L 11 KA 18/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 174/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 18/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2009 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide und die Nachvergütung seiner vertragsärztlichen Leistungen.

Der Kläger war als Facharzt für Allgemeinmedizin in F niedergelassen. Gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale I/2004 bis III/2006 legte er Widerspruch ein, mit dem er sich gegen den Abzug der Praxisgebühr wandte. Zur Begründung gab er an, aufgrund eines Softwarefehlers seien Probleme bei der Kennzeichnung der von der Praxisgebühr befreiten Patienten aufgetreten. Ihm sei erst jetzt aufgefallen, dass deshalb die von der Beklagten einbehaltenen Praxisgebühren wesentlich höher seien als die von ihm eingenommenen Beträge. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2007 wegen Verfristung als unzulässig zurück.

Am 08.05.2007 beantragte der Kläger die Rücknahme der Honorarbescheide für die Quartale I/2005 bis III/2006 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Wegen eines Computerfehlers, den er nicht habe erkennen können, seien in diesen Quartalen in 845 Fällen Patienten als nicht von der Praxisgebühr befreit gemeldet worden, obwohl sie tatsächlich befreit gewesen seien. Hierdurch seien von der Beklagten zu Unrecht Praxisgebühren i.H.v. insgesamt 8.450,00 EUR angerechnet worden.

Die Beklagte lehnte die Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale III/2004 bis II/2006 ab (Bescheid vom 31.05.2007 und Widerspruchsbescheid vom 07.11.2007): Eine Rücknahme nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X setze Rechtswidrigkeit voraus, die sich aus der Verletzung materiellen oder formellen Rechts ergeben könne. Die Behörde müsse objektiv falsch und damit rechtswidrig gehandelt haben. An einem solchen Verstoß fehle es. Die Honorarbescheide seien ordnungsgemäß anhand der eingereichten Abrechnungen erstellt worden. Ausschließlich der Sphäre des Klägers bzw. der Softwarefirma sei zuzurechnen, dass auf den von dem Kläger eingereichten Abrechnungsscheinen die Befreiungsziffer von der Praxisgebühr nicht eingetragen gewesen sei. Dies sei von dem Kläger zu vertreten. Fehle es demnach schon an den Ausgangsvoraussetzungen zu § 44 Abs. 2 SGB X, stelle sich die Frage nach einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung nicht.

