Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2864/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1332/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.12.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit Bescheid vom 07.08.1992 stellte das damalige VA bei dem 1946 geborenen Kläger den Grad der Behinderung (GdB) mit 40 fest wegen folgender Funktionseinschränkungen: 1. Umbauveränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20) 2. Allergische Diathese (Teil-GdB 10) 3. Chronische Verdauungsstörungen (Teil-GdB 10) 4. Chronische Bronchitis, chronische Sinusitis (Teil-GdB 20) 5. Coxarthrose rechts (Teil-GdB 20).
Der Erhöhungsantrag des Klägers vom 16.10.2001 blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 04.12.2001).
Am 17.08.2005 beantragte der Kläger erneut, seinen GdB höher festzustellen. Das jetzt zuständige LRA holte von dem behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. den Befundbericht vom 14.11.2005 ein, der darin u. a. ausführte, es bestünden manigfaltige orthopädische Leiden mit Zustand nach Innenmeniskusruptur am linken Kniegelenk und chronischer Synovitis, rezidivierende Beschwerden an der rechten Hüfte und eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung. Weiterhin bestünden ein rezidivierender nervöser Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie psychische Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression. In ihrer versorgungsärztlichen (v. ä.) Stellungnahme vom 11.01.2006 bewertete Dr. D.-W. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die chronische Bronchitis sowie chronische Nebenhöhlenentzündung und die Funktionsbehinderung des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks jeweils mit einem Teil-GdB von 20, eine Allergie, eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit Zwerchfellbruch und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks jeweils mit einem GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 40. Mit dem Bescheid vom 20.01.2006 lehnte es das LRA daraufhin ab, den GdB höher zu bewerten.
Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, im Bereich seines gesamten Bewegungsapparats hätten sich Verschlimmerungen eingestellt. Das LRA holte daraufhin von Dr. K. noch den Befundbericht vom 17.05.2006 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.08.2006 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, insbesondere im Bereich der Hüfte, der Knie und der Schultern hätten sich seine Beschwerden massiv verstärkt.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Dr. H. unter dem 18.10.2006 und Dr. K. unter dem 26.10.2006 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. H. übersandte zahlreiche Arztbriefe und bekundete, die - im Vordergrund der Beschwerden stehenden - orthopädischen Leiden hätten sich verschlechtert. Dr. K. führte aus, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 20 korrekt bewertet. Die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks und des linken Kniegelenks einerseits sowie ein Supraspinatussyndrom der linken Schulter andererseits seien seiner Ansicht nach mit einem GdB von jeweils 10 zu bewerten. Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG sodann von dem Orthopäden Dr. St. das Gutachten vom 29.01.2007 ein. Dieser führte aus, im Laufe des letzten Jahres seien arthritische Veränderungen vor allem in der rechten Hand aufgetreten, deren Ursache noch nicht vollständig diagnostisch abgeklärt sei. Bisher sei rheumatologisch eine Oligoarthritis bei monoklonaler Gammopathie festgestellt worden. Insoweit stützte er sich auf die Arztbriefe der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 12.12.2006 und des Rheumatologen Dr. J. vom 26.01.2007. In seiner Beurteilung bewertete Dr. St. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, Coxarthrose rechts mehr als links bei Coxa valga rechts, Gon-arthrose links bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektion ebenfalls mit einem GdB von 20, Periarthrose beidseits bei Teilruptur der Supraspinatussehne rechts, ACG-Arthrose beidseits mit einem GdB von 10, Oligoarthritis rechte Hand, monoklonale Gammopathie mit einem GdB von 20 und den Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der chronischen Bronchitis sowie chronischen Nebenhöhlenentzündung (Teil-GdB 20) mit 50.
