L 11 KR 4621/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3719/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4621/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Sozialversicherungspflicht des Klägers während seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 4 im Zeitraum vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998.

Die Beigeladene zu 4 wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 01. Oktober 1980 gegründet und am 23. Dezember 1980 im Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Holz- und Kunststoffteilen, insbesondere von Roll- und Klappläden. Die Gesellschaft hatte damals ein Stammkapital von 20.000,- DM, von dem zunächst der Kaufmann D. H., der Vater des Klägers, und der Kaufmann E. W. jeweils 10.000,- DM übernahmen. Mit Vertrag vom 27. April 1982 (Urkundenrolle 1982 Nr. 473 des Notariats N. a. K.) schied E. W. als Gesellschafter aus, trat seinen Geschäftsanteil in Erfüllung des Kaufvertrages an seinen Mitgesellschafter ab und wurde als Geschäftsführer abberufen. D. H. blieb Geschäftsführer mit Alleinvertretungsrecht. Durch Gesellschafterbeschluss vom 10. Oktober 1985 wurde das Stammkapital auf 50.000,- DM erhöht.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte von 1977 bis 1980 eine Ausbildung zum Schreiner und war nach Arbeitslosigkeit und Wehrdienst in seinem erlernten Beruf beschäftigt, seit 02. Januar 1984 bis 31. August 1986 bei der Beigeladenen zu 4. Von September 1986 bis Juli 1987 bildete sich der Kläger zum Schreinermeister fort und erhielt Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt. Ab August 1987 war der Kläger für die Beigeladene zu 4 als Schreinermeister und technischer Betriebsleiter tätig. Nach dem vorliegenden Anstellungsvertrag (ohne Datum) begann das Arbeitsverhältnis am 01. August 1987, wobei Einigkeit bestand, dass der Kläger leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz ist. Vereinbart wurden u.a. eine Arbeitszeit von 40 Stunden (§ 2), ein festes Monatsgehalt, Weihnachtsgeld, ein Zinszuschuss nach § 3 Ziffer 68 EStG, Zukunftssicherungsleistungen, vermögenswirksame Leistungen, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen (§ 3), ein jährlicher Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 4), die Zurverfügungstellung eines firmeneigenen Dienstwagens (§ 5), eine Kündigungsfrist von drei Monaten (§ 6) und ein Wettbewerbsverbot (§ 7).

Mit Vertrag vom 09. Januar 1989 wurde dem Kläger von dem alleingeschäftsführungsberechtigten Gesellschafter D. H. Handlungsvollmacht erteilt. Darin wurde u.a. geregelt (Punkt 2), dass der Kläger zu folgenden Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen die Zustimmung des Geschäftsführers bedürfe: a) Abschluss von Versorgungsverträgen aller Art, b) Eingehung von Verträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, c) Anschaffung von Investitionsgütern, die im Einzelfall den Wert von 5.000,- DM übersteigen, d) Übernahme von Bürgschaften und Garantieverpflichtungen und alle unentgeltlichen Rechtsgeschäfte, e) Abschluss von Verträgen durch die eine Beteiligung am Umsatz oder Gewinn der Gesellschaft gewährt wird. Für die Dauer des Bestehens erhalte der Kläger eine vom Gewinn abhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von 10 % des Reingewinns. Im Übrigen verbleibe es bei den im Anstellungsvertrag getroffenen Vereinbarungen.

Die Beigeladene zu 4 wurde am 03. März 1994 in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Stuttgart als Inhaber eines Schreinerbetriebes eingetragen mit dem Vermerk, dass der Kläger Betriebsleiter sei. Zum 13. Februar 2006 wurde der Kläger als Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen (Bl. 49 SG-Akte).

Im streitbefangenen Zeitraum war der Kläger bei der Beklagten als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gemeldet und es wurden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Das kontinuierlich steigende Arbeitsentgelt (zuletzt jährlich 100.800,- DM) wurde als Betriebsausgabe gebucht und der Lohnsteuer unterworfen.

