L 9 U 3501/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 2542/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3501/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Zugunstenwege die Feststellung, dass es sich bei seinem Unfall vom 2. Juli 2002 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der 1951 geborene Kläger war bis zum 31.7.2001 als Gesellschafter und Geschäftsführer bei der Narr Vertriebs GmbH tätig. Seinen Antrag auf Arbeitslosengeld vom 6.9.2001 lehnte das Arbeitsamt Karlsruhe - Geschäftsstelle Ettlingen - mit Bescheid vom 7.9.2001 wegen fehlender Anwartschaftszeit bestandskräftig ab. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte durch Urteil vom 14. Dezember 2005 die Ablehnung der Bundesagentur für Arbeit (Bescheid vom 30.1.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.5.2003) den Bescheid vom 7.9.2001 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen (L 5 AL 1421/04).

Am 1.8.2002 zeigte das Arbeitsamt Karlsruhe der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Unfall des Klägers an. Beim Betreten des Arbeitsamtsgeländes am 2.7.2002 um 10:20 Uhr sei der Kläger auf einem Kanaldeckel ausgerutscht und habe sich einen Meniskusriss zugezogen.

Das Arbeitsamt Ettlingen kreuzte zunächst unter dem 4.9.2002 im Fragebogen an, der Kläger, der keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III bezogen habe, habe am Unfalltag der Meldepflicht nach § 309 SGB III unterlegen und sei am Unfalltag einer besonderen, im Einzelfall erteilten (mündlichen) Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit nachgekommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Auf Nachfrage erklärte das Arbeitsamt Karlsruhe unter dem 23.9.2002, eine Meldepflicht habe nicht bestanden; dies sei im Fragebogen irrtümlich angekreuzt worden. Da der Kläger keine Leistungen beziehe, werde die Arbeitsvermittlung gem. § 38 Abs. 4 SGB III nur drei Monate für ihn tätig, es sei denn, er wolle die Arbeitsvermittlung erneut für sich in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck habe er einen Termin beim Arbeitsamt - Geschäftsstelle Ettlingen - am 2.7.2002 erhalten, der telefonisch vereinbart worden sei. Über einen Antrag auf Arbeitslosengeld vom 2.9.2002 sei noch nicht entschieden worden.

Mit Bescheid vom 22.10.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 2.7.2002 ab. Zur Begründung führte sie aus, das Arbeitsamt Ettlingen habe am 4.9.2002 mitgeteilt, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls keine Leistungen nach dem SGB III bezogen habe, und das Arbeitsamt Karlsruhe habe unter dem 23.9.2002 erklärt, dass keine Meldepflicht nach § 309 SGB III bestanden habe. Der Kläger habe deswegen nicht zum Kreis der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 14 SGB III) gehört. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2003 zurück.

Mit Schreiben vom 5.9.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 22.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2003, da die Beklagte § 309 Abs. Ziff. 2 SGB III unrichtig ausgelegt habe. Das Amtsgericht Ettlingen habe zwar mit Urteil vom 17.10.2003 die Klage wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegen die Arbeitsverwaltung abgelehnt. Aus dem Tatbestand des Urteils sei ersichtlich, dass er am Unfalltag einen Termin beim damaligen Arbeitsamt Ettlingen gehabt habe.

Auf Nachfrage der Beklagten gab die Agentur für Arbeit Karlsruhe unter dem 23.2.2007 an, der Kläger habe am 2.7.2002 nicht der Meldepflicht nach § 309 SGB III unterlegen; er sei von der Arbeitsagentur auch nicht aufgefordert worden, an diesem Tag zu erscheinen. Ein Einladungsschreiben sei an den Kläger nicht abgesandt worden. Der Kläger habe am 26.6.2002 telefonisch um einen Gesprächstermin gebeten, dem sei - im Rahmen der Informations- und Beratungspflicht der Agentur gem. §§ 13 und 14 SGB I - entsprochen worden, indem ihm die Möglichkeit gegeben worden sei, sich am 2.7.2002 über seine Vermittlungsmöglichkeiten zu erkundigen.

Mit Bescheid vom 2.3.2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 22.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2003 gem. § 44 SGB X und die Gewährung von Leistungen ab.

Hiergegen legte der Kläger am 14.3.2007 Widerspruch ein und trug vor, es habe sich nicht um einen Termin nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 13 und 14 SGB I gehandelt, sondern er habe einen telefonisch vereinbarten Termin gehabt, der sich auf die Arbeitsvermittlung bezogen habe. Da er auf dem Gelände des Arbeitsamtes verunglückt sei, sei dies mit dem Unfall eines Besuchers auf dem Gelände einer Firma vergleichbar, der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung über eine entsprechende Satzungsbestimmung habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2.5.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, verwies auf ihre Darlegungen im Bescheid vom 2.3.2007 und darauf, dass § 2 Abs. 1 Ziff. 14 SGB VII neben einer besonderen, im Einzelfall an den Arbeitslosen gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, zwingend die (allgemeine) Meldepflicht gem. § 309 Abs. 1 SGB III vorschreibe. An dieser Rechtslage ändere auch nichts, dass der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Gelände der Agentur für Arbeit befunden habe, da für eine derartige Fallgestaltung keine Ausdehnung des Versicherungsschutzes durch Satzungsbestimmung bestehe.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.5.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der er die Anerkennung des Unfalls vom 2.7.2002 als Arbeitsunfall und seine Entschädigung weiter verfolgte. Zur Begründung trug er vor, nach seiner Ansicht müsse das Aufsuchen des Arbeitsamtes nach vorheriger telefonischer Absprache ausreichend sein, um Unfallversicherungsschutz zu begründen. § 309 SGB III werde in § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII nicht ausdrücklich aufgeführt. Der Kläger legte eine Einladung des Arbeitsamtes Karlsruhe - Geschäftsstelle Ettlingen - vom 5.3.2002 zum 18.3.2002 vor.

Mit Urteil vom 1.7.2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe bei seinem Sturz am 2.7.2002 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Er habe zum Unfallzeitpunkt weder einer Meldepflicht nach den Vorschriften des SGB III unterlegen noch sei er einer Meldeaufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachgekommen. Die Vereinbarung eines Termins zum 2.7.2002 begründe keinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 16.7.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.7.2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, im Schreiben des Arbeitsamts Ettlingen, unterzeichnet von einer Person namens H., sei zwar für den Unfalltag eine Meldepflicht nach § 309 SGB III verneint, aber die Frage, ob er (der Kläger) am Unfalltag einer besonderen im Einzelfall erteilten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit nachgekommen sei, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, durch Ankreuzen mit ja (mündlich) bejaht worden. Es könne auch keinen Unterschied machen, ob eine schriftliche Aufforderung an den Versicherten ergehe oder ob er sich melde und dann vom Arbeitsamt ein mündliches Einverständnis erhalte, dass er dieses aufsuchen könne. Das Arbeitsamt habe einen EDV-Kurs gefördert. Da dieser im Auslaufen gewesen sei, habe er um einen Termin gebeten, um mündlich um eine Verlängerung zu bitten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2002 zu verurteilen, seinen Unfall vom 2. Juli 2002 als Arbeitsunfall anzuerkennen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine neuen rechtserheblichen Tatsachen. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger weder der Meldepflicht unterlegen noch sei er einer besonderen im Einzelfall an ihn gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachgekommen. Er habe bei der Bundesagentur für Arbeit selbst wegen eines Gesprächstermins nachgefragt und diesen im Rahmen der Informations- und Beratungspflicht erhalten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide und auf Feststellung hat, dass es sich bei dem Unfall vom 2.7.2002 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2).

Die Beklagte hat sich zu Recht auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 22.10.2002 berufen, weil in diesem Bescheid das Recht nicht unrichtig angewandt worden ist. Der Unfall des Klägers ist zu Recht nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden. Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen; dies behauptet selbst der Kläger nicht.