Hierzu legte der Beklagte die kritische v. ä. Stellungnahme von Dr. G. vom 04.06.2007 vor. Dieser beanstandete, der bisherige GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der unteren Gliedmaßen sei angesichts der dokumentierten Funktionsbefunde zu hoch angesetzt worden. Im Übrigen werde auch durch das Hinzutreten der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand durch einen arthritischen Reizzustand die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht.
Mit Urteil vom 17.12.2007 verpflichtete das SG den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, den GdB ab 17.08.2005 mit 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen stützte es sich wesentlich auf das Gutachten von Dr. St ... Soweit Dr. G. für die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und des Kniegelenks insgesamt nur einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachte, sei dies nicht überzeugend. Dies widerspreche den bisherigen gutachtlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 02.07.1991 sowie der Dr. D.-W. vom 24.11.2001 und 11.01.2006. Soweit Dr. G. ausgeführt habe, die Gesamtauswirkung der Beeinträchtigungen sei nicht mit dem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel gleichzusetzen, könne auch dem nicht gefolgt werden. Zu berücksichtigen sei, dass die Funktionsbeeinträchtigungen sich sowohl auf weite Teile des Stütz- und Bewegungsapparates als auch auf die Atemwege bezögen. Bisher seien auch der von Dr. H. beschriebene rezidivierende nervöse Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie die psychischen Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression nicht berücksichtigt worden.
Gegen das ihm am 27.02.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17.03.2008 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, in der Gesamtschau lasse sich in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, wie sie dem maßgeblichen Feststellungsbescheid vom 07.08.1992 zu Grunde gelegen hätten, durch das Hinzutreten einer weiteren Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 20 keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) nachweisen, zumal im Hinblick auf die gutachtlich dokumentierten Funktionsbefunde die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks lediglich noch mit einem Teil-GdB von 10 bewertet werden könnten.
Bei der Beurteilung des neuen Gesamt-GdB sei festzuhalten, dass beim Kläger lediglich sogenannte "leichte" Gesundheitsstörungen nebeneinander bestünden. Nach den Bewertungsgrundsätzen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) von 2008 führten zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingten, grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Die lediglich geringgradigen Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten beider Schultern könnten zwar theoretisch zusammen mit der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand tenoriert werden. Ein höherer Teil-GdB als 20 ergäbe sich dadurch jedoch nicht. Auch bei den übrigen, gleichfalls leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 sei es nicht gerechtfertigt, bei jeder Beeinträchtigung auf eine Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach gängiger Verwaltungspraxis könnten vier einzelne und wie hier von einander unabhängige Funktionsbeeinträchtigungen mit jeweils Teil-GdB-Werten von 20 die Schwerbehinderteneigenschaft nicht ergeben. Es werde hier mindestens ein Basiswert von 30 als erforderlich angesehen. Weder der Sachverständige Dr. St. noch das SG hätten erklärt, warum auch noch der vierte Teil GdB von 20 bei der Gesamt-GdB-Bildung erhöhend berücksichtigt werden müsse. Im Übrigen könne eine auf psychiatrischem Fachgebiet bestehende Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 10 aufgrund des einmaligen Hinweises des behandelnden Internisten im Befundbericht vom November 2005 nicht belegt werden. Der Beklagte hat die v. ä. Stellungnahmen von Dr. W. vom 05.03.2008, Dr. G. vom 26.09.2008 und von Dr. R. vom 29.05.2009 vorgelegt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, im Zusammenhang mit dem von Dr. H. unter dem 14.11.2005 erwähnten rezidivierenden nervösen Überforderungs- und Erschöpfungszustand und seiner ausgeprägten larvierten Depression sei er auch in fachärztlicher Behandlung bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. gewesen. Diese habe in ihrem Arztbrief vom 09.10.2006 eine chronische Schmerzsymptomatik festgestellt und darüber hinaus auch eine erhebliche Schlafstörung bestätigt.
