Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 RJ 1444/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 R 164/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit.
Die am X.XXXXXXXX 1926 in S. (Polen) – während des Zweiten Weltkriegs S1 - als Tochter jüdischer Eltern unter dem Mädchennamen Z. geborene Klägerin wanderte am 14. Juni 1949 aus Bayern, wo sie sich nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager (KL) Parschnitz/Böhmen (Außenkommando des KL Groß Rosen) in Lagern für sog. displaced persons aufgehalten hatte, zunächst nach Israel aus und lebt seit 1959 in den USA, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt und wo sie eine Altersrente aus der dortigen staatlichen Rentenversicherung bezieht. Sie wurde als rassisch Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt bzw. erhält Entschädigungen für Schaden an Gesundheit und an Freiheit. So verpflichtete sich der Freistaat Bayern in dem am 15. März 1957 vor dem Landgericht München I geschlossenen Haftentschädigungsvergleich zur Zahlung einer Entschädigung von 9000 DM für eine Freiheitsbeschränkung (§ 47 BEG) bzw. Freiheitsentziehung (§ 43 BEG) von insgesamt 60 Monaten. Im September 1964 erkannte das Bayrische Landesentschädigungsamt (BLEA) die folgenden Gesundheitsstörungen als verfolgungsbedingt an: Affektstörung einer jugendlich Verfolgten, Osteochondrose der Bandscheibe zwischen L 5 und S 1, Gebissschaden, und bewilligte ihr eine laufende Rente. In ihrem Antrag vom 8. Januar 1950 auf Entschädigung für einen Schaden an Freiheit nach dem Gesetz zu Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) hatte die Klägerin auf die Frage nach Zeiten des Freiheitsentzugs angegeben, vom Januar 1942 bis 9. Mai 1945 in dem von ihr so bezeichneten Zwangsarbeitslager Parschnitz ihrer Freiheit beraubt gewesen zu sein. Zu den im Antragsformular vorgedruckten Fragen nach Zeiten des Freiheitsentzugs im Ghetto oder im Konzentrationslager hatte sie keine Angaben gemacht. Erst später hatte sie zusätzlich eine Freiheitsbeschränkung durch Verpflichtung zum Tragen des Judensterns ab Dezember 1939 vorgetragen. In einer am 17. Februar 1957 in Jerusalem abgegebenen eidesstattlichen Erklärung hatte die im Juni 1927 in S. geborenen F. W. (geb. S2) angegeben, die Klägerin habe - wie sie, die Zeugin - ab Dezember 1939 eine weiße Armbinde mit einem blauen Davidsstern anlegen müssen. Die Juden seien (somit) vielen Beschränkungen unterworfen gewesen. Sie habe die Klägerin bis zum Januar 1942 fast täglich gesehen und wisse genau, dass sie im Januar 1942 wegtransportiert worden sei. Im Verfahren wegen der Entschädigung eines verfolgungsbedingten Gesundheitsschadens machte die Klägerin in einer am 12. August 1963 vor dem Notar in New York beschworenen – gleichwohl als eidesstattlich bezeichneten – Erklärung zur Vorgeschichte für die allein noch strittige Zeit die folgenden Angaben: "Als die deutschen Truppen im September 1939 die Stadt Sosnowitz besetzten, hat sofort die Judenverfolgung begonnen. Wir wurden gezwungen, stets einen Judenstern zu tragen und die arbeitsfähigen Juden wurden zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen. Während meiner Verfolgung und Inhaftierung hatte ich mit allerlei menschenunwürdigen Lebensbedingungen zu kämpfen und war die ganze Zeit den schwersten Entbehrungen, wie Hunger, Kälte und Misshandlungen und ständiger Todesangst, ausgesetzt. Ich wurde zu den schwersten Zwangsarbeiten herangezogen, die ich bei jeglicher Witterung und unter den schlimmsten Arbeitsbedingungen bei Unterernährung, mangelhafter Bekleidung und Schuhe leisten musste ..."
Die dem BLEA vom Internationalen Suchdienst am 15. November 1963 erteilte Bescheinigung über den Aufenthalt der Klägerin enthält die folgenden biografischen Angaben: "Im IRO CM/1-Bogen ist vermerkt: 1936 bis 41 - Schülerin - Sosnowitz/Polen; 41 bis 45 – Spinnerin - Parschnitz/Sudeten; Im DP-Fragebogen: 1939 bis 1941 - Sosnowitz/Polen; 1942 bis 1945 KZ-Nr. XXXXX – Spinnerin Parschnitz /CSR. Die Klägerin hatte seinerzeit angegeben, ihre Heimat CSR 1942 zwangsweise verlassen zu haben." Anlässlich ihrer Begutachtung durch Dr. G. am 10. März 1964 gab die Klägerin an: Bis September 1939 Schülerin Sosnowitz; September 1939 bis Januar 1942: Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten, Januar 1942 bis Mai 1945 ZAL (Zwangsarbeitslager) Parschnitz. In der anschließenden fortlaufenden - von ihr unterschriebenen - Schilderung ihrer Lebensumstände während der Verfolgung führte sie an, sie habe in Sosnowitz im Alter von 13 Jahren verschiedene Zwangsarbeiten verrichten müssen. Ihre Eltern seien vernichtet worden. Sie selbst sei allein zurückgeblieben und im Jahre 1942 nach dem Zwangsarbeitslager Parschnitz verschickt worden.
Der Orthopäde Dr. D. (New York) gab die Schilderungen der Vorgeschichte durch die Klägerin in seinem Gutachten vom 5. April 1964 wie folgt wieder: "Frau R. berichtete, dass sie nach Kriegsausbruch - sie war damals 13 Jahre alt - zwangsweise Reinigungsarbeiten in ihrer Stadt durchzuführen hatte. Im Januar 1942 kam sie in das KZ Parschnitz (Böhmen), wo sie in einer Spinnerei zu arbeiten hatte."
Im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung am 27. April 1964 zitierte Dr. W1 (New York) die Angaben der Klägerin zur Vorgeschichte wie folgt: "Als die deutsche Besetzung Polens im September 1939 anfing, war die Antragstellerin nur 13 Jahre alt. Sie wurde sofort zu Zwangsarbeit gefordert, musste Straßen reinigen und andere Arbeit verrichten, wurde oft geschlagen und wurde mit Eltern und Geschwistern ins Ghetto gezwungen, musste den Judenstern tragen. Sie lebte dauernd in furchtbarer Angst, wurde besonders viel geschlagen, weil sie klein und schwach war und die schwere Arbeit nicht verrichten konnte. Anfang 1942 kam sie allein ins ZAL Parschnitz ..."
Im Gutachten des Zahnarztes Dr. L. vom 27. März 1964 finden sich zu Vorgeschichte der Klägerin die folgenden Angaben: "Im September 1939, nach der Besetzung Polens durch die Deutschen, wurde die Antragstellerin zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen. In 1942 kam sie in das KZ Parschnitz, wo sie im Mai 1945 durch die Russen befreit wurde."
Dr. S3 zitierte in seinem Gutachten für das deutsche Generalkonsulat in Miami vom 6. Juni 1994 die Klägerin wie folgt: "Als die Deutschen ihre Stadt besetzten, wurde sie bald zur Arbeit geschickt zum Reinigen der Straße. Manchmal sei sie geschlagen worden. Ihre Mutter sei verzweifelt gewesen, als man sie - die Klägerin – zur Arbeit geschickt habe."
Im Rahmen ihres Antrags auf Neufestsetzung der Rente nach dem BEG wegen Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen äußerte sich die Klägerin am 9. September 2005 gegenüber dem Psychiater A. zu ihren Lebensverhältnissen zu Beginn der 40er Jahre. Sie berichtete, dass ihr Vater nach der Besetzung sein Obstgeschäft habe schließen müssen und dass es ihnen deshalb an Lebensmitten und anderen überlebensnotwendigen Gütern mangelte. In einer Samstagnacht im Sommer 1942 habe man sie in Gegenwart ihrer Eltern von zu Hause abgeholt und in ein Arbeitslager gebracht.
Einen ersten Rentenantrag vom 27. Oktober 1997, in welchem die Klägerin die ihres Erachtens anspruchsbegründenden Zeiten nicht näher bezeichnet hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Februar 1998 mit der Begründung ab, die Zeit der Arbeitsleistung von Januar 1942 bis zum 9. Mai 1945 im Zwangsarbeitslager Parschnitz sei keine Beitragszeit in der Deutschen Rentenversicherung, da es sich bei ihr nach den eigenen Angaben der Klägerin um unentgeltliche Zwangsarbeit gehandelt habe. Die Klägerin habe mithin zu keinem Zeitpunkt in einem dem Grunde nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) gestanden. Dieser Bescheid wurde mit der Zurückweisung des – nicht näher begründeten – Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1999 bindend. Zuvor hatte die Beklagte mit dem ebenfalls unanfechtbar gewordenem Bescheid vom 30. Oktober 1997 den mit dem Rentenantrag verbundenen Antrag der Klägerin vom 27. Oktober 1997 auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem Zweiten Zusatzabkommen vom 6. März 1995 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (DASVA) vom 7. Januar 1976 sowie die Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach § 17a Fremdrentengesetz (FRG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 abgelehnt.
Am 21. August 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf das Gesetz über die Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20. Juni 2002 - gültig ab dem 1. Juli 1997 - die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 1. Juli 1997 und bezeichnete als anspruchsbegründend die Zeit von Anfang 1940 bis Januar 1942, in der sie in der Anfertigung von Uniformen für die Wehrmacht im Schneidereiressort des Ghetto Sosnowitz, Mondzejewska Str. gearbeitet habe, sowie die bekannte Tätigkeit von Januar 1942 bis 9. Mai 1945 im Zwangsarbeitslager Parschnitz. Sie bezifferte den wöchentlichen Lohn für die Tätigkeit im Ghetto mit 20 Reichsmark, gab an, daneben noch Kost erhalten zu haben, und bejahte die Frage, ob für diese Zeit Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden seien.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 1998 Regelaltersrente in Höhe von 13,17 EUR monatlich auf der Grundlage von 4 Monaten Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung für ihren am XX.XXXXXXX 1949 geborenen und am XX.XXXX 1949 verstorbenen Sohn I. R. sowie von insgesamt 71 Monaten Verfolgungsersatzzeiten vom 2. Februar 1940 bis zum 31. Dezember 1949.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch mit dem Begehren, die Beklagte möge rentensteigernd die Zeit von Januar 1940 bis Januar 1942 als glaubhaft gemachte Beitragszeit im Ghetto Sosnowitz nach § 17 Abs. 1 Buchst b FRG in Verbindung mit § 18 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) berücksichtigen. Sie habe dort in dieser Zeit im Schneidereiressort gearbeitet. Da die Auswanderung im Jahre 1949 erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen nach § 18 WGSVG vor.
Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2004 mit der Begründung zurück, die Anerkennung der bis Januar 1942 geltend gemachten Ghettobeitragszeiten nach den ZRBG komme nicht in Betracht, da nach den verfügbaren Quellen das Ghetto im Sosnowitz - im Unterschied zum Ghetto in Bedzin - erst ab dem 1. Oktober 1942 bestanden habe. Mithin könne vorher auch kein zwangsweiser Aufenthalt in einem Ghetto im Sinne der § 1 und 2 ZRBG vorgelegen haben.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Vom Gericht auf die Widersprüche zwischen ihren Angaben zu Beschäftigungen im Ghetto Sosnowitz im Rentenverfahren einerseits und im Entschädigungsverfahren andererseits angesprochen, hat sie ausgeführt, sie habe sich während ihres Aufenthalts im offenen Ghetto Sosnowitz von Januar 1940 bis Januar 1942 zur Verbesserung ihrer Lage über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Arbeiterin gesucht. Es falle ihr schwer, sich an Details ihrer Verfolgung zu erinnern. Die Angaben im Entschädigungsverfahren seien insofern richtig, als sie zunächst bis Frühjahr 1941 Reinigungsarbeiten in Wohnungen verrichtet habe. Anschließend habe sie dann bei der Firma H. Uniformen genäht. Als Zeugin für diese Tätigkeit im so genannten H.-Shop hat die Klägerin Frau T. genannt. Bei ihr sei die Tätigkeit im H.-Shop als Beitragszeit anerkannt worden.
Das Sozialgericht hat sich ohne Erfolg bemüht, die von der Klägerin benannte Zeugin im Wege der Rechtshilfe durch das Generalkonsulat in New York zu hören. Diese ist der schriftlichen Ladung des Generalkonsulats vom 4. Januar 2007 zur Vernehmung als Zeugin nicht gefolgt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die Zeugin aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Konsulat kommen, aber auf schriftlichem Wege gehört werden könne. Diese hat die vom Sozialgericht sodann schriftlich formulierten Fragen schriftlich beantwortet und u. a. bestätigt, mit der Klägerin im Ghetto am selben Arbeitsplatz gearbeitet zu haben. Auf die Frage, ob die Klägerin für ihre Arbeit bezahlt worden sei und unter welchen Umständen diese ihre Arbeit aufgenommen habe, hat sie angegeben, dies nicht zu wissen. Sie hat die Frage bejaht, ob sie eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung beziehe, eine Beiziehung ihrer Rentenakte zu Vergleichszwecken jedoch abgelehnt.
Die Klägerin hat zur Stützung ihres Standpunkts ferner auf das von Professor G. am 31. Januar 2007 für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im dortigen Verfahren L 8 R 14/05 zu den Verhältnissen in Sosnowitz/Ostoberschlesien erstattete Gut-achten 2007 verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch das Urteil vom 21. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, es habe nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, ob und gegebenenfalls welche versicherungspflichtige Beschäftigung die Klägerin in der strittigen Zeit innegehabt habe. Eine Bestätigung des polnischen Versicherungsträgers über eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit Beitragsentrichtung liege nicht vor. Es sei auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in dieser Zeit ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis innegehabt habe und dass sie für diese Zeit Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet habe. Die Kammer sei nach Auswertung ihrer Entschädigungsakte sowie ihrer Angaben im Renten- und Klageverfahren nicht einmal sicher, dass sie überhaupt vor der Zeit im Zwangsarbeitslager regelmäßig einer Erwerbsarbeit nachgegangen sei. Die schriftlichen Äußerungen der Zeugen T. enthielten keinerlei Angaben zur Art der Arbeitsaufnahme durch die Klägerin oder sonstige Umstände, die über die bloße Erklärung selbst hinaus Glaubwürdigkeit erzeugen könnten.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 7. September 2007 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 10. September 2007 Berufung eingelegt. Sie verweist zum Sach- und Streitstand im Einzelnen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor: Sie habe glaubhaft gemacht, sich in der strittigen Zeit in einem Ghetto - nicht in einem ZAL oder Kriegsgefangenenlager – aufgehalten zu haben. Eine freiwillige Tätigkeit im Ghetto sei begehrt gewesen und habe den Regelfall dargestellt. Die Entlohnung der jüdischen Arbeiter sei gesetzlich festgelegt gewesen. Ihre Angaben im Entschädigungsverfahren stünden der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine im Ghetto Sosnowitz aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung gegen Entgelt nicht entgegen. Im Entschädigungsverfahren sei nach einer Entlohnung explizit nicht gefragt worden. Es sei unter Umständen sogar hinderlich gewesen, solches zu behaupten, weil dies eventuelle zeitaufwändige Nachfragen von Seiten des Entschädigungsamtes provoziert haben würde. Vielmehr habe grundsätzlich ein Antragsteller ein Interesse daran, den Zwang der Verfolgung mit der Angabe von Zwangsarbeiten hervorzuheben bzw. zu überhöhen. Es sei deshalb nicht zulässig, für fehlende Angaben über eine freiwillige entlohnte Tätigkeit die Antragstellerin als unglaubwürdig einzustufen.
Bei den vom Sozialgericht als glaubhaft gemacht angesehenen Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten habe es sich aufgrund des vorliegenden wissenschaftlich-historischen Gutachtens nicht um Zwangsarbeit im juristischen Sinne handeln können, da Zwangsarbeiter im allgemeinen nur bei größeren Projekten mit einer eine großen Anzahl beschäftigt, lagermäßig untergebracht und bewacht worden seien. Dies sei hier unzweifelhaft nicht der Fall gewesen. Ein Arbeitszwang habe erst vom Oktober 1941 an bestanden und sei auch nicht mit einer Zwangsarbeit gleichzusetzen. Nach der deutschen Besetzung seien die jüdischen Arbeiter zumeist nicht entlohnt worden, was insbesondere die Beschäftigung bei öffentlichen Arbeitgebern, die Wehrmacht usw. betroffen habe. Bis Ende 1940 habe es einen freien Arbeitsmarkt in Ostoberschlesien gegeben, danach habe die weitgehende Regulierung über die Judenräte und die Schmelt -Dienststelle stattgefunden. Die Entlohnung sei nach Tarif erfolgt.
In Anbetracht der vorliegenden historischen Gutachten könne man bei Tätigkeiten während des Wohnsitzes im Ghetto von einer Tätigkeit aus eigenem Willensentschluss mit einem tariflichen beziehungsweise gesetzlichen Lohnanspruch und Sozialversicherungspflicht als Regelfall ausgehen. Auch die Grundsatzabteilung der Beklagten habe bereits in der Stellungnahme vom 28. März 2006 festgestellt, dass es sich bei Tätigkeiten in den Wehrmachtsfertigungsstätten, beim Judenrat und dem vom Judenrat getragenen öffentlichen Bereich sowie bei privaten Beschäftigungen regelmäßig um Tätigkeiten im Sinne von § 1 ZRBG gehandelt habe. Auch im Entschädigungsverfahren habe sie eine Tätigkeit im Ghetto erwähnt, und zwar Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten. Auch diese Tätigkeit habe sie aus eigenem Willensentschluss mit einem tariflichen Lohnanspruch und Sozialversicherungspflicht ausgeübt, wobei die Betroffenen sicherlich nicht in der Lage gewesen seien, zwischen einer Zwangsarbeit im juristischen Sinne und dem Arbeitszwang beziehungsweise der Arbeitspflicht zu unterscheiden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Januar 1998 höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit von Januar 1941 bis Januar 1942 als Beitragszeit anstatt als Ersatzzeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 zurückzuweisen
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren seien mit ihrem aktuellen Vortrag nicht in Übereinstimmung bringen. Dieser Widerspruch könne nicht dergestalt aufgelöst werden, dass der frühere Vortrag völlig außer Acht gelassen werde. In der Berufungsbegründung fehle eine Darlegung, aus welchen Grün-den die Klägerin im Entschädigungsverfahren nicht erklärt haben, bei der Firma H. gearbeitet zu haben.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit in Sosnowiec/Sosnowitz von Januar 1941 bis Januar 1942, denn sie hat eine solche Beitragszeit nicht zurückgelegt.
Gemäß §§ 55 Abs.1, 247 Abs.3 S.1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Dass zugunsten der Klägerin während der strittigen Zeit derartige Beiträge entrichtet wurden, ist nicht ersichtlich. Sie kam auch nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass die deutsche Sozialversicherung in dem der früheren Provinz Oberschlesien eingegliederten polnischen Gebiet und damit in Sosnowiec erst durch die §§ 1 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 1 der sog. Ostgebiets-Verordnung vom 22. Dezember 1941 (OGVO – RGBl. I S. 777) - wenn auch rück-wirkend ab dem 1. Januar 1940 - eingeführt wurde, galt dies nicht für die Klägerin als Jüdin (§ 1 Abs. 1 Satz 2 OGVO, Erlass vom 29. Juni 1942 AN II 20). Ob wegen dieser Diskriminierung zu ihren Gunsten die Beitragsfiktion des § 12 WGSVG eingreift, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern.
Es kann auf sich beruhen, ob die Klägerin entsprechend ihren Angaben im streitgegenständlichen - zweiten - Rentenantrag Beiträge zu der bis Ende 1941 für Sosnowitz geltenden (polnischen) gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, denn eine Gleichstellung dieser Beiträge mit reichsgesetzlichen Beiträgen käme nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) sieht eine solche Gleichstellung von Beiträgen zu nicht-deutschen Rentenversicherungsträgern lediglich zugunsten des in § 1 Buchst a bis e FRG definierten Personenkreises - im wesentlichen Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes und ihre Hinterbliebenen, Deutsche im Sinne des Art. 116 Grundgesetz sowie heimatlose Ausländer - vor. Die Klägerin gehört nicht zu diesem Personenkreis. Zwar erstreckt die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG diese Gleichstellung auf Personen, die nicht zu dem Personenkreis des § 1 Buchst. a bis e gehören, sofern die Beiträge entrichtet sind an einen nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und ein deutscher Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sie bei Eintritt des Versicherungsfalles wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtete Beiträge zu behandeln hatte. Hierzu zählen vor dem 1. Januar 1942 entrichtete Beiträge zur polnischen Rentenversicherung, sofern der Versicherte während der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem bezeichneten Stichtag in den eingegliederten Ostgebieten beschäftigt war, d.h. in dem Teil Polens, der nach der Besetzung durch die deutschen Truppen in das Deutsche Reich eingegliedert wurde (§§ 1 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 1 OGVO). Jedoch war § 17 Abs. 1 FRG mit Ablauf des 31. Dezember 1991 und damit weit vor dem ersten Rentenantrag der Klägerin ohne Übergangsbestimmung außer Kraft getreten (Art. 14 Nr. 16 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 - BGBl. I 1606 -), so dass sie keine für die Klägerin günstigere Beurteilung des Sachverhalts erlaubt.
Ihre Zugehörigkeit zum Kreis der Personen, auf die § 17 a FRG in der rückwirkend zum 1. Juli 1990 in Kraft gesetzten Fassung des Art. 14 Nr. 17 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606) die Geltung der für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des FRG erstreckt, hat die Klägerin nach der eine solche Zugehörigkeit verneinen-den, bindend gewordenen Ablehnung der Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten durch Bescheid vom 30. Oktober 1997 nicht mehr behauptet.
Die Klägerin hat auch keine Zeiten zurückgelegt, für die Pflichtbeiträge im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als gezahlt gelten, nämlich keine fiktiven Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 ZRBG. Hiernach wird die Zahlung von Beiträgen fingiert, wenn ein Verfolgter sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten hat, dort aus eigenem Willensentschluss eine Beschäftigung aufgenommen, diese Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt und das Ghetto sich in einem Gebiet befunden hat, das vom Deutschen Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war. Die Voraussetzungen für die Fiktion einer Beitragsentrichtung müssen glaubhaft gemacht werden. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 ZRBG, wonach die Vorschriften des ZRBG die rentenrechtlichen Vorschriften des WGSVG ergänzen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dass die Klägerin so genannte Ghetto-Beitragszeiten zurück gelegt hat, ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Klägerin ist nach den im Entschädigungsverfahren getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit zu bezweifeln keine Veranlassung besteht, Verfolgte im Sinne des BEG. Hinge-gen ist fraglich, ob sie sich während der strittigen Zeit zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten hat. Im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Schaden an Freiheit wurde dies weder von der Klägerin noch von den von ihr aufgebotenen Zeugen erwähnt. Dies ist – zumal im Vergleich mit Entschädigungsverfahren anderer Verfolgter - umso auffälliger, als sie im einschlägigen Fragebogen nach einem solchen Ghettoaufenthalt ausdrücklich gefragt und durch das Israelische Büro für Entschädigungsansprüche gegen Deutschland –M. - sachkundig vertreten war. Erstmalig im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W2 im April 1964 hat sie dessen Schilderung zufolge erwähnt, mit Eltern und Geschwistern ins Ghetto gezwungen worden zu sein, ohne dies zeitlich zu präzisieren.
Dazu passen die unterschiedlichen Angaben in Quellen und Gutachten zum Zeitpunkt, von dem an ein Ghetto in Sosnowitz bestanden hat, die allerdings auch unterschiedliche Vorstellungen von den für das Bestehen eines Ghettos zu erfüllenden Kriterien wiederspiegeln. So berichtet die von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem herausgegebene Enzyklopädie jüdischen Lebens vor dem und während des Holocaust unter dem Stichwort "Sosnowiec" (Band 3, Seite 1221), dass die Deutschen im Herbst 1942 ein Ghetto für 14.000 Personen im Vorort Srodula und ein anderes für 6000 Personen in der Altstadt eingerichtet hätten. Diesen Sachverhalt hat Prof. Dr. G., Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität H1, in seiner für das Landessozialgericht Essen im Berufungsverfahren L 8 14/05 am 31. Januar 2007 zur Situation im Ghetto Sosnowitz/Ostoberschlesien im Zweiten Weltkrieg abgegebenen gutachtlichen Stellungnahme insofern bestätigt, als er dies als die von der deutschen Besatzungsmacht verfügte geschlossene Ghettoisierung bezeichnet hat. Er hat jedoch relativierend ergänzt, ihr sei vorausgegangen eine offene Ghettoisierung von der Durchsetzung des sog. "Judenbanns" im Frühjahr 1940 an. Der sog. "ghettolist" unter http://www.deathcamps.org/occupation/ghettolist.htm zufolge bestand das Ghetto Sosnowiec von Oktober 1942 bis August 1943; Belege für diese Feststellung sind allerdings nicht angeführt. Unter dem Internetauftritt des United States Holocaust Museum (USHMM) verfügbare Quellen nennen frühere Daten, z. B. die unter http://www.ushmm.org/remembrance/survivoraffairs/meet/detail.php?content=luksenburg-h einsehbare Biografie der am 4. April 1946 in Sosnowiec unter dem Namen Hinda Chilewicz, geborene Helen Luksenburg, für ein (offenes) Ghetto das Frühjahr 1942: "Im Frühjahr 1942 wurde in Sosnowitz ein offenes Ghetto eingerichtet und die deutschen Behörden begannen Juden aus Sosnowitz nach Auschwitz zu deportieren. Um eine Deportation zu vermeiden und um den dazu notwendigen Ausweis zu erhalten, haben Helen, ihr Vater und ihr Bruder in einer Metallwarenfabrik gearbeitet. Im folgenden Frühjahr wurden die verbliebenen Judengezwungen, in ein geschlossenes Ghetto zu ziehen." "In the spring of 1942 an open ghetto was established in Sosnowiec and the German authorities began deporting Jews from Sosnowiec to Auschwitz. In order to avoid deportation and obtain their Ausweis, the necessary ID cards, Helen, her father and her brother worked at a metal factory. The following spring the remaining Jews, including Helen’s family, were forced into a closed ghetto. ”
Im Rahmen der Biografie der Bella Jakubowicz Tovey wird die Existenz eines Ghettos in Sosnowitz bereits für 1941 unterstellt: http://www.ushmm.org/wlc/media oi.php?lang=en&ModuleId=10005175&MediaId=2091 "Bella was the oldest of four children born to a Jewish family in Sosnowiec. Her father owned a knitting factory. After the Germans invaded Poland in 1939, they took over the factory. The family s furniture was given to a Ger-man woman. Bella was forced to work in a factory in the Sosnowiec ghetto in 1941.
