S 13 RA 1135/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 1135/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1494/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit der Klägerin zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) feststellen muss.

Der 1945 geborenen Klägerin wurde seitens der Ingenieurschule für Elektronik, Maschinenbau und Bergbautechnik "Ernst Thälmann" in S mit Urkunde vom 2. Februar 1973 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung Ingenieurökonom zu führen. Als solche war sie im streitbefangenen Zeitraum und darüber hinaus beim VEB Geräte- und Regler-Werke T, Betriebsteil C, dem späteren VEB Geräte- und Reglerwerk C, ab 1986 VEB Automatisierungsanlagen Cottbus und schließlich ABB Automatisierungsanlagen GmbH Cottbus, beschäftigt und dabei zunächst als Bereichsökonomin, ab 1977 als Bearbeiterin für Planung und Koordinierung im technischen Bereich und ab 1983 als Sachgebietsverantwortliche für technische Vorleistungen tätig.

Eine Zusage zusätzlicher Altersversorgung wegen der Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz wurde der Klägerin nicht erteilt; sie hat auch nicht vorgetragen, einen einzelvertraglichen Anspruch auf eine derartige Zusage gehabt zu haben. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat die Klägerin zum 1. März 1987 bei.

Am 14. Oktober 2002 beantragte die Klägerin die Feststellung der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2003 ab und führte zur Begründung aus, sie habe am 30. Juni 1990 weder eine Versorgungszusage gehabt noch eine Beschäftigung ausgeübt, aufgrund derer sie - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 17. Juli 2003 Widerspruch ein und führte aus, sie sei ingenieurtechnisch tätig gewesen. So habe sie zum Beispiel bei der Erstellung von Konstruktions- und Projektierungsunterlagen mitgearbeitet, Kalkulationsunterlagen erarbeitet, Materiallisten erstellt und die Montageleistungen im technologischen Prozess überwacht.

Mit Bescheid vom 28. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Daraufhin hat die Klägerin am 22. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben und vorgetragen, für die Ausübung der von ihr verrichteten Tätigkeiten seien sowohl kaufmännisches als auch technisches Fachwissen erforderlich gewesen. Dass sie vorwiegend ingenieurtechnisch gearbeitet habe, könne ihr ehemaliger Abteilungsleiter bestätigen.

Die Beklagte hat gemeint, nur die ingenieurtechnisch Tätigen, die hervorragenden Einfluss auf die Produktionsvorgänge genommen hätten, seien vom Anwendungsbereich der Versorgungsordnung erfasst. Zu diesem Personenkreis habe die Klägerin jedoch nicht gehört.

Mit Urteil vom 14. Juli 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht ingenieurtechnisch gearbeitet und durch ihre Tätigkeit zwar Kenntnisse über den Produktionsablauf, aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Herstellungsvorgänge gehabt. Sie gehöre daher nicht zum Kreis derer, die von der Versorgungsordnung erfasst gewesen seien.

Gegen das ihr am 17. August 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. September 2005 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung fest und meint, sie habe die persönlichen, die sachlichen und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt, um Anspruch auf die begehrten Feststellungen zu haben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, die Voraussetzungen für einen dem Begehren der Klägerin entsprechenden Anspruch seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der Beschäftigungsbetrieb am Stichtag 30. Juni 1990 kein volkseigener Produktionsbetrieb mehr gewesen sei. Da der VEB Automatisierungsanlagen C in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt und das gesamte Fondsvermögen mit Wirkung zum 1. Juni 1990 auf die Nachfolgegesellschaft übertragen worden sei, habe der VEB nach Gründung der GmbH nicht mehr selbst für eigene Rechnung produzieren und aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen können. Der VEB habe zwar als Rechtssubjekt noch bestanden, es habe sich aber nur noch um eine "leere Hülle" gehandelt. Die Beklagte hat den Beschäftigungsbetrieb der Klägerin betreffende Auszüge aus dem ehemaligen Register der volkseigenen Wirtschaft (Registernummern 330 und 110-06-330) und dem Handelsregister B beim Amtsgericht C (Registernummer HRB 859 CB) sowie der Umwandlungserklärung, des Gesellschaftsvertrags und des Gründungsberichts vom 20. Juni 1990 in Ablichtung zu den Akten gereicht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Cottbus hat die Klage zu Recht abgewiesen. Einen Anspruch darauf, dass die Beklagte den streitigen Zeitraum als solchen ihrer Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt, hat die Klägerin nicht. Zutreffend hatte die Beklagte ihren darauf gerichteten Antrag abgelehnt und den Widerspruch zurückgewiesen.

Das Begehren der Klägerin ist letztlich auf die Leistungen einer (höheren) Rente gerichtet. Da sie im streitigen Zeitraum originäre rentenrechtliche Zeiten im bundesdeutschen Rentenversicherungssystem nicht zurückgelegt hat, der bundesdeutsche Rentenversicherungs-träger aber grundsätzlich nur seinen Versicherten zur (höheren) Leistung verpflichtet ist, bedarf es zur Begründung und Ausgestaltung von Rechten und Anwartschaften im Rahmen des insoweit maßgeblichen Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie zur Wertbestimmung derartiger Berechtigungen nach dessen Grundsätzen jeweils besonderer bundesrechtlicher Grundlagen. Der Bundesgesetzgeber hat diesen Vorgang in zwei voneinander zu trennende Verfahren gegliedert. Während das eine Verfahren mit dem Erlass eines sogenannten Entgeltbescheides endet, hat das andere einen die Rente feststellenden Bescheid zum Ziel. In dem erstgenannten Verfahren hat der Versorgungsträger, hier die Beklagte, - dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlich - gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Zu diesen Daten gehören neben den Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AAÜG) die in diesen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (vgl. zu diesem Verfahren im Einzelnen das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 6/01 R m.w.N., SozR 3-8570 § 8 Nr. 7), so dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt besteht. Dies ist hier nicht der Fall.

Einen ihrem Begehren entsprechenden Anspruch hat die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie nicht in den persönlichen Geltungsbereich der Vorschriften des AAÜG fällt. Eine Prüfung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen ergibt, dass die Vorschriften des AAÜG keine Anwendung finden. Die Regelungen des AAÜG gelten für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Ansprüche hatte die Klägerin noch nicht erworben, denn im Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme, am 30. Juni 1990, war sie noch nicht versorgungsberechtigt. Sie hatte auch keine Versorgungsanwartschaft. Solche Anwartschaften hatten Personen, die am 30. Juni 1990 Inhaber einer Versorgungszusage waren oder eine solche früher gehabt hatten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), für die sich dies aus einer einzelvertraglichen Regelung ergab, oder die nach den abstrakt-generellen Regelungen der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 zwingend einzubeziehen waren, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Versorgungszusage erfüllten und diese auch nicht von einer Ermessensentscheidung einer dazu berufenen Stelle der DDR abhängig war (vgl. das Urteil des BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, D-spezial 2004, Nr. 8 S. 8 [Kurzwiedergabe], Volltext in juris). Dass das AAÜG auch auf dem letztgenannten Personenkreis Zugehörige Anwendung findet, es also nicht allein darauf ankommt, ob zum 1. Juli 1990 in der DDR ein Versorgungsanspruch oder eine entsprechende Anwartschaft bestand, ergibt sich bereits daraus, dass als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten vor Einführung eines Versorgungssystems gelten (§ 5 Abs. 2 AAÜG) und ein Verlust von Anwartschaften bei Ausscheiden vor dem Leistungsfall nach dem Willen des Bundesgesetzgebers unberücksichtigt bleibt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Die Frage der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem ist in aller Regel entscheidend danach zu beantworten, ob eine tatsächlich ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach zu denjenigen gehört, derentwegen entsprechend der nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts zu verstehenden Versorgungsordnung und gegebenenfalls weiteren einschlägigen generellen und veröffentlichten Erläuterungen hierzu zu irgendeinem Zeitpunkt ein Versorgungssystem errichtet war. Um das Ziel, eine sachgerechte und willkürfreie Zuordnung der bundesrechtlichen Rechtsfolgen sicherzustellen, erreichen zu können, sollen - wie sowohl die teleologische als auch die systematische Auslegung insbesondere der §§ 5 bis 8 AAÜG ergeben - nach dem Willen des Gesetzgebers alle auch nur potentiell Begünstigten, allerdings auch nur diese, in das besondere Verfahren einbezogen werden. Ausgehend davon bedarf es zur Beantwortung der Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem des Rückgriffs auf diejenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft. Im Falle des § 5 Abs. 1 AAÜG sind dies die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen, wobei diese gegebenenfalls durch sonstige einschlägige und in Übereinstimmung hiermit ergangene abstrakt-generelle Vorgaben von zuständigen Stellen der früheren DDR, zu denen insbesondere Durchführungsbestimmungen gehören, ergänzt werden. Dabei ist die Bedeutung der Texte ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts, insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG]) und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 5 AAÜG zu bestimmen (vgl. dazu das Urteil des BSG vom 9. April 2002, B 4 RA 42/01 R, zitiert nach juris). Wie die Versorgungsordnungen und die Durchführungs-bestimmungen durch Stellen der DDR ausgelegt und angewandt wurden, muss insoweit ohne Belang sein, denn anderenfalls bestünde die Möglichkeit einer normativen Verfestigung willkürlicher Vorgehensweisen (vgl. die Entscheidungen des BSG vom 24. März 1998, B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3, und vom 30. Juni 1998, B 4 RA 11/98 R, SGb 1998, S. 526 f. [Kurzwiedergabe], Volltext in juris). Ob nämlich außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnungen und der einschlägigen Durchführungsbestimmungen vorgegebenen Rahmens liegende Umstände die Aussicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage als berechtigt erscheinen lassen konnten, lässt sich heute mangels einer gesicherten Beurteilungsgrundlage nicht willkürfrei entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2001, B 4 RA 117/00 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6).

Am 30. Juni 1990 gehörte die Klägerin nicht zur Gruppe derjenigen, die in das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz obligatorisch einzubeziehen waren. Ob jemand aufgrund seiner Qualifikation und der ausgeübten Beschäftigung zum Kreis der durch die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz Begünstigten zu zählen ist, lässt sich durch die Heranziehung der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I S. 844) - VOAVItech - allein nicht klären. Dort heißt es in § 1 nur, für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben werde über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Dass es - unter anderem - zur Konkretisierung des nur vage umrissenen Begriffs der Angehörigen der technischen Intelligenz und damit des Kreises der Begünstigten noch näherer Bestimmungen bedurfte, war dem Verordnungsgeber offenbar bewusst, denn § 5 zufolge waren durch das Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Die Ausfüllung des Begriffs "Angehörige der technischen Intelligenz", das heißt die Definition des von der Verordnung erfassten Personenkreises, dem die zusätzliche Versorgungsversicherung zugute kommen sollte, findet sich in der hier ebenfalls heranzuziehenden zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487), durch welche die erste Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl. DDR S. 1043) außer Kraft gesetzt wurde. Danach war das Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die 1. berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, 2. entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausübten und die 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb tätig waren.

Die erste Voraussetzung erfüllte die Klägerin, denn als Ingenieurökonomin war sie nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. DDR II S. 278) bezüglich der Berechtigung zum Führen dieses Titels den Ingenieuren gleichgestellt (vgl. das Urteil des BSG vom 7. September 2006, B 4 RA 47/05 R, zitiert nach juris).

Ob die zweite Voraussetzung erfüllt ist, ist fraglich, kann aber letztlich dahinstehen, weil bei der Klägerin im Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme jedenfalls die dritte, das heißt die betriebsbezogene Voraussetzung nicht vorlag. Sie war nämlich am 30. Juni 1990 nicht (mehr) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesem gleichgestellten Betrieb beschäftigt.

Der VEB Automatisierungsanlagenbau C dürfte ursprünglich ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie gewesen sein. Am 30. Juni 1990 aber war er es nicht mehr.

Zwar war der VEB Automatisierungsanlagenbau C am Stichtag noch nicht erloschen, denn ein nach der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwVO) vom 1. März 1990 (GBl. DDR I S. 119) umgewandelter VEB erlosch gemäß § 7 UmwVO erst mit Eintragung der GmbH in das Register. Die Eintragung der ABB Automatisierungsanlagen Cottbus GmbH erfolgte erst am 26. Februar 1991, also nach dem 30. Juni 1990. Gemäß § 23 des Treuhandgesetzes (TreuhG) vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 300) i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 TreuhG war der VEB jedoch bereits kraft Gesetzes (§ 11 Abs. 1 TreuhG) vom 1. Juli 1990 an eine GmbH. Bis zu diesem Zeitpunkt, also bis zum Stichtag 30. Juni 1990, bestand ein Nebeneinander von VEB und Kapital-Vorgesellschaft in Gestalt einer GmbH in Gründung (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 4/04 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Für die Vorgesellschaft (GmbH i.G.) galt gemäß § 4 Abs. 3 UmwVO bis zum 1. Juli 1990 das in der DDR fortgeltende GmbH-Gesetz vom 20. April 1892 (RGBl. S. 477) in der Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 846).

Der am Stichtag rechtlich noch existente VEB Automatisierungsanlagenbau C war aber am 30. Juni 1990 kein Produktionsbetrieb mehr. Mit der notariellen Umwandlungserklärung vom 20. Juni 1990 wurde nämlich das gesamte Vermögen des volkseigenen Betriebs und damit auch die Produktionsmittel mit Stichtag vom 1. Juni 1990 aus der bisherigen Fondsinhaberschaft auf die mit Gesellschaftsvertrag vom selben Tag gegründete ABB Automatisierungsanlagen C GmbH übertragen und bildete § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags zufolge das Stammkapital der neuen Gesellschaft. Die Rechtsträgerschaft an Grund und Boden ging zu diesem Zeitpunkt an die Treuhandanstalt über, die Nutzungsrechte an die GmbH i.G. Der VEB Automatisierungsanlagenbau C verfügte somit am Stichtag gar nicht mehr über die Betriebsmittel, um Produktionsaufgaben welcher Art auch immer zu erfüllen. Er war vermögenslos und existierte nur noch als Rechtssubjekt ohne Produktionsaufgaben und ohne wirtschaftliche Tätigkeit. Diese wurde bereits von der am 20. Juni 1990 entstandenen und bis zu ihrer Eintragung in das Handelsregister teilrechtsfähigen und nach außen unbeschränkt handlungsfähigen Vorgesellschaft wahrgenommen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, a.a.O.). Nach dem Willen der die Umwandlung Erklärenden war der VEB am 30. Juni 1990 praktisch nur noch eine "leere Hülle" (vgl. die Urteile des Senats vom 12. September 2008, L 4 R 346/05, und vom 20. März 2009, L 4 R 1819/05; ebenso LSG Thüringen, Urteile vom 29. Januar 2007, L 6 R 509/05, und vom 26. Februar 2007, L 6 R 11/05, und LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 16. März 2007, L 1 R 1617/05, und vom 23. Mai 2007, L 21 RA 167/04, sowie Beschlüsse vom 4. Juni 2008, L 3 R 1482/06, und vom 9. Juli 2008, L 16 R 355/07, alle zitiert nach juris), in welcher niemand - und folglich auch nicht die Klägerin - mehr tatsächlich beschäftigt sein konnte.

Wollte man annehmen, die Klägerin sei am 30. Juni 1990 in der ABB Automatisierungsanlagen C GmbH i.G. beschäftigt gewesen, so ist die betriebliche Voraussetzung schon deshalb nicht erfüllt, weil ein in einer solchen Rechtsform geführtes Unternehmen, das schon kein volkseigener Betrieb war, nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in den Anwendungsbereich des zu Bundesrecht gewordenen § 1 Abs. 1 der zweiten Durchführungsbestimmung und damit des Zusatzversorgungssystems fällt (vgl. zuletzt Urteil vom 7. September 2006, SozR 4-8570 § 1 Nr. 11, m.w.N.). Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich manche Kläger gegen diese Rechtsprechung gewandt hatten, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, SozR 4-8560 § 22 Nr. 1).

Die Klägerin war schließlich am 30. Juni 1990 auch nicht in einem den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens versorgungsrechtlich gleichgestellten Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der zweiten Durchführungsbestimmung beschäftigt. Die dort zu findende abschließende Aufzählung nennt keinen Betrieb dieser Rechtsform. Nach dem Unternehmens- und Betriebszweck kommt auch keine andere der dort genannten Betriebsarten in Betracht.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem hat, hat sie auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob in Umwandlungsfällen bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz auf den Zeitpunkt der (rückwirkenden) Übertragung der Produktionsmittel nach dem Umwandlungsvertrag abzustellen ist, wegen der Vielzahl der davon betroffenen Verfahren grundsätzliche Bedeutung bei.
Rechtskraft
Aus
Saved