Der Senat hat den Internisten Dr. H. unter dem 10.02.2009 und Dr. B. unter dem 09.03.2009 jeweils schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. H. hat unter anderem ausgeführt, insgesamt gesehen sei das Krankheitsbild überlagert durch eine larvierte Depression sowie einen nervösen Erschöpfungszustand. Er hat zahlreiche Arztbriefe behandelnder Fachärzte übersandt. Dr. B. hat ausgeführt, ein Schreiben an das LRA über einen rezidivierenden Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie psychische Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression habe sie in ihren Unterlagen nicht finden können. Da sie selbst Fachärztin für Psychiatrie sei, habe sie auch keinen Anlass gehabt, den Kläger an einen (anderen) Arzt für Psychiatrie zu überweisen. Hierzu habe auch kein Anlass bestanden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB des Klägers mit 50 festzustellen. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinn ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der letzten bindenden Feststellung einerseits und ab dem Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits vorgelegen hat.
Demnach war vorliegend zu prüfen, ob im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 07.08.1992 zu Grunde gelegen hat, mit dem der GdB mit 40 festgestellt worden ist, eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, die es erfordert, nunmehr einen solchen von 50 festzustellen. Entgegen der vom SG vertretenen Ansicht ist dies nicht der Fall.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IX).
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen zu erheben sind. Während der Senat sich im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten bis 31. Dezember 2008 an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt waren, orientiert hat, sind nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) anzuwenden, die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV; vom 10. Dezember 2008 BGBl. I, S. 2412) zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sind. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 30 Abs. 17 BVG Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX gleichermaßen für die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. a.) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. c.). Dabei können die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinender ganz unterschiedlich sei. So können die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbehinderung kann sich auf eine andere auch besonders nachteilig auswirken, wie dies vor allem bei Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen der Fall ist. Auch können sich Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen überschneiden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. d.).
Im vorliegenden Fall hat sich zwar das Ausmaß der bei dem Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen verstärkt, jedoch nicht in einem Ausmaß, das eine Erhöhung des GdB auf 50 rechtfertigen würde. Aufgrund des Gutachtens von Dr. St. vom 29.01.2007 hat sich der Senat davon überzeugt, dass bei dem Kläger jetzt eine Gebrauchseinschränkung der rechten Hand durch einen arthritischen Reizzustand vorliegt, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Hiermit stimmt auch Dr. G. überein, wobei es nicht auf die exakte differenzialdiagnostische Einordnung ankommt (vorläufige Diagnose: Oligoarthritis bei monoklonaler Gammopathie). Ein höherer GdB als 20 ergibt sich auch dann nicht, wenn man entsprechend den Grundsätzen in Teil A Nr. 2 Buchst. e der VG das Funktionssystem der Arme zusammenfassend beurteilt, d. h. neben der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand auch die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten beider Schultern berücksichtigt. Wie Dr. St. für den Senat überzeugend dargelegt hat, erlauben die Schulterfunktionsstörungen nämlich noch eine ausreichende Beweglichkeit bei herabgesetzter Belastbarkeit, sodass insoweit ein GdB von 10 ausreichend erscheint. Eine Allergie sowie eine Refluxkrankheit der Speiseröhre unter Berücksichtigung eines Zwerchfellbruchs können - so überzeugend Dr. D.-W. in ihrer v. ä. Stellungnahme vom 11.01.2006 - jeweils lediglich mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigt werden. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bedingen nach wie vor einen GdB von 20. Hierin stimmen Dr. St. und Dr. D.-W. überein. Auch die chronische Bronchitis sowie chronische Nebenhöhlenentzündung ist nach wie vor mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Offen bleiben kann ferner, ob die Funktionsbeeinträchtigung von Seiten der unteren Extremitäten, nämlich von Seiten des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 20 (so der Sachverständige Dr. St. und v. ä. Stellungnahmen des Dr. W. vom 02.07.1991 sowie von Dr. D.-W. vom 24.11.2001 und 11.01.2006 - oder aber mit einem solchen von 10 - so Dr. G. in der v. ä. Stellungnahme vom 04.06.2007 - zu bewerten sind. Auf die Höhe des Gesamt-GdB wirkt sich dies nämlich nicht aus. Schließlich kann bei der Bemessung des GdB auch kein rezidivierender nervöser Überforderungs- und Erschöpfungszustand oder eine ausgeprägte larvierte Depression berücksichtigt werden. Diese Diagnosen finden sich zwar im Arztbrief des Internisten Dr. H. vom 14.11.2005. Sie haben sich jedoch nicht fachärztlich bestätigen lassen. Insbesondere hat die behandelnde Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. den Kläger nie wegen Gesundheitsstörungen behandelt, die dem psychiatrischen Gebiet zuzuordnen sind. Unter dem 09.03.2009 hat sie vielmehr für den Senat überzeugend begründet, dass sie anlässlich der zehn Konsultationen des Klägers in den Jahren 2005 - 2007 lediglich die Diagnosen Karpaltunnelsyndrom (CTS) beidseits, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS), Hüftgelenksarthrose rechts, Zustand nach Wespenstich, Reaktion (Allergie?), Arthritis, Arthrose der Fingergelenke rechts sowie anamnestisch kognitive Störungen gestellt hat. Die genannten kognitiven Störungen hält der Senat nicht für erwiesen. In ihrem Arztbrief vom 04.07.2005 hat Dr. B. nämlich ausgeführt, die vom Kläger geklagten kognitiven Störungen hätten sich mit einfachen Demenz-Testungen nicht verifizieren lassen.
Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB lässt sich hier kein höherer GdB als 40 feststellen und keine wesentliche Zunahme der Funktionseinschränkungen bejahen, die eine Erhöhung des GdB um 10 rechtfertigen würde. Sofern man die Funktionseinschränkung von Seiten des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 20 bewertet, liegen zwar insgesamt vier Funktionseinschränkungen vor, die entsprechend zu bewerten sind. Die Funktionseinschränkung von Seiten der unteren Gliedmaßen ist damit jedoch eher großzügig bewertet. Wie Dr. G. in seiner v. ä. Stellungnahme vom 04.06.2007 schlüssig dargelegt hat, zeigte das rechte Hüftgelenk des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. St. allenfalls eine endgradige Beugeeinschränkung. Beide Kniegelenke waren frei beweglich ohne Kapselschwellung oder Ergussbildung, wobei die Bandführung straff war. Im Übrigen hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. K. in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 26.10.2006 die Funktionseinschränkung des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks lediglich mit einem GdB von 10 bewertet.
Ferner ist bei der Frage, ob durch das Hinzutreten einer weiteren Funktionseinschränkung das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung so wesentlich erhöht wird, dass nunmehr die Schwerbehinderteneigenschaft erreicht wird, erheblich, ob lediglich leichte, nur mit einem GdB von 20 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen oder zumindest eine Funktionseinschränkung, die eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 30 rechtfertigt. Ist letzteres nicht der Fall, so spricht dies in der Regel dafür, die zusätzliche leichte Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von 20 als eine solche zu werten, die keine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung bedingt.
Schließlich ist zu beachten, dass nach Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen sind, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. In Abschnitt 19 Abs. 2 der AHP 2008 war hierzu noch ausgeführt, ein Gesamt-GdB von 50 könne bspw. nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich sei, wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Diese Passage wurde zwar nicht in die VG übernommen, ist aber gleichwohl nicht überholt, da hiermit lediglich eine Erläuterung zu dem heute in Teil A Nr. 3 Buchst. b enthaltenen Grundsatz gegeben wird. Nach Auffassung des Senats ergibt eine Gesamtschau der bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, dass diese mit dem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel nicht gleichgestellt werden können.