Mit seiner Klage vom 06.12.2007 hat der Kläger vorgetragen, die Honorarbescheide seien objektiv rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte zu Unrecht die Praxisgebühr in den Fällen einbehalten habe, in denen die Patienten von der Praxisgebühr befreit gewesen seien. Auf ein Verschulden der Beklagten komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Ausreichend sei, dass die Beklagte aufgrund des falschen Sachverhalts objektiv falsch gehandelt habe, auch wenn sie dies nicht habe erkennen können. Im Übrigen seien Honorarbescheide nur vorläufige Verwaltungsakte, die unter dem Vorbehalt späterer Überprüfung hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit stünden. Grundsätzlich sei es Aufgabe der Beklagten, bei sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit Bescheide auch nachträglich zu berichtigen; dabei sei unerheblich, in wessen Verantwortungsbereich die Unrichtigkeit falle. Auch wenn in die Sphäre des Vertragsarztes fallende Unrichtigkeiten geprüft würden, folge daraus zumindest im Umkehrschluss, dass Berichtigungen zugunsten des Arztes ebenfalls geboten und die Bescheide richtig zu stellen seien. Ein Vertrauensschutz zugunsten der Beklagten bestehe nicht. Beide Beteiligten seien von dem falschen Lebenssachverhalt ausgegangen, dass Patienten in 845 Fällen von der Praxisgebühr befreit gewesen seien.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2007 an ihn 8.450,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Durch seine Unterschrift unter den Sammelerklärungen habe der Kläger jeweils die Richtigkeit seiner Angaben bestätigt. Aufgrund dieser Angaben seien die Abrechnungsbescheide ordnungsgemäß erstellt worden.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2009 abgewiesen: Entgegen dem Wortlaut des Beschlusses vom 31.05.2007, in dem die Betreff-Zeile des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2007 übernommen worden sei, habe die Beklagte über die Honorarbescheide für die Quartale I/2005 bis III/2006 entschieden. Dies ergebe sich aus der Bezugnahme auf den Überprüfungsantrag des Klägers. Eine Rücknahme der Honorarbescheide nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X scheide aus, da diese nicht rechtswidrig seien. Der Leistungserbringer habe die von den Versicherten zu entrichtende Praxisgebühr einzuziehen; entsprechend verringere sich sein Vergütungsanspruch (§§ 28 Abs. 4, 61 und 43b Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Gegenüber der Beklagten erfolge die Dokumentation der einbehaltenen Praxisgebühr mittels Abrechnung des Originalscheines. Sofern keine Praxisgebühr einbehalten werde, weil z.B. ein Befreiungstatbestand vorgelegen habe oder die Praxisgebühr für dieses Quartal bereits entrichtet worden sei, seien in den Abrechnungsscheinen bundeseinheitliche Pseudoziffern zu vermerken. Die Beklagte habe die einbehaltenen Praxisgebühren aufgrund der von dem Kläger eingereichten Abrechnungsunterlagen ermittelt und den Honoraranspruch insoweit reduziert. In den von dem Kläger geltend gemachten 845 Fällen habe sie eine Korrektur der Abrechnungen zu Recht verweigert, denn nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Honorarverteilungsvertrag (HVV) könne der Vertragsarzt eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer unvollständigen Abrechnung für eingereichte Abrechnungsscheine nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen nicht mehr geltend machen. Diese Regelung sei auch rechtmäßig. In einem HVV, der grundsätzlich die Verteilung der Gesamtvergütung zu regeln habe (§ 85 Abs. 4 SGB V), dürften auch Sachverhalte geregelt werden, die mit der Honorarverteilung in Zusammenhang stünden (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 19). Zweck der Honorarverteilung sei u.a., dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt würden (BSG SozR 32500 § 82 Nr. 3). Dies entspreche vor allem dem Interesse der Vertragsärzte, die auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung und die Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen angewiesen seien (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 42; SozR 3-2500 § 82 Nr. 3). Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) seien gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen, und seien dementsprechend verpflichtet, den Vertragsärzten alsbald nach Quartalsabschluss Honorarbescheide zu erteilen. Die KV müsse deshalb gewährleisten, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig abgerechnet werden. Dementsprechend habe sie Vorkehrungen zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines Quartals weitestgehend aus den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert würden; damit sei es sachgerecht, die nachträgliche Korrektur von bereits vorgelegten Abrechnungsscheinen auszuschließen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 19). Dies gelte auch für die Praxisgebühr, denn die Summe der Praxisgebühren habe unmittelbaren Einfluss auf die Gesamtvergütung, da sich nach § 43b Abs. 2 Satz 2 SGB V die nach § 83 SGB V zu entrichtenden Vergütungen in Höhe der Summe der von den mit der KV abrechnenden Leistungserbringern einbehaltenen Zuzahlungen verringerten. Darüber hinaus seien die Angaben zur Praxisgebühr originärer Bestandteil der Abrechnungsunterlagen; insoweit bestehe kein Unterschied zu den sonstigen Angaben der Vertragsärzte in den Abrechnungsunterlagen zu den von ihnen erbrachten ärztlichen Leistungen. Diese Unterlagen gäben der Beklagten Aufschluss darüber, welche vertragsärztlichen Leistungen erbracht und u.a. ob Praxisgebühren eingenommen worden seien. Beide Angaben seien Voraussetzung für die Erstellung der Honorarabrechnung und die Errechnung der an den Vertragsarzt zu leistenden Restzahlung. Die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung erstrecke sich auf die Angaben zur Praxisgebühr, so dass der Vertragsarzt auch für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Abrechnung der Praxisgebühr einzustehen habe. Der Ausschluss der nachträglichen Berücksichtigung der 845 Fälle sei auch kein so schwerwiegender Eingriff, dass er außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck stehe. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in den grundrechtlich geschützten Vergütungsanspruch des Arztes könne angenommen werden, wenn durch einen EDV-Fehler lediglich ca. 25% der bisher üblichen Honorarvolumina zur Abrechnung gebracht würden und sich die objektive Unrichtigkeit der Abrechnung auch aus anderen Gründen der KV habe aufdrängen müssen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 37). Derartige Verhältnisse bestünden vorliegend nicht; die durch den Computerfehler begründeten Honorarverluste beliefen sich auf minimal 680,00 EUR (Quartal I/2005) und maximal 1.660,00 EUR (Quartal III/2006). Im Übrigen seien die von dem Kläger eingereichten Abrechnungen für die Beklagte auch nicht von vornherein erkennbar unzutreffend gewesen.

Gegen den am 05.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.03.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, § 4 Abs. 5 Satz 6 HVV sei nicht mit rechtsstaatlichen Überlegungen in Einklang zu bringen und verstoße gegen Artikel 3, 12 und 14 Grundgesetz. Schon aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen fehlerhaften Ausgangsbescheiden und Überprüfungsantrag werde durch eine Korrektur die Verteilung der Gesamtvergütung nicht gefährdet, zumal die Beklagte auch Rücklagen für notwendige Korrekturen bilde. Dem Anspruch stehe auch die Entscheidung des BSG vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 - nicht entgegen, da er keinen Anspruch auf Nachvergütung geltend mache, sondern lediglich die Korrektur der zu Unrecht vorgenommenen Einbehalte.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2009 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2007 zu verurteilen, an ihn 8.450,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend; sie hat die Abrechnungsbescheide für die Quartale I/2005 bis III/2006 eingereicht. Danach belief sich das vertragsärztliche Honorar des Klägers in diesem Zeitraum auf 44.764,38 bis 56.060,80 EUR.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Da der Kläger im Berufungsverfahren im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt hat, nimmt der Senat zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:

Mit seinem als Leistungsklage formulierten Klageantrag begehrt der Kläger inzidenter auch bzw. zunächst vorrangig die teilweise Rücknahme und Korrektur der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale I/2005 bis III/2006 nach § 44 Abs. 2 SGB X; denn nur aufgrund einer Abänderung dieser Bescheide könnte ihm überhaupt einen Zahlungsanspruch zustehen.

Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen indes nicht vor.

§ 44 Abs. 1 SGB X, der einen Rechtsanspruch auf Rücknahme für die Vergangenheit normiert, ist auf vertragsärztliches Honorar nicht anzuwenden, weil dieses keine Sozialleistung i.S. des § 44 Abs. 1 SGB X darstellt (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R - m.w.N.).

Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X "kann" die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit" erfolgen. Die Entscheidung über die Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide steht danach im Ermessen der Beklagten. In diesem Rahmen ist anerkannt, dass die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen rechtmäßig Gebrauch macht, wenn sie unter Hinweis darauf, dass die Belastung der Gesamtvergütung mit Nachzahlungen für die Vergangenheit so gering wie möglich zu halten sei, regelmäßig bestandskräftige Honorarbescheide nicht für die Vergangenheit zurücknimmt (BSG, Urteil vom 22.06.2005 a.a.O.).

Eine solche Ermessensentscheidung hat die Beklagte indes nicht getroffen, weil sie zu Recht davon ausgegangen ist, dass bereits die Grundvoraussetzungen des § 44 SGB X, nämlich eine Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide für die Quartale I/2005 bis III/2006, nicht erfüllt sind. Da der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere als die ihm zugestandene vertragsärztliche Vergütung hat, sind die Honorarbescheide rechtmäßig.

Nach dem zwischen der Beklagten, den nordrheinischen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V geschlossenen Honorarverteilungsvertrag (HVV - Rheinisches Ärzteblatt 1/2003, S. 76 f, 6/2004, S. 76 f, 3/2005, S. 88 f, 1/2006, S. 63 f) erfolgt die Abrechnung der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen quartalsweise und sind die Abrechnungsunterlagen jeweils nach Beendigung eines Kalendervierteljahres bei der zuständigen Bezirksstelle der Beklagten einzureichen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 HVV). Eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer unvollständigen Abrechnung für eingereichte Abrechnungsscheine kann der Arzt nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen nicht mehr geltend machen (§ 4 Abs. 5 Satz 6 bzw. Satz 8 HVV i.d. ab April 2005 geltenden Fassung - Rheinisches Ärzteblatt 3/2500, S. 88 f); d.h. eine Vergütung nicht abgerechneter Leistungen kann der Kläger nicht beanspruchen; die Beklagte kann und darf eine Vergütung dafür auch nicht erbringen.

