L 3 AS 1665/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2846/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1665/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Absenkung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Juli 2007.

Der 1978 geborene Kläger lebte zumindest bis Januar 2008 mit seiner Partnerin in einer gemeinsamen Wohnung. Beiden wurden als Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 11.01.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.07.2007 in Höhe von 1.002,76 EUR monatlich bewilligt. Dabei wurde als Regelleistung des Klägers jeweils ein Betrag in Höhe von 311,00 EUR monatlich berücksichtigt.

In einer bis 09.07.2007 gültigen Eingliederungsvereinbarung vom 17.01.2007 verpflichtete sich der Kläger unter anderem zur Mitwirkung an allen Maßnahmen zur Eingliederung und zur Nutzung aller Möglichkeiten, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine ausführliche Rechtsfolgenbelehrung für den Fall der Verletzung der Grundpflichten, welche der Rechtslage (§ 31 SGB II) entsprach.

Am 03.01.2007 unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag als Metallhilfsarbeiter bei der Firma M. GmbH. Der Kläger absolvierte bei der Firma einen Probearbeitstag am 07.02.2007, anschließend nahm er die Arbeit aber nicht wieder auf. Am 17.01.2007 wurde der Kläger aufgefordert, sich auf eine Stelle als Lager- und Transportarbeiter bei der Firma Die S. GmbH bzw. auf eine Stelle als Kommissionierer bei der Firma F. zu bewerben. Bei der Firma Die S. GmbH meldete sich der Kläger nicht und auch die Firma F. konnte sich ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 25.05.2007 an keinen Kontakt mit dem Kläger vor dem 24.05.2007 erinnern. Am 12.03.2007 wurde dem Kläger eine Arbeit als Produktionsmitarbeiter bei der Firma Schaumfabrik H. vorgeschlagen. Diese Arbeit trat der Kläger an, erhielt aber bereits nach wenigen Tage eine Kündigung. Am 25.04.2007 wurde dem Kläger schließlich eine Arbeit als Packerhelfer bei der Firma T. Services angeboten. Bei dieser Firma hat sich der Kläger nach Mitteilung der Firma wiederum nicht gemeldet.

Nach zwischen dem 11.04. und dem 18.05.2007 erfolgten Anhörungen des Klägers verfügte die Beklagte mit erstem Bescheid vom 18.05.2007 die Absenkung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.06. bis 31.08.2007 um 30 v.H., nämlich um 93,00 EUR , da der Kläger sich nicht bei der Firma Die S. GmbH beworben habe. Mit zweitem Bescheid vom 18.05.2007 senkte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Leistungen ebenfalls für die Zeit vom 1.06. bis 31.08.2007 um weitere 30 v.H., wiederum 93,00 EUR, aufgrund der Nichtmeldung bei der Firma F ...

Mit Änderungsbescheid vom 22.05.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2007 in Höhe von monatlich 1.002,76 EUR für den Monat Mai 2007 und 816,76 EUR für die Folgemonate. Hierbei wurde die dem Kläger zustehende Regelleistung in Höhe von nunmehr 312,00 EUR um 186,00 EUR gekürzt.

Mit drittem Bescheid vom 01.06.2007 verfügte die Beklagte die weitere Absenkung der dem Kläger zustehenden Leistungen um noch einmal 30 v.H. für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2007. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger sei eine zumutbare Arbeit als Lagerhelfer bei der Firma M. angeboten worden. Diese Arbeit habe er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen. Mit viertem Bescheid vom 01.06.2007 erfolgte schließlich noch einmal eine Absenkung um 30 v.H. der Regelleistung für denselben Zeitraum wie zuvor, weil der Kläger die Tätigkeit bei der Firma Schaumfabrik aufgegeben habe.

Mit Bescheid vom 14./15.06.2007 bewilligte die Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 632,76 EUR für den Monat August 2007 (Minderungsbetrag beim Kläger 372,00 EUR), für September in Höhe von 818,76 EUR (Minderungsbetrag beim Kläger 186,00 EUR) und in Höhe von 1.400,76 EUR für die Monate Oktober bis Januar 2008 (volle Regelleistung beim Kläger).

