L 10 AL 378/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 668/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 378/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Ermittlung des fiktiven Arbeitsentgeltes iSd § 132 Abs 2 SGB III hat sich in aller Regel auf das Segment des Arbeitsmarktes zu erstrecken, das der Arbeitslose mit seinem formalen Qualifikationsniveau realistischerweise erreichen kann.
2. Ein allein durch Berufserfahrung erworbenes Qualifikationsniveau ist regelmäßig nicht geeignet, die Arbeitsverwaltung zu veranlassen, ihre Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie auf das Segment des Arbeitsmarktes zu erstrecken, für das dem Arbeitslosen - trotz Berufserfahrung - das formale Qualifikationsniveau fehlt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 21.11.2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 07.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist Höhe des fiktiv zu bemessenden Entgeltes, das der Bewilligung des Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen ist.

Der Kläger ist gelernter Bauschlosser. Zuletzt war er als technischer Angestellter bei der Fa. W. Fensterbau GmbH angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.10.2006. In der Zeit vom 23.06.2004 bis 31.10.2006 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld und - für Zeiten der medizinischen Rehabilitation - Übergangsgeld.

Am 04.10.2006 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.11.2006 arbeitslos. Der Arbeitgeber bescheinigte für die zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume von Juni 2003 bis Mai 2004 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 34.615,17 EUR.

Mit Bescheid vom 07.11.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 25,70 EUR täglich.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid 20.11.2006 zurück. Der Bemessung des Entgeltes, das der Bewilligung zugrunde zu legen sei, habe fiktiv erfolgen müssen, weil der Kläger innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgeltes sei auf die Qualifikationsgruppe abzustellen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, auf die sich die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hätten. Hierbei sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger zwar einen Ausbildungsberuf abgeschlossen habe, jedoch eine höhere Qualifikation nicht nachweisen könne, so dass er lediglich in die Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III); tägliches Bemessungsentgelt: 65,33 EUR) einzustufen gewesen sei.

Mit der gegen diesen Bescheid zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er als Bauschlosser lediglich bis 31.10.1991 gearbeitet habe. In der Folgezeit sei er in der Fa. A. ausschließlich als technischer Angestellter beschäftigt gewesen. Seit 01.01.1997 sei er unterhalb der Geschäftsführung als Betriebsleiter eingesetzt gewesen. In diesem Zusammenhang sei er für die praktische Ausführung innerhalb des Betriebes, insbesondere die Baustellenbetreuung, die gesamte Technik, die Werkstatt und die Kalkulation verantwortlich gewesen. Es sei daher nicht allein auf den Bildungsabschluss abzustellen, denn es sei anerkannt, dass bei älteren Arbeitnehmern, deren Berufausbildung oft Jahrzehnte zurückliege, nicht allein der Abschluss zähle, sondern regelmäßig die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Es sei zumindest die Qualifikations-
gruppe 2 zugrunde zu legen, denn sowohl das zuletzt gezahlte Arbeitsentgelt
(ca. 2.900.- EUR) als auch die Tätigkeit entsprechen den Bedingungen, unter denen ein Meister beschäftigt werde.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 21.11.2007 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Für die Bewilligung sei zwar auf eine fiktive Bemessung zurückzugreifen. Vorliegend dürfe man jedoch nicht allein auf die Ausbildung des Klägers abstellen, denn in diesem Beruf habe er seit 15 Jahren nicht gearbeitet und in der Folgezeit habe er sich durch seine Tätigkeit qualifiziert, so dass die Beklagte den Kläger auch in die Tätigkeit eines Betriebsleiters oder zumindest eines technischen Angestellten auf dem Niveau eines Meisters vermitteln könne.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 19.12.2007 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Allein aus der Angabe, der Kläger sei zuletzt als technischer Angestellter beschäftigt gewesen, lasse sich nicht ableiten, auf welche Tätigkeit sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten zu erstrecken hätten. Auch der Umstand, dass der Kläger die Tätigkeiten eines Betriebsleiters ausgeübt habe, ersetzte nicht die Notwendigkeit, die hierfür erforderlichen Qualifikationen und Weiterbildungsabschlüsse nachzuweisen, die typischerweise von einem Betriebsleiter mit der entsprechenden Qualifikation erwartet werden. Zudem sei nur belegt, dass sich der Kläger allenfalls um den praktischen Teil der Betriebsleitung gekümmert habe. Inwieweit er in der Lage sei, den betriebswirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, sei unklar geblieben. Soweit praktische Erfahrungen erworben worden seien, seien diese begrenzt und nicht ohne weiteres in anderen Betrieben einsetzbar.

