Beitragspflicht einer Kapitalzahlung aus betrieblicher Altersversorgung
Kapitalzahlungen aus einer betrieblicher Altersversorgung sind auch dann mit 120stel beitragspflichtig, wenn sie in jährlich in 12 Teilbeträgen ausbezahlt werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19. September 2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2007 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Beitragspflicht einer in zehn Jahresteilbeträgen gezahlten Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung.
1.
Der 1943 geborene Kläger ist als Rentenbezieher bei den Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Aus einer betrieblichen Altersversorgung seines vormaligen Arbeitgebers, der O.GmbH, erhält er gemäß deren Mitteilung vom 27.10.2006 eine Ablaufleistung in Höhe von 132.979,32 EUR beginnend ab 01.05.2007. Dieser Betrag wurde dem Kläger jedoch nicht als Einmalbetrag gezahlt, sondern er erhält ihn auf 12 Jahre verteilt in jeweils 12 Jahresbeträgen.
2.
Mit Bescheid vom 25.04.2007 unterwarfen die Beklagten die Gesamtleistung von 132.979,32 EUR der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, indem sie den Gesamtbetrag auf 120 Monate umlegten und so einen Monatsbeitrag von 166,20 EUR in der Kranken- und 18,84 EUR in der Pflegeversicherung errechneten.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, bei der ersten Auszahlung habe die Ablaufleistung erst 113.560 EUR betragen. Nur durch die weitere Verzinsung im 12-jährigen Ablaufzeitraum werde sich die Summe von 132.979,32 EUR ergeben. Dieser Betrag stehe ihm jedoch nicht im Zeitpunkt der Beitragspflicht zur Verfügung, so dass die Monatsbeiträge der Beklagten zu vermindern seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2007 wiesen die Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück, weil nach der gesetzlichen Regelung Einnahmen, die mit einer Rente vergleichbar seien, der Beitragspflicht unterworfen werden müssten. Für Leistungen aus der Kapitallebensversicherung sei bestimmt, dass die Ablaufsumme auf einen Zeitraum von 10 Jahren umzulegen sei. Die Beitragshöhe sei daher zutreffend errechnet.
3.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg zur Weiterverfolgung seines Begehrens erhoben und eine Verbeitragung lediglich der konkreten jährlichen Auszahlungssumme beantragt. Mit Urteil vom 19.09.2007 hat das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten abgeändert und die Beitraghöhe mit der Begründung herabgesetzt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, einen fiktiven Auszahlungsbetrag der Beitragspflicht zu unterwerfen. Zutreffenderweise dürfe nur das beitragspflichtig werden, was dem Versicherten tatsächlich zur Verfügung stehe. Die Beklagte dürfe deshalb nur die ab dem 01.05.2007 ausgezahlten Beträge verbeitragen.
4.
Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt und den Standpunkt vertreten, die gesetzliche Regelung erfordere eine pauschale Berechnung wie von ihnen vorgenommen. Eine konkrete Umrechnung, wie vom Sozialgericht gefordert, sei gesetzlich weder vorgesehen, noch entspreche es den Zielen des Gesetzes, Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in einem verwaltungspraktikablen Weg der Beitragspflicht zu unterwerfen.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf, sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2007 nur insoweit, als die Ablaufsumme aus einer Kapitallebensversicherung der betrieblichen Altersversorgung entweder mit der Ablaufsumme 132.979,32 EUR der Beitragspflicht zu unterwerfen ist oder entsprechend den tatsächlich erbrachten Jahreszahlungen.
1.
Wie sich aus der Mitteilung der O. GmbH, seiner ehemalige Arbeitgeberin, vom 27.10.2006 ergibt, hat der Kläger aus deren betrieblichen Altersversorgung Anspruch auf eine Kapitalleistung in Höhe von 132.979,32 EUR. Diese Leistung wird dem Kläger allerdings nicht als Einmalzahlung zur Verfügung gestellt, sondern die Zahlung erfolgt in auf 12 Jahre verteilten Teilbeträgen. Bisher hat der Kläger Zahlungen zum 01.05.2007, zum 01.05.2008 sowie zum 01.05.2009 erhalten. Für die Zeit ab 01.06.2007 ergibt sich für den Kläger bei Berücksichtigung eines fiktiven monatlichen Teilbetrags von 1.108,16 EUR ein Monatsbeitrag von 166,22 EUR in der Kranken- und von 18.84 EUR in der Pflegeversicherung. Diese Tatsachen ergeben sich aus dem Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten sowie aus dem Vorbringen der Beteiligten in beiden Instanzen; sie sind auch zwischen den Beteiligten nicht strittig.