Diese unterschiedlichen Angaben und Bewertungen (für Ostoberschlesien dargestellt im Urteil des Landessozialgericht LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2006 - L 13 RJ 112/04 - Juris, dort Rdnr. 312 ff) können auf sich beruhen, denn es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin während der strittigen Zeit eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat.
Der Senat misst für diese Einschätzung dem Umstand, dass die Klägerin über ihre Heranziehung zur Arbeit bereits im Ghetto Sosnowitz nicht schon im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen verfolgungsbedingten Schaden an Freiheit, sondern erst 1963 im Verfahren zur Erlangung einer Entschädigung wegen eines Gesundheitsschadens berichtet hat, keine maßgebende Bedeutung bei. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die damals behaupteten Reinigungsarbeiten im Ghetto seinerzeit nicht von Zeugen bestätigt worden sind. Allerdings fällt durchaus auf, dass im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Freiheitsschaden der Klägerin die Zeugin F. W. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom Februar 1957 die von der Klägerin im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Gesundheitsschaden als sehr belastend geschilderten Tätigkeiten und Lebensumstände nicht erwähnt hatte, obwohl sie die Klägerin ihren Angaben zufolge bis zum Januar 1942 fast täglich gesehen und genau erinnert hat, dass die Klägerin im Januar 1942 mit vielen anderen Juden abtransportiert wurde.
Maßgebend ist vielmehr, dass die Klägerin im Entschädigungsverfahren und damit in einem gegenüber dem Rentenverfahren deutlich geringeren Abstand zur Zeit der Verfolgung die von ihr in Sosnowiec von 1939 bis 1942 und damit auch für die strittige Zeit angeblich verrichteten Tätigkeiten gänzlich anders beschrieben hatte als fast vierzig Jahre später im Rentenverfahren, nämlich nicht als das Anfertigen von Uniformen im Schneiderei-Ressort des Ghettos Sosnowiec, im sog. H.-Shop, sondern - ausschließlich - als Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten bzw. Straßenreinigungsarbeiten. Es fehlt jede plausible Erklärung dafür, dass die Klägerin diese Arbeiten nicht schon im Entschädigungsverfahren erwähnt, sondern dort - ohne jede Differenzierung - die Schwere der Arbeit betont hat. Gerade wenn es ihr den Ausführungen ihres Bevollmächtigten zufolge und auch durchaus nachvollziehbar schwerfällt, sich an Einzelheiten der Verfolgung zu erinnern, ist diese neue Erinnerung nach so langer Zeit nicht recht nachvollziehbar. Dies gilt nicht weniger für den im Verfahren vor dem Sozialgericht unternommenen Versuch, diese Gegensätze durch die Behauptung aufzulösen, sie habe zunächst bis Frühjahr 1941 Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten verrichtet und anschließend im sog. H.-Shop Uniformen genäht. Diese Differenzierung ist umso weniger nachvollziehbar, als sie noch im Juni 1994 gegen-über Dr. S3 für die Zeit in Sosnowitz ausschließlich Reinigungsarbeiten und erst für die Zeit in Parschnitz ab 1942 Arbeiten in einer Textilfabrik erwähnt hat.
Ein vergleichbarer Widerspruch besteht hinsichtlich der Umstände, unter denen die beschriebenen Tätigkeiten aufgenommen worden sein sollen. Während die Klägerin im Verfahren vor dem Sozialgericht ausgeführt hat, sie habe sich während ihres Aufenthalts im offenen Ghetto Sosnowitz von Januar 1940 bis Januar 1942 zur Verbesserung ihrer Lage über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Arbeiterin gesucht, zeichnen die von den gutachtenden Ärzten im Entschädigungsverfahren wiedergegebenen Äußerungen der Klägerin in-sofern ein gänzlich anderes Bild. Demnach wurde sie - zur Verzweiflung ihrer Mutter - schon kurz nach der Okkupation von den deutschen Besatzern zur Arbeit (zum Reinigen der Straße) geschickt (Dr. S3 1994), habe in furchtbarer Angst gelebt und - weil sie klein und schwach gewesen sei - die schwere Arbeit nicht verrichten können (Dr. W1 1964). Dass allein der Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeit" durch die Klägerin bei der Bezeichnung ihrer Tätigkeit im Entschädigungsverfahren keine entscheidende Bedeutung zukommen kann bzw. darf, bedeutet nicht, dass ihre damalige Beschreibung der Umstände der Aufnahme und der Verrichtung ihre Tätigkeit in Gänze außer Betracht zu bleiben hat. Ihre Einlassung, sie habe sich im Entschädigungsverfahren von ihrem Interesse leiten lassen, den Zwang der Verfolgung mit der Angabe von Zwangsarbeiten hervorzuheben bzw. zu überhöhen, wäre plausibler und glaubwürdiger, wenn die Klägerin sich schon in dem bereits fünf Jahre nach dem Ende der Verfolgung eingeleiteten ersten Entschädigungsverfahren, als es auch um ihre (erste) Anerkennung als Verfolgte ging, in vergleichbarer Weise eingelassen hätte. Dies ist jedoch - wie oben ausgeführt - unterblieben. Davon abgesehen stellt die in dieser Einlassung der Klägerin enthaltene Andeutung, sie habe seinerzeit zur Erlangung des verfolgten Anspruchs - d. h. mit Rücksicht auf ihre damalige Interessenlage - unzutreffende bzw. übertriebene Angaben gemacht, nicht zuletzt angesichts der nunmehr gegebenen an-deren Interessenlage ihre Glaubwürdigkeit der aktuellen Darstellung des Sachverhalts in Frage und wirft die Frage auf, ob auch diese neue Version durch die - neue - Interessenlage bestimmt ist.
Die dargestellten letztlich nicht auflösbaren Widersprüche im Vorbringen der Klägerin erlauben es nicht, den von ihr in ihrem aktuellen Vortrag geschilderten Sachverhalt für überwiegend wahrscheinlich zu halten. Zwar ist es durchaus denkbar, dass sich das Geschehen tatsächlich so abgespielt hat, wie sie es jetzt darstellt. Ihre Ausführungen im Rentenverfahren zur Bedeutung der Arbeit für das Überleben im Ghetto sind durchaus plausibel. Sie reichen in dieser Allgemeinheit aber nicht aus, ihre früheren Ausführungen gegenstandslos zu machen. Dasselbe gilt sinngemäß für die Ausführungen des Prof. Dr. G. in seinem von der Klägerin vorgelegten Gutachten zu den Verhältnissen im Ghetto Sosnowitz.
Aus den schriftlichen Ausführungen der von der Klägerin als Zeugin benannten T. im Verfahren vor dem Sozialgericht lässt sich unabhängig von ihrer prozessrechtlichen Bewertung kein anderer Sachverhalt ableiten, denn die Zeugin hat auf schriftlich formulierte Fragen des Sozialgericht zu den Umständen der Arbeitsaufnahme - wer ihr die Arbeit verschafft und ob sie sich um ihn beworben habe - sowie auf die Frage nach dem Entgelt geantwortet, dies nicht zu wissen. Da sie mit der Beiziehung ihrer Rentenakte zu Vergleichszwecken nicht einverstanden war und ist, kann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht auf von ihr dort gemachte Angaben zurückgegriffen werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass diese Zeugin im Entschädigungsverfahren wegen eines Gesundheitsschadens der Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12. August 1963 keinerlei Angaben zu irgendeiner Arbeitstätigkeit der Klägerin gemacht hatte. Vielmehr hatte sie dort zunächst mitgeteilt, die Klägerin seit ihrer Jugend gut zu kennen, in ihrer Nachbarschaft gelebt zu haben und fast täglich mit ihr zusammengekommen zu sein, um sodann lediglich zu bestätigen, dass sich die Klägerin vor der NS-Verfolgung nie über irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden beklagt habe. Ihr sei auch bekannt, dass ihre Eltern und Bruder durch die NS-Maßnahmen umgekommen seien. Der in der schriftlichen Zeugenerklärung vom Juni 2007 gegebene Hinweis auf die Verschleppung der Klägerin in ein Lager im Januar 1942 findet sich dort nicht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit.