Gegen den zweiten Bescheid vom 18.05.2007 (Firma F.) und den dritten Bescheid vom 01.06.2007 (Firma M.) erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 17.07.2007 (Firma M.) und 18.07.2007 (Firma F.) zurückwies. Zur Begründung wurde jeweils unter anderem ausgeführt, der Kläger sei am 03.01.2007 (Firma M.) bzw. 17.01.2007 (Firma F.) über Sanktionen belehrt worden. Damit sei er in die Lage versetzt worden, die konkreten Auswirkungen der Pflichtverletzung zu erkennen.

Wegen Arbeitsaufnahme des Klägers am 05.07.2007 stellte die Beklagte die Leistungen zum 01.08.2007 vorläufig ein.

Am 24.07.2007 hat der Kläger gegen beide Widerspruchsbescheide Klagen zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben.

Da der Kläger das Verfahren bzgl. des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 (Firma F.) nicht betrieb (SG - S 6 AS 2845/07 -) hat das SG die Klage gem. § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen bewertet.

Im Hinblick auf die ihm gegenüber verhängte Sanktion wegen des Arbeitsangebots bei der Firma M. hat der Kläger ausgeführt, er habe sich beim Probearbeitstag bei der Einsatzfirma nicht wohl gefühlt und deshalb die Arbeit nicht aufgenommen.

Mit Urteil vom 25.02.2009 hat das SG den Bescheid vom 01.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.07.2007 aufgehoben. Es hat das Begehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass der Kläger sich nur gegen die Absenkung für den Monat Juli 2007 wende, da er am 05.07.2007 eine Arbeit aufgenommen habe und gegen die deshalb verfügte vorläufige Zahlungseinstellung ab August 2007 nicht vorgegangen sei. Insoweit genüge die Erhebung einer Anfechtungsklage, da mit Aufhebung des Bescheides vom 01.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2007 der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 11.01.2007 wieder auflebe. Dahinstehen könne, ob die Absenkung auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 SGB II oder § 31 Abs. 4 SGB II inhaltlich rechtmäßig gewesen wäre. Der Bescheid der Beklagten sei deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte mit insgesamt vier Bescheiden das Arbeitslosengeld II des Klägers um insgesamt 100 v.H., eigentlich um 120 v.H., gemindert habe. Dies entspreche nicht der Intention des abgestuften Sanktionssystems. Eine wiederholte Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 SGB II setze voraus, dass zumindest ein Sanktionsereignis vorausgegangen sei. Dieses müsse auch durch einen Sanktionsbescheid festgestellt sein. Denn nur dann könne eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung ergehen, die auf die Gefahr einer gesteigerten Sanktion hinweise. Erst danach könne dem Betroffenen ein erneuter Pflichtverstoß vorgeworfen werden. Dieses Stufensystem unterlaufe die Beklagte durch die Feststellung mehrerer erster Pflichtverletzungen in sich überschneidenden Zeiträumen. Das widerspreche Sinn und Zweck der Vorschrift und sei auch unverhältnismäßig. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen das am 06.04.2009 der Beklagten zugestellte Urteil richtet sich deren am 09.04.2009 eingelegte Berufung. Die Beklagte ist der Auffassung, dass nach § 31 Abs. 1 SGB II mehrere "erste Sanktionen" zeitgleich verlaufen könnten. Das Gesetz sehe diesbezüglich keine Beschränkungen vor. Es erfolgte auch keine Sanktion um 100 v.H., sondern nur um vier Mal 30 v.H. Es sei jede Pflichtverletzung zu sanktionieren, ein Ermessen stehe ihr - der Beklagten - nicht zu. Der zeitgleiche Verlauf mehrerer erster Sanktionen widerspreche auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat die Eingliederungsvereinbarung vom 17.01.2007 und eine Übersichtsseite über den dem Kläger unterbreiteten Vermittlungsvorschlag bei der Firma M. vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten und die Vorprozessakte des SG S 6 AS 2845/07 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist nach Zulassung der Berufung durch das SG zulässig.