Auch als Baustellenleiter sei der Kläger nicht vermittelbar, denn hierfür seien ein Studium im Bereich Bauwesen oder vergleichbare Weiterbildungen erforderlich, die jedoch nicht belegt seien. Zudem seien hier Leistungs- und Führungsfunktionen auszuüben, die der Kläger in den letzten Jahren nicht innehatte.

Als Meister im Bereich Metallbau sei eine Vermittlung ebenfalls nicht möglich, denn dies erfordere einen entsprechenden Abschluss, über den der Kläger nicht verfüge, ebenso wenig wie die Vermittlung als Techniker im Bereich Metallbautechnik. Auch hier sei eine abgeschlossene Weiterbildung an einer Fachoberschule erforderlich.

Die Vermittlungsbemühungen hätten sich in erster Linie daher auf eine Beschäftigung erstrecken müssen, die mit dem Ausbildungsberuf des Klägers als Bauschlosser für diesen zugänglichen waren. Hierbei wäre eine Tätigkeit als Konstruktionsmechaniker in Betracht zu ziehen gewesen, die neben dem Vorbereiten und Planen von Arbeiten, die Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung von Werkzeugen und Maschinen sowie die Qualitätskontrolle und Übergabe von Arbeiten an Kunden beinhalte. Auch die Erstellung und Ausarbeitung von Angeboten und die Abwicklung von Aufträgen im Büro sowie die Bauüberwachung vor Ort gehörten zu den Aufgaben eines Konstruktionsmechanikers. Im Ergebnis seien die Vermittlungsbemühungen der Beklagten auf eine Tätigkeit zu erstrecken gewesen, für die ein Ausbildungsberuf erforderlich war, so dass sich das Bemessungsentgelt aus der Qualifikationsstufe 3 herleite.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 21.11.2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 07.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Er sei mit der Erstellung und Ausarbeitung von Angeboten sowie der Abwicklung von Aufträgen im Büro und der Bauüberwachung vor Ort betraut gewesen. Hierbei spiele es keine Rolle, dass er die hierfür erforderlichen Fähigkeiten durch "learning by doing" oder Weiterbildung erworben habe. Während seiner Tätigkeit habe er zahlreiche Seminare und Schulungen verschiedener Herstellerfirmen besucht. Zudem habe er eine Zulassung, den Einbau von Brandschutztüren zu überwachen, und er sei bei der Bayerischen Brandschutzbehörde eingetragen. Die Beklagte könne nicht auf die Qualifikationsprofile verschiedener Berufe abstellen, sondern es sei die seit Jahren ausgeübte Tätigkeit zu berücksichtigen. Das SG habe insoweit zutreffend erkannt, dass nicht eine fehlende Qualifikation, sondern allenfalls gesundheitlichen Einschränkungen und sein Alter ein Vermittlungshemmnis darstellen würden. Dies sei jedoch für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe außer Betracht zu lassen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache begründet.

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld im Rahmen der fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III nach der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2006 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 erweist sich als rechtmäßig, denn die Beklagte hatte ihre Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, für die ein Abschluss in einem Ausbildungsberuf erforderlich war. Die daraus abgeleitete Bemessung des Arbeitslosengeldes nach der in § 132 Abs 2 SGB III genannten Qualifikationsstufe 3 ist nicht zu beanstanden.

