L 8 R 648/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 RA 6677/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 648/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind über das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis vom 30. Juli 2009 hinaus nicht zu erstatten.

Gründe:

Durch das von der Klägerin der Sache nach angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten ist der Kostenstreit bezüglich die Hälfte der außergerichtlichen Kosten erledigt (Rechtsgedanke des § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Auf Antrag der Klägerin war durch Beschluss über die Erstattung des noch offenen Teils der außergerichtlichen Kosten zu entscheiden (§ 193 Abs. 1 Satz 3 SGG). Ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten zu erstatten haben, bestimmt sich im sozialgerichtlichen Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, welchen Ausgang der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand im Zeitpunkt seiner Erledigung voraussichtlich genommen hätte (s. etwa BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2). Nach dem Stand der Ermittlungen im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits versprach die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Neufeststellung der Regelaltersrente ab 1. Juli 1997 unter rentensteigernder Berücksichtigung der Zeit von Oktober 1941 bis März 1943 als Beschäftigungszeit in einem Ghetto waren nicht erfüllt. Die Klägerin konnte ihren Anspruch allein aus dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) herleiten. Die Tatsachen, welche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ZRBG für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes begründen, waren nicht wenigstens glaubhaft gemacht, wie es das Gesetz erfordert (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. mit § 3 Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG], s. BSG SozR 4-5075 § 1 Nr. 4). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WGSVG). Nicht glaubhaft gemacht ist bereits, dass sich die Klägerin während des gesamten Zeitraums von Oktober 1941 bis März 1943 in einem Ghetto aufgehalten hat (zu diesem Erfordernis für die Anwendbarkeit des ZRBG s. stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 306 Nr. 1). Über ihren Aufenthaltsort in diesem Zeitraum hat die Klägerin 1948 und 1950 in Entschädigungsverfahren unterschiedliche Angaben gemacht. Zu den Gründen für diese Abweichung ist von ihr damals ebensowenig vorgetragen worden wie im jetzigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Im Gegensatz zum Entschädigungsverfahren, wo weitere Erklärungen deshalb entbehrlich waren, weil die Klägerin nach jeder ihrer damaligen Darstellungen von Oktober 1941 bis März 1943 ihrer Freiheit beraubt war, konnten ihre Aufenthaltsorte in diesem Zeitraum für den jetzt geltend gemachten Anspruch nicht offen bleiben, weil hiervon die Anwendbarkeit des ZRBG abhängt. Würde den Angaben gefolgt, die 1948 gegenüber der IRO gemacht worden sind, wäre die Klägerin bereits "1942" im Lager Plaszow interniert gewesen. Bei diesem Lager handelte es sich nicht um ein Ghetto im Sinne des ZRBG, sondern um ein bereits 1940 eingerichtetes Zwangsarbeitslager, in dem ab 1941 auch Juden gefangengehalten wurden (stellvertretend dazu die Internetseite deathcamps.org/occupation/plaszow de.html). Der jetzige Vortrag der Klägerin zu ihren Aufenthaltsorten im streitigen Zeitraum, der ihrem 1950 aus Anlass eines weiteren Entschädigungsantrags geänderten entspricht, wird durch die 1948 gemachten Angaben in Frage gestellt. Es besteht angesichts der Auskunft des ITS vom Mai 2009 sowie den mitübersandten Ablichtungen kein Zweifel daran, dass der für die IRO-Entschädigung ausgefüllte "CM-1"-Bogen eine nicht außer Betracht zu lassende Auskunftsquelle darstellt, weil er von der Klägerin oder ihrem Ehemann auszufüllen war. Als überwiegend wahrscheinlich kann somit allenfalls angesehen werden, dass sich die Klägerin ab 15. Oktober 1941 bis zum Jahresende 1941 im Ghetto Krakau befand. Für die Zeit danach besteht lediglich die Möglichkeit, dass es sich so verhielt. Unabhängig davon ist jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in dem von ihr angegebenen Zeitraum die von ihr im Verwaltungsverfahren und im Rechtsstreit geltend gemachte Beschäftigung ausgeübt hat. Das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass insoweit (ebenfalls) ein Widerspruch zu dem besteht, was die Klägerin (oder – wie erwähnt – jedenfalls ihr Ehemann) 1948 gegenüber der IRO vorgetragen. Diesen Widerspruch hat die Klägerin nicht überzeugend aufgeklärt. Insoweit reicht es nicht (wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 13. September 2006 geschehen), darauf zu verweisen, dass es in den Entschädigungsverfahren nicht auf einen Ghettoaufenthalt angekommen sei. Gerade deshalb, weil es 1948 zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs auch nicht auf eine bestimmte Beschäftigung ankam, gab es keinen Grund, Angaben zu machen, die nicht der Wahrheit entsprachen. Auch ohne die rechtlichen Erkenntnisse aus den Entscheidungen des 5. und des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 2. und 3. Juni 2009 zu Voraussetzungen des § 1 Buchstaben a) und b) ZRBG waren die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch somit nicht erfüllt. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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