Nach alledem musste die Berufung des Beklagten zum Erfolg führen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit Bescheid vom 07.08.1992 stellte das damalige VA bei dem 1946 geborenen Kläger den Grad der Behinderung (GdB) mit 40 fest wegen folgender Funktionseinschränkungen: 1. Umbauveränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20) 2. Allergische Diathese (Teil-GdB 10) 3. Chronische Verdauungsstörungen (Teil-GdB 10) 4. Chronische Bronchitis, chronische Sinusitis (Teil-GdB 20) 5. Coxarthrose rechts (Teil-GdB 20).
Der Erhöhungsantrag des Klägers vom 16.10.2001 blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 04.12.2001).
Am 17.08.2005 beantragte der Kläger erneut, seinen GdB höher festzustellen. Das jetzt zuständige LRA holte von dem behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. den Befundbericht vom 14.11.2005 ein, der darin u. a. ausführte, es bestünden manigfaltige orthopädische Leiden mit Zustand nach Innenmeniskusruptur am linken Kniegelenk und chronischer Synovitis, rezidivierende Beschwerden an der rechten Hüfte und eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung. Weiterhin bestünden ein rezidivierender nervöser Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie psychische Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression. In ihrer versorgungsärztlichen (v. ä.) Stellungnahme vom 11.01.2006 bewertete Dr. D.-W. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die chronische Bronchitis sowie chronische Nebenhöhlenentzündung und die Funktionsbehinderung des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks jeweils mit einem Teil-GdB von 20, eine Allergie, eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit Zwerchfellbruch und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks jeweils mit einem GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 40. Mit dem Bescheid vom 20.01.2006 lehnte es das LRA daraufhin ab, den GdB höher zu bewerten.
Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, im Bereich seines gesamten Bewegungsapparats hätten sich Verschlimmerungen eingestellt. Das LRA holte daraufhin von Dr. K. noch den Befundbericht vom 17.05.2006 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.08.2006 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, insbesondere im Bereich der Hüfte, der Knie und der Schultern hätten sich seine Beschwerden massiv verstärkt.
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Dr. H. unter dem 18.10.2006 und Dr. K. unter dem 26.10.2006 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. H. übersandte zahlreiche Arztbriefe und bekundete, die - im Vordergrund der Beschwerden stehenden - orthopädischen Leiden hätten sich verschlechtert. Dr. K. führte aus, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 20 korrekt bewertet. Die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks und des linken Kniegelenks einerseits sowie ein Supraspinatussyndrom der linken Schulter andererseits seien seiner Ansicht nach mit einem GdB von jeweils 10 zu bewerten. Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG sodann von dem Orthopäden Dr. St. das Gutachten vom 29.01.2007 ein. Dieser führte aus, im Laufe des letzten Jahres seien arthritische Veränderungen vor allem in der rechten Hand aufgetreten, deren Ursache noch nicht vollständig diagnostisch abgeklärt sei. Bisher sei rheumatologisch eine Oligoarthritis bei monoklonaler Gammopathie festgestellt worden. Insoweit stützte er sich auf die Arztbriefe der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 12.12.2006 und des Rheumatologen Dr. J. vom 26.01.2007. In seiner Beurteilung bewertete Dr. St. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, Coxarthrose rechts mehr als links bei Coxa valga rechts, Gon-arthrose links bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektion ebenfalls mit einem GdB von 20, Periarthrose beidseits bei Teilruptur der Supraspinatussehne rechts, ACG-Arthrose beidseits mit einem GdB von 10, Oligoarthritis rechte Hand, monoklonale Gammopathie mit einem GdB von 20 und den Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der chronischen Bronchitis sowie chronischen Nebenhöhlenentzündung (Teil-GdB 20) mit 50.
Hierzu legte der Beklagte die kritische v. ä. Stellungnahme von Dr. G. vom 04.06.2007 vor. Dieser beanstandete, der bisherige GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der unteren Gliedmaßen sei angesichts der dokumentierten Funktionsbefunde zu hoch angesetzt worden. Im Übrigen werde auch durch das Hinzutreten der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand durch einen arthritischen Reizzustand die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht.