Bereits am 22. September 1986 hatte der Kläger zur Sicherung der bestehenden und künftigen Ansprüche der Volksbank B. gegen seinen Vater D. H. die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 850.000,- DM übernommen.

Am 08. November 2006 beantragte der Kläger über eine Unternehmensberatung bei der Beklagten die Feststellung des Nichtvorliegens der Sozialversicherungspflicht und die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 01. August 1987 bis zum 31. Dezember 1998. Er sei vom 01. August 1987 bis zum 31. Dezember 1998 bei der Beigeladenen zu 4 als faktischer Geschäftsführer tätig gewesen. Eine Eintragung in das Handelsregister sei nicht erfolgt, weil dies nicht für erforderlich gehalten worden sei. Der Vater sei schon als Geschäftsführer eingetragen gewesen und damit sei den handwerksrechtlichen Voraussetzungen Genüge getan worden. Er sei Betriebsleiter des Unternehmens und damit für die Ausübung des eingetragenen Handwerks technisch verantwortlich gewesen, d.h. er habe die uneingeschränkte Möglichkeit gehabt, den entscheidenden Einfluss auf den handwerklichen Betriebsablauf zu nehmen und sei demgemäß befugt gewesen, den Mitarbeitern uneingeschränkt Anweisungen zu geben. Daraus ergebe sich seine weisungsfreie, eigenverantwortliche Stellung im Unternehmen, denn Betriebsleiter werde nur der, der bereits zuvor eine leitende Stellung im Betrieb innegehabt habe und eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse im Betrieb oder in einem wesentlichen Betriebsteil gehabt habe. Er habe keinen Weisungen hinsichtlich Dauer, Zeit, Ort und Art seiner Tätigkeit unterlegen und habe seine Tätigkeiten in der Gesellschaft stets frei bestimmen und gestalten können. Die Weisungsfreiheit habe sich in einem ausgeprägten familiären Vertrauensverhältnis, in welchem Vater und Sohn ihren Betrieb Seite an Seite in gleichberechtigtem Miteinander geführt hätten, begründet. Das habe auch an seiner umfassenden Berufsausbildung gelegen. Er verfüge über ausgesprochen gute Branchenkenntnisse im Bereich des Schreinerei- und des Fensterladenbaus, der Gegenstand des Unternehmens sei. Er habe bedeutende Kundenkontakte und berufsspezifische außerordentliche Fachkenntnisse, so dass ihm der Gesellschafter keine Weisungen habe erteilen müssen. Er habe eigenverantwortlich alle Tätigkeiten, die in dem von ihm geleisteten Bereich angefallen seien, übernommen. Dazu habe der Vertrieb von Fensterläden, die Kalkulation und Erstellung von Angeboten und Beratung der Kunden, Überwachung des Zahlungsverkehrs und Einkauf gehört. Er habe nicht nur über den Einkauf von Material, sondern auch gemeinsam mit dem Vater über bedeutendere Anschaffungen von Maschinen für die Produktion entschieden. Insbesondere habe ihm die Produktionsleitung des Fensterladenbaus oblegen. Über Einstellungen, Entlassungen, Arbeitszeit, Urlaub, Lohn und Einsatz der Arbeitnehmer habe er selbständig entschieden. Er sei als Ideengeber für das Unternehmen anzusehen, da er maßgeblich die Entwicklung neuer Produkte vorangetrieben habe. Auch habe er die strategische Marketingplanung übernommen, die Werbung und die Positionierung der Produkte und des Unternehmens am Markt bestimmt. Seine Arbeitszeit habe er frei vereinbaren und gestalten können. Die tatsächliche Arbeitszeit von ca. 70 Stunden bei einer 6,5 Tage-Woche habe bei weitem über der durchschnittlichen tariflichen Leistung gelegen. Es hätten keine Überstundenvergütungsansprüche bestanden. Die Urlaubsansprüche seien frei bestimmt und im Unternehmerinteresse realisiert worden. Nicht wahrgenommene Urlaubstage seien nicht abgegolten worden. Die gegebene Betriebsordnung sei für ihn nicht bestimmend gewesen, so dass er nicht in die vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen sei. Im Gegenteil sei er Weisungsgeber gewesen. Der schriftliche Arbeitsvertrag sei nicht als Grundlage für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht heranzuziehen, denn er sei nicht in die gelebte Wirklichkeit umgesetzt worden. Er habe auch ein erhebliches unternehmerisches Risiko getragen, da er für das Unternehmen eine selbstschuldnerische Bürgschaft in beträchtlicher Höhe und eine erfolgsabhängige Tantieme erhalten habe. Die früh geplante und später tatsächlich realisierte Betriebsübernahme spiegele anschaulich sein unternehmerisches Interesse wieder. Etwaige Kontrollrechte der Gesellschafter seien in der Realität nicht ausgeübt worden. Es seien keine Gesellschafterbeschlüsse mit Weisungscharakter gefasst worden. In den beigefügten, vom Kläger und dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 ausgefüllten Feststellungsbögen wurden die Fragen, ob ein Urlaubsanspruch und/oder eine Kündigungsfrist vereinbart sei, ob bei der Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt fortgezahlt werde, und ob das Arbeitsentgelt dem tariflichen bzw. dem ortüblichen Lohn/Gehalt entspreche, verneint.

Die Beklagte teilte der Beigeladenen zu 3 ihre Auffassung mit, dass der Kläger aufgrund der übernommenen Bürgschaft ein unternehmerisches Risiko trage und nicht versicherungspflichtig sei.

Die Beigeladene zu 3 teilte diese Auffassung nicht. Der Kläger sei weder an der GmbH beteiligt noch zu deren Geschäftsführer bestellt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger vom Betriebsinhaber bewusst nicht zum Mitunternehmer berufen, sondern als abhängig Beschäftigter angemeldet worden sei. Den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Gesellschaftsverträgen, sei nicht zu entnehmen, nach welchem Sonderrecht der Kläger wie im Feststellungsbogen angegeben, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe. Für eine abhängige Beschäftigung sprächen auch der Arbeitsvertrag und die Handlungsvollmacht, die immer einen Vollmachtgeber voraussetze, ferner dass steuerrechtlich von einer nichtselbständigen Arbeit ausgegangen worden sei, da das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht und vom Arbeitsentgelt Lohnsteuer gezahlt worden sei.

Am 14. Mai 2007 übersandte die Beklagte der Beigeladenen zu 4 einen Entwurf der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung, dass der Kläger in der Beschäftigung in der Zeit vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998 versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung gewesen sei. Dagegen wurde u.a. eingewandt, dass die steuerliche Behandlung der Vergütung zur Begründung einer Sozialversicherungspflicht nicht herangezogen werden könne. Die Tätigkeit finde ihre rechtliche Fundierung auch nicht im vorgelegten Arbeitsvertrag, da die Tätigkeit schon ausgeübt worden sei, bevor der Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seien nach der Rechtsprechung allein die tatsächlichen Umstände, wie sie sich im konkreten Einzelfall darstellen, ausschlaggebend, wenn diese von der vertraglichen Ausgestaltung abwichen. Unschädlich sei, dass er nicht offiziell als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen worden sei. Seine Tätigkeit habe nicht nur der eines leitenden Angestellten, sondern der eines faktischen Geschäftsführers entsprochen, wobei eine offizielle Bestellung zum Geschäftsführer überdies nicht erforderlich sei. Was die Bürgschaft angehe, habe er das gleiche Risiko wie der Unternehmensinhaber getragen. Es habe die Möglichkeit bestanden, dass das Unternehmen nicht erfolgreich sein würde und er deshalb direkt von den Gläubigern in Anspruch genommen worden wäre. Das Erfordernis des ungewissen wirtschaftlichen Erfolges sei damit erfüllt. Entscheidend sei auch, dass er seine Tätigkeit völlig weisungsfrei ausgeübt habe.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2007 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in der Zeit vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998 zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen sei. Hierfür spreche, dass der Kläger nicht über die beherrschende Mehrheit in der Gesellschafterversammlung verfüge, dass sein Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht und hierauf Lohnsteuer entrichtet worden sei, ferner die Regelung über Arbeitszeit, Aufgabengebiet, Urlaubsanspruch, Kündigung, Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, durch die Anstellung als technischer Betriebsleiter habe der Kläger gehobene Aufgaben wahrzunehmen gehabt, die ihn gegenüber sonstigen Arbeitnehmern in der Funktion als Arbeitgeber darstellten. Ein leitender Angestellter, der selbst Arbeitgeberfunktionen ausüben könne, könne durchaus bei einem Dritten abhängig beschäftigt sein. Mit dem Anstellungsvertrag sei eindeutig dokumentiert worden, dass beide Parteien von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen seien. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche bei einer Gesamtbetrachtung auch die Bürgschaftsübernahme nicht, denn bei der Vergabe von Krediten sei es allgemein üblich, dass Familienangehörige mit in die Haftung einbezogen würden. Nach Auskunft des Klägers seien von ihm keine Sicherheiten an die Bank abgetreten worden. Dass das Arbeitsverhältnis im Innenbereich durch familienhafte Rücksichtnahme gekennzeichnet gewesen und daher das Weisungsrecht möglicherweise verfeinert ausgeübt worden sei, stehe der Feststellung nicht entgegen, sondern sei bei familienhafter Mitarbeit in Beschäftigungsverhältnissen geradezu symptomatisch.

Dagegen hat der Kläger am 15. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung seine bisherigen Angaben wiederholt und vertieft. Das Kriterium der steuerlichen Behandlung des Arbeitsentgelts habe keinerlei Indizwirkung für eine Sozialversicherungspflicht, da Steuer- und Sozialversicherungsrecht nicht deckungsgleich seien. Auch die Anmeldung zur Sozialversicherung vor Jahren sei keineswegs indiziell für eine tatsächlich bestehende Sozialversicherungspflicht. Die maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse hätten sich, wie er mehrfach vorgetragen habe, völlig anders als die rechtlichen Verhältnisse dargestellt. Zwar existiere ein schriftlicher Arbeitsvertrag, dieser sei jedoch tatsächlich so in Gänze nicht gelebt worden. Er sei nicht nur leitender Angestellter, sondern faktischer Geschäftsführer gewesen, wobei die fehlende Eintragung nicht gegen eine selbständige Tätigkeit spreche. Nach der Rechtsprechung könne eine abhängige Beschäftigung auch dann ausgeschlossen sein, wenn der geschäftsführende Gesellschafter über keine Mehrheit am Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfüge, es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH aber gestatte, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Diese Grundsätze müssten ebenso für Angestellte der GmbH gelten, die - wirtschaftlich gesehen - ihre Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübten. Er hafte persönlich als Bürge für ein Unternehmensdarlehen in Höhe von fast 850.000,- DM, was ein beträchtliches unternehmerisches Risiko darstelle.

Das SG hat mit Beschluss vom 12. Februar 2008 die übrigen Sozialversicherungsträger und den Arbeitgeber beigeladen, von der Beigeladenen zu 3 den Versicherungsverlauf des Klägers beigezogen und einen Handelsregisterauszug der Beigeladenen zu 4 zu den Akten genommen (Bl. 48/49 SG-Akte).

Auf Anfrage des SG hat der Kläger mitgeteilt, dass er seit Ende 1998 Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 4 sei und zwar mit einer Beteiligung von 50 % am Stammkapital. Der Kläger hat eine Erklärung der V.-Bank S.-N. e.G. vom 03. Juni 2008 vorgelegt, wonach Zweck der Verbindlichkeiten des Vaters, für die die Bürgschaft vom 22. September 1986 gehaftet habe, die damalige Finanzierung des Gewerbeanwesens des Vaters in B.-O. gewesen sei.

Mit Urteil vom 13. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 4 im streitgegenständlichen Zeitraum sei nach ihrem Gesamtbild nicht als selbständige Erwerbstätigkeit einzustufen. Von besonderer Bedeutung sei, dass der Kläger kein Unternehmerrisiko getragen habe. Der Vater des Klägers sei sowohl Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 4 als auch alleiniger Geschäftsführer gewesen. Ein Unternehmerrisiko könne auch nicht in der Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft gesehen werden, denn der Kläger habe diese nicht für die Beigeladene zu 4, sondern für seinen Vater und zur Sicherung von dessen Verbindlichkeiten übernommen. Dass es sich bei dem Gewerbeanwesen um Privateigentum des Vaters und nicht der Beigeladenen zu 4 handele zeige sich auch im Feststellungsbogen, in welchem angegeben worden sei, dass die Betriebsstätte von der Beigeladenen zu 4 von dem Vater des Klägers gemietet worden sei. Ein Unternehmerrisiko sei auch nicht in der Gewährung von Tantiemen zu sehen, da erfolgsabhängige Tantiemen bei jedem Arbeitnehmer möglich seien. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Verlust der Beigeladenen zu 4 zu tragen gehabt, er habe ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt erhalten. Einer abhängigen Beschäftigung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger infolge der von ihm geleisteten Dienste höherer Art dem Weisungsrecht nur eingeschränkt unterlegen habe. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche zwar die hohe zeitliche Arbeitsleistung des Klägers, allerdings habe er auch ein hohes Arbeitsentgelt erhalten. Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche auch der Anstellungsvertrag, die Entrichtung von Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt und die Verbuchung als Betriebsausgabe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 12. September 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. September 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und ergänzend ausgeführt, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis könne nicht aus der steuerrechtlichen Behandlung oder der sozialversicherungsrechtlichen Meldung abgeleitet werden. Seine fehlende Beteiligung am Stammkapital der Beigeladenen zu 4 reiche für eine Beurteilung als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer nicht aus; entscheidend sei, dass tatsächlich keine Weisungen erteilt worden seien. Der Arbeitsvertrag sei in der vorliegenden Form tatsächlich so nie gelebt worden. Er habe auch ein unternehmerisches Risiko übernommen. Die Bürgschaft sei gerade für den Erwerb des Gewerbeanwesens gewährt worden, in dem die juristische Person ihren Firmensitz habe, so dass die Sicherung der Verbindlichkeiten des Vaters in engem Zusammenhang mit der Unternehmung selbst gestanden hätte. Für ein unternehmerisches Risiko spreche auch die Tatsache, dass er der Sohn des Betriebsinhabers und somit dessen Erbe sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2007 aufzuheben und festzustellen, dass seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 4 in der Zeit vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998 nicht sozialversicherungspflichtig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.

Die Beigeladene zu 3 hat Angaben zu den im streitigen Zeitraum durchgeführten Betriebsprüfungen gemacht. Aus ihrer Sicht habe bei dem Kläger ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen.

In einem Erörterungstermin vom 19. Mai 2009 sind der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 ergänzend gehört worden.

Der Kläger hat noch eine Bestätigung der Steuerberatungsgesellschaft A. B. GmbH vom 27. Mai 2009 vorgelegt, worin bestätigt wird, dass er im Jahre 1985 seinem Vater ein Darlehen von 75.000,- DM gewährt habe und dieses Darlehen bis zum Jahr 1998 nicht getilgt worden sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, die keiner Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 4 war in der Zeit vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998 sozialversicherungspflichtig.

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Beklagte als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7, Urteil vom 04. Juli 2007, B 11 a AL 5/06 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von Ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose- Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 4; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7).

Das BSG hat in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7 a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, jeweils in juris veröffentlicht). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 r AR 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggfs. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder einer Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3 - 2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

Vor diesem Hintergrund bestimmen sich die rechtlich relevanten Beziehungen der Beigeladenen zu 4 und des Klägers in der streitbefangenen Zeit nach dem gesellschaftsrechtlichen Status, dem Anstellungsvertrag und dem Vertrag über die Erteilung einer Handlungsvollmacht vom 09. Januar 1989. Der Kläger war in der Zeit vom 01. August 1987 bis 31. Dezember 1998 weder an der GmbH beteiligt noch deren Geschäftsführer. Das Vorbringen, er sei faktisch Geschäftsführer gewesen, greift nicht. Auch der Geschäftsführer einer GmbH, der am Stammkapital nicht beteiligt ist, ist grundsätzlich abhängig Beschäftigter der GmbH, da er nicht über gesetzliche Gesellschaftsrechte verfügt, aus denen die Rechtsmacht resultiert, der Weisungsgebundenheit zu entgehen (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 20). Ungeachtet dessen wird eine GmbH nach § 35 GmbH-Gesetz durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Insofern kommt der Organstellung des Geschäftsführers eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn tatsächlich eine Berufung zum Geschäftsführer erfolgte. Dies ist jedoch beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht der Fall. "Faktische" Geschäftsführung sieht das GmbH-Gesetz nicht vor. Die GmbH wurde nicht vom Kläger, sondern allein von dessen Vater geführt und vertreten.

Unbeachtlich ist gleichfalls die mit Vertrag vom 09. Januar 1989 erteilte Handlungsvollmacht nach § 54 Handelsgesetzbuch (HGB), denn der Handlungsvollmacht bedarf gerade eine Person, die nicht Geschäftsführer ist und der auch nicht die umfassendere Vollmacht der Prokura (§ 49 Abs. 1 HGB) erteilt worden ist. Das Vorliegen einer Handlungsvollmacht, die typischerweise auch ein leitender Angestellter hat, spricht daher für eine Beschäftigung und gegen eine selbständige Tätigkeit. Hier kommt noch hinzu, dass bedeutendere Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen der Zustimmung des Geschäftsführers bedurften, nämlich der Abschluss von Versorgungsverträgen aller Art, die Eingehung von Verträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, die Anschaffung von Investitionsgütern, die im Einzelfall den Wert von 5.000,- DM übersteigen, die Übernahme von Bürgschaften und Garantieverpflichtungen und alle unentgeltlichen Rechtsgeschäfte und der Abschluss von Verträgen, durch die eine Beteiligung am Umsatz oder Gewinn der Gesellschaft gewährt wird.

In rechtlicher Hinsicht kann der Kläger mithin Weisungen des Geschäftsführers bzw. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nicht verhindern. Selbst wenn das Weisungsrecht des Geschäftsführers tatsächlich nicht ausgeübt wurde, ändert dies nichts an diesem Ergebnis. Denn nach ständiger Rechtssprechung kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 19 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen sind auch Mitglieder von Vorständen juristischer Personen, die von Weisungen im täglichen Geschäft weitgehend frei sind, abhängig Beschäftigte (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 18).

Darüber hinaus spricht das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 4 bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung für ein abhängiges entgeltliches Beschäftigungsverhältnis. Dass der Anstellungsvertrag kein Datum enthält, ist unschädlich, denn aus der Formulierung "das Arbeitsverhältnis begann am 01. August 1987" und der Klausel im Vertrag über die Erteilung der Handlungsvollmacht vom 09. Januar 1989, dass es im Übrigen bei den im Anstellungsvertrag getroffenen Vereinbarungen verbleibe (Ziffer 3), ergibt sich, dass der Vertrag zwischen August 1987 und Januar 1989 geschlossen wurde und die vertraglichen Regelungen auch bereits ab Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01. August 1987 galten, da damit die bisher mündlich getroffenen Vereinbarungen nur schriftlich fixiert wurden.