Die Beitragspflicht der Leistung der O. GmbH in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI. Danach gelten als den Renten im Sinne von i.S.d. § 228 SGB V vergleichbare Einnahmen auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Diese Beitragspflicht dem Grunde nach greift der Kläger nicht an.
2.
Für die streitige beitragsrechtliche Behandlung von Ablaufleistungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht als monatliche Leistung wie eine Monatsrente der gesetzlichen Rentenversicherung i.S.d. § 228 SGB V gezahlt werden, gilt § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V (§ 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI). Danach tritt bei nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen an die Stelle der monatlichen Bezüge ein 120stel der Leistung. Der entsprechende Betrag gilt als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge; die Beitragspflicht ist dabei auf längstens für 120 Monate begrenzt.
Diese Regelung hatte der Gesetzgeber eingeführt, um Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht von Versorgungsbezügen zu beseitigen (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 139). Bis zur Neuregelung ab 01.01.2004 (durch das Gesetz vom 14.11.2003 - BGBl. I 2190) konnten Versorgungsbezüge, die als originäre Kapitalleistungen ausgezahlt wurden, nicht ohne Weiteres verbeitragt werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung hatte die Gesetzesneuregelung die Beitragspflicht aller Versorgungsbezüge bestimmt. Insoweit sollte auch die fiktive Verteilung auf zehn Jahre Geltung besitzen. Diese war bereits in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V a. F. seit Inkrafttreten des SGB V vorhanden und hatte wiederum die Regelung aus § 180 Abs. 8 S. 3 RVO übernommen (BT-Drs. 11/2237 vom 03.05.1988
- S. 223).
Hieraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die Geltung einer über Jahrzehnte bewährten verwaltungspraktikablen pauschalen Berechnungsmethode auch für die von der Neuregelung erfassten Zahlungen bestimmt hat. Mit ihr wird es der Massenverwaltung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ermöglicht, alle Auszahlungsformen nicht regelmäßiger Art mit vertretbarem Aufwand der Beitragspflicht zu unterwerfen sowie die entsprechenden Beiträge zu berechnen. Nur so wird das Ziel des Gesetzgebers umgesetzt, die Beitragslast in administrabler Form auf gleichartige Sachverhalte zu verteilen und die Gefahr der Manipulation zu vermeiden.
Für dieses Ergebnis spricht zudem eine Analogie zu § 47 SGB V sowie zu § 6 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz (das gem. § 68 Nr. 16 SGB I besonderer Teil des Sozialgesetzbuches ist). Danach sind regelmäßige Bezüge nur diejenigen, die monatlich gezahlt werden. Die dem Kläger in 12 Jahresraten ausgezahlte Leistung ist somit als nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung i. S. des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu behandeln.
Dabei wird nicht übersehen, dass im Grundsatz nur tatsächliche Zahlungen maßgeblich für die Beitragsberechnung sind (sog. Zuflussprinzip, vgl. § 226 SGB V; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung; Rdn. 4 zu § 226). Insoweit handelt es sich bei § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V um eine sachlich gerechtfertigte Spezialvorschrift, die zur Erfüllung des Gesetzeszweckes auch den streitgegenständlichen Fall erfasst (a.A. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.04.2009 - L 5 KR 14/08).
3.
Entgegen der Auffassung des Klägers waren die Beklagten auch berechtigt, ab 01.06.2007 die volle Ablaufleistung der Beitragspflicht zu unterwerfen, obgleich diese bisher nur in drei von zwölf Teilbeträgen ausgezahlt ist. Denn der Kläger hat tatsächlich Anspruch auf 132.979,32 EUR; gleichzeitig ist berücksichtigt, dass die Ablaufleistung der betrieblichen Altersversorgung nicht nur das angesparte Kapital, sondern auch die gezogene Verzinsung umfasst.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei durch diese Beitragsberechnung unverhältnismäßig belastet, weil er in den ersten Jahren eine im Vergleich zum gezahlten Jahresbetrag hohe Beitragsleistung aufzubringen hat. Denn insoweit findet ein gewisser Ausgleich dadurch statt, dass sich die Beitragslast degressiv gestaltet. Sie vermindert sich im Laufe der Jahre bis 2017 im Verhältnis zur insgesamt gezahlten Summe und schließlich wird in den letzten beiden Auszahlungsjahren vollständige Beitragsfreiheit entstehen. Im Übrigen ist in Anbetracht der erhaltenen Jahreszahlung nicht ersichtlich, dass die Beitragsforderung den Kläger unverhältnismäßig oder unbillig hart belasten könnte.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.09.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, § 160 SGG.