Mit Urteil vom 17.12.2007 verpflichtete das SG den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, den GdB ab 17.08.2005 mit 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen stützte es sich wesentlich auf das Gutachten von Dr. St ... Soweit Dr. G. für die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und des Kniegelenks insgesamt nur einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachte, sei dies nicht überzeugend. Dies widerspreche den bisherigen gutachtlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 02.07.1991 sowie der Dr. D.-W. vom 24.11.2001 und 11.01.2006. Soweit Dr. G. ausgeführt habe, die Gesamtauswirkung der Beeinträchtigungen sei nicht mit dem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel gleichzusetzen, könne auch dem nicht gefolgt werden. Zu berücksichtigen sei, dass die Funktionsbeeinträchtigungen sich sowohl auf weite Teile des Stütz- und Bewegungsapparates als auch auf die Atemwege bezögen. Bisher seien auch der von Dr. H. beschriebene rezidivierende nervöse Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie die psychischen Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression nicht berücksichtigt worden.
Gegen das ihm am 27.02.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17.03.2008 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, in der Gesamtschau lasse sich in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, wie sie dem maßgeblichen Feststellungsbescheid vom 07.08.1992 zu Grunde gelegen hätten, durch das Hinzutreten einer weiteren Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 20 keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) nachweisen, zumal im Hinblick auf die gutachtlich dokumentierten Funktionsbefunde die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks lediglich noch mit einem Teil-GdB von 10 bewertet werden könnten.
Bei der Beurteilung des neuen Gesamt-GdB sei festzuhalten, dass beim Kläger lediglich sogenannte "leichte" Gesundheitsstörungen nebeneinander bestünden. Nach den Bewertungsgrundsätzen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) von 2008 führten zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingten, grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Die lediglich geringgradigen Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten beider Schultern könnten zwar theoretisch zusammen mit der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand tenoriert werden. Ein höherer Teil-GdB als 20 ergäbe sich dadurch jedoch nicht. Auch bei den übrigen, gleichfalls leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 sei es nicht gerechtfertigt, bei jeder Beeinträchtigung auf eine Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach gängiger Verwaltungspraxis könnten vier einzelne und wie hier von einander unabhängige Funktionsbeeinträchtigungen mit jeweils Teil-GdB-Werten von 20 die Schwerbehinderteneigenschaft nicht ergeben. Es werde hier mindestens ein Basiswert von 30 als erforderlich angesehen. Weder der Sachverständige Dr. St. noch das SG hätten erklärt, warum auch noch der vierte Teil GdB von 20 bei der Gesamt-GdB-Bildung erhöhend berücksichtigt werden müsse. Im Übrigen könne eine auf psychiatrischem Fachgebiet bestehende Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 10 aufgrund des einmaligen Hinweises des behandelnden Internisten im Befundbericht vom November 2005 nicht belegt werden. Der Beklagte hat die v. ä. Stellungnahmen von Dr. W. vom 05.03.2008, Dr. G. vom 26.09.2008 und von Dr. R. vom 29.05.2009 vorgelegt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, im Zusammenhang mit dem von Dr. H. unter dem 14.11.2005 erwähnten rezidivierenden nervösen Überforderungs- und Erschöpfungszustand und seiner ausgeprägten larvierten Depression sei er auch in fachärztlicher Behandlung bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. gewesen. Diese habe in ihrem Arztbrief vom 09.10.2006 eine chronische Schmerzsymptomatik festgestellt und darüber hinaus auch eine erhebliche Schlafstörung bestätigt.
