Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 1544/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1046/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die ihr im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.
Die 1948 geborene Klägerin lebt getrennt; sie hat einen erwachsenen Sohn. Nach Abschluss der Schule im Sommer 1965 begann die Klägerin am 1. September 1965 eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin, die sie am 18. August 1967 mit Bestehen der Facharbeiterprüfung erfolgreich abschloss. Bis zum 31. Oktober 1993 war sie in ihrem erlernten Beruf tätig, seit September 1969 bei der Maß- und Bühnenkleidung F GmbH in B. Vom 15. November 1994 bis zum 30. November 1996 und nochmals vom 15. Juli 1998 bis zum 14. Juli 2000 war sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Schneiderin beschäftigt. Seitdem ist sie nicht mehr erwerbstätig gewesen. Seit dem 13. Mai 2003 ist die Klägerin krank geschrieben.
Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt; der Grad der Behinderung ist seit Dezember 2003 mit 50 festgestellt.
Am 18. November 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu den Fragen, seit wann und wegen welcher Gesundheitsstörungen sie sich für erwerbsgemindert halte und welche Arbeiten sie ihrer Auffassung nach noch verrichten könne, machte sie keine Angaben.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten folgende medizinische Unterlagen vor: Ein Arztbrief des M-Krankenhauses, Chirurgische Klinik, Allgemein- und Visceralchirurgie, vom 19. März 2003 (Teilepikrise), Berichte der Allgemeinmedizinerin H an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 26. Mai 2003 und vom 17. Juni 2003, ein Bericht des Neurologen und Psychiaters W an den MDK vom 14. Juli 2003, von Prof. Dr. K für den MDK erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 13. Oktober 2003 und vom 20. November 2003 (beide aufgrund Untersuchung) mit Nachtrag vom 25. November 2003, ein Schreiben des behandelnden Neurologen und Psychiaters W an die Krankenversicherung der Klägerin vom 28. November 2003, ein von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin R aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 5. Januar 2004 für den MDK erstelltes Gutachten.
Die Beklagte ließ die Klägerin von der Internistin Dr. C untersuchen. Diese erstellte unter dem 20. Januar 2004 ein Gutachten, in welchem es heißt, bei der Klägerin bestünden der Verdacht auf ein depressives Syndrom, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Belastungsschmerz sowie ein Zustand nach Schilddrüsenoperation bei Struma colli. Im Vordergrund der geschilderten Beschwerden stünden die psychischen Probleme. Die Klägerin habe angegeben, unter Unruhezuständen, Panikattacken und Depressionen zu leiden. Sie sei im Alltag, insbesondere bei der Bewältigung von Wegstrecken und in öffentlichen Räumen auf die Begleitung ihres Sohnes angewiesen. Seit August 2003 befinde sie sich in neurologisch-psychiatrischer Mitbehandlung; die Therapie erfolge derzeit nur medikamentös. Seitens des Bewegungsapparates bestünden keine gravierenden Einschränkungen; die Beweglichkeit sei lediglich endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Seit der Schilddrüsenoperation erfolge eine hormonelle Substitution. Hinsichtlich der letzten beruflichen Tätigkeit als Maßschneiderin schätzte die Gutachterin das Leistungsvermögen der Klägerin als auf drei bis unter sechs Stunden täglich reduziert ein; eine Besserung sei unwahrscheinlich. Die Klägerin könne aber, so führte die Sachverständige aus, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in überwiegend stehender, gehender oder sitzender Haltung unter Vermeidung von Nachtschicht und ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, insbesondere Zwangshaltungen, sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte ließ die Klägerin des Weiteren durch den Psychiater B untersuchen, der unter dem 10. Februar 2004 ein Gutachten erstellte, in welchem er zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin auf seinem Fachgebiet unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit Regression (depressive Neurose) leide. Ihr Leistungsvermögen schätzte er als gefährdet ein und führte aus, sie sei ein Behandlungsfall. Eine Verbesserung des Leistungsvermögens sei unter Ausschöpfung der möglichen therapeutischen Maßnahmen wahrscheinlich. Zu erzielen sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den erlernten Beruf ebenso für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. Mai 2004 ab und führte zur Begründung aus, sie könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen im erlernten Beruf als Damenmaßschneiderin zwar nur noch in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Da sie aber andere, ihr unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbare Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne und der Arbeitsmarkt auch nicht verschlossen sei, liege keine Erwerbsminderung vor.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 7. Juni 2004 Widerspruch ein und trug vor, ihr Gesundheitszustand habe sich seit der Antragstellung noch verschlechtert. Trotz medikamentöser Behandlung hätten sich die Depressionen und Angstzustände auch nach der Operation der Schilddrüse nicht gebessert.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus, die zeitnahe und umfassende Begutachtung der Klägerin durch Fachärzte für Innere Medizin und Psychiatrie habe ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten ärztlicherseits noch nicht ausgeschöpft seien. Die Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren führten insoweit zu keinem abweichenden Ergebnis.
Am 5. August 2004 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, um ihr Begehren weiter zu verfolgen. Ein Schreiben ihrer Hausärztin, der Allgemeinmedizinerin H, vom 4. Juli 2004 und ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters W vom 15. Juli 2004 hat sie beigefügt.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei mehrfach ein Heilverfahren angeboten worden, was sie jedoch abgelehnt habe. Vor dem Bezug einer Rente müsse aber ein Mindestmaß an Mitwirkung erfüllt sein. Im laufenden Rentenstreit sei allerdings die Durchführung eines Heilverfahrens wenig Erfolg versprechend. Die Beklagte hat Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 15. Dezember 1993 im Verfahren L 6 J 17/93, des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 2000 im Verfahren L 13 (8) RJ 184/98 und des LSG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2004 im Verfahren L 3 RJ 3999/03 sowie eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg zu einem anderen beim Sozialgericht (SG) Berlin anhängig gewesenen Verfahren (S 26 RJ 1121/01) vom 17. Oktober 2002 in Ablichtung zu den Akten gereicht.
Von den folgenden, nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesenen medizinischen Unterlagen hat das Sozialgericht aus den Akten des Arbeitsamts Berlin Ost, ärztlicher Dienst, Ablichtungen gefertigt und zu den Akten genommen: Von Dr. Q nach Untersuchung der Klägerin unter dem 7. Januar 2005 für die Agentur für Arbeit Berlin Ost erstelltes Gutachten, demzufolge sie unter einer schweren depressiven Störung bei ängstlich-abhängiger Persönlichkeitsstörung mit depressiver Entwicklung, initialer Coxarthrose rechts, einem rezidivierenden Lumbalsyndrom bei Spondylochondrose der Lendenwirbelsäule, einem Frozen-Shoulder-Syndrom, einem Pes valgus und Hallux valgus beidseits sowie einem rezidivierenden Zervikobrachialsyndrom leidet, ärztliche Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin H vom 4. Februar 2004, von Dipl. Med. M unter dem 7. September 2004 für den MDK erstelltes sozialmedizinisches Gutachten, ärztlicher Bericht des Neurologen und Psychiaters W an die Agentur für Arbeit Berlin Ost vom 9. Dezember 2004.