Das Arbeitslosengeld beträgt - in Abhängigkeit zu berücksichtigender Kinder - 67 bzw.
60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt), §129 SGB III. Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen, § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs, § 130 Abs 1 Satz 2 SGB III. Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält,
§ 130 Abs 3 Satz 1 Nr.1 SGB III. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt auch innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, § 132 Abs 1 SGB III.

Vorliegend beginnt der Bemessungsrahmen - mit der Arbeitslosmeldung des Klägers zum 01.11.2006 - am 31.10.2006 und endet - rückwärts gerechnet - mit dem 29.10.2004 (Freitag), § 26 Abs 1, Abs 3 Satz 1 SGB X, § 187 Abs 1, § 188 Abs 1, Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Innerhalb dieses Bemessungsrahmens hat der Kläger keinerlei Arbeitsentgelt erzielt, denn der letzte Lohnabrechnungszeitraum seines Arbeitgebers bezog sich auf den Mai 2004. Die Beklagte hat daher zu Recht eine fiktive Bemessung vorgenommen, deren Berechtigung der Kläger dem Grunde nach auch nicht bezweifelt.

Auch die konkrete Bemessung nach der Qualifikationsstufe 3 (§ 132 Abs 2 Satz 2 Nr.3 SGB III) ist nicht zu beanstanden.

Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat, § 132 Abs 2 Satz 1 SGB III.

Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die

1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein
Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,

2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als
Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifika-
tionsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Be-
zugsgröße,

3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikations-
gruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgrö-
ße,

4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von
einem Sechshundertstel der Bezugsgröße (§ 132 Abs 2 Satz 2 SGB III).

In welche der Qualifikationsgruppen der Arbeitslose einzustufen ist, bestimmt sich - nach dem Willen des Gesetzgebers - in erster Linie nach der Beschäftigung, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen - unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Arbeitsangebotes - zu erstrecken hat (vgl. BT- Drs. 15/1515 S.86). Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt wiederum von seiner beruflichen Qualifikation ab, so dass die berufliche Qualifikation letztendlich das einzig ausschlaggebende Kriterium für die Eingruppierung ist (vgl. Rolfs in Gagel, SGB III, Stand Oktober 2008, § 132 Rn. 7).

Als Beschäftigung im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist die in nennenswertem Umfang vorhandene, nach Lebensalter, Leistungsfähigkeit, Eignung, Neigung und persönlichen Verhältnissen realistisch maßgebende Beschäftigung, auf die die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu richten sind. Bei uneingeschränkter Ausgleichsfähigkeit sind alle Beschäftigungen berücksichtigungsfähig, die der Arbeitslose als nicht Ortsgebundener auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland ausüben kann (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 132 Rn.6)

Unter Beachtung dieser Kriterien ist die Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 2
- entgegen der Auffassung des SG - nicht möglich, denn der Kläger hat aufgrund seines Ausbildungsstandes keine realistische Möglichkeit, in eine Tätigkeit vermittelt zu werden, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern.

Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl 2003 I, S 2848) hat der Gesetzgeber zwar die Regelungen über die Bemessung des Arbeitslosengeldes grundlegend geändert, jedoch hat er es für die Frage der fiktiven Bemessung (§ 133 SGB III aF; nunmehr § 132 SGB III) bei dem Grundsatz belassen, dass die Agenturen für Arbeit abzuschätzen haben, in welchem Tätigkeitsbereich der Arbeitslose die höchste Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hat. In der Folge hat die Arbeitsverwaltung ihre Vermittlungsbemühungen auf dieses, dem Arbeitslosen am
ehesten zugängliche Segment des Arbeitsmarktes zu konzentrieren.