Streitgegenstand ist nur der dritte Bescheid vom 01.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.07.2007. Die weiteren Sanktionsbescheide sind bestandskräftig, nachdem der Kläger sie nicht bzw. nicht mehr angefochten und auch keinen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt hat (vgl. zu letzterem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.06.2009 - L 7 AS 266/09 B ER - in juris).

Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weshalb hierauf gem. § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ist das Begehren des Klägers, nachdem er am 05.07.2007 wieder eine Arbeit aufgenommen hat, nur die Aufhebung der Sanktion für den Monat Juli 2007. Für die Monate August und September besteht, nachdem er in diesen Monaten nach Einstellung der Leistungen durch die Beklagte zum 01.08.2007 keine Leistungen bezogen hat, kein Rechtschutzbedürfnis auf Aufhebung des Sanktionsbescheids. Entgegen den Ausführungen des SG lebt jedoch nicht der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 11.01.2007, sondern der Änderungsbescheid vom 22.05.2007, mit dem dem Kläger ebenfalls Leistungen für den Monat Juli 2007 bewilligt wurden, wieder auf. Dieser Bescheid hat die mit Bescheiden vom 18.05.2007 (Firma S. und Firma F.) verhängten Sanktionen umgesetzt. Diese Sanktionen sind - wie ausgeführt - bestandskräftig. Dem Kläger steht deshalb im Monat Juli nur die um diese bestandkräftig verhängten Sanktionen gekürzte Regelleistung zu.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht den Bescheid vom 01.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.07.2007 aufgehoben, da die Voraussetzungen einer wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 SGB II nicht vorgelegen haben.

Dies hat das SG im angegriffenen Urteil vom 25.02.2009 ausführlich und zutreffend unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen und unter Hinweis auf die insoweit vorliegende Rechtsprechung und Kommentierung ausgeführt; hierauf wird ebenfalls gem. § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen, dass es sich hier entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht um mehrere "erste Sanktionen" handelt. Es wurde mit dem ersten Bescheid vom 18.05.2007 eine erste Sanktion verhängt, bei den folgenden Sanktionsbescheiden handelt es sich um zeitlich nachfolgende wiederholte Sanktionsbescheide. Rechtsgrundlage für wiederholte Pflichtverletzungen ist § 31 Abs. 3 SGB II. Danach wird bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 das Arbeitslosengeld II um 60 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung gemindert. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Arbeitslosengeld II um 100 v.H. gemindert. Ob § 31 Abs. 3 SGB II nun nur auf solche Pflichtverletzungen anwendbar ist, die zeitlich nach einer Sanktionsfeststellung nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB II erfolgt sind, ist nach dem Wortlaut der Norm nicht eindeutig. Der Wortlaut, der nur auf die "erste wiederholte Pflichtverletzung" abstellt, legt eher nahe, allein auf die Wiederholung der Pflichtverletzung und nicht auf die wiederholte Absenkung abzustellen. Eine solche Auslegung der Norm trägt der Intention der stufenweisen Sanktionseskalation, die § 31 SGB II normiert und die darin zu sehen ist, nur ein trotz bereits erfolgter Sanktion erneut eingetretenes Fehlverhalten verschärft zu sanktionieren, jedoch keine Rechnung. Eine Warnfunktion tritt nicht bereits dann ein, wenn erstmals eine Pflichtverletzung erfolgt ist. Notwendig ist hierfür, dass dem Hilfebedürftigen in einem Sanktionsbescheid vor Augen geführt wird, dass für eine solche Pflichtverletzung eine Absenkung erfolgt. Ein solcher Sanktionsbescheid gibt ihm die Möglichkeit, sein Verhalten zu ändern. Erst wenn er auch auf den Sanktionsbescheid hin sein Verhalten nicht ändert und erneut eine Pflichtverletzung begeht, kann es zu einem weiteren Sanktionsbescheid kommen (so im Ergebnis auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.2009 - L 1 AS 3124/07 - n.v.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2007 - L 14 AS 1550/07 ER - in juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2008 - L 7 B 252/08 AS - in juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.06.2009 - L 7 AS 266/09 B ER - in juris; Sonnhoff, in juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2007, § 31 Rdnr. 197; Valgolio, in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rdnr. 99; tendenziell auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.01.2008 - L 12 AS 5001/07 ER-B - n.v. und Beschluss vom 31.03.2006 - L 8 AS 238/06 ER-B - n.v.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2007 - L 20 B 169/07 AS ER - in juris; offen gelassen bei LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - in juris; a.A. Rixen, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 31 Rdnr. 50d sowie LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.01.2009 - L 8 AS 59/06 - in juris).