Aus den Akten des Versorgungsamts hat das Sozialgericht Ablichtungen folgender Unterlagen gefertigt und zu den Akten genommen: Ärztlicher Befundbericht der Allgemeinmedizinerin H vom 30. Januar 2004, gutachtliche Stellungnahme zum Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung vom 2. März 2004, berufskundliche Auskunft des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie e.V. vom 29. Januar 2003, Stellungnahmen des Hotels S, des K Hotels B, des D Hotels Berlin-Mitte, des Hotels Berliner Bär GmbH, des A Motels An der Messe und des Hotels U L zu von der 22. Kammer des SG Berlin in einem anderen Verfahren (S 22 RJ 2696/00) gestellten berufskundlichen Fragen zur Einsatzmöglichkeit einer leistungsgeminderten Textilreinigerin als Hausdame oder Wäscheverwalterin.
An berufskundlichen Unterlagen hat das Sozialgericht in das Verfahren eingeführt: Stellungnahme des Arbeitsamtes II Berlin zur Tätigkeit einer Schneiderin und den Anforderungen an eine Änderungsschneiderin für das SG Berlin zum Verfahren S 30 J 1002/93 unter dem 6. Dezember 1995, Urteile des LSG Berlin vom 20. September 2004 im Verfahren L 16 RJ 28/99 und vom 25. November 2002 im Verfahren L 16 RJ 21/01.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat die Ärztin für Psychiatrie G die Klägerin untersucht (Datum der Untersuchung unbekannt) und unter dem 18. März 2005 ein Sachverständigengutachten erstellt. Darin heißt es, bei der Klägerin liege auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet neben einer mittelschweren depressiven Episode bei bekannter rezidivierender depressiver Störung ein lumbalgiformes Schmerzsyndrom vor. Bei der depressiven Störung handele es sich um eine seelische Erkrankung, der sowohl organische Prozesse als auch eine gestörte Erlebnisverarbeitung zu Grunde lägen. Sie äußere sich in folgenden psychopathologischen Auffälligkeiten: Störungen der Mimik und Gestik, formale Denkstörungen, Störungen der Merkfähigkeit, der Konzentration, des Antriebs, der Stimmung, der affektiven Schwingungsfähigkeit und latente Suizidalität. Schlafstörungen, Inappetenz und Interessenverlust vervollständigten das psychopathologische Bild. Die von der Klägerin geschilderten Angstzustände erfüllten nicht die diagnostischen Kriterien einer Angst- oder Panikstörung; eher gehe die ängstliche Symptomatik mit den depressiven Syndromen einher. Die Klägerin simuliere weder, noch aggraviere sie. Allerdings sei ein gewisses Bemühen, die Beschwerden zu verdeutlichen, vorhanden, ohne dass es sich dabei um ein bewusstes Verhalten im Sinne einer Begehrensvorstellung handele. Die nötige Willensanstrengung aufzubringen, um die Fehlhaltung zu überwinden, dürfte der Klägerin sehr schwer fallen. Zum einem erscheine die depressive Symptomatik aktuell mittelschwer ausgeprägt, zum anderen sei der sekundäre Krankheitsgewinn erheblich: Der Sohn kümmere sich ihren Angaben zufolge aufopferungsvoll um seine Mutter, so dass deren Motivation zu genesen als eher gering einzuschätzen sei. Gleichzeitig bestehe diese "erfolgreiche" Konstellation seit Jahren. Durch ärztliche Behandlung allerdings sollte die Klägerin aus der Fehlhaltung zu lösen sein, wobei ihre Mitwirkung unverzichtbar sei. Als Maßnahmen kämen ein Heilverfahren und das Thematisieren der Mutter-Sohn-Beziehung mit psychotherapeutischer Unterstützung in Betracht. Die Prognose sei allerdings nicht sehr günstig. Die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten vorzugsweise in geschlossenen Räumen und ohne Einfluss extremer klimatischer Bedingungen in wechselnder Körperhaltung bei nur gelegentlichem Knien, Bücken oder Hocken verrichten. Zu vermeiden seien einseitige Belastungen, Zwangshaltungen, Zeitdruck, festgelegter Arbeitsrhythmus, Tätigkeiten an laufenden Maschinen, das Heben und Tragen von mehr als 5 kg, Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschichten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten. Das kurzfristige Besteigen von Trittleitern ebenso wie das Steigen von Treppen sei möglich. Die Fingergeschicklichkeit sei erhalten, die Belastbarkeit der Arme und Finger gegeben. Das Seh-, Hör- und Sprachvermögen sowie die Auffassungsgabe der Klägerin seien intakt. Das Reaktionsvermögen sowie die Lern- und Merkfähigkeit seien etwas reduziert. Eingeschränkt sei auch die Konzentrations-, die Entschluss-, die Verantwortungs- und die Kontaktfähigkeit. Für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr erscheine die Klägerin nur bedingt geeignet. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei eingeschränkt, indessen sei das Gedächtnis ungestört. Die Wegefähigkeit sei erhalten; zusätzliche Pausen benötige die Klägerin nicht. Quantitativ sei das Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt.
Auf Einwendungen der Klägerin gegen das von ihr erstellte Gutachten hin hat die Sachverständige unter dem 13. Februar 2006 ergänzend Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, ausgehend von den ihr zur Verfügung gestellten Tätigkeitsbeschreibungen einer Registratorin bzw. einer Mitarbeiterin in der Postzustellung sollte die Klägerin unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage sein, eine solche Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten auszuüben. Auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen über das Berufsbild halte sie die Klägerin auch für in der Lage, als Änderungsschneiderin zu arbeiten. Mit Urteil vom 23. Mai 2006 hat das Sozialgericht Berlin der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin ab dem 1. November 2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klägerin könne ihren erlernten und langjährig ausgeübten Ausbildungsberuf als Schneiderin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten einer Endkontrolleurin in der Bekleidungsindustrie, einer Kassiererin an der Sammelkasse, einer Verkäuferin für Damenbekleidung, einer Hausdame im Hotel und einer Änderungsschneiderin kämen aufgrund der vorhandenen Leistungseinschränkungen nicht in Betracht. Schließlich könne die Klägerin auch nicht auf die Tätigkeit einer Registratorin verwiesen werden, weil es sich dabei nicht um eine geistig einfache Tätigkeit handele, so dass die geistigen Möglichkeiten der Klägerin überschritten würden. Im Übrigen hätten Registratoren überwiegend am Bildschirm zu arbeiten, so dass es zu der Klägerin nicht mehr zumutbaren Zwangshaltungen komme. Da das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht reduziert sei und es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ihrem Restleistungsvermögen entsprechende Tätigkeiten gebe, sei sie zwar berufsunfähig, aber nicht voll erwerbsgemindert.