Die vertraglichen Regelungen entsprechen dem, was üblicherweise mit abhängig Beschäftigten vereinbart wird. Der Kläger erhielt eine feste monatliche Vergütung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und - ebenfalls nicht unüblich - Zukunftssicherungsleistungen und einen Firmenwagen. Er war verpflichtet, in Krankheitsfällen der Gesellschaft spätestens innerhalb von drei Tagen Mitteilung zu machen. Auch sein Urlaubsanspruch (§ 4), die Kraftfahrzeugbenutzung und die Reisespesen (§ 5) sowie die Kündigung (§ 6) sind im Vertrag geregelt sowie ferner, dass sich die Abzüge für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge etc. nach den gesetzlichen Bestimmungen richten (§ 3 Ziffer 3). All dies sind Indizien, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 20; BSG, Urteil vom 04. Juli 2007 a.a.O.).

Diese Regelungen sind auch als solche gelebt worden, denn nach außen hin, d.h. gegenüber der Beklagten ist der Kläger immer als abhängig Beschäftigter gemeldet worden. Auch gegenüber den Steuerbehörden wurden Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit ausgewiesen. Das Arbeitsentgelt wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Urlaubsregelung des Anstellungsvertrages nicht praktiziert worden sei und er auch deutlich mehr als arbeitsvertraglich geschuldet gearbeitet habe, ist darauf hinzuweisen, dass Familienangehörige in der Regel ihren Urlaub abstimmen und auch ein gesteigertes Interesse am Erhalt des Familienbetriebes haben, so dass sie regelmäßig bereit sind, auch überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. Letzteres gilt auch für leitende Angestellte, die ebenfalls in der Regel bereit sind, überdurchschnittliche Leistungen auch in zeitlicher Hinsicht zu erbringen. Diesen Leistungen stand im Falle des Klägers auch ein angemessenes Arbeitsentgelt gegenüber.

Aus dem Umstand, dass der Kläger in seinem Aufgabengebiet als Betriebsleiter frei walten und schalten konnte, lässt sich ebenfalls nicht zwingend herleiten, dass er selbständig tätig war. Dies ist vielmehr geradezu typisch und immanent der Tätigkeit eines leitenden Angestellten, als welcher der Kläger auch im Anstellungsvertrag bezeichnet wurde. Der Senat vermag insbesondere nicht zu erkennen, dass der Kläger die Geschäfte der GmbH des Vaters faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führte, Geschäftspolitik trieb, strategische Entscheidungen fällte und die gegebene Betriebsordnung für ihn nicht bestimmend war, zumal der Vater (Alleingesellschafter und Geschäftsführer) ebenfalls qualifizierte Branchenkenntnisse besaß und als Kaufmann für den kaufmännischen Bereich zuständig war. Dass er gänzlich auf sein Weisungsrecht verzichtete, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht einmal vom Kläger behauptet. Insoweit erklärte der Vater im Erörterungstermin auch die Beschränkung der Handlungsvollmacht damit, dass er nicht gleich alles aus der Hand geben wollte und über die Sachen geredet werden sollte. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber nicht den Status des abhängig Beschäftigten aufheben. Hätte der Kläger tatsächlich die Geschicke der Beigeladenen selbst geleitet, wäre es naheliegend gewesen, auch das Haftungsrisiko zu verbreitern und eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Anpassung vorzunehmen. Dies war aber gerade nicht gewollt. Der Kläger konnte aufgrund fehlender Gesellschaftsanteile die entscheidenden gestaltenden und richtungsweisenden unternehmenspolitischen Entscheidungen nicht beeinflussen. Ihm war keine Rechtsmacht eingeräumt, die es ihm ermöglicht hätte, gegen den Willen der GmbH bzw. des Geschäftsführers Geschäfte zu betreiben. Selbst wenn in der praktischen Tätigkeit das Weisungsrecht des Alleingesellschafters und Geschäftsführers der GmbH nicht ausgeübt wurde, ist darauf zu verweisen, dass bei Diensten höherer Art, wie im vorliegenden Fall bei der Tätigkeit eines Betriebsleiters - das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers durch das Kriterium der funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ersetzt wird, wenn eine besondere Sach- und Fachkunde des Dienstleisters vorausgesetzt wird. Die Nichtausübung eines Rechts ist unbeachtlich, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R -).

Ein weiteres Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist, dass der Kläger einen ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt hat, denn die Eintragung in die Handwerksrolle setzte die Beschäftigung eines Meisters voraus.

Der Kläger trug auch kein unternehmerisches Risiko. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R -). Der Kläger hat ein regelmäßiges Entgelt unabhängig von der Ertragslage erhalten. Die zusätzlich vereinbarte Tantieme führte zu keinem Unternehmerrisiko, denn diese war angesichts des dem Kläger zustehenden festen Monatsgehalts dem Wagniskapital nicht gleichzusetzen, sondern Ausdruck auch bei Arbeitnehmern verbreiteter leistungsorientierter Vergütungsbestandteile und bei Angestellten mit herausgehobener Verantwortungsposition nicht unüblich. Bei dem Kläger bestand nie die Gefahr, die Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen.

An der Eigenschaft des Klägers als abhängig Beschäftigter ändert sich schließlich nichts dadurch, dass er eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen und ein Darlehen gegeben hat. Unabhängig davon, dass sowohl die Bürgschaft als auch das Darlehen vor August 1987, also vor der hier streitbefangenen Zeit, gegeben wurden, hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bürgschaft für den Vater und nicht für Verbindlichkeiten der GmbH übernommen wurde. Das gleiche gilt bezüglich des Darlehens, auch dieses wurde dem Vater und nicht der GmbH gegeben. Zweck der Bürgschaft und des Darlehens war die Finanzierung des Gewerbeanwesens des Vaters des Klägers in B.-O ... Dieses Gewerbeanwesen steht im Privateigentum des Vaters des Klägers und nicht der GmbH, denn die Betriebsstätte wird ausweislich der Angaben im Feststellungsbogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 16. Oktober 2006 von dem Vater an die GmbH vermietet. Aus der Sicherung von privaten Verbindlichkeiten des Vaters kann mithin kein Unternehmerrisiko des Klägers hergeleitet werden. Ungeachtet dessen würde auch eine persönliche Haftung des Klägers mit seinem privaten Vermögen im Hinblick auf die oben genannten zahlreichen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund treten. Denn die Gewährung von Darlehen bzw. Sicherheiten unter Familienangehörigen ist mit der Gewährung eines Darlehens oder einer Sicherheit durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht zu vergleichen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 - und vom 10. Oktober 2008 - L 4 KR 4694/07 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Juli 2009 - L 1 KR 166/08 -). Familienmitglieder und insbesondere auch potenzielle Erben haben in der Regel ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Hieraus folgt aber kein wesentliches Unternehmerrisiko.

Das Verhältnis des Klägers zu der GmbH stellt sich bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung als ein in der betrieblichen Praxis nicht untypischer Entwicklungsprozess eines Hineinwachsens der jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge dar. Wie der Kläger vorgetragen hat, war von Anfang an beabsichtigt, dass er in das Unternehmen als Gesellschafter aufgenommen werden sollte. Es entspricht aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass erst eine rechtlich durchgeführte und damit vollzogene Betriebsübergabe bzw. gleichberechtigte Mitverantwortung von den Eltern auf die Kinder den wirklichen Einschnitt in der bisherigen Unternehmensführung darstellt. Erst dann endet das allmähliche Hineinwachsen in eine etwaige Unternehmensnachfolge und erst dann existiert auch das bis dahin nach wie vor fortbestehende, wenn auch möglicherweise faktisch nicht mehr ausgeübte Weisungsrecht nicht weiter (vgl. Senatsurteile vom 04. Dezember 2007 - L 11 KR 1749/07, 15. Juli 2008 - L 11 KR 4946/07, 05. August 2008 - L 11 KR 4946/07 und vom 14. Oktober 2008 - L 11 KR 1347/08 sowie BSG, Urteil vom 30. Januar 1999 - B 11 R Ar 47/88, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1).

Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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