L 3 R 30/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 318/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 30/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 440/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf Beschwerde d.Kl. gegen d. NZB wird LSG-Urteil aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.01.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wegen einer Darmerkrankung.

Der am 00.00.1943 geborene Kläger war von Juli 1974 bis April 2008 als Sachbearbeiter bei der H in L versicherungspflichtig beschäftigt. Anlässlich seines Antrags vom 22.02.2008 (Eingang bei der Beklagten unklar) bezieht er seit dem 01.05.2008 von der Beklagten Regelaltersrente in Höhe von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente.

Am 06.04.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und machte geltend, sich wegen einer Entzündung im Dünndarm sowie Verdauungsproblemen besonders belastet zu fühlen. Zur Stützung seines Begehrens legte er Bescheinigungen des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. T und seines Hausarztes, des Allgemeinmediziners, Chirotherapeuten, Sportmediziners und Facharztes für Naturheilverfahren Dr. N, vom 08.03. bzw. 27.03.2006 vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Nach Auswertung dieser Berichte lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 12.04.2006 mit der Begründung ab, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation schon deshalb nicht zu gewähren seien, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei.

Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid am 24.04.2006 erhobenen Widerspruchs übersandte der Kläger einen weiteren Bericht seines Hausarztes, in dem dieser unter Beifügung diverser medizinischer Unterlagen unter dem 09.05.2006 u.a. ein linksseitiges abdominelles Schmerzsyndrom unklarer Genese, eine vegetative Dystonie sowie einen Tinnitus beschrieb. Ferner führte Dr. N aus, die durch das abdominielle Schmerzsyndrom hervorgerufenen Symptome mit u.a. einem Völlegefühl und Darmentleerungsstörungen würden von dem Kläger, der im Krankheitsverlauf zunehmend psychisch und somatisch erschöpft wirke, als äußerst unangenehm wahrgenommen. Auf Grund der geschilderten Reizdarmsymptomatik und der genannten Begleiterkrankungen erscheine eine rehabilitative Maßnahme daher nicht nur wünschenswert, sondern medizinisch dringlichst indiziert.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch den Neurologen und Psychiater Dr. C untersuchen und begutachten. Dieser konnte in seinem Gutachten vom 25.08.2006 keine sicheren psychiatrischen Diagnosen erheben und kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger aus nervenärztlicher Sicht weiterhin in der Lage sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit sechs Stunden und mehr pro Tag zu verrichten.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21.11.2006 wurde der Widerspruch anschließend zurückgewiesen.

Mit seiner am 20.12.2006 bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren unter Vorlage eines weiteren Berichtes seines Hausarztes Dr. N vom 13.12.2006, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, weiterverfolgt und im Wesentlichen geltend gemacht, das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten des Dr. C sei sinnlos gewesen; denn er leide nicht unter einer psychischen Erkrankung, sondern unter Beschwerden im Darmbereich, die eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erforderlich machten.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Sozialgericht nach Eingang einer entsprechenden Einverständniserklärung des Klägers vom 29.01.2007 unter dem 21.02.2007 zunächst eine Auskunft seines damaligen Arbeitgebers, der GEZ Köln, sowie einen Befundbericht von Dr. N eingeholt. Laut Auskunft der GEZ Köln vom 14.03.2007 handelte es sich bei der dortigen Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter um eine körperlich leichte Büroarbeit, die im Sitzen ausgeübt wurde und nicht mit besonderen Erschwernissen - gefragt war in dem Vordruck nach z.B. Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Einwirkung von Witterung, besonderem Zeitdruck, Kälte-, Säure-, Dampf- oder Staubeinwirkungen - verbunden war. Dr. N hat in seinem Befundbericht vom 19.03.2007 unter Beifügung diverser ärztlicher Unterlagen u.a. ausgeführt, mittels einer Rehabilitationsmaßnahme in einer geeigneten Einrichtung bestünde die Möglichkeit, bei dem Kläger bestehende Schmerzen und Verspannungen im Bereich des Bewegungsapparates sowie die teilweise recht massiven Beschwerden im Verdauungstrakt zu lindern.

Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen durch die Beklagte (mit Schriftsatz vom 23.04.2007) hat das Sozialgericht den Facharzt für innere Medizin, Sportmedizin, medizinische Begutachtung und Verkehrsmedizin Dr. P sowie den Neurologen und Psychiater Dr. S unter dem 09.05.2007 mit Sachverständigengutachten beauftragt. Dr. P hat in seinem Gutachten vom 07.08.2007 unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens von Dr. S vom 13.07.2007 ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, ein Reizdarmsyndrom sowie eine latente Eisenmangelanämie festgestellt. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass das Reizdarmsyndrom entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf organische Veränderungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes zurückzuführen sei. Zwar habe sich anlässlich einer Magnetresonanztomografie (MRT) des Abdomens, die im Februar 2006 in der Universitätsklinik E durchgeführt worden sei, der Verdacht auf ein 30 bis 40 cm messendes entzündlich verändertes Darmsegment im linken Oberbauch ergeben. Anlässlich der anschließend zur Verifizierung dieses MRT-Befundes durchgeführten Doppelballon-Video-Endoskopie habe sich jedoch kein sicherer pathologischer Befund dargestellt. Im Hinblick auf das Reizdarmsyndrom sei vielmehr eine psychische Komponente nicht zu vernachlässigen, wobei durch eine entsprechende psychotherapeutische Behandlung durchaus eine langfristige Reduktion der Beschwerden möglich erscheine. Dr. P ist abschließend zu der Einschätzung gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers in seinem Beruf als Sachbearbeiter unter Zugrundelegung des in der Arbeitgeberauskunft der GEZ beschriebenen Anforderungsprofils nicht erheblich gefährdet und auch nicht bereits gemindert sei. Unabhängig davon erfordere die Behandlung der bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen sowohl aktuell als auch im Zeitpunkt der Antragstellung (im April 2006) insbesondere kein stationäres Heilverfahren. Bezüglich des Wirbelsäulensyndroms sei vielmehr eine ambulante ärztliche Behandlung, gegebenenfalls auch durch Heilhilfsberufe (Krankengymnastik) oder in Eigentätigkeit (Bewegungstherapie der Wirbelsäule), die arbeitsbegleitend am Wohnort durchgeführt werden könnten, ausreichend. Im Hinblick auf das Reizdarmsyndrom fehle es - sowohl ambulant als auch im Rahmen eines stationären Aufenthalts - bereits an einem Erfolg versprechenden, wissenschaftlich begründeten somatischen Therapieansatz.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 29.08., 03.09., 18.09., 26.11 und 04.12.2007 unter Vorlage einer Bescheinigung des Internisten und Gastroenterologen A vom 17.09.2007 sowie eines weiteren Berichtes von Dr. N vom 05.05.2007, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, kritisch zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P und diesbezüglichen Stellungnahmen der Beklagten geäußert. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, seine Beschwerden im Darmbereich seien organisch bedingt. Die hiervon abweichende Beurteilung des Dr. P überzeuge schon deshalb nicht, weil die in seinem Gutachten erwähnte Doppelballon-Video-Endoskopie zeitlich vor dem MRT des Abdomens durchgeführt worden sei und daher - entgegen dessen Ausführungen - schon nicht veranlasst worden sein könne, um den im MRT erhobenen Befund zu verifizieren. Insoweit möge sowohl der behandelnde Arzt der Universitätsklinik E als auch Dr. P um Stellungnahme gebeten werden.

Nachdem der Sachverständige Dr. P sich in einer daraufhin von dem Sozialgericht unter dem 08.01.2008 erbetenen ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2008 nicht veranlasst gesehen hat, von seiner bisherigen Auffassung abzuweichen, hat der Kläger mit Schreiben vom 26.01.2008 erneut Kritik an dessen Ausführungen geäußert. Daraufhin hat das Sozialgericht den Sachverständigen Dr. C1 unter dem 21.02.2008 mit einem Sachverständigengutachten beauftragt, diesen Auftrag jedoch widerrufen, nachdem der Kläger eine erneute Begutachtung unter Hinweis darauf, dass dem Gericht sämtliche Unterlagen vorlägen, er bereits mehrfach untersucht worden sei und der nunmehr beauftragte Gutachter selbstverständlich die Auffassung des Dr. P bestätigen werde, mit Schreiben vom 28.02.2008 abgelehnt hatte.

Durch Gerichtsbescheid vom 07.01.2009 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme schon wegen des zwischenzeitlichen Bezugs der Altersrente bzw. des entsprechenden Antrags des Klägers gemäß § 12 Abs.1 Nr.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - ausgeschlossen sei. Vor diesem Hintergrund sei es unbeachtlich, ob die begehrte Rehabilitationsmaßnahme zu einem früheren Zeitpunkt indiziert gewesen sei, was allerdings sämtliche Gutachter bzw. Sachverständigen verneint hätten. Eine Entscheidung über das Begehren des Klägers noch vor Stellung seines Altersrentenantrags sei unter Berücksichtigung der Verfahrensabläufe eines sozialgerichtlichen Verfahrens im Übrigen auch nicht möglich gewesen. Insbesondere hätte die Kammer eine für den Kläger positive Entscheidung allein auf die Berichte seiner behandelnden Ärzte nicht stützen können; denn behandelnde Ärzte würden ihre Patienten erfahrungsgemäß eher unterstützen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen den ihm am 13.01.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.02.2009 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, dass das Sozialgericht die Entscheidung über seine Klage im Hinblick auf den nahenden Bezug der Altersrente bewusst verzögert habe. Soweit die Kammer im Tatbestand des angefochtenen Gerichtsbescheides darauf hingewiesen habe, dass der Vorsitzende von Ende Februar bis September 2008 erkrankt gewesen sei, habe diese Erkrankung möglicherweise schon im Jahr 2007 bestanden. Jedenfalls aber könne der dadurch verursachte Zeitausfall nicht zu seinen Lasten gehen. Im Übrigen beruhe die angefochtene Entscheidung auf einer von dem Sozialgericht gedeckten, bewussten Fälschung seiner Krankenakte durch den Sachverständigen Dr. P; denn dessen Aussage, die Doppelballon-Video-Endoskopie sei zur Verifizierung des MRT-Befundes erfolgt, sei - wie bereits von ihm dargelegt - nachweislich falsch. Abgesehen davon habe sich anlässlich einer im Februar und März 2009 erfolgten Magen-Darm- sowie Unrinuntersuchung erneut bestätigt, dass seine Darmbeschwerden auf eine organische Ursache zurückzuführen seien. Das von dem Sozialgericht in Auftrag gegebene nervenärztliche Sachverständigengutachten sei daher ebenso überflüssig gewesen wie das im Verwaltungsverfahren auf gleichem Fachgebiet erstellte Gutachten. Ferner sei nicht nachvollziebar, aus welchen Gründen der Sachverständige Dr. C1 mit einem weiteren Gutachten beauftragt worden sei, wenn die Kammer das Gutachten des Dr. P für überzeugend gehalten habe. Dass seine behandelnden Ärzte seinen Rehabilitationsantrag aus Gefälligkeit unterstützen würden, sei schließlich rein spekulativ und beruhe auf Vorurteilen. In einem Erörterungstermin hat der Kläger ergänzend erklärt, dass die begehrte Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht von den Leistungen seiner privaten Krankenversicherung umfasst sei.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.01.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2006 zu verpflichten, ihm Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren,
hilfsweise,
(1.) über seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vom 06.04.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
ferner hilfsweise,
(2.) festzustellen, dass die Beklagte seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vom 06.04.2006 mit Bescheid vom 12.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2006 rechtswidrig abgelehnt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der bei dem Sozialgericht Düsseldorf geführten Streitakte S 27 An 373/96 Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die - im Haupt- und Hilfsantrag zu (1.) als Verpflichtungsklage, jeweils kombiniert mit einer Anfechtungsklage, zulässige - Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2006 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht gemäß § 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme darin zutreffend abgelehnt; denn dem Kläger steht ein solcher Anspruch weder nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (dazu unter (1.)) noch unter dem Gesichtspunkt eines so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu unter (2.)) zu.

(1.) Gemäß § 9 Abs.1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilita-tion erbringen, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. zu letzteren § 11 SGB VI) erfüllt sind. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 10 Abs.1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, oder c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so hat der Versicherte grundsätzlich ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Leistung zur Teilhabe bzw. - sofern das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (so genannte "Reduzierung des Ermessens auf Null") - auf Gewährung dieser Leistung. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalles ein rechtshindernder oder -vernichtender materiell-rechtlicher Einwand aus § 12 SGB VI eingreift (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 19/06 R).

Ausgehend hiervon kann offen bleiben, ob der Kläger die persönlichen (und auch die versicherungsrechtlichen) Voraussetzungen für die begehrte medizinische Rehabilitationsmaßnahme erfüllt; denn jedenfalls wäre der gegebenenfalls entstandene Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bzw. - im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null - auf die begehrte Leistung nach § 12 Abs.1 Nr.2 SGB VI untergegangen. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen zur Teilhabe (u.a.) nicht für Versicherte erbracht, die eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beziehen oder beantragt haben. In diesem Zusammenhang mag dahin stehen, ob - wie offensichtlich die Vorinstanz meint - schon der Rentenantrag des Klägers vom 22.02.2008 seinem Klagebegehren entgegen steht; denn jedenfalls wäre ein (unterstellter) Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bzw. Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme spätestens mit Beginn der Altersrente, also am 01.05.2008, untergegangen.

Unerheblich ist insoweit, dass dieser "Ausschlussgrund" erst im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten ist und der Kläger weder im Zeitpunkt der Bescheiderteilung, namentlich des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (= Erlass des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2006), noch im Zeitpunkt der Antragstellung (im April 2006) Altersrente bezog (bzw. beantragt hatte); denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei - wie hier im Haupt- und Hilfsantrag zu (1.) - Verpflichtungsklagen, auch wenn diese in Verbindung mit einer Anfechtungsklage erhoben werden, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allg.M.; vgl. ua. BSG, st. Rechtsprechung, z.B. BSGE 41, 38; 43, 1; 89, 294; BVerwGE 29,304; Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage München 2008, § 54 Rdnr. 34).

Der Umstand, dass es sich bei der Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme nicht um eine gebundene, sondern um eine Entscheidung handelt, die im Ermessen der Beklagten steht (s.o.), vermag eine Ausnahme von diesem Grundsatz ebenso wenig zu rechtfertigen wie die Tatsache, dass diese Entscheidung u.a. zukunftsorientierte, prognoseähnliche Elemente enthält (vgl. den Wortlaut des § 10 Abs.1 SGB VI, der u.a. verlangt, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Leistung zur u.a. medizinischen Rehabilitation "voraussichtlich" abgewendet bzw. wesentlich gebessert, wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann). Es mag zwar sein, dass bei Ermessensentscheidungen sowie solchen Verwaltungsakten, die zukunftsorientierte, prognoseähnliche Elemente enthalten, grundsätzlich der von dem Leistungsträger ermittelte Sachverhalt zugrunde zu legen ist, wie er sich im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes nach Überzeugung der Behörde für den Antragszeitraum darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1981 - 1 C 69/78 - in NJW 1982, 1413 f, bzw. BSG, Urteil vom 14.12.1994 - 4 RA 42/94 -). Dies gilt aber jeweils nur für diejenigen Tatsachen, die der zu treffenden Prognose- bzw. Ermessensentscheidung zugrunde liegen, nicht hingegen Tatsachen bzw. Rechtsgründe, die den entstandenen Anspruch untergehen lassen, insbesondere also die "Ausschlussgründe" im Sinne des § 12 SGB VI, die dem gegebenenfalls entstandenen Recht eines Versicherten auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die begehrte Leistung zur Teilhabe bzw. - im Falle eine Ermessensreduzierung auf Null - auf die Gewährung der Leistung je nach Fallkonstellation rechtshindernd oder rechtsvernichtend entgegen stehen. Vielmehr widerspräche es dem Grundgedanken des § 9 SGB VI, der eine Wiedereingliederung eines bereits erwerbsgeminderten Versicherten in das Erwerbsleben anstrebt, wenn dieser Anspruch - wie hier durch den Altersrentenbezug - nicht mehr zu verwirklichen ist und die Beklagte zu verpflichten wäre, die medizinischen Belange einer Leistung zur Rehabilitation zu prüfen sowie eine entsprechende Maßnahme gegebenenfalls auch durchzuführen, obwohl von vornherein feststeht, dass einer Rückkehr des Klägers in das Erwerbsleben der Altersrentenbezug entgegensteht.

(2.) Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ferner nicht auf einen so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch ist darauf gerichtet, den versicherungsrechtlichen Zustand herzustellen, der ohne ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln bestehen würde (st. Rechtsprechung, u.a. BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 47/77 = SozR 2200 § 1418 Nr.6; BSG, Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 19/99 R -). Im einzelnen setzt ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch eine Pflichtverletzung des in Anspruch genommenen Leistungsträgers selbst oder einer insoweit für diesen handelnden Stelle gegenüber dem Betroffenen voraus, die bei letzterem einen sozialrechtlichen (dem Schutzzweck der betreffenden Pflicht zuzuordnenden) Nachteil bewirkt haben muss (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 19/99 R -). Dabei kann das Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers in der Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft, Beratung und Fürsorge, bestehen (st. Rspr. vgl. z.B. BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn. 12 und 14 m.w.N.; SozR 3-3200 § 86a Nr.2).

Die für einen solchen Anspruch notwendigen Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Dabei mag offen bleiben, ob die von dem Kläger einzig behauptete Pflichtverletzung der Beklagten, nämlich die unsinnige bzw. überflüssige Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Gebiet, überhaupt geeignet ist, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen; denn jedenfalls fehlt es hier schon an einer entsprechenden Pflichtverletzung der Beklagten. Die Einholung des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. C war entgegen der Auffassung des Klägers sachdienlich. Vor allem der von dem Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte Bericht seines Hausarztes Dr. N vom 09.05.2006 gab Veranlassung, den Gesundheitszustand des Klägers auf nervenärztlichem Gebiet abzuklären; denn das darin beschriebene Reizdarmsyndrom mit Unterbauchbeschwerden unklarer, also möglicherweise nicht organischer Genese, durch dessen Symptome der Kläger - so Dr. N in dem genannten Bericht - zunehmend psychisch und somatisch erschöpft wirkte, legte den Verdacht nahe, dass dieser unter einer psychosomatischen (Begleit-)Erkrankung leidet, sei diese nun Ursache oder Folge der von Dr. N beschriebenen Unterbauchbeschwerden. Dieser Verdacht hat sich im Verlauf des Verfahrens im Übrigen auch in gewisser Weise bestätigt. Einzuräumen ist zwar, dass weder Dr. C noch der seitens des Sozialgerichts beauftragte Sachverständige Dr. S bei dem Kläger auf nervenärztlichem Gebiet eine Störung von Krankheitswert feststellen konnten. Allerdings hat der im erstinstanzlichen Verfahren ebenfalls tätig gewordene Sachverständige Dr. P in seinem internistischen Gutachten vom 07.08.2007 ausdrücklich eine "psychische Komponente" des Reizdarmsyndroms bejaht und sogar eine entsprechende psychotherapeutische Behandlung erwogen, die zu einer langfristigen Reduktion der mit dem Reizdarmsyndrom verbundenen Beschwerden führen könne.

Soweit der Kläger ferner geltend macht, nicht nur die Beklagte, sondern auch das Sozialgericht habe zu Unrecht ein nervenärztliches Gutachten in Auftrag gegeben und darüber hinaus die Entscheidung über seine Klage mit Blick auf den nahenden Altersrentenbezug bewusst verzögert, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht geeignet, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, weil ein solcher Anspruch - wie bereits ausgeführt - ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln voraussetzt. Im Übrigen weist der Senat in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass eine Pflichtverletzung des Sozialgerichts auch nicht erkennbar ist. Die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Gebiet war vor dem Hintergrund insbesondere des bereits erwähnten, von dem Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Berichtes seines Hausarztes vom 09.05.2006 sachdienlich (s.o.). Ferner fehlt es an Anhaltspunkten für eine Verzögerung der erstinstanzlich durchgeführten Ermittlungen und nachfolgenden Entscheidung durch die Kammer bis zu dem - insoweit maßgeblichen - Eintritt des Ausschlussgrundes nach § 12 Abs.1 Nr.2 SGB VI spätestens im Mai 2005 (= Beginn des Altersrentenbezugs). Die erstinstanzlich eingeholte Arbeitgeberauskunft von der GEZ Köln und der Befundbericht des Dr. N wurden vielmehr ebenso zeitnah in Auftrag gegeben wie die anschließenden Gutachten der Sachverständigen Dres. P und S nebst ergänzender Stellungnahme des Dr. P, wobei der Kläger letztere selbst erbeten bzw. angeregt hatte. Darüber hinaus ist auch eine mit Blick auf den beabsichtigten Altersrentenbezug verzögerte Entscheidung der Kammer über das Begehren des Klägers nicht erkennbar; denn zwischen dem Abschluss der erstinstanzlichen Ermittlungen, nämlich der am 28.02.2008 ausgesprochenen Weigerung des Klägers, sich einer erneuten Begutachtung zu unterziehen, und dem Beginn der Altersrente (am 01.05.2008) lag lediglich ein Zeitraum von zwei Monaten.

Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch darauf festzustellen, dass die Beklagte seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in den angefochtenen Bescheiden rechtswidrig abgelehnt hat (vgl. den Hilfsantrag zu (2.)); denn die auf eine solche Feststellung gerichtete, als "Minus" in dem Haupt- bzw. Hilfsantrag zu (1.) enthaltene - Klage ist bereits unzulässig. Weder sind die Voraussetzungen einer allgemeinen Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs.1 Nr.1 bis 4 SGG erfüllt, noch kommt eine so genannte Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 131 Abs.1 S.3 SGG in Betracht. Letztere ist nur dann statthaft, wenn sich ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der mit einer zulässigen und begründeten Anfechtungsklage angegriffen worden war, erledigt hat. Die hier angefochtenen, die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe ablehnenden Bescheide haben sich - ihre Rechtswidrigkeit zugunsten des Klägers unterstellt - jedoch schon nicht erledigt; denn sie entfalten - unabhängig von dem inzwischen erfolgten Eintritt eines Ausschlussgrundes im Sinne des § 12 SGB VI - weiterhin Wirkung. Im Übrigen fehlt es sowohl im Rahmen des § 55 SGG als auch des § 131 Abs.1 S.3 SGG ferner an einem für beide Klagearten erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers; denn es ist nicht ersichtlich, welches berechtigte Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur er an einer solchen Feststellung haben könnte (vgl. zu dieser Voraussetzung u.a. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr.34; BSG, Urteil vom 07.12.2006 - B 3 KR 5/06 R - zu § 55 SGG sowie BSGE 79, 33; BVerwGE 61, 164, 165 zu § 131 Abs.1 S.3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Veranlassung, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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