Gegen das ihr am 5. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2006 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die bei der Klägerin vorliegende psychische Störung nach Feststellung der Sachverständigen einer Behandlung zugänglich ist und mithin die Gewährung einer Rente nicht rechtfertigen kann. Zwar komme es deshalb auf die Frage, ob die benannten Verweisungstätigkeiten der Klägerin sozial und medizinisch zumutbar seien, nicht an, es sei aber festzustellen, dass die Klägerin mit dem noch vorhandenen Leistungsvermögen jedenfalls Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung, etwa als Registratorin oder Mitarbeiterin einer Poststelle, und auch solche als Telefonistin in Tagesschicht verrichten könne. Damit sei für sie auch kein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden. Die Beklagte hat Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Juni 2008 (B 5 a R 320/07 B), des LSG Berlin vom 27. Oktober 2004 (L 17 RJ 7/03), des Bayerischen LSG vom 30. Januar 2008 (L 16 R 397/07) sowie des LSG Baden-Württemberg vom 18. Januar 2008 (L 4 R 1119/05), vom 20. Februar 2008 (L 13 R 2738/03) und vom 20. Januar 2009 (L 9 R 5646/06) in das Verfahren eingeführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2006 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise,
Frau G ergänzend anzufragen, ob die Klägerin auch überwiegend im Sitzen arbeiten könnte und sofern dies verneint wird, um eine diesbezügliche Begründung zu bitten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und auch die nunmehr benannten Verweisungstätigkeiten für unzumutbar.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen Witthuhn vom 2. August 2007 zu den folgenden von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten: Bekleidungstechnische Assistentin, Tätigkeit im Kostümverleih, Tätigkeiten in der Textilreinigung, Tätigkeit in einer handwerklichen Strickerei/Stickerei, Tätigkeit in einem Betrieb der Raumausstattung oder Polsterei, Fachverkäuferin im Einzelhandel Textil/Bekleidung, Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach BAT VIII. Nachdem die Beklagte eine für das Sächsische LSG im Verfahren L 5 RJ 80/97 unter dem 12. Oktober 1999 erstellte berufskundliche Stellungnahme zu dem Berufsbild des Mitarbeiters einer Poststelle in Ablichtung zu den Akten gereicht hatte, ist der Sachverständige Witthuhn um eine ergänzende Stellungnahme gebeten worden, die er unter dem 13. Dezember 2007 abgegeben hat.
In das Verfahren eingeführt hat der Senat die Urteile des LSG für das Land Brandenburg vom 9. November 2000 (L 1 RJ 293/98) und vom 30. April 2003 (L 1 RA 31/00) sowie des 6. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. März 2007 (L 6 RJ 67/01) und die in "berufenet" über die Tätigkeit eines Registrators zu findenden Angaben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR K -) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat der Klage zu Recht zum Teil stattgegeben. Die Klägerin hat für die Zeit seit dem 1. November 2003 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Insoweit hätte die Beklagte ihren Antrag nicht ablehnen und den Widerspruch nicht zurückweisen dürfen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erfüllt die Klägerin. Anspruch auf eine derartige Rente besteht nach § 240 Abs. 1 i.V.m. § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie
1. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, 2. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, 3. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 4. berufsunfähig sind.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin die für die Rentengewährung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB VI erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie auch vor dem Stichtag 2. Januar 1961, nämlich im Jahr 1948, geboren. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch berufsunfähig.
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf, das heißt die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs ist die Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 22, 29, 32). Hauptberuf der Klägerin ist danach ihre bis zum 31. Oktober 1993 bei der Maß- und Bühnenkleidung F GmbH in Berlin ausgeübte Tätigkeit als Damenmaßschneiderin. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Ihren Hauptberuf kann die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, weil sie an einer Nähmaschine sitzend nur noch höchstens drei bis sechs Stunden täglich arbeiten kann. Aufgrund degenerativer Veränderungen insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule und der daraus resultierenden Belastungs- und Bewegungseinschränkungen sind ihr Arbeiten, die mehr als körperlich leicht belasten und mit Zwangshaltungen oder einseitigen Belastungen verbunden sind, nicht mehr zuzumuten. Wegen einer psychischen Störung kann sie nicht mehr an laufenden Maschinen arbeiten. Insoweit kann auf die Ausführungen insbesondere der Sachverständigen G in ihrem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten verwiesen werden. Dass die Klägerin ihren Hauptberuf nicht mehr ausüben kann, ist im Übrigen zwischen den Beteiligten bereits seit dem Verwaltungsverfahren unstreitig und auch in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente aber dann nicht gegeben, wenn zwar die Ausübung des bisherigen Berufs bzw. des Hauptberufs aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, die Klägerin aber zumutbar auf eine andere Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann. Zur Feststellung der Wertigkeit des bisherigen Berufs und der Möglichkeiten der Verweisung auf andere Tätigkeiten sind in der Rechtsprechung des BSG die Arbeiter- und die Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt worden (Mehrstufenschema, vgl. BSGE 59, 249 [259] zu den Angestelltenberufen, BSGE 68, 277 [279] zu den Arbeiterberufen). Bei der Einordnung in die einzelnen Gruppen und bei der Stufenbildung wird grundsätzlich im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt. Danach werden bei Arbeitern die Berufsgruppen von der Gruppe mit dem höchsten Ausbildungsgrad beginnend nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert:
1. Stufe Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion, 2. Stufe Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), 3. Stufe angelernte Arbeiter (sonstiger Beruf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren oder betrieblicher Anlernzeit von mindestens drei Monaten), 4. Stufe ungelernte Arbeiter. Sozial zumutbar ist nach der genannten Rechtsprechung grundsätzlich die Verweisung auf eine Tätigkeit, die als eine Stufe unter der Stufe, welcher der bislang ausgeübte Beruf zugehörig ist, einzuordnen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klägerin angesichts ihres beruflichen Werdegangs in den Bereich der Facharbeiter einzuordnen. Zwar dauerte ihre Ausbildung in der DDR nur vom 1. September 1965 bis zum 18. August 1967 und damit knapp zwei Jahre. Sie verfügt aber über einen Facharbeiterabschluss und hat insgesamt fast 30 Jahre lang in ihrem erlernten Beruf gearbeitet. Zudem war und ist der Beruf des Maßschneiders in der Bundesrepublik ein anerkannter Ausbildungsberuf von dreijähriger Dauer. Schließlich ist die Klägerin ausweislich des ihr bei ihrem Ausscheiden von der Maß- und Bühnenkleidung Friedrichstadt GmbH erteilten Arbeitszeugnisses den dort gestellten hohen fachlichen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht geworden (vgl. zu einem ähnlichen Fall das Urteil des LSG für das Land Brandenburg vom 30. April 2003, L 1 RA 31/00, zitiert nach juris). Die Klägerin kann danach auf Tätigkeiten verwiesen werden, die der dritten Stufe des Mehrstufenschemas entsprechen.
Die Beklagte hat keine Tätigkeit benannt, die dem der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögen entspricht und ihr sozial zumutbar ist.