Insofern wurde mit der Neuregelung lediglich die Feststellung des Bemessungsentgeltes in der Weise vereinfacht, dass - ausgehend vom Tätigkeitsspektrum - die üblicherweise für diese Beschäftigung vorausgesetzten formalen Qualifikationen ermittelt werden, um in einem zweiten Schritt - abhängig vom erforderlichen Qualifikationsniveau - die Höhe des Bemessungsentgeltes im Verhältnis zur Bezugsgröße in der Sozialversicherung festzulegen (§ 18 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV). Allein die fiktive Leistungsbemessung sollte sich - aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung - nicht mehr an dem individuell erzielbaren tariflichen Arbeitsentgelt orientieren, sondern einer pauschalierenden Regelung folgen (vgl. BT- Drk. 15/1515 S.85). Diese Regelung begegnet - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 29.05.2008 -
B 11 AL 23/07) - auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Nach der Neuregelung ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass nicht allein auf den formalen Ausbildungsabschluss abzustellen ist, sondern auch die sonstigen beruflichen Qualifikationen wie z.B. die Berufserfahrung zu berücksichtigen sind.

Gleichwohl wird eine Wiedereingliederung in das Berufsleben realistischerweise nur dann möglich sein, wenn der Arbeitslose nicht nur über die praktischen Erfahrungen verfügt, die seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit erfordert haben, sondern auch die formalen Voraussetzungen für den Zugang zur angestrebten Tätigkeit erfüllt.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auf dem vom Kläger angestrebten Anstellungsniveau - auf der Ebene eines Meisters (oder einer vergleichbaren Tätigkeit) - eine schriftliche Bewerbung einschließlich der Nachweise über die Qualifikation unumgänglich sein wird, soweit die Vermittlung dieser Tätigkeit über die Beklagte erfolgen soll.

Spätestens in diesem Stadium einer Bewerbung, das noch zur Vorauswahl zu zählen ist, würde ein Bemühen des Klägers bereits deshalb sein Ende finden, weil er - unabhängig von den in einem Zeugnis bescheinigten Qualitäten seiner Person - an den formalen Erfordernissen scheitern würde. Das Anliegen der Arbeitgeber, eine bestimmte formale Qualifikation zu fordern, geht meistens einher damit, dass mit dem Innehaben einer formalen Qualifikation bestimmte Befugnisse verbunden sind (z.B. Ausbildungsbefugnis; Abnahme sicherheitsrelevanter Werke u.ä.). Insofern erscheint es nachvollziehbar, dass Bewerber um eine offene Stelle, denen bereits die formale Qualifikation fehlt, seitens eines Arbeitgebers keine Chance eingeräumt wird, allein praktisch erworbene Kenntnisse zum Einsatz zu bringen.

Diese Überlegungen hatte die Beklagte bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie auf dieses Segment des Arbeitsmarktes zu erstrecken waren.

Für keine der vom Kläger angedachten Beschäftigungsmöglichkeiten (Betriebsleiter; Baustellenleiter oder Meister bzw. Techniker im Bereich Metallbau) erfüllt dieser jedoch die formalen Zugangsvoraussetzungen. Darüber hinaus sind die praktischen Fähigkeiten des Klägers in Bezug auf die Tätigkeit als Betriebsleiter oder Baustellenleiter auf eine Tätigkeit im Bereich des Fensterbau- und Türenbaus beschränkt, so dass dem Kläger bereits der größte Teil des Arbeitsmarktsegmentes, dem übrigen Baunebengewerbe und dem Bauhauptgewerbe, vollständig verschlossen ist. Darüber hinaus weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Kläger über keinerlei betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügt, die ihn befähigen würden einen Betrieb zu leiten.