Die am X.XXXXXXXX 1926 in S. (Polen) – während des Zweiten Weltkriegs S1 - als Tochter jüdischer Eltern unter dem Mädchennamen Z. geborene Klägerin wanderte am 14. Juni 1949 aus Bayern, wo sie sich nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager (KL) Parschnitz/Böhmen (Außenkommando des KL Groß Rosen) in Lagern für sog. displaced persons aufgehalten hatte, zunächst nach Israel aus und lebt seit 1959 in den USA, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt und wo sie eine Altersrente aus der dortigen staatlichen Rentenversicherung bezieht. Sie wurde als rassisch Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt bzw. erhält Entschädigungen für Schaden an Gesundheit und an Freiheit. So verpflichtete sich der Freistaat Bayern in dem am 15. März 1957 vor dem Landgericht München I geschlossenen Haftentschädigungsvergleich zur Zahlung einer Entschädigung von 9000 DM für eine Freiheitsbeschränkung (§ 47 BEG) bzw. Freiheitsentziehung (§ 43 BEG) von insgesamt 60 Monaten. Im September 1964 erkannte das Bayrische Landesentschädigungsamt (BLEA) die folgenden Gesundheitsstörungen als verfolgungsbedingt an: Affektstörung einer jugendlich Verfolgten, Osteochondrose der Bandscheibe zwischen L 5 und S 1, Gebissschaden, und bewilligte ihr eine laufende Rente. In ihrem Antrag vom 8. Januar 1950 auf Entschädigung für einen Schaden an Freiheit nach dem Gesetz zu Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) hatte die Klägerin auf die Frage nach Zeiten des Freiheitsentzugs angegeben, vom Januar 1942 bis 9. Mai 1945 in dem von ihr so bezeichneten Zwangsarbeitslager Parschnitz ihrer Freiheit beraubt gewesen zu sein. Zu den im Antragsformular vorgedruckten Fragen nach Zeiten des Freiheitsentzugs im Ghetto oder im Konzentrationslager hatte sie keine Angaben gemacht. Erst später hatte sie zusätzlich eine Freiheitsbeschränkung durch Verpflichtung zum Tragen des Judensterns ab Dezember 1939 vorgetragen. In einer am 17. Februar 1957 in Jerusalem abgegebenen eidesstattlichen Erklärung hatte die im Juni 1927 in S. geborenen F. W. (geb. S2) angegeben, die Klägerin habe - wie sie, die Zeugin - ab Dezember 1939 eine weiße Armbinde mit einem blauen Davidsstern anlegen müssen. Die Juden seien (somit) vielen Beschränkungen unterworfen gewesen. Sie habe die Klägerin bis zum Januar 1942 fast täglich gesehen und wisse genau, dass sie im Januar 1942 wegtransportiert worden sei. Im Verfahren wegen der Entschädigung eines verfolgungsbedingten Gesundheitsschadens machte die Klägerin in einer am 12. August 1963 vor dem Notar in New York beschworenen – gleichwohl als eidesstattlich bezeichneten – Erklärung zur Vorgeschichte für die allein noch strittige Zeit die folgenden Angaben: "Als die deutschen Truppen im September 1939 die Stadt Sosnowitz besetzten, hat sofort die Judenverfolgung begonnen. Wir wurden gezwungen, stets einen Judenstern zu tragen und die arbeitsfähigen Juden wurden zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen. Während meiner Verfolgung und Inhaftierung hatte ich mit allerlei menschenunwürdigen Lebensbedingungen zu kämpfen und war die ganze Zeit den schwersten Entbehrungen, wie Hunger, Kälte und Misshandlungen und ständiger Todesangst, ausgesetzt. Ich wurde zu den schwersten Zwangsarbeiten herangezogen, die ich bei jeglicher Witterung und unter den schlimmsten Arbeitsbedingungen bei Unterernährung, mangelhafter Bekleidung und Schuhe leisten musste ..."
Die dem BLEA vom Internationalen Suchdienst am 15. November 1963 erteilte Bescheinigung über den Aufenthalt der Klägerin enthält die folgenden biografischen Angaben: "Im IRO CM/1-Bogen ist vermerkt: 1936 bis 41 - Schülerin - Sosnowitz/Polen; 41 bis 45 – Spinnerin - Parschnitz/Sudeten; Im DP-Fragebogen: 1939 bis 1941 - Sosnowitz/Polen; 1942 bis 1945 KZ-Nr. XXXXX – Spinnerin Parschnitz /CSR. Die Klägerin hatte seinerzeit angegeben, ihre Heimat CSR 1942 zwangsweise verlassen zu haben." Anlässlich ihrer Begutachtung durch Dr. G. am 10. März 1964 gab die Klägerin an: Bis September 1939 Schülerin Sosnowitz; September 1939 bis Januar 1942: Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten, Januar 1942 bis Mai 1945 ZAL (Zwangsarbeitslager) Parschnitz. In der anschließenden fortlaufenden - von ihr unterschriebenen - Schilderung ihrer Lebensumstände während der Verfolgung führte sie an, sie habe in Sosnowitz im Alter von 13 Jahren verschiedene Zwangsarbeiten verrichten müssen. Ihre Eltern seien vernichtet worden. Sie selbst sei allein zurückgeblieben und im Jahre 1942 nach dem Zwangsarbeitslager Parschnitz verschickt worden.
Der Orthopäde Dr. D. (New York) gab die Schilderungen der Vorgeschichte durch die Klägerin in seinem Gutachten vom 5. April 1964 wie folgt wieder: "Frau R. berichtete, dass sie nach Kriegsausbruch - sie war damals 13 Jahre alt - zwangsweise Reinigungsarbeiten in ihrer Stadt durchzuführen hatte. Im Januar 1942 kam sie in das KZ Parschnitz (Böhmen), wo sie in einer Spinnerei zu arbeiten hatte."
Im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung am 27. April 1964 zitierte Dr. W1 (New York) die Angaben der Klägerin zur Vorgeschichte wie folgt: "Als die deutsche Besetzung Polens im September 1939 anfing, war die Antragstellerin nur 13 Jahre alt. Sie wurde sofort zu Zwangsarbeit gefordert, musste Straßen reinigen und andere Arbeit verrichten, wurde oft geschlagen und wurde mit Eltern und Geschwistern ins Ghetto gezwungen, musste den Judenstern tragen. Sie lebte dauernd in furchtbarer Angst, wurde besonders viel geschlagen, weil sie klein und schwach war und die schwere Arbeit nicht verrichten konnte. Anfang 1942 kam sie allein ins ZAL Parschnitz ..."
Im Gutachten des Zahnarztes Dr. L. vom 27. März 1964 finden sich zu Vorgeschichte der Klägerin die folgenden Angaben: "Im September 1939, nach der Besetzung Polens durch die Deutschen, wurde die Antragstellerin zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen. In 1942 kam sie in das KZ Parschnitz, wo sie im Mai 1945 durch die Russen befreit wurde."
Dr. S3 zitierte in seinem Gutachten für das deutsche Generalkonsulat in Miami vom 6. Juni 1994 die Klägerin wie folgt: "Als die Deutschen ihre Stadt besetzten, wurde sie bald zur Arbeit geschickt zum Reinigen der Straße. Manchmal sei sie geschlagen worden. Ihre Mutter sei verzweifelt gewesen, als man sie - die Klägerin – zur Arbeit geschickt habe."
Im Rahmen ihres Antrags auf Neufestsetzung der Rente nach dem BEG wegen Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen äußerte sich die Klägerin am 9. September 2005 gegenüber dem Psychiater A. zu ihren Lebensverhältnissen zu Beginn der 40er Jahre. Sie berichtete, dass ihr Vater nach der Besetzung sein Obstgeschäft habe schließen müssen und dass es ihnen deshalb an Lebensmitten und anderen überlebensnotwendigen Gütern mangelte. In einer Samstagnacht im Sommer 1942 habe man sie in Gegenwart ihrer Eltern von zu Hause abgeholt und in ein Arbeitslager gebracht.
Einen ersten Rentenantrag vom 27. Oktober 1997, in welchem die Klägerin die ihres Erachtens anspruchsbegründenden Zeiten nicht näher bezeichnet hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Februar 1998 mit der Begründung ab, die Zeit der Arbeitsleistung von Januar 1942 bis zum 9. Mai 1945 im Zwangsarbeitslager Parschnitz sei keine Beitragszeit in der Deutschen Rentenversicherung, da es sich bei ihr nach den eigenen Angaben der Klägerin um unentgeltliche Zwangsarbeit gehandelt habe. Die Klägerin habe mithin zu keinem Zeitpunkt in einem dem Grunde nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) gestanden. Dieser Bescheid wurde mit der Zurückweisung des – nicht näher begründeten – Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1999 bindend. Zuvor hatte die Beklagte mit dem ebenfalls unanfechtbar gewordenem Bescheid vom 30. Oktober 1997 den mit dem Rentenantrag verbundenen Antrag der Klägerin vom 27. Oktober 1997 auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem Zweiten Zusatzabkommen vom 6. März 1995 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (DASVA) vom 7. Januar 1976 sowie die Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach § 17a Fremdrentengesetz (FRG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 abgelehnt.
