L 7 B 299/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 146/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 299/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 14.08.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

1. Das SG hat seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927)

b) Dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers entspricht ein Antrag gemäß § 86b Abs. 2 SGG als statthafte Rechtsschutzform. Denn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II waren dem Antragsteller für den streitigen Leistungszeitraum von August bis Oktober 2009 von der Antragsgegnerin nie bewilligt worden, so dass entgegen der Rechtsauffassung des SG ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 SGG dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht gerecht werden würde.

Der Antragsteller hat für den streitigen Leistungszeitraum von August bis Oktober 2009 einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

aa) Denn die Antragsgegnerin hat mit Sanktionsbescheid vom 29.06.2009 zu Recht angeordnet, dass bei dem Antragsteller die Leistung des Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis zum 31.10.2009 vollständig entfällt gemäß § 31 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c und Abs. 6 SGB II. Der Antragsteller hat eine zumutbare Arbeitsgelegenheit als Gärtner bei der GAB Sozialförderungsgesellschaft Bielefeld, die ihm die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.04.2009 angeboten hat, nicht angenommen. Diese Pflichtverletzung des Antragstellers erging wiederholt im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II, nämlich zum sechsten Mal. Die Dauer der Sanktion richtet sich nach § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II, ihr Beginn nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II i.V.m. § 26 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X, anwendbar gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Der weitere Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.07.2009 wiederholt hinsichtlich des hier streitigen Zeitraums vom 01.08.2009 bis zum 31.10.2009 nur die mit dem Sanktionsbescheid vom 29.06.2009 bereits getroffene Sanktionsentscheidung, so dass dem Bescheid vom 01.07.2009 insoweit ein Regelungscharakter (im Sinne des § 31 SGB X) fehlt. Deshalb hat die Antragsgegnerin entgegen der Rechtsmeinung des Antragstellers dort auch keine "Aufrechnung" oder dergleichen erklärt.

bb) Mit dem Sanktionsbescheid vom 29.06.2009 hob die Antragsgegnerin die Leistung des Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis zum 31.10.2009 vollständig auf (Regelleistung und Kosten der Unterkunft). Für diesen Fall sind die Regelungen des § 31 Abs. 3 Satz 6 und 7 SGB II zu beachten: Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung kann der zuständige Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen (§ 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II).

Hierzu hat der Senat mit Beschluss vom 09.09.2009 (L 7 B 211/09 AS ER) entschieden, dass die nach dem Gesetz nur lose Verknüpfung zwischen der Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen andererseits in den Fällen, in denen der Grundsicherungsträger einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II verfügt, durch eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise zu reduzieren ist, dass der Grundsicherungsträger mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entscheiden muss, ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind.

Der erkennende Senat hat zugleich darauf hingewiesen, dass der Grundsicherungsträger die Reaktion des Hilfebedürftigen auf die vorherige Information über die ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen bei seiner Ermessensentscheidung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II zu berücksichtigen haben wird, und sich das Ermessen nicht stets in der Weise reduziert, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen immer und zwingend zu erbringen wären. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Hilfebedürftiger diese Form der Leistungserbringung ablehnt und seinen Lebensunterhalt im Sanktionszeitraum z.B. aus seinem liquiden Schonvermögen, soweit vorhanden, oder durch die Unterstützung von Freunden, Verwandten oder Dritten, auch wenn diese grundsicherungsrechtlich nicht einstandspflichtig sein mögen, bestreitet (Senat a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist es hier nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin davon abgesehen hat, den Antragsteller vor Ausspruch der Sanktionsentscheidungen (erneut) auf die Möglichkeit hinzuweisen, Sachleistungen oder geldwerte Leistungen beziehen zu können. Denn zum einen hat die Antragsgegnerin zu Recht ausgeführt, dass dem Antragsteller diese Möglichkeit angesichts der vorangegangenen zahlreichen Sanktionsentscheidungen bereits positiv bekannt war. Zum anderen hat der Senat den Antragsteller ausdrücklich um schriftliche Stellungnahme zu dem Vortrag der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren aufgefordert, er hätte, wenn er vor Erlass des Sanktionsbescheides auch zu der Möglichkeit von Sachleistungen oder geldwerten Leistungen angehört worden wäre, dies in jedem Fall abgelehnt. Der Antragsteller hat hierauf erwidert, er hätte, wenn er auf diese Möglichkeit zuvor hingewiesen worden wäre, "bestimmt laut gelacht!". Der Antragsteller hat damit den Eindruck der Antragsgegnerin bestätigt, dass er jedes Verwaltungshandeln kategorisch ablehnt, das nicht seinen Vorstellungen genau entspricht. Dokumentiert wird diese Haltung bzw. Einstellung des Antragstellers zudem durch die Tatsache, dass er gegen die Antragstellerin seit Mitte 2006 50 Klage- bzw. einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem SG Detmold sowie 14 Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) geführt hat bzw. noch führt. In einer derartigen und besonderen Konstellation wäre es reiner Formalismus, sähe man die Antragsgegnerin zu einer Anhörung im vorgenannten Sinne (noch) verpflichtet.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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