S 12 AS 860/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 860/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Betreuungs- (Service-, Grundleistungs-) Pauschale, die zusätzlich zur Miete für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Betreutem Wohnen in einer entsprechenden Wohnanlage zu entrichten ist (z. B. Hausnotruf, hauswirtschaftliche und Einkaufs-Hilfe, Freizeitprogramm), fällt begrifflich nicht unter Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, auch wenn der Abschluss eines solchen Vertrags mit dem Mietvertrag rechtlich zwingend verbunden ist.

2. Die Kosten für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Betreutem Wohnen sind ein atypischer Bedarf und als solcher nicht in der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II enthalten, so daß die Gewährung eines fortlaufenden Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II zur Deckung dieses Bedarfs nicht in Betracht kommt.

3. Bei den Kosten für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Betreutem Wohnen handelt es sich um Kosten, die der Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zuzuordnen sind. Sie sind vom Sozialhilfeträger zu übernehmen, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen; insbesondere muss die Inanspruchnahme solcher Dienstleistungen medizinisch notwendig sein.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klage richtet sich auf die Berücksichtigung einer so genannten "Grundleistungspauschale" in Höhe von monatlich 118,00 EUR, die der Kläger an den Träger einer Anlage für Betreutes Wohnen, in der er eine Wohnung bewohnt, zu entrichten hat, im Rahmen der laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bzw. auf deren Übernahme als Sozialhilfeleistung nach dem SGB XII.

Der Kläger, geb. , wird aufgrund einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung vom Rentenversicherungsträger als teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI angesehen und bezieht daher seit dem 1.5.2005 eine Rente wegen Erwerbsminderung, die jedoch ihrer Höhe nach nicht vollständig ausreicht, um den Lebensunterhalt des Klägers zu sichern.

Bis zum 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe von der Bundesagentur für Arbeit. Im Oktober 2004 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung laufender Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bei der Beklagten, die ihm mit Bescheid vom 1.12.2004 für die Zeit vom 1.1. - 30.4.2005 bewilligt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits seit mehreren Jahren wohnungslos. Im Februar 2005 wurde er in das Auffanghaus für Wohnungslose der Arbeitsgemeinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese F. e.V. (AGJ e. V.) in B. (Landkreis B.) aufgenommen. Die Beklagte übernahm die vom AGJ e.V. in Rechnung gestellten Kosten der Unterkunft in Höhe von 238,50 monatlich.

Mit Bescheid vom 14.4.2005 bewilligte die Beklagte die laufenden Leistungen für die Zeit vom 1.5. - 31.10.2005 weiter.

Nachdem der Kläger im Juni 2005 die Zusage für den Bezug einer Einzimmerwohnung in einer Wohnanlage für Betreutes Wohnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in B. erhalten und dies der Beklagten mitgeteilt hatte, teilte ihm die Beklagten mit Schreiben vom 21.6.2005 mit, dass bei einem Einzug dort zwar die Kosten der Kaltmiete inklusive Nebenkosten (insgesamt 321,57 EUR/Monat) übernommen würden, nicht aber die "Grundleistungspauschale" in Höhe von 118,00 EUR/Monat, welche aus der Regelleistung zu erbringen sei. Gegen dieses Schreiben, das von Klägerseite als Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Übernahme der Grundleistungspauschale angesehen wurde, legte der Kläger am 5.7.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung legte er ein Attest seiner Hausärzte Dres L. in B. vor, nach dem bei ihm eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung vorliege, die dringend eine Wohnsituation notwendig mache, die an die Erkrankung angepasst sei. Dies sei bei dem Betreuten Wohnen, in das der Kläger jetzt aufgenommen werden könne, der Fall. Der Kläger trug des weiteren vor, er sei insbesondere auf das Hausnotrufsystem und auf die in der Grundleistungspauschale enthaltene Hilfe bei Einkäufen und Behördengängen im Falle kurzfristiger akuter Erkrankung angewiesen.

Am 25.7.2005 schloss der Kläger mit der Arbeiterwohlfahrt einen Mietvertrag über die anvisierte Wohnung sowie einen "Grundleistungsvertrag", in dem die monatliche Zahlung von 118,00 EUR als Pauschale für folgende Leistungen vereinbart wurde: Pflegeleistungen von bis zu 6 Std./Jahr bei Krankheit und vorübergehender Pflegebedürftigkeit; Erledigung kleinerer Einkäufe und Behördengänge bis zu 8 Mal/Jahr; Beratungsdienste; gesundheitliche Veranstaltungen; kulturelle Veranstaltungen; Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen der Wohnanlage; Betrieb einer 24-Stunden-Notrufanlage. Mit Änderungsbescheiden vom 26.7.2005 und 3.8.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin ab dem 1.8.2005 außer der Regelleistung die zugesicherten Wohnkosten in Höhe von 312,57 EUR monatlich. Die Grundleistungspauschale von monatlich 118,00 EUR wurde jedoch nicht berücksichtigt. Am 1.8.2005 zog der Kläger in die neue Wohnung ein.

Am 25.7.2005 hatte der Kläger beim Sozialgericht Freiburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung u. a. mit dem Ziel der vorläufigen Übernahme der Grundleistungspauschale durch die Beklagte gestellt. Durch Beschluss des Gerichts vom 20.9.2005 wurde die Beklagte vorläufig verpflichtet, ein Darlehen in entsprechender monatlicher Höhe zu gewähren. Das Gericht stützte diese Anspruch auf § 23 Abs. 1 SGB II in der Annahme, dass die geltend gemachten Kosten der Regelleistung des § 20 SGB II zuzuordnen seien. Die Verpflichtung durch das Gericht erstreckte sich auf den Zeitraum vom 1.8.2005 - 31.1.2006. Die Beklagte gewährte das entsprechende Darlehen jedoch auch über dieses Enddatum hinaus freiwillig, im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens aber nur vorläufig, weiter.

Mit Änderungsbescheid vom 1.12.2005 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1.8.2005 - 31.1.2006 ab, allerdings lediglich im Hinblick auf die laufenden Nebenkosten. Die Grundleistungspauschale wurde nach wie vor nicht als durch Leistungen nach dem SGB II zu deckender Bedarf anerkannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.2.2006 wies die Beklagte den dagegen gerichteten Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nicht nachgewiesen, dass im Falle des Klägers Betreutes Wohnen tatsächlich aus medizinischer bzw. pflegerischer Sicht notwendig sei. Ein Hausnotruf könne auch in einem Privathaushalt installiert werden. Ferner sei auch eine Übernahme der Grundleistungspauschale im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II, selbst für einen Übergangszeitraum, ausgeschlossen, da es sich bereits begrifflich nicht um Kosten der Unterkunft handele, sondern Kosten für Dienstleistungen.

Mit seiner am 20.2.2006 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.

Ergänzend zu seiner Widerspruchsbegründung trägt der Kläger vor, dass seine chronische Lungenerkrankung ihrer Natur nach progredient sei und er damit früher oder später ohnehin auf Betreutes Wohnen bzw. pflegerische Versorgung angewiesen sein werde. Der Einzug in die Wohnanlage der AWO habe auf ihn nach den vielen Jahren der Wohnungslosigkeit einen stabilisierenden Einfluss gehabt. Mit diesem Einzug sei der Abschluss der Vereinbarung über die Grundleistungspauschale zwingend verbunden gewesen; ohne diesen Vertragsschluss hätte er die Wohnung überhaupt nicht erhalten könne. Da die Regelleistung nach dem SGB II zu niedrig sei, um einen solchen zusätzlichen Bedarf zu decken, begegne sie bzw. die Festlegung ihrer Höhe verfassungsrechtlichen Bedenken bzw. es sei § 20 SGB II verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass die Höhe der Regelleistung in einem besonderen Bedarfsfall wie dem vorliegenden dem Bedarf angepasst werde, um die durch die starke Pauschalisierung der Leistungen des SGB II entstandene Regelungslücke zu schließen.

Der Kläger beantragt, teilweise sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 12.6.2005, 26.7.2005, 3.8.2005 und 1.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2006 zu verurteilen, ihm laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 1.5. - 31.10.2005 unter Berücksichtigung der an die AWO B. im Rahmen des Betreuten Wohnens zu entrichtende "Grundleistungspauschale" von monatlich 118,00 EUR zu gewähren; hilfsweise, den beigeladenen Landkreis zu verurteilen, diese Kosten als Sozialhilfeleistung nach dem SGB XII zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre mit der Klage angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 7.4.2006 den Landkreis B. als Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG zum Verfahren beigeladen.

Der beigeladene Landkreis beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass die medizinische Notwendigkeit des Betreuten Wohnens im Fall des Klägers nicht nachgewiesen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers.

Die Hausärzte Dres L., teilen in ihrer Auskunft vom 28.11.2007 mit, dass sich der Kläger seit Oktober 2004 regelmäßig wegen einer schweren chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung bei ihnen in Behandlung befinde. Der Kläger sei aufgrund dessen "körperlich wechselnd stark beeinträchtigt". Eine "regelmäßige pflegerische Hilfe, sozusagen andauernd" sei allerdings nicht notwendig. Der Kläger leide tageweise an akuter Atemnot und sei dann nicht in der Lage, die Wohnung zu verlassen oder selbständig hauswirtschaftliche Verrichtungen durchzuführen. Diese Zustände stellten aber "nicht die Regel, sondern wiederholt auftretende Ausnahmesituationen im Rahmen von Infekt oder auch witterungsabhängig (z. B. sehr neblige Wetterverhältnisse)" dar. Letztlich sei dieser Zustand auf "einzelne Tage in unregelmäßigen Abständen (sicherlich etwas vermehrt in der feucht-kalten Jahreszeit" beschränkt.

Der Lungenfacharzt Dr. R., teilt in seiner Auskunft vom 20.3.2008 mit, den Kläger lediglich im November 2004 einmalig behandelt und anschließend noch einmal im Rahmen des Rentenantragsverfahrens begutachtet zu haben. Zu seinem aktuellen Gesundheitszustand und zur Notwendigkeit Betreuten Wohnens könne er daher keine Angaben machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zum Verfahren beigezogenen Gerichtsakte des vorausgegangenen Eilverfahrens S 12 AS 3054/05 ER, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und des beigeladenen Landkreises Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß erhoben und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft nach § 54 Abs. 4 SGG.

Das Klagebegehren legt das Gericht sachdienlich so aus, dass der Kläger im Wege des Hauptantrags die Verurteilung der Beklagten und im Wege eines Hilfsantrags die Verurteilung des beigeladenen Landkreises begehrt, da alternativ zur Leistungspflicht der Beklagten auch eine Leistungspflicht des beigeladenen Landkreises in Betracht kommt.

Streitgegenstand sind der Bescheid der Beklagten vom 12.6.2005 sowie die Änderungsbescheide vom 26.7.2005, 3.8.2005 und 1.12.2005, letzterer allerdings nur, soweit er sich auf laufende Leistungen vom 1.8. - 31.10.2005 bezieht, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2006. Die nach Einlegung des Widerspruchs am 5.7.2005 ergangenen Bescheide sind nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden, da sie sich auf den gleichen Leistungszeitraum beziehen und die ursprüngliche Leistungsbewilligung abändern bzw. ersetzen. Streitbefangen ist also der Leistungszeitraum vom 1.5. - 31.10.2005. Die Einbeziehung der über laufende Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.11.2005 ergangenen weiteren Bescheide in das vorliegende Verfahren nach § 96 SGG ist dagegen nicht möglich, da sie sich auf einen anderen Leistungszeitraum beziehen. In zwei Urteilen vom 7.11.2006 (Az. B 7b AS 14/06 R und B 7b AS 10/06 R - www.bundessozialgericht.de und juris) hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass eine direkte wie analoge Anwendung des § 96 SGG auf Bescheide über Leistungen nach dem SGB II, die nicht den ursprünglich streitbefangenen Zeitraum, sondern Folgezeiträume betreffen, nicht möglich ist, und zwar selbst dann nicht, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen keine Änderung eingetreten und die gleiche Rechtsfrage streitig ist.

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags nicht begründet. Sie ist auch hinsichtlich des Hilfsantrags nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Berücksichtigung der Kosten für die "Grundleistungspauschale" im Rahmen der laufenden Leistungen nach dem SGB II noch gegen den beigeladenen Landkreis auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII zur Deckung dieses Bedarfs.

Die mit der Klage angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Gegen die Beklagte, die nach § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II nur Leistungen nach dem SGB II erbringen kann, besteht der geltend gemachte Anspruch nicht. Denn dem SGB II befindet sich keine Anspruchsgrundlage für die Berücksichtigung der Kosten für eine im Rahmen des Betreuten Wohnens anfallenden Grundleistungspauschale.

Nach Auffassung der Kammer sind - entgegen der noch im Eilbeschluss vom 20.9.2005 im vorausgegangenen Eilverfahren S 12 AS 3054/05 ER vertretenen Auffassung - solche Kosten nicht in der Regelleistungen des § 20 Abs. 1 SGB II enthalten, so dass ein Darlehen nach § 23 Abs 1 SGB II nicht gewährt werden kann. Die in der Grundleistungspauschale enthaltenen Dienstleistungen dienen überwiegend der Gesundheitspflege einschließlich Gesundheitsvorsorge (Beratung, Veranstaltungen/Kurse) und der Versorgung des Bewohners im Krankheitsfall (Einkäufe, kurzfristige Pflegeleistungen, Notrufsystem). Teilweise dienen sie auch der Teilhabe am kulturellen Leben, insbesondere in der Form der Möglichkeit der Teilnahme am kulturellen und geselligen Angebot der Einrichtung. Aber auch wenn die Regelleistung nach § 20 SGB II Positionen für Gesundheitspflege und die Teilhabe am kulturellen Leben enthält, fällt der hier geltend gemachte Bedarf nicht darunter, da er seiner Art nach weit über das hinausgeht, was ein durchschnittlicher Leistungsbezieher nach dem SGB II regelmäßig benötigt. Auch wenn die in § 20 SGB II vorgenommene Aufzählung von typischen Bedarfen nicht im engeren Sinne abschließend ist, ist den dort genannten Bedarfen gleichwohl gemeinsam, dass es sich jeweils um Ausgaben handelt, die für eine Vielzahl von Hilfeempfängern gleichermaßen und regelmäßig wiederkehren (Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Auflage 2005, § 20 Rn. 27). Die Kosten für eine Grundleistungspauschale (auch: Service-, Betreuungspauschale) im Rahmen des Betreuten Wohnens fallen dagegen nicht für eine Vielzahl von Leistungsbeziehern nach dem SGB II gleichermaßen und regelmäßig an, da die wenigsten Bezieher von Arbeitslosengeld II in Anlagen für Betreutes Wohnen leben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diejenigen Hilfeempfänger, die zwar grundsätzlich nach § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig sind, sich aber dennoch aus gesundheitlichen Gründen entschieden haben, in eine Anlage für Betreutes Wohnen zu ziehen, in der deutlichen Minderzahl sind. Es handelt sich damit um einen besonderen, von der Regelleistung des § 20 SGB II nicht umfassten Bedarf. Aus diesem Grund scheidet die Übernahme der geltend gemachten Kosten im Wege eines wiederkehrenden Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II aus, da auf diesem Wege nur ein Bedarf gedeckt werden kann, der selbst von der Regelleistung des § 20 SGB II umfasst ist.

Weitere Anspruchsgrundlagen im SGB II sind nicht ersichtlich. Insbesondere § 22 Abs. 1 SGB II bietet eine solche nicht. Die Kammer hat zwar in anderem Zusammenhang entschieden, dass die Berücksichtigung bestimmter Kosten im Rahmen dieser Vorschrift in Betracht kommen kann, auch wenn es sich diesen begrifflich nicht um Kosten der Unterkunft und Heizung handelt, sie aber zwingend rechtlich mit den Kosten der Unterkunft und Heizung verbunden sind, etwa weil sie als nicht abtrennbare, nicht isoliert kündbare Position im Mietvertrag enthalten sind (SG Freiburg, Urteil vom 1.2.2008, Az. S 12 AS 2614/06 - juris - für die Kosten der Miete einer Garage; Urteil vom 9.11.2007, Az. S 12 AS 567/07 - juris - für die Kosten eines Kabelanschlusses; zu letzteren ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.05.2007, Az. L 7 AS 3135/06 - juris). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragbar. Zwar hat der 13. Senat des Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG vom 28.6.2006 (Az. L 13 AS 2297/06 ER-B - juris) entschieden, dass "viel dafür" spreche, die für den Mieter einer Wohnung in einer betreuten Seniorenwohnanlage unausweichliche und nicht zu seiner Disposition stehende Betreuungs- oder Servicepauschale zu den Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs 1 S 1 SGB II zählen (Rn. 5 der Entscheidung). Das gleiche hat der 7. Senat des Landessozialgerichts für die Parallelvorschrift § 29 SGB XII angenommen (Beschluss vom 8.9.2005, Az. L 7 SO 2708/05 - juris). Diese Fälle zeichneten sich jedoch dadurch aus, dass die jeweils betroffene Unterkunft, deren Anmietung mit unausweichlichen weiteren Kosten verbunden war, bereits vor dem Eintritt in den laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bzw. SGB XII bezogen worden war bzw. die Unterbringung im Betreuten Wohnen, die zu den zusätzlichen Kosten führte, von den Beteiligten unstreitig als notwendig angesehen wurde. Im ersteren Fall sahen sich die Betroffenen also plötzlich mit der Alternative konfrontiert, entweder gegenüber dem Vermieter Rückstände auflaufen zu lassen, die ggf. zur Gefährdung der Unterkunft insgesamt hätten führen können, oder aber die Unterkunft allein wegen der mit ihr verbundenen weiteren Kosten wechseln zu müssen, so dass die Übernahme dieser Kosten jedenfalls für eine Übergangsfrist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II erfolgen musste. Diese Situation ist bei dem Kläger jedoch nicht gegeben, da er die in Frage stehende Wohnung nicht bereits beim Eintritt in den Leistungsbezug bei der Beklagten bewohnte, sondern erst währenddessen anmietete und bereits vor Abschluss des Mietvertrags von der Beklagten vorab darauf hingewiesen worden war, dass diese Kosten nicht übernommen werden könnten. Die Schutzfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist dem Kläger daher nicht einzuräumen, zumal nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass diese Wohnung die einzige war, die der Kläger überhaupt hätte anmieten können. Ferner sind die oben genannten Entscheidungen des Landessozialgerichts auch deswegen auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil die Kammer sich nicht davon überzeugen kann, dass das Betreute Wohnen im Falle des Klägers aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich zwingend notwendig ist (hierzu siehe unten) - was bei den vom Landessozialgericht entschiedenen Fällen nicht streitig war oder jedenfalls nicht thematisiert wurde.

Die von Klägerseite vertretene Auffassung, die u. a. von der 21. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart in einem Beschluss vom 29.9.2005 (Az. S 21 SO 5122/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de/juris) vertreten worden war, dass der Leistungsträger nach dem SGB II im Wege der analogen Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu einer den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragenden abweichenden Festsetzung der Höhe der Regelleistung verpflichtet sein kann, teil die Kammer nicht (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.3.2006, Az. L 7 SO 509/06 ER-B und vom 15.5.2006, Az. L 13 AS 1708/06 ER-B - beide veröffentlicht in juris). Anders als für den Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB XII hat der Gesetzgeber die Höhe der Regelleistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20 SGB II gerade nicht flexibel gestaltet, sondern sich für eine strikte Pauschalierung entschieden. Dies ist nunmehr auch in § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II ausdrücklich klargestellt worden. Es besteht hinsichtlich des hier geltend gemachten Bedarfs auch kein Bedürfnis nach einer analogen Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Denn es besteht nach Auffassung der Kammer hinsichtlich des Anspruchs auf die Übernahme der hier geltend gemachten Kosten auch bei einem Leistungsberechtigten nach dem SGB II keine Regelungslücke. Denn ein solcher Anspruch kann sich aus Vorschriften des SGB XII ergeben (hierzu siehe unten), deren Anwendung auf Leistungsberechtigte nach dem SGB II gerade nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen ist.

Damit ist die Beklagte nicht zur Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten im Rahmen der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19ff. SGB II verpflichtet.

Aber auch gegen den beigeladenen Landkreis besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch auf die Übernahme der geltend gemachten Kosten. Denn der Kläger hat keinen dahingehenden Anspruch nach den Vorschriften des SGB XII.

Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist, nachdem der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld II von Ansprüchen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, § 21 SGB XII), § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.

Nicht in Betracht kommt dagegen § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen), wonach Sozialhilfeleistungen in sonstigen Lebenslagen erbracht werden können, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Denn § 73 SGB XII setzt voraus, dass eine Bedarfslage besteht, die nicht im Dritten bis Achten Kapitel des SGB XII ausdrücklich geregelt ist (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 1. Auflage 2005, § 73 Rn. 3), also eine vom Gesetzgeber nicht vorhergesehene besondere Notlage. § 73 SGB XII ist dagegen kein allgemeiner Auffangtatbestand, der immer dann eingriffe, wenn die Bedarfslage zwar im Dritten bis Achten Kapitel des SGB XII geregelt ist, aber die dortigen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 1. Auflage 2005, § 73 Rn. 3). Die Übernahme der Kosten für eine Grundleistungspauschale (Betreuungs-/Servicepauschale) im Rahmen des Betreuten Wohnens ist aber gerade in den Vorschriften des Dritten bis Achten Kapitels des SGB XII ausdrücklich geregelt (hierzu siehe unten).

Als Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Bedarf scheidet auch § 70 SGB XII (Hilfe zur Weiterführung des Haushalts) aus. Denn diese Vorschrift regelt den Fall, dass - in der Regel nur übergangsweise - die gesamte Haushaltsführung übernommen werden muss (so genannte "große Haushaltshilfe"), nicht nur einzelne Verrichtungen, die zur Haushaltsführung gehören (so genannte "kleine Haushaltshilfe" - so auch SG Hamburg, Beschluss vom 13.6.2005, Az. S 51 SO 267/05 ER und Beschluss vom 27.10.2005, Az. S 58 SO 514/05 ER sowie SG Stuttgart, Beschluss vom 29.9.2005, Az. S 21 SO 5122/05 - alle veröffentlich in juris). Die hier zu entrichtende Grundleistungspauschale deckt jedoch lediglich die die Erledigung kleinerer Einkäufe und Behördengänge ab, dies auch nur in einem Umfang von bis zu achtmal jährlich. Leistungen z. B. für die Reinigung der Wohnung und der Wäsche sind überhaupt nicht vorgesehen. Die Bedarfslage, die die Grundleistungspauschale abdeckt, entspricht damit einer "kleinen Haushaltshilfe" für einzelne Verrichtungen und ist damit in § 70 SGB XII gerade nicht geregelt.

Richtige Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Bedarf wäre demnach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Diese Vorschrift aus dem Siebten Kapitel des SGB XII ist auch auf Leistungsbezieher nach dem SGB II anwendbar; dies ist durch § 21 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 5 Abs. 2 SGB II gerade nicht ausgeschlossen.

Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen Hilfe zur Pflege zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Diese Vorschrift korrespondiert mit den Regelungen des Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI), wie sich aus §§ 61 Abs. 2, 62 SGB XII ergibt. Die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII würde allerdings. medizinische Feststellungen darüber voraussetzen, dass der Kläger wenigstens die Pflegestufe I gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI erreicht. Dies ist hier nicht der Fall. Es liegen keinerlei medizinische Feststellungen darüber vor, dass der Kläger pflegebedürftig im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung wäre. Dies ist auch nicht vorgetragen.

Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist Hilfe zur Pflege allerdings auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 der Vorschrift haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 der Vorschrift bedürfen. Es handelt sich hier um eine Öffnungsklausel bzw. einen Auffangtatbestand, der die Kostenübernahme auch für einen pflegerischen Bedarf ermöglicht, der unterhalb der Pflegestufen der gesetzlichen Pflegeversicherung liegt (so genannte "Pflegestufe 0"). In diesem Zusammenhang ist jeder messbare Aufwand relevant (Hessisches LSG, Beschluss vom 4.7.2006, Az. L 9 SO 24/06 ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Der Kläger hat vorgetragen, in mehrfacher Hinsicht aus gesundheitlichen Gründen auf das Wohnen in einer Anlage des Betreuten Wohnens und die damit verbundenen Leistungen der Einrichtung, die durch die Grundleistungspauschale abgegolten sind, angewiesen zu sein. Insbesondere leide er immer wieder unter asthmatischen Anfällen, die mit schwerer Atemnot einhergingen. In einer solchen Situation sei er auf die Möglichkeit angewiesen, über die Hausnotrufanlage Hilfe zu holen. Tage, an denen er solche Anfälle erleide, zwängen ihn auch immer wieder dazu, im Haus zu bleiben, so dass er dann keine Einkäufe und sonstige Besorgungen erledigen könne.

Gleichwohl kann sich die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass die vom Kläger glaubhaft vorgetragenen und von den behandelnden Hausärzten bestätigten regelmäßig auftretenden gesundheitlichen Beschwerden in Folge der chronischen Lungenerkrankung tatsächlich das Wohnen in einer Anlage für Betreutes Wohnen, durch das eine Grundleistungspauschale wie die hier geltend gemachte zwingend anfällt, seinerseits zwingend erforderlich ist, um dem Kläger ein eigenverantwortliches Lebens in einer eigenen Wohnung zu ermöglichen. Vielmehr haben die Hausärzte des Klägers lediglich bestätigen können, dass - woran die Kammer nicht zweifelt - der Einzug in die Anlage für Betreutes Wohnen allgemein eine positive stabilisierende Wirkung auf die Lebenssituation des zuvor langjährig wohnungslos gewesenen Klägers hatte. Aus medizinischer Sicht notwendig, d. h. erforderlich, sei diese Maßnahme allerdings nicht gewesen. Eine "regelmäßige pflegerische Hilfe, sozusagen andauernd" wurde ausdrücklich als nicht notwendig bezeichnet. Der Kläger leide tageweise an akuter Atemnot und sei dann nicht in der Lage, die Wohnung zu verlassen oder selbständig hauswirtschaftliche Verrichtungen durchzuführen. Diese Zustände stellten aber "nicht die Regel, sondern wiederholt auftretende Ausnahmesituationen im Rahmen von Infekt oder auch witterungsabhängig (z. B. sehr neblige Wetterverhältnisse)" dar. Letztlich sei dieser Zustand auf "einzelne Tage in unregelmäßigen Abständen (sicherlich etwas vermehrt in der feucht-kalten Jahreszeit" beschränkt. Für die Kammer stellen sich damit die Situationen, in denen der Kläger den Hausnotruf nutzen muss und der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Hilfe bedarf, (noch) als extreme Ausnahmen dar, die nicht so regelmäßig oder gehäuft auftreten, dass dies derzeit ein dauerhaftes Wohnen im Betreuten Wohnen mit einer entsprechenden Absicherung durch die in der Grundleistungspauschale enthaltenen (Bereitschafts-)Dienste zwingend notwendig macht. Vielmehr ist anzunehmen, dass im akuten Krankheitsfall eine adäquate Versorgung des Klägers auch in einer Privatwohnung sichergestellt werden könnte. Dies gilt insbesondere für die Bereitstellung eines Hausnotrufsystems. Aus Sicht der Kammer ist glaubhaft vorgetragen und durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen belegt, dass eine entsprechende Anlage für den Kläger notwendig ist. Daraus folgt aber nicht die Notwendigkeit Betreuten Wohnens insgesamt. Vielmehr könnte ein solches System auch in einer Privatwohnung installiert werden.

Daraus folgt, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht vorliegen. Im Rahmen dieser Öffnungsklausel für Pflegeleistungen unterhalb der Pflegestufe I ist zwar jeder messbare Aufwand relevant, nicht nur ein Aufwand bestimmten zeitlichen oder qualitativen Ausmaßes. Relevant sein kann im konkreten Fall aber immer nur ein Aufwand, der auch aus medizinischer Sicht notwendig ist. Dies konnte im vorliegenden Fall jedoch durch die behandelnden Hausärzte des Klägers nicht bestätigt werden. Der vom Kläger im Jahr 2004 konsultierte Lungenfacharzt Dr. R. konnte zu dieser Frage gar keine Einschätzung abgeben. Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen des Gerichts zu dieser Frage sind nicht gegeben.

Damit sind auch die Voraussetzungen für einen Anspruch gegen den beigeladenen Landkreis nach den Vorschriften des SGB XII nicht gegeben.

Die Klage konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben und war folglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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