Demgegenüber hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung schlüssig vorgetragen, dass die Möglichkeiten des Klägers in dem - dem Ausbildungsberuf des Klägers nahestehenden - Tätigkeitsfeld eines Konstruktionsmechanikers beruflich wieder Fuß zu fassen, als durchaus realistisch anzusehen sind. Diese Tätigkeit erstrecke sich auf das Vorbereiten und Planen von Arbeiten, die Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung von Werkzeugen und Maschinen sowie die Qualitätskontrolle und Übergabe von Arbeiten an Kunden. Zudem gehöre auch die Erstellung und Ausarbeitung von Angeboten und die Abwicklung von Aufträgen im Büro sowie die Bauüberwachung vor Ort zu den Aufgaben eines Konstruktionsmechanikers. All diese Tätigkeiten hat der Kläger - wenn auch möglicherweise auf höherem Niveau - nach eigenen Angaben bereits ausgeübt, so dass sowohl die praktischen Fertigkeiten vorhanden sind, als auch das formale Qualifikationsniveau erreicht wird, um eine Tätigkeit als Konstruktionsmechaniker auszuüben. In diesem Zusammenhang steht auch eine formale Überqualifikation der Vermittlung des Klägers nicht im Wege, so dass die Vermittlungschance in dem Berufsfeld des Konstruktionsmechanikers erheblich höher - wenn auch nicht optimal - ist.

Entgegen der Auffassung des SG sind auch keine Berufsfelder ersichtlich, in denen ein technischer Angestellter auf dem tariflichen Niveau eines Meisters bezahlt wird, ohne die entsprechende Qualifikation vorzuweisen, zumal der Kläger - nach eigenen Angaben - nicht einmal die formalen Voraussetzungen für die Ausbildung von Auszubildenden nachweisen kann. Insoweit erscheint es unbehilflich die Beklagte darauf zu verweisen, sie könne den Kläger - aufgrund seiner praktischen Erfahrungen - in eine Tätigkeit als Betriebsleiter oder als technischen Angestellten auf dem Niveau eines Meisters vermitteln, ohne der Beklagten auch an die Hand zu geben, welches Berufsfeld in Betracht zu ziehen wäre, das bessere Vermittlungsmöglichkeiten bietet als eine Tätigkeit, für die der Kläger formal und praktisch qualifiziert ist.

Das Bemessungsentgelt ist nicht daran zu orientieren, was der Arbeitslose kann, sondern an der Beschäftigung, in der er mit der höchsten Wahrscheinlichkeit wieder den Zugang zum Arbeitsmarkt findet, denn hierauf hat die Arbeitsverwaltung ihre Vermittlungsbemühungen zu konzentrieren.

Insofern genügt es daher, dass die von der Beklagten getroffene Einschätzung der Vermittlungsmöglichkeiten eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit erwarten lassen als eine Vermittlung als Betriebsleiter, Baustellenleiter, Meister oder Techniker. Diese Beschäftigungsfelder sind dem Kläger bereits aufgrund seiner fehlenden formalen Qualifikation weitgehend verschlossen, so dass die Lage des Arbeitsmarktes nicht näher geprüft werden musste. Eine andere Betrachtungsweise wäre allenfalls angezeigt, wenn dieses Segment des Arbeitsmarktes dadurch geprägt wäre, dass ein erhebliches Überangebot an Arbeitsplätzen vorhanden wäre, die auch mit formal nicht qualifizierten Kräften besetzt werden könnten. Hierfür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte, so dass die Prognose der Beklagten nicht zu beanstanden ist und sie ihre Bemühungen in erster Linie darauf zu erstrecken hatte, den Kläger in eine Tätigkeit als Konstruktionsmechaniker (oder eine ähnliche Tätigkeit) zu vermitteln, die mit einem Ausbildungsberuf realistisch zu erreichen war.

In der Folge ist auch die Bemessung des Entgeltes nach der Qualifikationsgruppe 3
(§ 132 Abs 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) mit 65,33 EUR täglich, das der Arbeitslosengeldbewilligung (Bescheid vom 07.11.2006) zugrunde gelegt worden ist, nicht zu beanstanden, ebenso wenig wie das hieraus ermittelte Leistungsentgelt (42,84 EUR) und der tägliche Leistungssatz (25,70 EUR), so dass der Berufung stattzugeben und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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