Der Senat hat den Internisten Dr. H. unter dem 10.02.2009 und Dr. B. unter dem 09.03.2009 jeweils schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. H. hat unter anderem ausgeführt, insgesamt gesehen sei das Krankheitsbild überlagert durch eine larvierte Depression sowie einen nervösen Erschöpfungszustand. Er hat zahlreiche Arztbriefe behandelnder Fachärzte übersandt. Dr. B. hat ausgeführt, ein Schreiben an das LRA über einen rezidivierenden Überforderungs- und Erschöpfungszustand sowie psychische Veränderungen im Sinne einer ausgeprägten larvierten Depression habe sie in ihren Unterlagen nicht finden können. Da sie selbst Fachärztin für Psychiatrie sei, habe sie auch keinen Anlass gehabt, den Kläger an einen (anderen) Arzt für Psychiatrie zu überweisen. Hierzu habe auch kein Anlass bestanden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB des Klägers mit 50 festzustellen. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinn ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der letzten bindenden Feststellung einerseits und ab dem Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits vorgelegen hat.
Demnach war vorliegend zu prüfen, ob im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 07.08.1992 zu Grunde gelegen hat, mit dem der GdB mit 40 festgestellt worden ist, eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, die es erfordert, nunmehr einen solchen von 50 festzustellen. Entgegen der vom SG vertretenen Ansicht ist dies nicht der Fall.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IX).
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen zu erheben sind. Während der Senat sich im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten bis 31. Dezember 2008 an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt waren, orientiert hat, sind nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) anzuwenden, die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV; vom 10. Dezember 2008 BGBl. I, S. 2412) zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sind. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 30 Abs. 17 BVG Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX gleichermaßen für die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. a.) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. c.). Dabei können die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinender ganz unterschiedlich sei. So können die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbehinderung kann sich auf eine andere auch besonders nachteilig auswirken, wie dies vor allem bei Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen der Fall ist. Auch können sich Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen überschneiden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. d.).
Im vorliegenden Fall hat sich zwar das Ausmaß der bei dem Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen verstärkt, jedoch nicht in einem Ausmaß, das eine Erhöhung des GdB auf 50 rechtfertigen würde. Aufgrund des Gutachtens von Dr. St. vom 29.01.2007 hat sich der Senat davon überzeugt, dass bei dem Kläger jetzt eine Gebrauchseinschränkung der rechten Hand durch einen arthritischen Reizzustand vorliegt, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Hiermit stimmt auch Dr. G. überein, wobei es nicht auf die exakte differenzialdiagnostische Einordnung ankommt (vorläufige Diagnose: Oligoarthritis bei monoklonaler Gammopathie). Ein höherer GdB als 20 ergibt sich auch dann nicht, wenn man entsprechend den Grundsätzen in Teil A Nr. 2 Buchst. e der VG das Funktionssystem der Arme zusammenfassend beurteilt, d. h. neben der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand auch die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten beider Schultern berücksichtigt. Wie Dr. St. für den Senat überzeugend dargelegt hat, erlauben die Schulterfunktionsstörungen nämlich noch eine ausreichende Beweglichkeit bei herabgesetzter Belastbarkeit, sodass insoweit ein GdB von 10 ausreichend erscheint. Eine Allergie sowie eine Refluxkrankheit der Speiseröhre unter Berücksichtigung eines Zwerchfellbruchs können - so überzeugend Dr. D.-W. in ihrer v. ä. Stellungnahme vom 11.01.2006 - jeweils lediglich mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigt werden. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bedingen nach wie vor einen GdB von 20. Hierin stimmen Dr. St. und Dr. D.