Ob die Verweisung auf "Büro(Hilfs)tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung", insbesondere Registraturarbeiten und Tätigkeiten in einer Poststelle, den von der Rechtsprechung an die Benennung einer Verweisungstätigkeit gestellten Anforderungen genügt, ist schon zweifelhaft, denn dass damit ein typischer Arbeitsplatz mit der üblichen Berufsbezeichnung beschrieben und eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zugrunde gelegt werden könnte (vgl. dazu ausführlich das Urteil des BSG vom 27. März 2007, B 13 R 63/06, zitiert nach juris), wird man nicht annehmen können. Letztlich kann dies jedoch ebenso wie die Frage, welche Leistungsanforderungen mit solchen Tätigkeiten verbunden sind und ob die Klägerin ihnen mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen entsprechen könnte, dahinstehen, denn soweit die Beklagte die Klägerin auf Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung verwiesen hat, entsprechen diese jedenfalls dann, wenn die Klägerin sie innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig verrichten könnte, nicht der Facharbeitern zumutbaren dritten Stufe. Soweit derartige Tätigkeiten die Anlernebene des Mehrstufenschemas erreichen, sich also deutlich von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unterscheiden, kann die Klägerin auf sie nicht verwiesen werden, weil ihr jegliche Vorkenntnisse und Fertigkeiten fehlen, diese aber erforderlich sind, um die Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten konkurrenzfähig ausüben zu können. Als Damenmaßschneiderin hat sie für die Ausübung von Bürotätigkeiten verwertbare Erfahrungen nicht sammeln können. In einem dem vorliegenden insoweit vergleichbaren Fall der Verweisung eines Schlossers auf Tätigkeiten Bürotätigkeiten hat der 6. Senat dieses Gerichts in seinem Urteil vom 7. März 2007 (L 6 RJ 67/01, zitiert nach juris) die folgenden Ausführungen gemacht:
"Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vorwiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Diese Eingruppierungsgrundsätze und -regelungen gelten, da bisher noch keine spezielle neue Entgeltordnung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund des neuen Tarifvertrags öffentlicher Dienst geschaffen wurde, fort (Dassau und Langenbrinck: TVöD Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 1. Aufl. 2005, S 102; Breier u. a., Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, Kommentar, 85. Aktualisierung, Stand 01. Oktober 2006, Vorwort 2005). Die Vergütungsgruppe VIII BAT erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IXb BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IXb BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IXb Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (Breier ua, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, aaO S 123; Bredemann/Neffke, Eingruppierung in BAT und BAT-O, 2001, RdNr 60). Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen IXb und X BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit (vgl. BSG Urteile vom 27. November 1991 - 5 RJ 91/89 -, 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - und 29. Mai 1980 - 5 RJ 138/79 -, jeweils veröffentlicht in Juris). Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005). Die Arbeit in Poststellen ist den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb zugeordnet, wobei die Vergütungsgruppe BAT IXb im Rahmen eines Bewährungsaufstieges nach zweijähriger Beschäftigung erreicht werden kann. Soweit die Arbeit auf Poststellen der Vergütungsgruppe BAT VIII zugeordnet sein kann (ausdrücklich erwähnt ist sie im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb nicht, lediglich exemplarisch genannt wird die "Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art"), handelt es sich um hervorgehobene Tätigkeiten, die ebenfalls einer längeren Einarbeitungszeit bedürfen. Zudem ist die Tätigkeit in der Poststelle im öffentlichen Dienst mit dem Heben und Tragen von Lasten - Paketen - verbunden und erfordern daher eine mittelschwere Belastbarkeit des Mitarbeiters (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005)."
Diese Ausführungen, die sich in der Stellungnahme des berufskundigen Sachverständigen Witthuhn vom 13. Dezember 2007 bestätigt finden, macht der Senat sich zueigen. Dass auf der dritten Stufe des Mehrstufenschemas einzuordnende Bürohilfstätigkeiten Vorkenntnisse erfordern, über die im handwerklichen Bereich Ausgebildete und langjährig Tätige nicht verfügen, hat auch der 21. Senat dieses Gerichts in seinem die Frage der Berufsunfähigkeit einer Köchin betreffenden Urteil vom 17. Dezember 2008 (L 21 RJ 177/04, zitiert nach juris) angenommen und dazu unter anderem ausgeführt:
"Insoweit ist dem Senat aus anderen Verfahren bekannt, dass eine von der Bundesagentur für Arbeit in den 1990er Jahren angebotene Fortbildung zur Büroassistentin ein Jahr dauerte (zum Beispiel vom 16. März 1992 bis 19. März 1993) und nach einem Ausbildungsplan erfolgte, der die Bereiche allgemeine Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Büroorganisation, Wirtschaftsrecht, Schriftverkehr, Schreibtechnik, Zahlungsverkehr, Bürokommunikation, Grundlagen des betrieblichen Rechnungswesens, Stenografie, kaufmännisches Rechnen, elektronische Datenverarbeitung und Kommunikations- und Bewerbungstraining jeweils mit unterschiedlichen Unterrichtsstunden beinhaltete (vgl. Urteil vom 11. Januar 2007, - L 21 R 375/05 - veröffentlicht in Juris). Dafür, dass die Klägerin entsprechende Kenntnisse wie durch diese Fortbildung erworben hat, bestehen aber keine Anhaltspunkte."
Die von der Beklagten in das Verfahren eingeführten Entscheidungen stützen ihre Auffassung im Übrigen nicht. Dem von ihr in Bezug genommenen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20. Februar 2008 ( L 13 R 2738/03) etwa lag ein insoweit nicht vergleichbarer Fall zugrunde, als der dortige Kläger "angesichts seiner schulischen und beruflichen Ausbildung und seiner langjährigen Tätigkeit über Kenntnisse" verfügte, "die es ihm ermöglichten, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur, die der Vergütungsgruppe VII BAT entsprechen, in einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu erlernen". Dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20. Januar 2009 (L 9 R 5646/06) lag der Fall eines Metzgers zugrunde, der eine zweijährige Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann durchlaufen hatte und als selbständiger Versicherungskaufmann tätig gewesen war.
Soweit die Beklagte schließlich behauptet, die Klägerin sei auch auf die Tätigkeit einer Telefonistin in Tagesschicht verweisbar und insoweit zwei Entscheidungen dieses Gerichts in Bezug genommen hat, kann ihr nicht gefolgt werden. Ohne dass ein detailliertes Anforderungsprofil vorläge, ist festzustellen, dass diese Tätigkeit - soweit es sie überhaupt (noch) gibt - ein Maß an psychischer Belastbarkeit erfordert, über welches die Klägerin nicht (mehr) verfügt. Ihr Reaktionsvermögen, die Lern- und Merkfähigkeit ebenso wie die Konzentrations-, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sind reduziert; die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ist eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen G, das der Senat, wie bereits ausgeführt, für schlüssig und nachvollziehbar hält. Der von der Beklagten als Hilfsantrag formulierten Frage, ob die Klägerin auch überwiegend im Sitzen arbeiten könnte, braucht er angesichts dessen nicht nachzugehen. Im Übrigen bestehen auch hinsichtlich dieser Tätigkeit Zweifel an der sozialen Zumutbarkeit: Sind sie ohne jegliche Kenntnisse innerhalb von weniger als drei Monaten zu "erlernen", so können sie die dritte Stufe des Mehrstufenschemas nicht erreichen; erreichen sie diese nicht, so muss sich die Klägerin nicht auf sie verweisen lassen.
Die Klägerin ist seit dem 13. Mai 2003 krankgeschrieben. Die Fähigkeit, in ihrem Beruf zu arbeiten, hat sie seitdem nicht wiedererlangt. Der für den Beginn der Rente maßgebliche Leistungsfall ist mithin lange vor dem Zeitpunkt der Antragstellung eingetreten, so dass die Rente gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von dem Kalendermonat an zu leisten ist, in welchem sie beantragt wurde. Die Rente wurde am 18. November 2003 beantragt, ist also ab dem 1. November 2003 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.
Die 1948 geborene Klägerin lebt getrennt; sie hat einen erwachsenen Sohn. Nach Abschluss der Schule im Sommer 1965 begann die Klägerin am 1. September 1965 eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin, die sie am 18. August 1967 mit Bestehen der Facharbeiterprüfung erfolgreich abschloss. Bis zum 31. Oktober 1993 war sie in ihrem erlernten Beruf tätig, seit September 1969 bei der Maß- und Bühnenkleidung F GmbH in B. Vom 15. November 1994 bis zum 30. November 1996 und nochmals vom 15. Juli 1998 bis zum 14. Juli 2000 war sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als Schneiderin beschäftigt. Seitdem ist sie nicht mehr erwerbstätig gewesen. Seit dem 13. Mai 2003 ist die Klägerin krank geschrieben.
Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt; der Grad der Behinderung ist seit Dezember 2003 mit 50 festgestellt.
Am 18. November 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu den Fragen, seit wann und wegen welcher Gesundheitsstörungen sie sich für erwerbsgemindert halte und welche Arbeiten sie ihrer Auffassung nach noch verrichten könne, machte sie keine Angaben.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten folgende medizinische Unterlagen vor: Ein Arztbrief des M-Krankenhauses, Chirurgische Klinik, Allgemein- und Visceralchirurgie, vom 19. März 2003 (Teilepikrise), Berichte der Allgemeinmedizinerin H an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 26. Mai 2003 und vom 17. Juni 2003, ein Bericht des Neurologen und Psychiaters W an den MDK vom 14. Juli 2003, von Prof. Dr. K für den MDK erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 13. Oktober 2003 und vom 20. November 2003 (beide aufgrund Untersuchung) mit Nachtrag vom 25. November 2003, ein Schreiben des behandelnden Neurologen und Psychiaters W an die Krankenversicherung der Klägerin vom 28. November 2003, ein von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin R aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 5. Januar 2004 für den MDK erstelltes Gutachten.
Die Beklagte ließ die Klägerin von der Internistin Dr. C untersuchen. Diese erstellte unter dem 20. Januar 2004 ein Gutachten, in welchem es heißt, bei der Klägerin bestünden der Verdacht auf ein depressives Syndrom, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Belastungsschmerz sowie ein Zustand nach Schilddrüsenoperation bei Struma colli. Im Vordergrund der geschilderten Beschwerden stünden die psychischen Probleme. Die Klägerin habe angegeben, unter Unruhezuständen, Panikattacken und Depressionen zu leiden. Sie sei im Alltag, insbesondere bei der Bewältigung von Wegstrecken und in öffentlichen Räumen auf die Begleitung ihres Sohnes angewiesen. Seit August 2003 befinde sie sich in neurologisch-psychiatrischer Mitbehandlung; die Therapie erfolge derzeit nur medikamentös. Seitens des Bewegungsapparates bestünden keine gravierenden Einschränkungen; die Beweglichkeit sei lediglich endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Seit der Schilddrüsenoperation erfolge eine hormonelle Substitution. Hinsichtlich der letzten beruflichen Tätigkeit als Maßschneiderin schätzte die Gutachterin das Leistungsvermögen der Klägerin als auf drei bis unter sechs Stunden täglich reduziert ein; eine Besserung sei unwahrscheinlich. Die Klägerin könne aber, so führte die Sachverständige aus, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in überwiegend stehender, gehender oder sitzender Haltung unter Vermeidung von Nachtschicht und ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, insbesondere Zwangshaltungen, sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte ließ die Klägerin des Weiteren durch den Psychiater B untersuchen, der unter dem 10. Februar 2004 ein Gutachten erstellte, in welchem er zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin auf seinem Fachgebiet unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit Regression (depressive Neurose) leide. Ihr Leistungsvermögen schätzte er als gefährdet ein und führte aus, sie sei ein Behandlungsfall. Eine Verbesserung des Leistungsvermögens sei unter Ausschöpfung der möglichen therapeutischen Maßnahmen wahrscheinlich. Zu erzielen sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den erlernten Beruf ebenso für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. Mai 2004 ab und führte zur Begründung aus, sie könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen im erlernten Beruf als Damenmaßschneiderin zwar nur noch in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Da sie aber andere, ihr unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbare Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne und der Arbeitsmarkt auch nicht verschlossen sei, liege keine Erwerbsminderung vor.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 7. Juni 2004 Widerspruch ein und trug vor, ihr Gesundheitszustand habe sich seit der Antragstellung noch verschlechtert. Trotz medikamentöser Behandlung hätten sich die Depressionen und Angstzustände auch nach der Operation der Schilddrüse nicht gebessert.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus, die zeitnahe und umfassende Begutachtung der Klägerin durch Fachärzte für Innere Medizin und Psychiatrie habe ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten ärztlicherseits noch nicht ausgeschöpft seien. Die Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren führten insoweit zu keinem abweichenden Ergebnis.
Am 5. August 2004 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, um ihr Begehren weiter zu verfolgen. Ein Schreiben ihrer Hausärztin, der Allgemeinmedizinerin H, vom 4. Juli 2004 und ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters W vom 15. Juli 2004 hat sie beigefügt.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei mehrfach ein Heilverfahren angeboten worden, was sie jedoch abgelehnt habe. Vor dem Bezug einer Rente müsse aber ein Mindestmaß an Mitwirkung erfüllt sein. Im laufenden Rentenstreit sei allerdings die Durchführung eines Heilverfahrens wenig Erfolg versprechend. Die Beklagte hat Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 15. Dezember 1993 im Verfahren L 6 J 17/93, des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 2000 im Verfahren L 13 (8) RJ 184/98 und des LSG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2004 im Verfahren L 3 RJ 3999/03 sowie eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg zu einem anderen beim Sozialgericht (SG) Berlin anhängig gewesenen Verfahren (S 26 RJ 1121/01) vom 17. Oktober 2002 in Ablichtung zu den Akten gereicht.
Von den folgenden, nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesenen medizinischen Unterlagen hat das Sozialgericht aus den Akten des Arbeitsamts Berlin Ost, ärztlicher Dienst, Ablichtungen gefertigt und zu den Akten genommen: Von Dr. Q nach Untersuchung der Klägerin unter dem 7. Januar 2005 für die Agentur für Arbeit Berlin Ost erstelltes Gutachten, demzufolge sie unter einer schweren depressiven Störung bei ängstlich-abhängiger Persönlichkeitsstörung mit depressiver Entwicklung, initialer Coxarthrose rechts, einem rezidivierenden Lumbalsyndrom bei Spondylochondrose der Lendenwirbelsäule, einem Frozen-Shoulder-Syndrom, einem Pes valgus und Hallux valgus beidseits sowie einem rezidivierenden Zervikobrachialsyndrom leidet, ärztliche Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin H vom 4. Februar 2004, von Dipl. Med. M unter dem 7. September 2004 für den MDK erstelltes sozialmedizinisches Gutachten, ärztlicher Bericht des Neurologen und Psychiaters W an die Agentur für Arbeit Berlin Ost vom 9. Dezember 2004.
Aus den Akten des Versorgungsamts hat das Sozialgericht Ablichtungen folgender Unterlagen gefertigt und zu den Akten genommen: Ärztlicher Befundbericht der Allgemeinmedizinerin H vom 30. Januar 2004, gutachtliche Stellungnahme zum Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung vom 2. März 2004, berufskundliche Auskunft des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie e.V. vom 29. Januar 2003, Stellungnahmen des Hotels S, des K Hotels B, des D Hotels Berlin-Mitte, des Hotels Berliner Bär GmbH, des A Motels An der Messe und des Hotels U L zu von der 22. Kammer des SG Berlin in einem anderen Verfahren (S 22 RJ 2696/00) gestellten berufskundlichen Fragen zur Einsatzmöglichkeit einer leistungsgeminderten Textilreinigerin als Hausdame oder Wäscheverwalterin.
An berufskundlichen Unterlagen hat das Sozialgericht in das Verfahren eingeführt: Stellungnahme des Arbeitsamtes II Berlin zur Tätigkeit einer Schneiderin und den Anforderungen an eine Änderungsschneiderin für das SG Berlin zum Verfahren S 30 J 1002/93 unter dem 6. Dezember 1995, Urteile des LSG Berlin vom 20. September 2004 im Verfahren L 16 RJ 28/99 und vom 25. November 2002 im Verfahren L 16 RJ 21/01.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat die Ärztin für Psychiatrie G die Klägerin untersucht (Datum der Untersuchung unbekannt) und unter dem 18. März 2005 ein Sachverständigengutachten erstellt. Darin heißt es, bei der Klägerin liege auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet neben einer mittelschweren depressiven Episode bei bekannter rezidivierender depressiver Störung ein lumbalgiformes Schmerzsyndrom vor. Bei der depressiven Störung handele es sich um eine seelische Erkrankung, der sowohl organische Prozesse als auch eine gestörte Erlebnisverarbeitung zu Grunde lägen. Sie äußere sich in folgenden psychopathologischen Auffälligkeiten: Störungen der Mimik und Gestik, formale Denkstörungen, Störungen der Merkfähigkeit, der Konzentration, des Antriebs, der Stimmung, der affektiven Schwingungsfähigkeit und latente Suizidalität. Schlafstörungen, Inappetenz und Interessenverlust vervollständigten das psychopathologische Bild. Die von der Klägerin geschilderten Angstzustände erfüllten nicht die diagnostischen Kriterien einer Angst- oder Panikstörung; eher gehe die ängstliche Symptomatik mit den depressiven Syndromen einher. Die Klägerin simuliere weder, noch aggraviere sie. Allerdings sei ein gewisses Bemühen, die Beschwerden zu verdeutlichen, vorhanden, ohne dass es sich dabei um ein bewusstes Verhalten im Sinne einer Begehrensvorstellung handele. Die nötige Willensanstrengung aufzubringen, um die Fehlhaltung zu überwinden, dürfte der Klägerin sehr schwer fallen. Zum einem erscheine die depressive Symptomatik aktuell mittelschwer ausgeprägt, zum anderen sei der sekundäre Krankheitsgewinn erheblich: Der Sohn kümmere sich ihren Angaben zufolge aufopferungsvoll um seine Mutter, so dass deren Motivation zu genesen als eher gering einzuschätzen sei. Gleichzeitig bestehe diese "erfolgreiche" Konstellation seit Jahren. Durch ärztliche Behandlung allerdings sollte die Klägerin aus der Fehlhaltung zu lösen sein, wobei ihre Mitwirkung unverzichtbar sei. Als Maßnahmen kämen ein Heilverfahren und das Thematisieren der Mutter-Sohn-Beziehung mit psychotherapeutischer Unterstützung in Betracht. Die Prognose sei allerdings nicht sehr günstig. Die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten vorzugsweise in geschlossenen Räumen und ohne Einfluss extremer klimatischer Bedingungen in wechselnder Körperhaltung bei nur gelegentlichem Knien, Bücken oder Hocken verrichten. Zu vermeiden seien einseitige Belastungen, Zwangshaltungen, Zeitdruck, festgelegter Arbeitsrhythmus, Tätigkeiten an laufenden Maschinen, das Heben und Tragen von mehr als 5 kg, Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschichten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten. Das kurzfristige Besteigen von Trittleitern ebenso wie das Steigen von Treppen sei möglich. Die Fingergeschicklichkeit sei erhalten, die Belastbarkeit der Arme und Finger gegeben. Das Seh-, Hör- und Sprachvermögen sowie die Auffassungsgabe der Klägerin seien intakt. Das Reaktionsvermögen sowie die Lern- und Merkfähigkeit seien etwas reduziert. Eingeschränkt sei auch die Konzentrations-, die Entschluss-, die Verantwortungs- und die Kontaktfähigkeit. Für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr erscheine die Klägerin nur bedingt geeignet. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei eingeschränkt, indessen sei das Gedächtnis ungestört. Die Wegefähigkeit sei erhalten; zusätzliche Pausen benötige die Klägerin nicht. Quantitativ sei das Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt.
Auf Einwendungen der Klägerin gegen das von ihr erstellte Gutachten hin hat die Sachverständige unter dem 13. Februar 2006 ergänzend Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, ausgehend von den ihr zur Verfügung gestellten Tätigkeitsbeschreibungen einer Registratorin bzw. einer Mitarbeiterin in der Postzustellung sollte die Klägerin unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage sein, eine solche Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten auszuüben. Auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen über das Berufsbild halte sie die Klägerin auch für in der Lage, als Änderungsschneiderin zu arbeiten. Mit Urteil vom 23. Mai 2006 hat das Sozialgericht Berlin der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin ab dem 1. November 2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klägerin könne ihren erlernten und langjährig ausgeübten Ausbildungsberuf als Schneiderin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten einer Endkontrolleurin in der Bekleidungsindustrie, einer Kassiererin an der Sammelkasse, einer Verkäuferin für Damenbekleidung, einer Hausdame im Hotel und einer Änderungsschneiderin kämen aufgrund der vorhandenen Leistungseinschränkungen nicht in Betracht. Schließlich könne die Klägerin auch nicht auf die Tätigkeit einer Registratorin verwiesen werden, weil es sich dabei nicht um eine geistig einfache Tätigkeit handele, so dass die geistigen Möglichkeiten der Klägerin überschritten würden. Im Übrigen hätten Registratoren überwiegend am Bildschirm zu arbeiten, so dass es zu der Klägerin nicht mehr zumutbaren Zwangshaltungen komme. Da das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht reduziert sei und es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ihrem Restleistungsvermögen entsprechende Tätigkeiten gebe, sei sie zwar berufsunfähig, aber nicht voll erwerbsgemindert.
Gegen das ihr am 5. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2006 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die bei der Klägerin vorliegende psychische Störung nach Feststellung der Sachverständigen einer Behandlung zugänglich ist und mithin die Gewährung einer Rente nicht rechtfertigen kann. Zwar komme es deshalb auf die Frage, ob die benannten Verweisungstätigkeiten der Klägerin sozial und medizinisch zumutbar seien, nicht an, es sei aber festzustellen, dass die Klägerin mit dem noch vorhandenen Leistungsvermögen jedenfalls Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung, etwa als Registratorin oder Mitarbeiterin einer Poststelle, und auch solche als Telefonistin in Tagesschicht verrichten könne. Damit sei für sie auch kein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden. Die Beklagte hat Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Juni 2008 (B 5 a R 320/07 B), des LSG Berlin vom 27. Oktober 2004 (L 17 RJ 7/03), des Bayerischen LSG vom 30. Januar 2008 (L 16 R 397/07) sowie des LSG Baden-Württemberg vom 18. Januar 2008 (L 4 R 1119/05), vom 20. Februar 2008 (L 13 R 2738/03) und vom 20. Januar 2009 (L 9 R 5646/06) in das Verfahren eingeführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2006 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise,
Frau G ergänzend anzufragen, ob die Klägerin auch überwiegend im Sitzen arbeiten könnte und sofern dies verneint wird, um eine diesbezügliche Begründung zu bitten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und auch die nunmehr benannten Verweisungstätigkeiten für unzumutbar.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen Witthuhn vom 2. August 2007 zu den folgenden von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten: Bekleidungstechnische Assistentin, Tätigkeit im Kostümverleih, Tätigkeiten in der Textilreinigung, Tätigkeit in einer handwerklichen Strickerei/Stickerei, Tätigkeit in einem Betrieb der Raumausstattung oder Polsterei, Fachverkäuferin im Einzelhandel Textil/Bekleidung, Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach BAT VIII. Nachdem die Beklagte eine für das Sächsische LSG im Verfahren L 5 RJ 80/97 unter dem 12. Oktober 1999 erstellte berufskundliche Stellungnahme zu dem Berufsbild des Mitarbeiters einer Poststelle in Ablichtung zu den Akten gereicht hatte, ist der Sachverständige Witthuhn um eine ergänzende Stellungnahme gebeten worden, die er unter dem 13. Dezember 2007 abgegeben hat.
In das Verfahren eingeführt hat der Senat die Urteile des LSG für das Land Brandenburg vom 9. November 2000 (L 1 RJ 293/98) und vom 30. April 2003 (L 1 RA 31/00) sowie des 6. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. März 2007 (L 6 RJ 67/01) und die in "berufenet" über die Tätigkeit eines Registrators zu findenden Angaben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR K -) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat der Klage zu Recht zum Teil stattgegeben. Die Klägerin hat für die Zeit seit dem 1. November 2003 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Insoweit hätte die Beklagte ihren Antrag nicht ablehnen und den Widerspruch nicht zurückweisen dürfen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erfüllt die Klägerin. Anspruch auf eine derartige Rente besteht nach § 240 Abs. 1 i.V.m. § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie
1. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, 2. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, 3. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 4. berufsunfähig sind.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin die für die Rentengewährung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB VI erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie auch vor dem Stichtag 2. Januar 1961, nämlich im Jahr 1948, geboren. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch berufsunfähig.
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf, das heißt die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs ist die Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 22, 29, 32). Hauptberuf der Klägerin ist danach ihre bis zum 31. Oktober 1993 bei der Maß- und Bühnenkleidung F GmbH in Berlin ausgeübte Tätigkeit als Damenmaßschneiderin. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Ihren Hauptberuf kann die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, weil sie an einer Nähmaschine sitzend nur noch höchstens drei bis sechs Stunden täglich arbeiten kann. Aufgrund degenerativer Veränderungen insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule und der daraus resultierenden Belastungs- und Bewegungseinschränkungen sind ihr Arbeiten, die mehr als körperlich leicht belasten und mit Zwangshaltungen oder einseitigen Belastungen verbunden sind, nicht mehr zuzumuten. Wegen einer psychischen Störung kann sie nicht mehr an laufenden Maschinen arbeiten. Insoweit kann auf die Ausführungen insbesondere der Sachverständigen G in ihrem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten verwiesen werden. Dass die Klägerin ihren Hauptberuf nicht mehr ausüben kann, ist im Übrigen zwischen den Beteiligten bereits seit dem Verwaltungsverfahren unstreitig und auch in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente aber dann nicht gegeben, wenn zwar die Ausübung des bisherigen Berufs bzw. des Hauptberufs aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, die Klägerin aber zumutbar auf eine andere Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann. Zur Feststellung der Wertigkeit des bisherigen Berufs und der Möglichkeiten der Verweisung auf andere Tätigkeiten sind in der Rechtsprechung des BSG die Arbeiter- und die Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt worden (Mehrstufenschema, vgl. BSGE 59, 249 [259] zu den Angestelltenberufen, BSGE 68, 277 [279] zu den Arbeiterberufen). Bei der Einordnung in die einzelnen Gruppen und bei der Stufenbildung wird grundsätzlich im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt. Danach werden bei Arbeitern die Berufsgruppen von der Gruppe mit dem höchsten Ausbildungsgrad beginnend nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert:
1. Stufe Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion, 2. Stufe Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), 3. Stufe angelernte Arbeiter (sonstiger Beruf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren oder betrieblicher Anlernzeit von mindestens drei Monaten), 4. Stufe ungelernte Arbeiter. Sozial zumutbar ist nach der genannten Rechtsprechung grundsätzlich die Verweisung auf eine Tätigkeit, die als eine Stufe unter der Stufe, welcher der bislang ausgeübte Beruf zugehörig ist, einzuordnen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klägerin angesichts ihres beruflichen Werdegangs in den Bereich der Facharbeiter einzuordnen. Zwar dauerte ihre Ausbildung in der DDR nur vom 1. September 1965 bis zum 18. August 1967 und damit knapp zwei Jahre. Sie verfügt aber über einen Facharbeiterabschluss und hat insgesamt fast 30 Jahre lang in ihrem erlernten Beruf gearbeitet. Zudem war und ist der Beruf des Maßschneiders in der Bundesrepublik ein anerkannter Ausbildungsberuf von dreijähriger Dauer. Schließlich ist die Klägerin ausweislich des ihr bei ihrem Ausscheiden von der Maß- und Bühnenkleidung Friedrichstadt GmbH erteilten Arbeitszeugnisses den dort gestellten hohen fachlichen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht geworden (vgl. zu einem ähnlichen Fall das Urteil des LSG für das Land Brandenburg vom 30. April 2003, L 1 RA 31/00, zitiert nach juris). Die Klägerin kann danach auf Tätigkeiten verwiesen werden, die der dritten Stufe des Mehrstufenschemas entsprechen.
Die Beklagte hat keine Tätigkeit benannt, die dem der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögen entspricht und ihr sozial zumutbar ist.