Am 21. August 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf das Gesetz über die Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20. Juni 2002 - gültig ab dem 1. Juli 1997 - die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 1. Juli 1997 und bezeichnete als anspruchsbegründend die Zeit von Anfang 1940 bis Januar 1942, in der sie in der Anfertigung von Uniformen für die Wehrmacht im Schneidereiressort des Ghetto Sosnowitz, Mondzejewska Str. gearbeitet habe, sowie die bekannte Tätigkeit von Januar 1942 bis 9. Mai 1945 im Zwangsarbeitslager Parschnitz. Sie bezifferte den wöchentlichen Lohn für die Tätigkeit im Ghetto mit 20 Reichsmark, gab an, daneben noch Kost erhalten zu haben, und bejahte die Frage, ob für diese Zeit Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden seien.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 1998 Regelaltersrente in Höhe von 13,17 EUR monatlich auf der Grundlage von 4 Monaten Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung für ihren am XX.XXXXXXX 1949 geborenen und am XX.XXXX 1949 verstorbenen Sohn I. R. sowie von insgesamt 71 Monaten Verfolgungsersatzzeiten vom 2. Februar 1940 bis zum 31. Dezember 1949.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch mit dem Begehren, die Beklagte möge rentensteigernd die Zeit von Januar 1940 bis Januar 1942 als glaubhaft gemachte Beitragszeit im Ghetto Sosnowitz nach § 17 Abs. 1 Buchst b FRG in Verbindung mit § 18 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) berücksichtigen. Sie habe dort in dieser Zeit im Schneidereiressort gearbeitet. Da die Auswanderung im Jahre 1949 erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen nach § 18 WGSVG vor.
Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2004 mit der Begründung zurück, die Anerkennung der bis Januar 1942 geltend gemachten Ghettobeitragszeiten nach den ZRBG komme nicht in Betracht, da nach den verfügbaren Quellen das Ghetto im Sosnowitz - im Unterschied zum Ghetto in Bedzin - erst ab dem 1. Oktober 1942 bestanden habe. Mithin könne vorher auch kein zwangsweiser Aufenthalt in einem Ghetto im Sinne der § 1 und 2 ZRBG vorgelegen haben.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Vom Gericht auf die Widersprüche zwischen ihren Angaben zu Beschäftigungen im Ghetto Sosnowitz im Rentenverfahren einerseits und im Entschädigungsverfahren andererseits angesprochen, hat sie ausgeführt, sie habe sich während ihres Aufenthalts im offenen Ghetto Sosnowitz von Januar 1940 bis Januar 1942 zur Verbesserung ihrer Lage über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Arbeiterin gesucht. Es falle ihr schwer, sich an Details ihrer Verfolgung zu erinnern. Die Angaben im Entschädigungsverfahren seien insofern richtig, als sie zunächst bis Frühjahr 1941 Reinigungsarbeiten in Wohnungen verrichtet habe. Anschließend habe sie dann bei der Firma H. Uniformen genäht. Als Zeugin für diese Tätigkeit im so genannten H.-Shop hat die Klägerin Frau T. genannt. Bei ihr sei die Tätigkeit im H.-Shop als Beitragszeit anerkannt worden.
Das Sozialgericht hat sich ohne Erfolg bemüht, die von der Klägerin benannte Zeugin im Wege der Rechtshilfe durch das Generalkonsulat in New York zu hören. Diese ist der schriftlichen Ladung des Generalkonsulats vom 4. Januar 2007 zur Vernehmung als Zeugin nicht gefolgt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die Zeugin aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Konsulat kommen, aber auf schriftlichem Wege gehört werden könne. Diese hat die vom Sozialgericht sodann schriftlich formulierten Fragen schriftlich beantwortet und u. a. bestätigt, mit der Klägerin im Ghetto am selben Arbeitsplatz gearbeitet zu haben. Auf die Frage, ob die Klägerin für ihre Arbeit bezahlt worden sei und unter welchen Umständen diese ihre Arbeit aufgenommen habe, hat sie angegeben, dies nicht zu wissen. Sie hat die Frage bejaht, ob sie eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung beziehe, eine Beiziehung ihrer Rentenakte zu Vergleichszwecken jedoch abgelehnt.
Die Klägerin hat zur Stützung ihres Standpunkts ferner auf das von Professor G. am 31. Januar 2007 für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im dortigen Verfahren L 8 R 14/05 zu den Verhältnissen in Sosnowitz/Ostoberschlesien erstattete Gut-achten 2007 verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch das Urteil vom 21. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, es habe nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, ob und gegebenenfalls welche versicherungspflichtige Beschäftigung die Klägerin in der strittigen Zeit innegehabt habe. Eine Bestätigung des polnischen Versicherungsträgers über eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit Beitragsentrichtung liege nicht vor. Es sei auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in dieser Zeit ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis innegehabt habe und dass sie für diese Zeit Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet habe. Die Kammer sei nach Auswertung ihrer Entschädigungsakte sowie ihrer Angaben im Renten- und Klageverfahren nicht einmal sicher, dass sie überhaupt vor der Zeit im Zwangsarbeitslager regelmäßig einer Erwerbsarbeit nachgegangen sei. Die schriftlichen Äußerungen der Zeugen T. enthielten keinerlei Angaben zur Art der Arbeitsaufnahme durch die Klägerin oder sonstige Umstände, die über die bloße Erklärung selbst hinaus Glaubwürdigkeit erzeugen könnten.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 7. September 2007 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 10. September 2007 Berufung eingelegt. Sie verweist zum Sach- und Streitstand im Einzelnen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor: Sie habe glaubhaft gemacht, sich in der strittigen Zeit in einem Ghetto - nicht in einem ZAL oder Kriegsgefangenenlager – aufgehalten zu haben. Eine freiwillige Tätigkeit im Ghetto sei begehrt gewesen und habe den Regelfall dargestellt. Die Entlohnung der jüdischen Arbeiter sei gesetzlich festgelegt gewesen. Ihre Angaben im Entschädigungsverfahren stünden der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine im Ghetto Sosnowitz aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung gegen Entgelt nicht entgegen. Im Entschädigungsverfahren sei nach einer Entlohnung explizit nicht gefragt worden. Es sei unter Umständen sogar hinderlich gewesen, solches zu behaupten, weil dies eventuelle zeitaufwändige Nachfragen von Seiten des Entschädigungsamtes provoziert haben würde. Vielmehr habe grundsätzlich ein Antragsteller ein Interesse daran, den Zwang der Verfolgung mit der Angabe von Zwangsarbeiten hervorzuheben bzw. zu überhöhen. Es sei deshalb nicht zulässig, für fehlende Angaben über eine freiwillige entlohnte Tätigkeit die Antragstellerin als unglaubwürdig einzustufen.
Bei den vom Sozialgericht als glaubhaft gemacht angesehenen Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten habe es sich aufgrund des vorliegenden wissenschaftlich-historischen Gutachtens nicht um Zwangsarbeit im juristischen Sinne handeln können, da Zwangsarbeiter im allgemeinen nur bei größeren Projekten mit einer eine großen Anzahl beschäftigt, lagermäßig untergebracht und bewacht worden seien. Dies sei hier unzweifelhaft nicht der Fall gewesen. Ein Arbeitszwang habe erst vom Oktober 1941 an bestanden und sei auch nicht mit einer Zwangsarbeit gleichzusetzen. Nach der deutschen Besetzung seien die jüdischen Arbeiter zumeist nicht entlohnt worden, was insbesondere die Beschäftigung bei öffentlichen Arbeitgebern, die Wehrmacht usw. betroffen habe. Bis Ende 1940 habe es einen freien Arbeitsmarkt in Ostoberschlesien gegeben, danach habe die weitgehende Regulierung über die Judenräte und die Schmelt -Dienststelle stattgefunden. Die Entlohnung sei nach Tarif erfolgt.
In Anbetracht der vorliegenden historischen Gutachten könne man bei Tätigkeiten während des Wohnsitzes im Ghetto von einer Tätigkeit aus eigenem Willensentschluss mit einem tariflichen beziehungsweise gesetzlichen Lohnanspruch und Sozialversicherungspflicht als Regelfall ausgehen. Auch die Grundsatzabteilung der Beklagten habe bereits in der Stellungnahme vom 28. März 2006 festgestellt, dass es sich bei Tätigkeiten in den Wehrmachtsfertigungsstätten, beim Judenrat und dem vom Judenrat getragenen öffentlichen Bereich sowie bei privaten Beschäftigungen regelmäßig um Tätigkeiten im Sinne von § 1 ZRBG gehandelt habe. Auch im Entschädigungsverfahren habe sie eine Tätigkeit im Ghetto erwähnt, und zwar Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten. Auch diese Tätigkeit habe sie aus eigenem Willensentschluss mit einem tariflichen Lohnanspruch und Sozialversicherungspflicht ausgeübt, wobei die Betroffenen sicherlich nicht in der Lage gewesen seien, zwischen einer Zwangsarbeit im juristischen Sinne und dem Arbeitszwang beziehungsweise der Arbeitspflicht zu unterscheiden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Januar 1998 höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit von Januar 1941 bis Januar 1942 als Beitragszeit anstatt als Ersatzzeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2007 zurückzuweisen
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren seien mit ihrem aktuellen Vortrag nicht in Übereinstimmung bringen. Dieser Widerspruch könne nicht dergestalt aufgelöst werden, dass der frühere Vortrag völlig außer Acht gelassen werde. In der Berufungsbegründung fehle eine Darlegung, aus welchen Grün-den die Klägerin im Entschädigungsverfahren nicht erklärt haben, bei der Firma H. gearbeitet zu haben.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit in Sosnowiec/Sosnowitz von Januar 1941 bis Januar 1942, denn sie hat eine solche Beitragszeit nicht zurückgelegt.
Gemäß §§ 55 Abs.1, 247 Abs.3 S.1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Dass zugunsten der Klägerin während der strittigen Zeit derartige Beiträge entrichtet wurden, ist nicht ersichtlich. Sie kam auch nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass die deutsche Sozialversicherung in dem der früheren Provinz Oberschlesien eingegliederten polnischen Gebiet und damit in Sosnowiec erst durch die §§ 1 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 1 der sog. Ostgebiets-Verordnung vom 22. Dezember 1941 (OGVO – RGBl. I S. 777) - wenn auch rück-wirkend ab dem 1. Januar 1940 - eingeführt wurde, galt dies nicht für die Klägerin als Jüdin (§ 1 Abs. 1 Satz 2 OGVO, Erlass vom 29. Juni 1942 AN II 20). Ob wegen dieser Diskriminierung zu ihren Gunsten die Beitragsfiktion des § 12 WGSVG eingreift, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern.
Es kann auf sich beruhen, ob die Klägerin entsprechend ihren Angaben im streitgegenständlichen - zweiten - Rentenantrag Beiträge zu der bis Ende 1941 für Sosnowitz geltenden (polnischen) gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, denn eine Gleichstellung dieser Beiträge mit reichsgesetzlichen Beiträgen käme nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) sieht eine solche Gleichstellung von Beiträgen zu nicht-deutschen Rentenversicherungsträgern lediglich zugunsten des in § 1 Buchst a bis e FRG definierten Personenkreises - im wesentlichen Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes und ihre Hinterbliebenen, Deutsche im Sinne des Art. 116 Grundgesetz sowie heimatlose Ausländer - vor. Die Klägerin gehört nicht zu diesem Personenkreis. Zwar erstreckt die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG diese Gleichstellung auf Personen, die nicht zu dem Personenkreis des § 1 Buchst. a bis e gehören, sofern die Beiträge entrichtet sind an einen nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und ein deutscher Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sie bei Eintritt des Versicherungsfalles wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtete Beiträge zu behandeln hatte. Hierzu zählen vor dem 1. Januar 1942 entrichtete Beiträge zur polnischen Rentenversicherung, sofern der Versicherte während der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem bezeichneten Stichtag in den eingegliederten Ostgebieten beschäftigt war, d.h. in dem Teil Polens, der nach der Besetzung durch die deutschen Truppen in das Deutsche Reich eingegliedert wurde (§§ 1 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 1 OGVO). Jedoch war § 17 Abs. 1 FRG mit Ablauf des 31. Dezember 1991 und damit weit vor dem ersten Rentenantrag der Klägerin ohne Übergangsbestimmung außer Kraft getreten (Art. 14 Nr. 16 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 - BGBl. I 1606 -), so dass sie keine für die Klägerin günstigere Beurteilung des Sachverhalts erlaubt.
Ihre Zugehörigkeit zum Kreis der Personen, auf die § 17 a FRG in der rückwirkend zum 1. Juli 1990 in Kraft gesetzten Fassung des Art. 14 Nr. 17 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606) die Geltung der für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des FRG erstreckt, hat die Klägerin nach der eine solche Zugehörigkeit verneinen-den, bindend gewordenen Ablehnung der Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten durch Bescheid vom 30. Oktober 1997 nicht mehr behauptet.
Die Klägerin hat auch keine Zeiten zurückgelegt, für die Pflichtbeiträge im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als gezahlt gelten, nämlich keine fiktiven Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 ZRBG. Hiernach wird die Zahlung von Beiträgen fingiert, wenn ein Verfolgter sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten hat, dort aus eigenem Willensentschluss eine Beschäftigung aufgenommen, diese Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt und das Ghetto sich in einem Gebiet befunden hat, das vom Deutschen Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war. Die Voraussetzungen für die Fiktion einer Beitragsentrichtung müssen glaubhaft gemacht werden. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 ZRBG, wonach die Vorschriften des ZRBG die rentenrechtlichen Vorschriften des WGSVG ergänzen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dass die Klägerin so genannte Ghetto-Beitragszeiten zurück gelegt hat, ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Klägerin ist nach den im Entschädigungsverfahren getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit zu bezweifeln keine Veranlassung besteht, Verfolgte im Sinne des BEG. Hinge-gen ist fraglich, ob sie sich während der strittigen Zeit zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten hat. Im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Schaden an Freiheit wurde dies weder von der Klägerin noch von den von ihr aufgebotenen Zeugen erwähnt. Dies ist – zumal im Vergleich mit Entschädigungsverfahren anderer Verfolgter - umso auffälliger, als sie im einschlägigen Fragebogen nach einem solchen Ghettoaufenthalt ausdrücklich gefragt und durch das Israelische Büro für Entschädigungsansprüche gegen Deutschland –M. - sachkundig vertreten war. Erstmalig im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W2 im April 1964 hat sie dessen Schilderung zufolge erwähnt, mit Eltern und Geschwistern ins Ghetto gezwungen worden zu sein, ohne dies zeitlich zu präzisieren.
Dazu passen die unterschiedlichen Angaben in Quellen und Gutachten zum Zeitpunkt, von dem an ein Ghetto in Sosnowitz bestanden hat, die allerdings auch unterschiedliche Vorstellungen von den für das Bestehen eines Ghettos zu erfüllenden Kriterien wiederspiegeln. So berichtet die von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem herausgegebene Enzyklopädie jüdischen Lebens vor dem und während des Holocaust unter dem Stichwort "Sosnowiec" (Band 3, Seite 1221), dass die Deutschen im Herbst 1942 ein Ghetto für 14.000 Personen im Vorort Srodula und ein anderes für 6000 Personen in der Altstadt eingerichtet hätten. Diesen Sachverhalt hat Prof. Dr. G., Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität H1, in seiner für das Landessozialgericht Essen im Berufungsverfahren L 8 14/05 am 31. Januar 2007 zur Situation im Ghetto Sosnowitz/Ostoberschlesien im Zweiten Weltkrieg abgegebenen gutachtlichen Stellungnahme insofern bestätigt, als er dies als die von der deutschen Besatzungsmacht verfügte geschlossene Ghettoisierung bezeichnet hat. Er hat jedoch relativierend ergänzt, ihr sei vorausgegangen eine offene Ghettoisierung von der Durchsetzung des sog. "Judenbanns" im Frühjahr 1940 an. Der sog. "ghettolist" unter http://www.deathcamps.org/occupation/ghettolist.htm zufolge bestand das Ghetto Sosnowiec von Oktober 1942 bis August 1943; Belege für diese Feststellung sind allerdings nicht angeführt. Unter dem Internetauftritt des United States Holocaust Museum (USHMM) verfügbare Quellen nennen frühere Daten, z. B. die unter http://www.ushmm.org/remembrance/survivoraffairs/meet/detail.php?content=luksenburg-h einsehbare Biografie der am 4. April 1946 in Sosnowiec unter dem Namen Hinda Chilewicz, geborene Helen Luksenburg, für ein (offenes) Ghetto das Frühjahr 1942: "Im Frühjahr 1942 wurde in Sosnowitz ein offenes Ghetto eingerichtet und die deutschen Behörden begannen Juden aus Sosnowitz nach Auschwitz zu deportieren. Um eine Deportation zu vermeiden und um den dazu notwendigen Ausweis zu erhalten, haben Helen, ihr Vater und ihr Bruder in einer Metallwarenfabrik gearbeitet. Im folgenden Frühjahr wurden die verbliebenen Judengezwungen, in ein geschlossenes Ghetto zu ziehen." "In the spring of 1942 an open ghetto was established in Sosnowiec and the German authorities began deporting Jews from Sosnowiec to Auschwitz. In order to avoid deportation and obtain their Ausweis, the necessary ID cards, Helen, her father and her brother worked at a metal factory. The following spring the remaining Jews, including Helen’s family, were forced into a closed ghetto. ”
Im Rahmen der Biografie der Bella Jakubowicz Tovey wird die Existenz eines Ghettos in Sosnowitz bereits für 1941 unterstellt: http://www.ushmm.org/wlc/media oi.php?lang=en&ModuleId=10005175&MediaId=2091 "Bella was the oldest of four children born to a Jewish family in Sosnowiec. Her father owned a knitting factory. After the Germans invaded Poland in 1939, they took over the factory. The family s furniture was given to a Ger-man woman. Bella was forced to work in a factory in the Sosnowiec ghetto in 1941.
Diese unterschiedlichen Angaben und Bewertungen (für Ostoberschlesien dargestellt im Urteil des Landessozialgericht LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2006 - L 13 RJ 112/04 - Juris, dort Rdnr. 312 ff) können auf sich beruhen, denn es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin während der strittigen Zeit eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat.
Der Senat misst für diese Einschätzung dem Umstand, dass die Klägerin über ihre Heranziehung zur Arbeit bereits im Ghetto Sosnowitz nicht schon im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen verfolgungsbedingten Schaden an Freiheit, sondern erst 1963 im Verfahren zur Erlangung einer Entschädigung wegen eines Gesundheitsschadens berichtet hat, keine maßgebende Bedeutung bei. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die damals behaupteten Reinigungsarbeiten im Ghetto seinerzeit nicht von Zeugen bestätigt worden sind. Allerdings fällt durchaus auf, dass im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Freiheitsschaden der Klägerin die Zeugin F. W. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom Februar 1957 die von der Klägerin im Verfahren wegen einer Entschädigung für einen Gesundheitsschaden als sehr belastend geschilderten Tätigkeiten und Lebensumstände nicht erwähnt hatte, obwohl sie die Klägerin ihren Angaben zufolge bis zum Januar 1942 fast täglich gesehen und genau erinnert hat, dass die Klägerin im Januar 1942 mit vielen anderen Juden abtransportiert wurde.
Maßgebend ist vielmehr, dass die Klägerin im Entschädigungsverfahren und damit in einem gegenüber dem Rentenverfahren deutlich geringeren Abstand zur Zeit der Verfolgung die von ihr in Sosnowiec von 1939 bis 1942 und damit auch für die strittige Zeit angeblich verrichteten Tätigkeiten gänzlich anders beschrieben hatte als fast vierzig Jahre später im Rentenverfahren, nämlich nicht als das Anfertigen von Uniformen im Schneiderei-Ressort des Ghettos Sosnowiec, im sog. H.-Shop, sondern - ausschließlich - als Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten bzw. Straßenreinigungsarbeiten. Es fehlt jede plausible Erklärung dafür, dass die Klägerin diese Arbeiten nicht schon im Entschädigungsverfahren erwähnt, sondern dort - ohne jede Differenzierung - die Schwere der Arbeit betont hat. Gerade wenn es ihr den Ausführungen ihres Bevollmächtigten zufolge und auch durchaus nachvollziehbar schwerfällt, sich an Einzelheiten der Verfolgung zu erinnern, ist diese neue Erinnerung nach so langer Zeit nicht recht nachvollziehbar. Dies gilt nicht weniger für den im Verfahren vor dem Sozialgericht unternommenen Versuch, diese Gegensätze durch die Behauptung aufzulösen, sie habe zunächst bis Frühjahr 1941 Reinigungsarbeiten in Wohnungen von SS-Leuten verrichtet und anschließend im sog. H.-Shop Uniformen genäht. Diese Differenzierung ist umso weniger nachvollziehbar, als sie noch im Juni 1994 gegen-über Dr. S3 für die Zeit in Sosnowitz ausschließlich Reinigungsarbeiten und erst für die Zeit in Parschnitz ab 1942 Arbeiten in einer Textilfabrik erwähnt hat.
Ein vergleichbarer Widerspruch besteht hinsichtlich der Umstände, unter denen die beschriebenen Tätigkeiten aufgenommen worden sein sollen. Während die Klägerin im Verfahren vor dem Sozialgericht ausgeführt hat, sie habe sich während ihres Aufenthalts im offenen Ghetto Sosnowitz von Januar 1940 bis Januar 1942 zur Verbesserung ihrer Lage über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Arbeiterin gesucht, zeichnen die von den gutachtenden Ärzten im Entschädigungsverfahren wiedergegebenen Äußerungen der Klägerin in-sofern ein gänzlich anderes Bild. Demnach wurde sie - zur Verzweiflung ihrer Mutter - schon kurz nach der Okkupation von den deutschen Besatzern zur Arbeit (zum Reinigen der Straße) geschickt (Dr. S3 1994), habe in furchtbarer Angst gelebt und - weil sie klein und schwach gewesen sei - die schwere Arbeit nicht verrichten können (Dr. W1 1964). Dass allein der Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeit" durch die Klägerin bei der Bezeichnung ihrer Tätigkeit im Entschädigungsverfahren keine entscheidende Bedeutung zukommen kann bzw. darf, bedeutet nicht, dass ihre damalige Beschreibung der Umstände der Aufnahme und der Verrichtung ihre Tätigkeit in Gänze außer Betracht zu bleiben hat. Ihre Einlassung, sie habe sich im Entschädigungsverfahren von ihrem Interesse leiten lassen, den Zwang der Verfolgung mit der Angabe von Zwangsarbeiten hervorzuheben bzw. zu überhöhen, wäre plausibler und glaubwürdiger, wenn die Klägerin sich schon in dem bereits fünf Jahre nach dem Ende der Verfolgung eingeleiteten ersten Entschädigungsverfahren, als es auch um ihre (erste) Anerkennung als Verfolgte ging, in vergleichbarer Weise eingelassen hätte. Dies ist jedoch - wie oben ausgeführt - unterblieben. Davon abgesehen stellt die in dieser Einlassung der Klägerin enthaltene Andeutung, sie habe seinerzeit zur Erlangung des verfolgten Anspruchs - d. h. mit Rücksicht auf ihre damalige Interessenlage - unzutreffende bzw. übertriebene Angaben gemacht, nicht zuletzt angesichts der nunmehr gegebenen an-deren Interessenlage ihre Glaubwürdigkeit der aktuellen Darstellung des Sachverhalts in Frage und wirft die Frage auf, ob auch diese neue Version durch die - neue - Interessenlage bestimmt ist.
Die dargestellten letztlich nicht auflösbaren Widersprüche im Vorbringen der Klägerin erlauben es nicht, den von ihr in ihrem aktuellen Vortrag geschilderten Sachverhalt für überwiegend wahrscheinlich zu halten. Zwar ist es durchaus denkbar, dass sich das Geschehen tatsächlich so abgespielt hat, wie sie es jetzt darstellt. Ihre Ausführungen im Rentenverfahren zur Bedeutung der Arbeit für das Überleben im Ghetto sind durchaus plausibel. Sie reichen in dieser Allgemeinheit aber nicht aus, ihre früheren Ausführungen gegenstandslos zu machen. Dasselbe gilt sinngemäß für die Ausführungen des Prof. Dr. G. in seinem von der Klägerin vorgelegten Gutachten zu den Verhältnissen im Ghetto Sosnowitz.
Aus den schriftlichen Ausführungen der von der Klägerin als Zeugin benannten T. im Verfahren vor dem Sozialgericht lässt sich unabhängig von ihrer prozessrechtlichen Bewertung kein anderer Sachverhalt ableiten, denn die Zeugin hat auf schriftlich formulierte Fragen des Sozialgericht zu den Umständen der Arbeitsaufnahme - wer ihr die Arbeit verschafft und ob sie sich um ihn beworben habe - sowie auf die Frage nach dem Entgelt geantwortet, dies nicht zu wissen. Da sie mit der Beiziehung ihrer Rentenakte zu Vergleichszwecken nicht einverstanden war und ist, kann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht auf von ihr dort gemachte Angaben zurückgegriffen werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass diese Zeugin im Entschädigungsverfahren wegen eines Gesundheitsschadens der Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12. August 1963 keinerlei Angaben zu irgendeiner Arbeitstätigkeit der Klägerin gemacht hatte. Vielmehr hatte sie dort zunächst mitgeteilt, die Klägerin seit ihrer Jugend gut zu kennen, in ihrer Nachbarschaft gelebt zu haben und fast täglich mit ihr zusammengekommen zu sein, um sodann lediglich zu bestätigen, dass sich die Klägerin vor der NS-Verfolgung nie über irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden beklagt habe. Ihr sei auch bekannt, dass ihre Eltern und Bruder durch die NS-Maßnahmen umgekommen seien. Der in der schriftlichen Zeugenerklärung vom Juni 2007 gegebene Hinweis auf die Verschleppung der Klägerin in ein Lager im Januar 1942 findet sich dort nicht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Rechtskraft
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