-W. überein. Auch die chronische Bronchitis sowie chronische Nebenhöhlenentzündung ist nach wie vor mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Offen bleiben kann ferner, ob die Funktionsbeeinträchtigung von Seiten der unteren Extremitäten, nämlich von Seiten des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 20 (so der Sachverständige Dr. St. und v. ä. Stellungnahmen des Dr. W. vom 02.07.1991 sowie von Dr. D.-W. vom 24.11.2001 und 11.01.2006 - oder aber mit einem solchen von 10 - so Dr. G. in der v. ä. Stellungnahme vom 04.06.2007 - zu bewerten sind. Auf die Höhe des Gesamt-GdB wirkt sich dies nämlich nicht aus. Schließlich kann bei der Bemessung des GdB auch kein rezidivierender nervöser Überforderungs- und Erschöpfungszustand oder eine ausgeprägte larvierte Depression berücksichtigt werden. Diese Diagnosen finden sich zwar im Arztbrief des Internisten Dr. H. vom 14.11.2005. Sie haben sich jedoch nicht fachärztlich bestätigen lassen. Insbesondere hat die behandelnde Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. den Kläger nie wegen Gesundheitsstörungen behandelt, die dem psychiatrischen Gebiet zuzuordnen sind. Unter dem 09.03.2009 hat sie vielmehr für den Senat überzeugend begründet, dass sie anlässlich der zehn Konsultationen des Klägers in den Jahren 2005 - 2007 lediglich die Diagnosen Karpaltunnelsyndrom (CTS) beidseits, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS), Hüftgelenksarthrose rechts, Zustand nach Wespenstich, Reaktion (Allergie?), Arthritis, Arthrose der Fingergelenke rechts sowie anamnestisch kognitive Störungen gestellt hat. Die genannten kognitiven Störungen hält der Senat nicht für erwiesen. In ihrem Arztbrief vom 04.07.2005 hat Dr. B. nämlich ausgeführt, die vom Kläger geklagten kognitiven Störungen hätten sich mit einfachen Demenz-Testungen nicht verifizieren lassen.
Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB lässt sich hier kein höherer GdB als 40 feststellen und keine wesentliche Zunahme der Funktionseinschränkungen bejahen, die eine Erhöhung des GdB um 10 rechtfertigen würde. Sofern man die Funktionseinschränkung von Seiten des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 20 bewertet, liegen zwar insgesamt vier Funktionseinschränkungen vor, die entsprechend zu bewerten sind. Die Funktionseinschränkung von Seiten der unteren Gliedmaßen ist damit jedoch eher großzügig bewertet. Wie Dr. G. in seiner v. ä. Stellungnahme vom 04.06.2007 schlüssig dargelegt hat, zeigte das rechte Hüftgelenk des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. St. allenfalls eine endgradige Beugeeinschränkung. Beide Kniegelenke waren frei beweglich ohne Kapselschwellung oder Ergussbildung, wobei die Bandführung straff war. Im Übrigen hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. K. in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 26.10.2006 die Funktionseinschränkung des rechten Hüft- und des linken Kniegelenks lediglich mit einem GdB von 10 bewertet.
Ferner ist bei der Frage, ob durch das Hinzutreten einer weiteren Funktionseinschränkung das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung so wesentlich erhöht wird, dass nunmehr die Schwerbehinderteneigenschaft erreicht wird, erheblich, ob lediglich leichte, nur mit einem GdB von 20 zu bewertende Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen oder zumindest eine Funktionseinschränkung, die eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 30 rechtfertigt. Ist letzteres nicht der Fall, so spricht dies in der Regel dafür, die zusätzliche leichte Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von 20 als eine solche zu werten, die keine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung bedingt.
Schließlich ist zu beachten, dass nach Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen sind, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. In Abschnitt 19 Abs. 2 der AHP 2008 war hierzu noch ausgeführt, ein Gesamt-GdB von 50 könne bspw. nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich sei, wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Diese Passage wurde zwar nicht in die VG übernommen, ist aber gleichwohl nicht überholt, da hiermit lediglich eine Erläuterung zu dem heute in Teil A Nr. 3 Buchst. b enthaltenen Grundsatz gegeben wird. Nach Auffassung des Senats ergibt eine Gesamtschau der bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, dass diese mit dem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel nicht gleichgestellt werden können.
Nach alledem musste die Berufung des Beklagten zum Erfolg führen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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