Ob die Verweisung auf "Büro(Hilfs)tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung", insbesondere Registraturarbeiten und Tätigkeiten in einer Poststelle, den von der Rechtsprechung an die Benennung einer Verweisungstätigkeit gestellten Anforderungen genügt, ist schon zweifelhaft, denn dass damit ein typischer Arbeitsplatz mit der üblichen Berufsbezeichnung beschrieben und eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zugrunde gelegt werden könnte (vgl. dazu ausführlich das Urteil des BSG vom 27. März 2007, B 13 R 63/06, zitiert nach juris), wird man nicht annehmen können. Letztlich kann dies jedoch ebenso wie die Frage, welche Leistungsanforderungen mit solchen Tätigkeiten verbunden sind und ob die Klägerin ihnen mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen entsprechen könnte, dahinstehen, denn soweit die Beklagte die Klägerin auf Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung verwiesen hat, entsprechen diese jedenfalls dann, wenn die Klägerin sie innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig verrichten könnte, nicht der Facharbeitern zumutbaren dritten Stufe. Soweit derartige Tätigkeiten die Anlernebene des Mehrstufenschemas erreichen, sich also deutlich von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unterscheiden, kann die Klägerin auf sie nicht verwiesen werden, weil ihr jegliche Vorkenntnisse und Fertigkeiten fehlen, diese aber erforderlich sind, um die Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten konkurrenzfähig ausüben zu können. Als Damenmaßschneiderin hat sie für die Ausübung von Bürotätigkeiten verwertbare Erfahrungen nicht sammeln können. In einem dem vorliegenden insoweit vergleichbaren Fall der Verweisung eines Schlossers auf Tätigkeiten Bürotätigkeiten hat der 6. Senat dieses Gerichts in seinem Urteil vom 7. März 2007 (L 6 RJ 67/01, zitiert nach juris) die folgenden Ausführungen gemacht:
"Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vorwiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Diese Eingruppierungsgrundsätze und -regelungen gelten, da bisher noch keine spezielle neue Entgeltordnung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund des neuen Tarifvertrags öffentlicher Dienst geschaffen wurde, fort (Dassau und Langenbrinck: TVöD Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 1. Aufl. 2005, S 102; Breier u. a., Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, Kommentar, 85. Aktualisierung, Stand 01. Oktober 2006, Vorwort 2005). Die Vergütungsgruppe VIII BAT erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IXb BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine "schwierigere Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den "einfacheren Arbeiten" der Vergütungsgruppe IXb BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ "schwierigere" wird hier als Steigerung gegenüber den "einfacheren" Arbeiten der Vergütungsgruppe IXb Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (Breier ua, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, aaO S 123; Bredemann/Neffke, Eingruppierung in BAT und BAT-O, 2001, RdNr 60). Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von "gründlichen Fachkenntnissen" nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen IXb und X BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit (vgl. BSG Urteile vom 27. November 1991 - 5 RJ 91/89 -, 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - und 29. Mai 1980 - 5 RJ 138/79 -, jeweils veröffentlicht in Juris). Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005). Die Arbeit in Poststellen ist den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb zugeordnet, wobei die Vergütungsgruppe BAT IXb im Rahmen eines Bewährungsaufstieges nach zweijähriger Beschäftigung erreicht werden kann. Soweit die Arbeit auf Poststellen der Vergütungsgruppe BAT VIII zugeordnet sein kann (ausdrücklich erwähnt ist sie im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb nicht, lediglich exemplarisch genannt wird die "Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art"), handelt es sich um hervorgehobene Tätigkeiten, die ebenfalls einer längeren Einarbeitungszeit bedürfen. Zudem ist die Tätigkeit in der Poststelle im öffentlichen Dienst mit dem Heben und Tragen von Lasten - Paketen - verbunden und erfordern daher eine mittelschwere Belastbarkeit des Mitarbeiters (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005)."
Diese Ausführungen, die sich in der Stellungnahme des berufskundigen Sachverständigen Witthuhn vom 13. Dezember 2007 bestätigt finden, macht der Senat sich zueigen. Dass auf der dritten Stufe des Mehrstufenschemas einzuordnende Bürohilfstätigkeiten Vorkenntnisse erfordern, über die im handwerklichen Bereich Ausgebildete und langjährig Tätige nicht verfügen, hat auch der 21. Senat dieses Gerichts in seinem die Frage der Berufsunfähigkeit einer Köchin betreffenden Urteil vom 17. Dezember 2008 (L 21 RJ 177/04, zitiert nach juris) angenommen und dazu unter anderem ausgeführt:
"Insoweit ist dem Senat aus anderen Verfahren bekannt, dass eine von der Bundesagentur für Arbeit in den 1990er Jahren angebotene Fortbildung zur Büroassistentin ein Jahr dauerte (zum Beispiel vom 16. März 1992 bis 19. März 1993) und nach einem Ausbildungsplan erfolgte, der die Bereiche allgemeine Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Büroorganisation, Wirtschaftsrecht, Schriftverkehr, Schreibtechnik, Zahlungsverkehr, Bürokommunikation, Grundlagen des betrieblichen Rechnungswesens, Stenografie, kaufmännisches Rechnen, elektronische Datenverarbeitung und Kommunikations- und Bewerbungstraining jeweils mit unterschiedlichen Unterrichtsstunden beinhaltete (vgl. Urteil vom 11. Januar 2007, - L 21 R 375/05 - veröffentlicht in Juris). Dafür, dass die Klägerin entsprechende Kenntnisse wie durch diese Fortbildung erworben hat, bestehen aber keine Anhaltspunkte."
Die von der Beklagten in das Verfahren eingeführten Entscheidungen stützen ihre Auffassung im Übrigen nicht. Dem von ihr in Bezug genommenen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20. Februar 2008 ( L 13 R 2738/03) etwa lag ein insoweit nicht vergleichbarer Fall zugrunde, als der dortige Kläger "angesichts seiner schulischen und beruflichen Ausbildung und seiner langjährigen Tätigkeit über Kenntnisse" verfügte, "die es ihm ermöglichten, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur, die der Vergütungsgruppe VII BAT entsprechen, in einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu erlernen". Dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20. Januar 2009 (L 9 R 5646/06) lag der Fall eines Metzgers zugrunde, der eine zweijährige Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann durchlaufen hatte und als selbständiger Versicherungskaufmann tätig gewesen war.
Soweit die Beklagte schließlich behauptet, die Klägerin sei auch auf die Tätigkeit einer Telefonistin in Tagesschicht verweisbar und insoweit zwei Entscheidungen dieses Gerichts in Bezug genommen hat, kann ihr nicht gefolgt werden. Ohne dass ein detailliertes Anforderungsprofil vorläge, ist festzustellen, dass diese Tätigkeit - soweit es sie überhaupt (noch) gibt - ein Maß an psychischer Belastbarkeit erfordert, über welches die Klägerin nicht (mehr) verfügt. Ihr Reaktionsvermögen, die Lern- und Merkfähigkeit ebenso wie die Konzentrations-, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sind reduziert; die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ist eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen G, das der Senat, wie bereits ausgeführt, für schlüssig und nachvollziehbar hält. Der von der Beklagten als Hilfsantrag formulierten Frage, ob die Klägerin auch überwiegend im Sitzen arbeiten könnte, braucht er angesichts dessen nicht nachzugehen. Im Übrigen bestehen auch hinsichtlich dieser Tätigkeit Zweifel an der sozialen Zumutbarkeit: Sind sie ohne jegliche Kenntnisse innerhalb von weniger als drei Monaten zu "erlernen", so können sie die dritte Stufe des Mehrstufenschemas nicht erreichen; erreichen sie diese nicht, so muss sich die Klägerin nicht auf sie verweisen lassen.
Die Klägerin ist seit dem 13. Mai 2003 krankgeschrieben. Die Fähigkeit, in ihrem Beruf zu arbeiten, hat sie seitdem nicht wiedererlangt. Der für den Beginn der Rente maßgebliche Leistungsfall ist mithin lange vor dem Zeitpunkt der Antragstellung eingetreten, so dass die Rente gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von dem Kalendermonat an zu leisten ist, in welchem sie beantragt wurde. Die Rente wurde am 18. November 2003 beantragt, ist also ab dem 1. November 2003 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
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