwerden eingeengt und im Affekt leichtgradig depressiv verstimmt gewesen ist, hat dies Dr. Di. nicht zur Diagnose einer solchen depressiven Störung veranlasst. Die Angabe im Gutachten von Dr. B. , beim Kläger sei eine Angstsymptomatik auffällig geworden, vermag nicht die Annahme einer erheblichen Angsterkrankung zu begründen. Der Kläger hat lediglich eine einmalige Panikattacke im Jahr 1990 angegeben, die sich im Jahr 2006 wiederholt habe sowie dass er Fahrstühle und kleine, überfüllte Zimmer meide bzw. sich "unter Leuten" unbehaglich fühle und Angst bekomme. Welche rentenrelevante Auswirkungen dies auf die Leistungsfähigkeit des Klägers haben soll, ist nicht erkennbar.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den von Dr. Pe. berichteten Tinnitus. Der Kläger hat in keiner der Untersuchungen durch die gerichtlichen Sachverständigen diesbezüglich über Einschränkungen berichtet, sodass insoweit von keiner relevanten Leistungseinschränkung auszugehen ist. Gleiches gilt für die vom Augenarzt Dr. We. berichtete abgelaufene Venenastthrombose am rechten Auge (Attest vom 24.07.2007).

Der Kläger kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der Dr. Br. und Dr. H. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Zwar gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Ob der Kläger die dafür notwendigen Wegstrecken angesichts seiner Kniegelenksarthrose noch zurücklegen kann, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen. Da der Kläger über ein Kraftfahrzeug verfügt und es auch führt, ist die so genannte Wegefähigkeit zu bejahen.

Angesichts des oben festgestellten Leistungsvermögens des Klägers kommt die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGG ebenfalls nicht in Betracht, da er als ungelernter Arbeiter auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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