Diese Regelung gilt von ihrer Zielrichtung und ihrem Regelungsinhalt auch für den Fall, dass die Abrechnung deshalb unrichtig ist, weil der Kläger in ihr - aus welchem Grund auch immer - unzutreffende Angaben zur Höhe der einzubehaltenden Praxisgebühr gemacht hat. Denn zum Einen ist es - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - Zweck der Honorarverteilung, möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge an die Vertragsärzte auszukehren und zu Anderen bestimmen auch die Praxisgebühren die Höhe der zu entrichtenden Vergütungen, da eingenommene Praxisgebühren diese vermindern (§ 43b Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Die Ausschlussregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Der HVV als öffentlich-rechtliches Verteilungssystem regelt insoweit die Berufsausübung und ist am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Der Ausschluss für vergessene Leistungspositionen verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Als wirksame Berufsausübungsregelung ist jede durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes ergehende normative Regelung anzusehen, der vernünftige Gründe des Gemeinwohls zugrundeliegen, die zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und die berufliche Betätigungsfreiheit nicht unzumutbar behindert (z.B. BVerfGE 7, 377, 405 f.; E 70, 1, 28 m. w. N.; E 78, 155, 162). Dem wird die umstrittene Regelung des HVV gerecht. Mit der Ausschlussvorschrift wird bezweckt, den zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt als feststehend zu behandeln, anderenfalls die ohnehin bereits zeitversetzte und damit verzögerte Abrechnung der Behandlungsfälle erst recht nicht gewährleistet ist. § 4 Abs. 5 Satz 6 bzw. Satz 8 HVV ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Durch den Ausschluss einer nachträglichen Berichtigung abgegebener Abrechnungsunterlagen wird der abrechnende Arzt an die eingereichte Abrechnung gebunden. Er wird gezwungen, auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Abrechnung schon vor Einreichung zu achten. Dies trägt seiner Verpflichtung Rechnung, ohnehin peinlichst genau abzurechnen (std. Rspr.; vgl. BSG vom 30.03.1977- 6 RKa 4/76 -; Senatsurteil vom 22.02.1989 - L 11 Ka 93/88 -). Gleichzeitig verhindert die umstrittene HVV-Regelung, dass ständige und fortlaufende nachträgliche Korrekturen das Massengeschäft der Quartalsabrechnungen nicht mehr oder kaum noch durchführbar machen. Zudem stellt der Ausschluss der Nachvergütung sicher, dass der Punktwert berechenbar bleibt (Urteil des Senats vom 15.01.1997 - L 11 Ka 74/96 -; s. auch BSG, Urteile vom 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - und vom 29.08.2007 - B 6 KA 29/06 R -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.1996 - L 5 Ka 2710/95 -).

Die Anwendung der Ausschlussregelung darf allerdings keinen Eingriff bewirken, der so schwer wiegt, dass er außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck steht (BSG, Urteil vom 29.08.2007 a.a.O.). Eine solche Fallkonstellation hat das BSG für den Fall bejaht, dass die Honorarabrechnung im Vergleich zu den Vorquartalen ein unter 30% liegendes Honorar ergab und die Abrechnung offensichtliche Ungereimtheiten beinhaltete und damit einer Nicht-Abrechnung nahe kam. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier offenkundig nicht vor. Der Honorarverlust des Klägers beläuft sich auf maximal 1.660,00 EUR im Quartal III/2006 bei einem Quartalshonorar von 49.790,42 EUR. Es ist mithin ein nur geringer Bruchteil der Gesamtvergütung des Klägers streitig. Der mit der Ausschlusswirkung des § 4 Abs. 5 Satz 6 bzw. Satz 8 HVV verbundene Eingriff steht damit keineswegs außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck. Die mögliche nachträgliche Korrektur ist in ihren Auswirkungen geringfügig und kann keinen Anspruch auf Nachbearbeitung rechtfertigen. Dies wurde letztlich auch in § 4 Abs. 5 Satz 9 des ab 01.01.2006 geltenden HVV (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, S. 63 f) ausdrücklich geregelt, nachdem "ausnahmsweise" ... "unter der Voraussetzung, dass die nachträgliche Korrektur nicht als geringfügig erscheint, eine Nachbearbeitung nur mit der Folge aus Abs. 6 verlangt werden" kann. Ein anderes Verständnis dieser HVV-Regelung ist im Übrigen auch nicht aus § 4 Abs. 6 HVV in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung herzuleiten, in dem beispielhaft zu dem Begriff "Geringfügigkeit" die "Einreichung vor Bearbeitung der Arztgruppe, Einreichung von bis zu 50 Fällen usw." aufgeführt wird. Mit dieser Regelung wird im Gegensatz zu § 4 Abs. 5 Satz 9 HVV nicht auf die Auswirkungen, sondern den Aufwand infolge einer verspäteten Abrechnung abgestellt. Eine nach den Vorgaben des § 4 Abs. 5 Satz 5 HVV mögliche verspätete Abrechnung soll danach für den Vertragsarzt ohne Konsequenzen (z.B. Abschlag) bleiben, wenn der daraus folgende Aufwand - z.B. weil die Arztgruppe noch nicht bearbeitet worden ist oder nur 50 Fälle eingereicht werden - geringfügig ist. § 4 Abs. 5 Satz 9 HVV stellt hingegen von seiner Zielrichtung schon deshalb nicht auf den Aufwand einer Korrektur ab, weil ansonsten eine nachträgliche, mit hohem Aufwand verbundene (nicht geringfügige) Korrektur verlangt werden könnte, eine nicht aufwändige hingegen aber nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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