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Nach § 2 Abs 1 Nr. 14 SGB VII in der seit dem 1. 1.1998 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.3.1997 (AFRG, BGBl I 594), die hier Anwendung findet, sind in der Unfallversicherung kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB III oder des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der BA nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Diese Bestimmung übernimmt inhaltlich die Regelung über den Versicherungsschutz von Arbeitslosen nach der Vorgängervorschrift des § 539 Abs 1 Nr. 4 Buchst b der Reichsversicherungsordnung (RVO), wobei nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (BT-Drucks 13/2204 S 75) die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Aufforderung durch das Arbeitsamt "präzisiert" worden sind. Die weitere Änderung der Vorschrift durch Art. 7 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), die hier wegen des vor Inkrafttreten dieser Änderung eingetretenen Unfalls ohnehin nicht anzuwenden ist, hat lediglich wegen der Einführung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) im SGB II die Meldepflicht danach an die Stelle der Meldepflicht nach dem BSHG gesetzt. Wie das Bundessozialgericht bereits entschieden hat (stellvertretend BSG SozR 3-2700 § 2 Nr. 3), kann die zur Auslegung des § 539 Abs 1 Nr. 4 Buchst b RVO ergangene Rechtsprechung grundsätzlich weiterhin herangezogen werden, jedenfalls soweit sie nicht spezifische Änderungen betrifft.

Voraussetzung für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr. 14 SGB VII ist demnach zunächst, dass der Betroffene der Meldepflicht nach einem der darin genannten Gesetze unterliegt, und weiter, dass er den unfallbringenden Weg unternommen hat, weil er einer "Aufforderung" des Arbeitsamtes hierzu nachkam (BSG, Urt. vom 24.6.2003 - B 2 U 45/02 R in JURIS). Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der Kläger unterlag schon nicht der Meldepflicht nach dem SGB III, was die Agentur für Arbeit der Beklagten mit Vordruck vom 4.9.2002 (Bearbeiter H.), mit Schreiben vom 23.9.2002, am 26.9.2002 (ergänzende Angaben) sowie am 23.2.2007 mitgeteilt hat. Diese Angaben der Agentur für Arbeit waren zutreffend, denn der Kläger unterlag nicht der Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III, weil er zum Unfallzeitpunkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte und auch keinen geltend gemacht hatte. Sein Antrag auf Arbeitslosengeld vom 6.9.2001 war vielmehr mit Bescheid vom 7.9.2001 wegen fehlender Anwartschaftszeit bindend abgelehnt worden. Eine Meldepflicht ergab sich für den Kläger auch nicht auf Grund anderer Vorschriften, wie z. B. auf Grund von § 269 Abs. 2 Satz 3 SGB III i.d.F. des AFRG. Eine erneute Arbeitslosmeldung des Klägers erfolgte erst am 2.9.2002.

Der Kläger hat am Unfalltag auch nicht auf Grund einer besonderen, an ihn im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitsamt Ettlingen aufgesucht. Eine Aufforderung liegt nur dann vor, wenn eine Willensäußerung der Bundesagentur für Arbeit vorliegt, die im Zusammenhang mit ihren Aufgaben steht und erkennen lässt, dass die Arbeitsverwaltung ein bestimmtes Verhalten - persönliche Vorsprache/Meldung - vom Arbeitslosen erwartet (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Februar 2009, § 2 SGB VII Rdnr. 28.8; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 32). Dabei kann auch eine Äußerung des Arbeitsamtes als Bitte oder Empfehlung eine Aufforderung darstellen, sofern der Eindruck vermittelt wird, dass das Erscheinen notwendig sei und erwartet werde. Maßstab der Auslegung ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei maßgebend die gesamten Begleitumstände sind (BSG SozR 3-2700 § 2 Nr. 3 und 11).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine Äußerung des Arbeitsamtes bzw. der Arbeitsagentur, die ein verständiger Beteiligter als Aufforderung verstehen konnte, das Arbeitsamt Ettlingen aufzusuchen, nicht vor. Seitens des Arbeitsamtes ist vom Kläger weder schriftlich noch mündlich verlangt worden, dort zu erscheinen. Vielmehr ergibt sich aus den Angaben des Arbeitsamts und den Ausdrucken aus der Bewerberkartei, dass der Kläger am 26.6.2002 selbst beim Arbeitsamt angerufen und nach einem Termin gefragt hat, der ihm für den 2.7.2002 angeboten wurde. Damit ist gerade keine Äußerung von Seiten des Arbeitsamtes ausgegangen, dort zu erscheinen und der Kläger war nicht gehindert, den vereinbarten Termin ohne Gefahr einer Sanktion abzusagen. Vielmehr ging die Initiative vom Kläger aus und der Termin wurde auf seinen Wunsch vereinbart und nicht vom Arbeitsamt bestimmt bzw. festgelegt. Insoweit unterscheidet sich der Fall des Klägers von dem vom BSG entschiedenen Fall (Urteil vom 5.2.2008 - B 2 U 25/06 - SozR 2700 § 2 Nr. 11), in dem die Klägerin, die an einer ABM-Maßnahme teilnahm, vom Arbeitsamt zur Berufsberatung eingeladen wurde und auf Grund von § 269 Abs. 2 Satz 3 SGB III i.d.F. des AFRG eine Pflicht zum Erscheinen bestand, bei deren Missachtung eine Sanktionsmöglichkeit gem. § 270 SGB III (Kündigung) bestand.

Zwar hat das Arbeitsamt zunächst am 6.9.2002 mitgeteilt, dass der Kläger einer im Einzelfall erteilten Aufforderung nachgekommen sei, das Arbeitsamt aufzusuchen. Diese Mitteilung war jedoch unrichtig, wie die späteren Mitteilungen des Arbeitsamtes vom 23.9.2002, 26.9.2002 sowie 15.12.2006 und die Unterlagen des Arbeitsamtes belegen. Ein anderer Sachverhalt ergibt sich auch aus den eigenen Angaben des Klägers nicht, auch wenn er ihn rechtlich anders würdigt. Im Übrigen hat das BSG schon im Urteil vom 24.6.2003 - B 2 U 45/02 R - in JURIS entschieden, dass sogar eine Arbeitslose, die im Unfallzeitpunkt - anders als der Kläger - der allgemeinen Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 SGB III untersteht und wegen eines ihr drohenden Anspruchsverlusts ohne konkrete Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitsamt aufsucht, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Beim Kläger bestand zum Unfallzeitpunkt kein Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII, weil er weder der Meldepflicht nach dem SGB III unterlag noch einer konkreten Aufforderung der Bundesanstalt für Arbeit nachkam.

Ein Unfallversicherungsschutz des Klägers ergibt sich auch nicht auf Grund einer Satzung. Die Satzung der Beklagten vom 22.1./10.12.2003 sieht in § 5 zwar Versicherungsschutz für gewisse, nicht im Unternehmen beschäftigte Personen wie Mitglieder von Prüfungsausschüssen, Teilnehmer an Prüfungen und ähnliche vor, nicht aber für Besucher im Allgemeinen. Darüber hinaus findet diese Satzungsvorschrift auf den Unfall des Klägers auch keine Anwendung, da diese erst am 1.1.2003 - und somit nach dem Unfall des Klägers - in Kraft getreten ist. Die zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers geltende Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Rechtsvorgängerin vom 4.11.1997 sah keine Ausdehnung des Versicherungsschutzes über die gesetzlichen Regelungen hinaus vor.

Nach alledem war die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu, da durch die Rechtsprechung (Urteil des BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 45/02 R in JURIS; BSG SozR 3-2700 § 2 Nr. 3 und 11, und zuletzt LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.2.2008 - L 6 U 31/05 - in Breithaupt 2008, 565-569 und in JURIS -) geklärt ist, was unter dem Begriff "Aufforderung" zu verstehen ist.
Rechtskraft
Aus
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