Vom Erfordernis eines vorangegangenen Sanktionsbescheids ist auch nicht deshalb abzusehen, weil der Kläger vorab bereits in der Eingliederungsvereinbarung und auch in den Vermittlungsvorschlägen auf die möglichen Sanktionen hingewiesen worden ist. Es ist insoweit zwar nicht zu bestreiten, dass dem Kläger auf Grund der Belehrung das Sanktionssystem bei Pflichtverletzungen bekannt war, doch handelt es sich dabei im Grunde nur um eine abstrakte Belehrung. Der Betroffene ist sich allein auf Grund der Belehrung noch nicht darüber im Klaren, ob seine Verhaltensweise zur Sanktion führt. Möglicherweise kann er sich hinsichtlich einer Pflichtverletzung auf einen vom Leistungsträger anerkannten wichtigen Grund berufen. Dass es tatsächlich zu einer Verletzung und einer darauf gestützten Sanktion kommt, wird dem Kläger deshalb erst durch den Erhalt eines Sanktionsbescheids deutlich vor Augen geführt. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesetzgeber die nach § 31 Abs. 3 SGB II möglichen Sanktionen durch das Fortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 01.01.2007 deutlich verschärft hat und § 31 Abs. 3 SGB II nunmehr bei einer wiederholten Pflichtverletzung eine Minderung um 60 v.H. und bei jeder weiteren Pflichtverletzung eine Minderung um 100 v.H. vorsieht.

Diese vom Senat und vom SG vertretene Auffassung steht auch nicht im Widerspruch zum Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. September 2008. Auch das Sozialgericht hat ausgeführt, dass zu Recht angenommen werde, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II nur auf solche Pflichtverletzungen anwendbar sei, die zeitlich nach einer Sanktionsfeststellung auf der ersten Stufe, also nach § 31 Abs. 2 SGB II erfolgt sind. Es vertritt nur weiter die Auffassung, dass Verstöße gegen die Meldepflicht - um solche handelt es sich hier nicht -, die vor der Verhängung der Sanktion wegen der ersten Pflichtverletzung begangen wurden, einer erneuten einfachen Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II unterliegen würden. Ob dies auch für Pflichtverletzungen, die nicht nur eine Minderung um 10 v.H., sondern wie hier um 30 v.H. zur Folge haben, gilt, hat das Sozialgericht nicht entschieden.

Im Übrigen zeigt auch die Tatsache, dass die Beklagte hier mit Hilfe mehrerer "erster Bescheide" das Arbeitslosengeld II im Ergebnis um 120 v.H. gekürzt hat, dass mehrere Pflichtverletzungen nicht über den Weg "erster Sanktionen" sanktioniert werden können. § 31 Abs. 3 SGB II sieht bei wiederholten Pflichtverletzungen maximal eine Senkung um 100 v.H. vor.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtsfrage, ob eine zweite Sanktion erst nach Erlass eines ersten Sanktionsbescheids verhängt werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved