L 4 KR 69/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 92/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 69/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine bloße "Abmagerung" stellt i. d. R. kein ausreichendes Reha-Ziel für eine stationäre Maßnahme dar.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger mit einer stationären medizinischen Rehabilitation zu versorgen hat.

Der 1942 geborene Kläger, seit 1982 bei der Beklagten in der KVdR versichert, unterzog sich im Herbst 2003 in der internistischen/psychiatrischen W.-Klinik in Bad W. einem stationären Heilverfahren zur Behandlung von Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Übergewicht begleitet von einem seelisch-nervlichen Leiden (paranoide Psychose). Die mit dem Heilverfahren angestrebte Gewichtsreduktion (185 cm/98 kg) ließ sich nicht bewerkstelligen.

Nach Ablauf von vier Jahren beantragte der Kläger erneut eine solche Rehabilitationsmaßnahme, wozu seine behandelnde Ärztin auf das bekannte Krankheitsbild verwies und die Wiederherstellung der Allgemeinbelastbarkeit sowie allgemeine Aktivierung als Rehabilitationsziel angab. Nach Rücksprache mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse - MDK -, der dafür ambulante Behandlungsmaßnahmen als ausreichend erachtete, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16.08.2007 ab und bestätigte dies im Widerspruchsbescheid vom 15.01.2008, nachdem der erneut eingeschaltete MDK seine Einschätzung beibehalten hatte.

Mit seiner Klage vom 22.01.2008 zum Sozialgericht München hat der Kläger sein Ziel, von der Beklagten eine "Abmagerungskur" zu erhalten, was sich auch günstig auf seine anderen Krankheiten auswirken werde, weiter verfolgt. Der nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte zum Sachverständigen bestellte Dr. M. hat den Kläger am 07.10.2008 untersucht, die bekannten Diagnosen im Wesentlichen bestätigt und ausgeführt: "Zusammenfassend ist heute davon auszugehen, dass bei dem Kläger ein insulinpflichtiger Diabetes sehr gut eingestellt ist, eine arterielle Hypertonie ebenfalls. Entsprechend der vordiagnostizierten paranoid halluzinatorischen Schizophrenie war letztendlich nur festzustellen, dass der Kläger sich in einer etwas begrenzten Welt, die durch eine Abwehr gegen Ärzte und die Firma S. zentriert war, war sonst kein wesentlicher pathologischer Befund zu erheben gewesen. Der Kläger sollte eine auf langfristige Sicht angelegte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen. Eine 3-4 wöchige Abmagerungskur, wie sie vom Kläger gewünscht wurde, kann mit Sicherheit kein geeignetes Mittel sein, um ein Gewicht dauerhaft reduzieren zu können. Das war bereits beim letzten Aufenthalt in Bad W. frustran verlaufen, so dass auch diesmal kein echtes REHA-Ziel formuliert werden kann. Die ambulanten Maßnahmen sollten wohnortnah durchgeführt werden, letztendlich sind intensivere Maßnahmen nicht erforderlich".

Daraufhin hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2009 abgewiesen, denn bei den medizinischen Verhältnissen seien die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten, die begehrte Kur zu gewähren, nicht erfüllt.

In der dagegen am 04.03.2009 eingelegten Berufung setzt sich der Kläger mit der von ihm als falsch betrachteten Diagnose der Psychose auseinander, während er seinen Zucker und den Bluthochdruck ebenfalls als gut eingestellt bezeichnet. Weiterhin begehrt er die Abmagerungskur. Diesem Wunsch widersetzt sich die Beklagte wie zuvor und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert die Grenze des § 144 SGG übersteigt, ist zulässig (§§ 143, 151 SGG).

In der Sache selbst ist die Berufung nicht begründet, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München ist zutreffend und gibt die Rechtslage korrekt wieder, der Senat nimmt darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Dazu sei noch einmal auf die Systematik des Gesetzes hingewiesen. Das SGB V sieht abgesehen von der reinen Krankenhausbehandlung auf der Grundlage des § 39 SGB V zwei Formen stationärer medizinischer Rehabilitation vor. Geht es um die Verhinderung von Verschlimmerung einer Krankheit, kommen gemäß § 11 Abs.1 Nr. 2 i.V.m. § 23 SGB V medizinische Vorsorgeleistungen in Betracht, bei denen als "Ultima ratio" auch medizinisch-stationäre Rehabilitation vorgesehen ist. Ist dagegen die Behandlung von bestehenden Krankheiten angestrebt, beim Kläger also der Zucker, der Bluthochdruck und das Übergewicht - sofern diesem überhaupt Krankheitswert beigemessen werden kann -, richtet sich der Anspruch nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 SGB V. In dessen Abs. 1 Nr. 6 wiederum ist als mögliche Form der Krankenbehandlung die vom Kläger gewünschte medizinische Rehabilitation vorgesehen, wozu Näheres in § 40 SGB V geregelt ist. Auf dessen Grundlage lässt sich der Anspruch auf ein klassisches Heilverfahren, also eine "Kur", wie sie der Kläger begehrt, stützen. Dafür sind die Voraussetzungen vom Gesetzgeber eng gezogen. Eine der Voraussetzungen, dass grundsätzlich der vierjährige Abstand einzuhalten ist, hat der Kläger erfüllt, auch besteht kein Vorrang eines anderen Leistungsträgers. Jedoch sind die weiteren Voraussetzungen, wonach eine stationäre Behandlung nur dann in Betracht kommt, wenn ambulante Rehabilitation in wohnortnahen Einrichtungen nicht ausreicht bzw. überhaupt normale ambulante Krankenbehandlung unzureichend wäre, nicht erfüllt. Auch das angegebene Rehabilitationsziel rechtfertigt nicht den Aufwand einer stationären Behandlung durch die Reha-Klinik. In Übereinstimmung mit dem Gutachter trägt der Kläger vor, dass seine eigentlichen internistischen Leiden gut eingestellt sind. Zu schaffen mache ihm sein Übergewicht, welches noch keine dramatischen Formen angenommen hat. Offensichtlich erhofft er sich, dass ihm bei stationärer Unterbringung das abgenommen wird, was er stets von sich aus zur Änderung seines Zustandes einbringen muss, insbesondere das Umschalten auf angemessene Essgewohnheiten. Hier das rechte Maß zu finden und zu halten, obliegt dabei stets der Eigenvorsorge. Wie auch der Sachverständige betont hat, kann die Krankenkasse allenfalls Anregungen und Hilfe dabei anbieten. Dies kann aber ambulant geschehen, ebenso wie die weitere Überwachung des Bluthochdrucks und des Zuckers, was allerdings ohne verantwortungsvolle Mitarbeit des Klägers sich ebenfalls nicht realisieren lässt. Alle darüber hinausgehenden Maßnahmen müssen angemessen, also ausreichend, zielgerichtet und zweckmäßig sein. Die persönlichen Wünsche des Klägers können nur innerhalb der darauf gerichteten Behandlungsmethoden berücksichtigt werden, nicht aber übermäßige Behandlungsformen rechtfertigen. Daher ist es dem Kläger zuzumuten, die bislang angebotenen medizinischen Maßnahmen weiterhin zu nutzen, wie aber auch die nicht stationären Hilfsmaßnahmen zur Verringerung des Körpergewichts. Die vom Kläger im Übrigen niedergeschriebenen Überlegungen in seiner Berufungsbegründung können bei der Beurteilung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 SGB V vorliegen, nicht berücksichtigt werden, da sie nicht geeignet sind, die Anspruchsvoraussetzungen, die dort aufgezählt sind, zu erfüllen.

Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved