Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2840/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 6019/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob den Klägerinnen Halbwaisenrente zusteht.
Die 1987 geborene Klägerin zu 1. und die 1989 geborene Klägerin zu 2. sind in K. bzw. in U./T. in Tadschikistan (ehem. UdSSR) geboren. Gemeinsam mit ihrer deutschstämmigen Mutter und deren Familie reisten sie am 20.04.1990 aus Tadschikistan aus und am 25.04.1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seither leben die Klägerinnen im Bundesgebiet.
Die Klägerinnen sind im Besitz des Vertriebenenausweises "B".
Im Rahmen eines Verfahrens auf Unterhaltsvorschuss versicherte die Mutter der Klägerinnen am 25.04.1991 vor dem Notariat E. an Eides statt, der Vater der Klägerinnen sei Herr A. B. (im Weiteren B.), geboren am 17.01.1954. Er sei tadschikischer Staatsbürger, sie sei mit ihm nicht verheiratet gewesen, und in der russischen Geburtsurkunde sei ihr Vater L. D. als Vater angegeben, was bei nichtehelichen Kindern in Russland jedoch üblich gewesen sei.
Nachdem B. am 16.12.1992 in den Wirren des tadschikischen Bürgerkriegs erschossen worden war, beantragten die Klägerinnen am 14.05.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Halbwaisenrenten.
Im Antrag gaben sie an, dass ihr verstorbener Vater tadschikischer Staatsbürger und Geschäftsmann gewesen sei, und dass sein Arbeitsbuch nicht vorgelegt werden könne. Als Anlage übersandten sie die eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter vor dem Notariat E. vom 25.04.1991 sowie die deutsche Übersetzung der russischen Todesurkunde von B. vom 25.01.1993.
Am 31.07.1997 übersandten sie den Fragebogen über zurückgelegte Beschäftigungszeiten von B. Er sei bei der Firma P. seit ca. 1976 als angestellter Geschäftsführer beschäftigt gewesen. Zuvor habe er von 1960 bis 1970 die allgemeinbildende Schule besucht und von 1972 bis 1975 bei der Luftwaffe gedient. Er habe ferner ein Studium in Abendschule absolviert. Zusätzlich übersandten sie deutsche Übersetzungen ihrer Geburtsurkunden in Kopie, in denen L. D. als Vater angegeben war.
Am 23.09.1997 ging bei der Beklagten eine schriftliche Zeugenerklärung von Frau O. ein. Diese bestätigte, B. seit 1976 gekannt zu haben. Er habe als Geschäftsführer einer Kosmetikkette gearbeitet und mehrere Filialen betreut. Er habe von 1979 bis zu seinem Tode im Dezember 1992 bei der Firma P. gearbeitet und ihres Wissens 380,00 Rubel verdient. Er sei ihr Vorgesetzter gewesen. Sie habe ihn gut gekannt.
Mit Schreiben vom 10.02.1998 forderte die Beklagte über die Deutsche Botschaft in S. Beschäftigungsnachweise über die Tätigkeiten von B. und die Geburtsurkunden der Klägerinnen bei den tadschikischen Behörden an.
Mit Schreiben vom 27.05.1998 teilte die Botschaft mit, dass man die Anfrage den zuständigen tadschikischen Behörden übergeben habe. Es sei jedoch mit einer langen Bearbeitungszeit zu rechnen.
Mit Bescheiden vom 26.10.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Halbwaisenrenten mit der Begründung ab, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, insbesondere die Vaterschaft des Versicherten nicht nachgewiesen worden sei. Könnte aufgrund der noch ausstehenden Bescheinigung der tadschikischen Behörden eine Vaterschaft bestätigt werden, so sei ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X möglich. Die Verjährungsfrist des § 44 Abs. 4 SGB X sei dann nicht anzuwenden.
Mit Schreiben vom 04.06.1999 übersandte die deutsche Botschaft in S. eine russische Archivbescheinigung vom 02.12.1998. Diese bestätigte, dass im Staatlichen Archiv Angaben vorhanden seien, wonach B. als Leiter in der X. in U./T. vom 1. Januar 1975 bis zum 23. Mai 1992 gearbeitet habe.
Am 03.08.2001 beantragten die Klägerinnen daher die Überprüfung der Bescheide vom 26.10.1998. Das Arbeitsbuch des Verstorbenen könnten sie nicht beschaffen, da die politische Lage in Tadschikistan angespannt und eine Beschaffung des Buches daher zu gefährlich sei. Sie legten jedoch eine schriftliche Aussage von Frau N. H. vom 27.07.2001 vor, in welcher diese angab, B. von 1981 bis zu seinem Tod im Dezember 1992 persönlich gekannt zu haben. Er habe in dem Kosmetik- und Friseursalon P. als Chef gearbeitet und mehrere Filialen betreut. Sie sei in dieser Zeit nebenan in der Fachschule für Krankenschwestern als Lehrerin beschäftigt gewesen und habe öfters den Salon besucht.
Auf die Anfrage der Beklagten bestätigte die Deutsche Botschaft S. mit Schreiben vom 23.10.2001, dass es in Tadschikistan üblich sei, den Vater der Kindesmutter als Vater nichtehelicher Kinder in die Geburtsurkunde einzutragen. Der Botschaft seien bereits mehrmals solche Urkunden vorgelegt worden.
Auf die Anfrage der Beklagten im Hinblick auf amtliche Unterlagen betreffend die Anerkennung der Vaterschaft durch B. hatte die Botschaft bereits mit Schreiben vom 19.10.2001 geantwortet, dass man die tadschikischen Behörden hieran bereits erinnert habe, diese jedoch noch nichts mitgeteilt hätten.
Mit Bescheid vom 21.01.2002 lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X mit der Begründung ab, dass beim Erlass der Bescheide vom 26.10.1998 das Recht nicht unrichtig angewandt worden sei. Weder sei die Vaterschaft des Verstorbenen belegt, noch seien die Versicherungszeiten des Verstorbenen ausreichend glaubhaft gemacht.
Die Deutsche Botschaft teilte mit Schreiben vom 29.01.2002 mit, dass nach Mitteilung des tadschikischen Außenministeriums keine Eintragungen über die Geburten der beiden nichtehelichen Töchter von B. in den Archiven der hiesigen Standesämter vorlägen. Auf die Bitte, Unterlagen bezüglich einer möglichen Vaterschaftsanerkennung zu suchen, seien die tadschikischen Behörden nicht eingegangen.
Gegen den Bescheid vom 21.01.2002 erhoben die Klägerinnen am 14.02.2002 Widerspruch. Sie regten insoweit an, die Zeuginnen O. und H. auch hinsichtlich der Vaterschaft des B. zu befragen und weitere Auskunftsersuchen an die Deutsche Botschaft in S. hinsichtlich gemeinsamer Meldebescheinigungen für die Mutter der Klägerinnen und B. für die Jahre 87 bis 90 und hinsichtlich der Anschrift der Großmutter der Klägerinnen (Bs. Mutter) zu richten.
Mit Schreiben vom 13.05.2002 führte die Beklagte die angeregten Auskunftsersuchen aus. Mit Schreiben vom 12.07.2002 legten die Klägerinnen schriftliche Zeugenaussagen von Frau O. und Frau H. vor, nach denen die Mutter der Klägerinnen und B. zusammengelebt und die Klägerinnen als gemeinsame Kinder gehabt hätten.
Eine Antwort der tadschikischen Behörden auf dieses Auskunftsersuchen wurde trotz mehrfacher Mahnung durch die Beklagte nicht vorgelegt. Nachdem die Beklagte dies den Klägerinnen mit Schreiben vom 29.11.2004 mitgeteilt hatte, baten die Klägerinnen mit Schreiben vom 18.02.2005 um eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass eine Vaterschaft von B. nicht nachgewiesen sei. Die vorgelegten Zeugenaussagen seien im Übrigen auch nicht geeignet, eine Vaterschaft des B. nachzuweisen.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 12.07.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, dass B. ihr Vater gewesen sei. Dies werde durch die Zeugenaussagen der Zeuginnen O. und H. sowie durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter belegt. Die Beklagte habe im Übrigen unterlassen, einen DNA-Abgleich durchzuführen und so die Vaterschaft konkret nachzuweisen.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass ihr ein DNA-Abgleich nicht möglich gewesen sei, da B. nie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Klägerinnen sei vor dem Tod des B. abgegeben worden. Es stelle sich daher die Frage, warum B. nicht bereits zu diesem Zeitpunkt ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben habe, da er damals noch gelebt habe. Zwar bestehe für sie nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - die Pflicht zur Amtsermittlung, die Klägerinnen seien jedoch nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - verpflichtet, Beweismittel beizubringen.
Hierauf haben die Klägerinnen im Weiteren ausgeführt, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis von B. deswegen nicht angefordert worden sei, da sein Tod im Bürgerkrieg sehr überraschend gekommen sei.
Auf Anfrage des SG haben die Klägerinnen mitgeteilt, dass sie keine Bilder von B. in ihrem Besitz hätten. Die Mutter der Klägerinnen habe jedoch vor, Ende 2006 nach Tadschikistan zu reisen, um dort schriftliche Unterlagen und gegebenenfalls die Bestätigung der dort noch lebenden Ehefrau des B. zu erhalten, dass B. ihr gegenüber die Vaterschaft der Klägerinnen zugegeben habe.
In der Folgezeit hat die Beklagte das Schreiben der Deutschen Botschaft in S. vom 16.01.2006 übersandt, in welchem mitgeteilt wird, dass die Mutter der Klägerinnen nicht unter der angegebenen Adresse gemeldet gewesen sei. Auch die Mutter von B., Frau B., geboren 1934, sei derzeit nicht in U.-T. gemeldet.
Ergänzend haben die Klägerinnen ausgeführt, dass B., damit ihre Ausreise überhaupt möglich war, Ende 1989/Anfang 1990 gegenüber dem KGB die Vaterschaft anerkannt und das Einverständnis, dass sie ausreisen dürften, erteilt habe.
Im Erörterungstermin vom 13.09.2006 hat die Mutter der Klägerin erneut an Eides statt versichert, dass B. der Vater ihrer Kinder sei, und dass er von 1979 bis zu seinem Tode im Jahr 1992 Leiter des Friseur- und Kosmetikstudios gewesen sei.
Im Wege der Rechtshilfe hat das SG Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin C. in einem nichtöffentlichen Termin vor dem SG Hannover am 05.06.2007. Die Zeugin C. hat insoweit erklärt, dass B. der Vater der Klägerinnen gewesen sei, da die Klägerinnen ihm ähnlich gesehen hätten und er ihr gegenüber auch gesagt habe, dass es seine Kinder seien. Er habe 1990 geweint, als die Klägerinnen gemeinsam mit ihrer Mutter das Land verlassen hätten. Sie selber habe als Friseurin von 1974 bis 1992 in dem Betrieb gearbeitet, da B. ein Sportstudium absolviert habe, habe er sie öfter um Rat gefragt, da sie Friseurmeisterin gewesen sei. B. habe rund fünf Jahre vor seinem Tod angefangen, in dem Betrieb als Leiter zu arbeiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar sei aufgrund der eidesstattlichen Versicherung im Erörterungstermin der Nachweis der Vaterschaft erbracht, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien jedoch nach wie vor nicht erfüllt, da bezüglich der Beschäftigung von B. unterschiedliche und keine konkreten Angabe vorlägen. Dies könne jedoch deswegen dahinstehen, weil B. nicht zu dem nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berechtigten Personenkreis gehöre. Lediglich die Klägerinnen seien Vertriebene nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und gehörten damit zum berechtigten Personenkreis des FRG. B. als tadschikischer Staatsbürger gehöre jedoch nicht zum berechtigten Personenkreis. Bereits aus diesem Grund seien den Klägerinnen keine Halbwaisenrenten zu gewähren.
Gegen den Gerichtsbescheid haben die Klägerinnen am 17.12.2007 Berufung eingelegt, die sie zunächst damit begründet haben, dass B. aufgrund seiner Verwicklungen in den tadschikischen Bürgerkrieg einem Vertriebenen gleichzustellen sei. Später haben sie unter Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.12.1979 - GS 1/79 - vorgebracht, dass es für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ausreiche, wenn der Vertriebene die Voraussetzungen der §§ 1 und 4 FRG erfülle. Nicht notwendig sei, dass auch der Versicherte diese Voraussetzungen erfülle. Beitragszeiten und Vaterschaft des B. seien glaubhaft gemacht. Demnach stünden ihnen die Halbwaisenrenten zu.
Ergänzend haben sie mitgeteilt, das ein weiterer früherer Mitarbeiter von B. bestätigen könne, dass dieser Anfang der Achtziger Jahre drei Jahre lang in leitender Position in einem Geschäft tätig gewesen sei. Auch sei ihnen durch einen anderen Fall bekannt, dass die Vertriebeneneigenschaft bzw. die deutsche Staatsangehörigkeit des Verstorbenen nicht zwingend erforderlich sei, um Waisenrente zu erhalten.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. November 2007 sowie den Bescheid vom 21. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen unter Aufhebung der Bescheide vom 26. Oktober 1998 ab 16. Dezember 1992 Halbwaisenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend. Weder die Beschäftigungszeiten noch die Vaterschaft von B. sei glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich. Ansprüche auf Halbwaisenrenten der Klägerinnen bestünden daher nicht.
Die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten wie auch auf den Inhalt der Niederschrift des Erörterungstermins vom 14.05.2009 wird zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerinnen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheidet, ist zulässig, insbesondere liegen keine Ausschließungsgründe nach § 144 SGG vor.
Die Berufung ist indessen unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 26.10.1998 sowie der Bescheid vom 31.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Eine Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht, da die Beklagte das Recht nicht unrichtig angewandt hat und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente ab dem 16.12.1992.
Für den Zeitraum vom 16.12.1992 bis zum 01.05.1996 besteht schon aus formellen Gründen kein Anspruch auf Halbwaisenrente. Nach § 99 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung wird eine Hinterbliebenenrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Nach § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI wird sie bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI wird sie aber nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.
Die Klägerinnen haben die Hinterbliebenenrente am 14.05.1997 beantragt, so dass wegen § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI eine Rentengewährung ohnehin erst ab 01.05.1996 in Betracht käme (zur Berechnung vgl. KassKomm-Niesel, Stand Dez. 1995, § 99 SGB VI RdNr. 23).
Aber auch ab 01.05.1996 sind die Anspruchsvoraussetzungen für eine Halbwaisenrente der Klägerinnen nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB VI in der ab 01.01.1992 (insoweit unveränderten) Fassung haben Kinder nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn
1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Die allgemeine Wartezeit beträgt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bei Renten wegen Todes, worunter gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI auch die Waisenrenten fallen, fünf Jahre. Da B. sich nie auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und hier keine Versicherungszeiten zurückgelegt hat, kommt eine Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nur über die Anwendung des FRG in Betracht, welches die in Tadschikistan zurückgelegten Beschäftigungszeiten so behandelt, als habe B. sein Arbeits- und Versicherungsleben in Deutschland zurückgelegt (sog. Eingliederungsprinzip; BSG, Beschluss vom 06.12.1979 - GS 1/79 -, in SozR 5050 § 15 Nr. 12 unter Hinweis auf BT-Drucks. 3/1109, Teil B zu § 1 S. 36).
Nach der Überzeugung des Senats ist das FRG in der hier vorliegenden Fallkonstellation jedoch nicht anzuwenden.
Gemäß § 1 FRG findet dieses Gesetz Anwendung auf Vertriebene im Sinne von § 1 BVFG sowie auf Spätaussiedler im Sinne von § 4 des BVFG, welche als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind, ferner auf Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), heimatlose Ausländer und auf Hinterbliebene der genannten Personen bezüglich der Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene.
Nach dem Wortlaut des § 1 FRG findet dieses daher auf die Beitrags- und Versicherungszeiten von B. in Tadschikistan keine Anwendung, da er weder Vertriebener, Spätaussiedler noch Deutscher oder heimatloser Ausländer war. Der Einwand der Klägerinnen, dass er wegen seiner Beteiligung im Bürgerkrieg in Tadschikistan einem Vertriebenen gleichzustellen sei, ist unbeachtlich, da § 1 FRG ausdrücklich die Anerkennung als Vertriebener voraussetzt. Diese liegt aber nicht vor.
Zwar hat der Große Senat des BSG - wie die Klägerinnen zutreffend ausgeführt haben - (Beschluss vom 06.12.1979 - GS 1/79 - SozR 5050 § 15 Nr. 13) entschieden, dass es für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ausreicht, wenn der Hinterbliebene Berechtigter nach § 1 FRG ist, auch wenn der Versicherte selbst keine der Voraussetzungen nach § 1a bis d FRG erfüllt. Er hat ferner entschieden, dass alle vom Versicherten zurückgelegten Beitragszeiten nach den §§ 14 und 15 FRG und seine Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG (bis zum Zeitpunkt der Vertreibung des Hinterbliebenen) zu berücksichtigen sind, selbst wenn der Versicherte erst nach der Vertreibung des Hinterbliebenen verstorben ist (ebd.). Dabei hat sich der Große Senat auf die Motive des Gesetzgebers (BT Drucks 3/1109, Teil B, § 1 S.37), den Wortlaut des § 1 FRG und den Sinn des das FRG beherrschenden Eingliederungsprinzips gestützt. Das Eingliederungsprinzip gebiete es, den Hinterbliebenen eine eigenständige Berechtigung auf Hinterbliebenenleistungen zu verschaffen. Gehöre der Versicherte selbst - etwa wegen Vorversterbens im Vertreibungsgebiet nicht zum Personenkreis des § 1 FRG, werde die vom Gesetzgeber gewollte Eingliederung seiner Hinterbliebenen nur dann wirklich erreicht, wenn auch bei diesen das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten so behandelt werde, als ob es im Geltungsbereich des Gesetzes zurückgelegt worden wäre. Diesen Hinterbliebenen solle, soweit ihnen selbst die Vertriebeneneigenschaft zuerkannt worden sei, in ihrer Rechtsposition zur Rentenversicherung eine dem Versicherten selbst zustehende Gleichrangigkeit eingeräumt werden, d.h. das Guthaben des Versicherten aus den im Herkunftsland zurückgelegten Versicherungszeiten als eigenes Guthaben zugerechnet werden (BSG, ebd.). Insoweit hat der Große Senat den sonst im Rentenrecht vorherrschenden Grundsatz verlassen, dass das Hinterbliebenenrecht nur ein von dem Versichertenrecht abgeleitetes Recht sein könne (BSG, Urteil vom 22.04.1986 - 1 RA 73/94 - juris.de).
Die hier zu entscheidende Fallkonstellation weicht jedoch in erheblichem Maße von den vom Großen Senat wie auch von den übrigen vom BSG entschiedenen Fällen ab. In den vom BSG entschiedenen Fällen konnte der Versicherte einen Vertriebenenstatus entweder deswegen nicht erwerben, weil er bereits vor Vertreibung des Hinterbliebenen verstorben oder selbst nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war. In allen vom BSG entschiedenen Fällen war der Versicherte jedoch entweder deutscher Volkszugehöriger oder heimatloser Ausländer. Die jeweiligen Versicherten hätten daher, gesetzt den Fall, sie wären in die Bundesrepublik eingereist und hätten die Feststellung der Vertriebeneneigenschaft beantragt, die Voraussetzungen nach § 1 FRG auch erfüllt.
Anders liegt es hier. Der Versicherte B. war bis zu seinem Tode im Jahr 1992 tadschikischer Staatsbürger. Weder er noch seine Eltern waren deutsche Volkszugehörige; dies haben die Klägerinnen auch nie vorgetragen.
In diesem Fall kann eine Eingliederung des Hinterbliebenen nicht gewollt sein, da der Versicherte selbst überhaupt nicht unter den Geltungsbereich des FRG gefallen wäre und bei einer Einreise in die BRD auch keine Rente nach dem FRG erhalten hätte, da er selbst die Voraussetzungen des § 1 FRG nicht erfüllt. Das FRG findet daher auch im Falle der Klägerinnen keine Anwendung.
Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob die vom Großen Senat vorgenommene Interpretation des FRG nach Inkrafttreten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - vom 25.09.1996 (Wechsel vom Eingliederungs- zum Bedürftigkeitsprinzip) und insbesondere nach Einführung des § 14a FRG (der ab 01.01.2002 die Anrechnung von Zeiten nach dem FRG bei Renten wegen Todes an Witwen oder Witwer von Personen, die nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehören, ausschließt) durch das Altersvermögensergänzungsgesetz - AVmEG - vom 21.03.2001 aufrechterhalten werden kann, zumal sie sich im Hinblick auf die Rechtssystematik Kritik gefallen lassen muss (VerbKomm, Stand Jan. 1998, § 1 FRG 5.2) und zudem die Erklärung schuldig bleibt, wieso sich der Anspruch des nicht unter § 1 FRG fallenden Versicherten aus dem Wortlaut von § 1 FRG ergibt.
Aber auch bei Anwendung des FRG sind die Voraussetzungen für eine Halbwaisenrente zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, wobei es nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG für die Feststellung der erheblichen Tatsachen genügt, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass B. mit seiner Tätigkeit in Tadschikistan die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Zwar haben die Zeuginnen O., H., und C. sowie die Mutter der Klägerinnen ausgesagt, dass B. der Leiter eines großen Friseur- und Kosmetikbetriebes gewesen sei. Aus der Auskunft der tadschikischen Behörden ist zu entnehmen, dass er ab Leiter eines Unternehmens mit der Bezeichnung X. vom 01.01.1075 bis zum 23. Mai 1992 gearbeitet habe. Bereits bei der Bezeichnung des Betriebes treten jedoch erste Unstimmigkeiten auf, während die amtliche Auskunft den Betrieb als X. bezeichnet, hat die Mutter der Klägerinnen diese als P. bezeichnet. Die Zeuginnen wiederum bezeichnen die Firma mit dem Kürzel P ... Auch die Angaben über die Beschäftigungszeiten von B. weichen in erheblichem Umfang voneinander ab. Während die Mutter der Klägerinnen vom Jahr 1979 bis zum Tod von B. im Dezember 1992 spricht, hat die Zeugin C. lediglich eine Tätigkeit in den fünf Jahren vor Bs Tod bestätigt. Die Zeugin H. kennt B. erst seit 1981 und war zudem lediglich als Kundin in dem Salon und kann daher die Anstellungs- oder gar Beitragsverhältnisse keinesfalls beurteilen. Auch die Zeugin O., die im Betrieb beschäftigt war und angegeben hat, B. seit 1976 zu kennen, hat angegeben, dass er seit ca. 1979 dort gearbeitet habe, was aber wieder der amtlichen Bescheinigung widerspricht. Ein Arbeitsbuch von B. liegt nicht vor und angesichts der Tatsache, dass er als Leiter des Salons tätig war, kann der Senat auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass B. in dem Kosmetiksalon in dem für die Erfüllung der Wartezeit notwendigen Zeitraum dort als Angestellter beschäftigt war und auch tatsächlich Beiträge zur russischen Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Auch dass B. der Vater der beiden Klägerinnen ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht glaubhaft gemacht. Geht man von der Anwendbarkeit des FRG aus, so reicht es für den Anspruch auf Halbwaisenrente aus, dass die Vaterschaft des Versicherten glaubhaft gemacht ist, denn § 4 Abs. 2 FRG legt fest, dass die Glaubhaftmachung auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen gilt, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind (so auch BSG Urteil vom 30.04.1971 - 1/11 RA 199/69 - BSGE 32, 284). Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 SGG und eine Vorlage der Angelegenheit an das Vormundschaftsgericht ist hier nicht erforderlich, vielmehr ist es der Beklagten und auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erlaubt, eine inzidente Vaterschaftsfeststellung vorzunehmen, da § 4 FRG geringere Beweisanforderungen (Glaubhaftmachung anstelle des Nachweises) stellt. Anders als nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ist eine Vaterschaftsfeststellung nicht nur in Gestalt einer öffentlichen Urkunde oder einer gerichtliche Feststellung möglich (BSG, ebd.; a. A. Kasseler Kommentar - Gürtner § 46 Rdnr. 20).
Der Senat ist jedoch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass eine Vaterschaft von B. überwiegend wahrscheinlich ist. B. ist in den Geburtsurkunden der Klägerinnen nicht als Vater aufgeführt. Eine Bestätigung der tadschikischen Behörden, dass B. der nichteheliche Vater der Klägerinnen ist, liegt nicht vor. Auch eine Bestätigung der Behörden, dass die Mutter der Klägerinnen und B. unter einer gemeinsamen Adresse zusammengelebt haben, liegt nicht vor.
Die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Klägerinnen sowie die Aussagen der Zeuginnen C., O. und H. lassen eine Vaterschaft von B. nur als möglich, aber nicht als überwiegend wahrscheinlich erscheinen.
Weitere Ermittlungen, die von den Klägerinnen im Hinblick auf einen DNA-Abgleich angeregt werden, sind weder der Beklagten noch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit möglich, da diese auf tadschikischem Staatsgebiet keinerlei Hoheitsgewalt haben. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestünde nach der Überzeugung des Senates lediglich dann, wenn B. bereits vor seinem Ableben die Vaterschaft in einem offiziellen Dokument anerkannt hätte oder in den Geburtsurkunden der Klägerinnen als Vater aufgeführt wäre.
Demnach sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt, die Klägerinnen haben daher keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente.
Dabei kann insoweit dahinstehen, ob über § 44 Abs. 4 SGB X eine Beschränkung der Rente auf die vier Jahre vor Stellung des Überprüfungsantrages vorzunehmen war. Da die Beklagte in ihren Bescheiden vom 26.10.1998 jedoch die Geltung dieser Vorschrift ausgeschlossen hat, dürfte eine Berufung der Beklagten auf die Vier-Jahres-Frist rechtsmissbräuchlich und eine Anwendung daher fraglich sein.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob den Klägerinnen Halbwaisenrente zusteht.
Die 1987 geborene Klägerin zu 1. und die 1989 geborene Klägerin zu 2. sind in K. bzw. in U./T. in Tadschikistan (ehem. UdSSR) geboren. Gemeinsam mit ihrer deutschstämmigen Mutter und deren Familie reisten sie am 20.04.1990 aus Tadschikistan aus und am 25.04.1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seither leben die Klägerinnen im Bundesgebiet.
Die Klägerinnen sind im Besitz des Vertriebenenausweises "B".
Im Rahmen eines Verfahrens auf Unterhaltsvorschuss versicherte die Mutter der Klägerinnen am 25.04.1991 vor dem Notariat E. an Eides statt, der Vater der Klägerinnen sei Herr A. B. (im Weiteren B.), geboren am 17.01.1954. Er sei tadschikischer Staatsbürger, sie sei mit ihm nicht verheiratet gewesen, und in der russischen Geburtsurkunde sei ihr Vater L. D. als Vater angegeben, was bei nichtehelichen Kindern in Russland jedoch üblich gewesen sei.
Nachdem B. am 16.12.1992 in den Wirren des tadschikischen Bürgerkriegs erschossen worden war, beantragten die Klägerinnen am 14.05.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Halbwaisenrenten.
Im Antrag gaben sie an, dass ihr verstorbener Vater tadschikischer Staatsbürger und Geschäftsmann gewesen sei, und dass sein Arbeitsbuch nicht vorgelegt werden könne. Als Anlage übersandten sie die eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter vor dem Notariat E. vom 25.04.1991 sowie die deutsche Übersetzung der russischen Todesurkunde von B. vom 25.01.1993.
Am 31.07.1997 übersandten sie den Fragebogen über zurückgelegte Beschäftigungszeiten von B. Er sei bei der Firma P. seit ca. 1976 als angestellter Geschäftsführer beschäftigt gewesen. Zuvor habe er von 1960 bis 1970 die allgemeinbildende Schule besucht und von 1972 bis 1975 bei der Luftwaffe gedient. Er habe ferner ein Studium in Abendschule absolviert. Zusätzlich übersandten sie deutsche Übersetzungen ihrer Geburtsurkunden in Kopie, in denen L. D. als Vater angegeben war.
Am 23.09.1997 ging bei der Beklagten eine schriftliche Zeugenerklärung von Frau O. ein. Diese bestätigte, B. seit 1976 gekannt zu haben. Er habe als Geschäftsführer einer Kosmetikkette gearbeitet und mehrere Filialen betreut. Er habe von 1979 bis zu seinem Tode im Dezember 1992 bei der Firma P. gearbeitet und ihres Wissens 380,00 Rubel verdient. Er sei ihr Vorgesetzter gewesen. Sie habe ihn gut gekannt.
Mit Schreiben vom 10.02.1998 forderte die Beklagte über die Deutsche Botschaft in S. Beschäftigungsnachweise über die Tätigkeiten von B. und die Geburtsurkunden der Klägerinnen bei den tadschikischen Behörden an.
Mit Schreiben vom 27.05.1998 teilte die Botschaft mit, dass man die Anfrage den zuständigen tadschikischen Behörden übergeben habe. Es sei jedoch mit einer langen Bearbeitungszeit zu rechnen.
Mit Bescheiden vom 26.10.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Halbwaisenrenten mit der Begründung ab, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, insbesondere die Vaterschaft des Versicherten nicht nachgewiesen worden sei. Könnte aufgrund der noch ausstehenden Bescheinigung der tadschikischen Behörden eine Vaterschaft bestätigt werden, so sei ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X möglich. Die Verjährungsfrist des § 44 Abs. 4 SGB X sei dann nicht anzuwenden.
Mit Schreiben vom 04.06.1999 übersandte die deutsche Botschaft in S. eine russische Archivbescheinigung vom 02.12.1998. Diese bestätigte, dass im Staatlichen Archiv Angaben vorhanden seien, wonach B. als Leiter in der X. in U./T. vom 1. Januar 1975 bis zum 23. Mai 1992 gearbeitet habe.
Am 03.08.2001 beantragten die Klägerinnen daher die Überprüfung der Bescheide vom 26.10.1998. Das Arbeitsbuch des Verstorbenen könnten sie nicht beschaffen, da die politische Lage in Tadschikistan angespannt und eine Beschaffung des Buches daher zu gefährlich sei. Sie legten jedoch eine schriftliche Aussage von Frau N. H. vom 27.07.2001 vor, in welcher diese angab, B. von 1981 bis zu seinem Tod im Dezember 1992 persönlich gekannt zu haben. Er habe in dem Kosmetik- und Friseursalon P. als Chef gearbeitet und mehrere Filialen betreut. Sie sei in dieser Zeit nebenan in der Fachschule für Krankenschwestern als Lehrerin beschäftigt gewesen und habe öfters den Salon besucht.
Auf die Anfrage der Beklagten bestätigte die Deutsche Botschaft S. mit Schreiben vom 23.10.2001, dass es in Tadschikistan üblich sei, den Vater der Kindesmutter als Vater nichtehelicher Kinder in die Geburtsurkunde einzutragen. Der Botschaft seien bereits mehrmals solche Urkunden vorgelegt worden.
Auf die Anfrage der Beklagten im Hinblick auf amtliche Unterlagen betreffend die Anerkennung der Vaterschaft durch B. hatte die Botschaft bereits mit Schreiben vom 19.10.2001 geantwortet, dass man die tadschikischen Behörden hieran bereits erinnert habe, diese jedoch noch nichts mitgeteilt hätten.
Mit Bescheid vom 21.01.2002 lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X mit der Begründung ab, dass beim Erlass der Bescheide vom 26.10.1998 das Recht nicht unrichtig angewandt worden sei. Weder sei die Vaterschaft des Verstorbenen belegt, noch seien die Versicherungszeiten des Verstorbenen ausreichend glaubhaft gemacht.
Die Deutsche Botschaft teilte mit Schreiben vom 29.01.2002 mit, dass nach Mitteilung des tadschikischen Außenministeriums keine Eintragungen über die Geburten der beiden nichtehelichen Töchter von B. in den Archiven der hiesigen Standesämter vorlägen. Auf die Bitte, Unterlagen bezüglich einer möglichen Vaterschaftsanerkennung zu suchen, seien die tadschikischen Behörden nicht eingegangen.
Gegen den Bescheid vom 21.01.2002 erhoben die Klägerinnen am 14.02.2002 Widerspruch. Sie regten insoweit an, die Zeuginnen O. und H. auch hinsichtlich der Vaterschaft des B. zu befragen und weitere Auskunftsersuchen an die Deutsche Botschaft in S. hinsichtlich gemeinsamer Meldebescheinigungen für die Mutter der Klägerinnen und B. für die Jahre 87 bis 90 und hinsichtlich der Anschrift der Großmutter der Klägerinnen (Bs. Mutter) zu richten.
Mit Schreiben vom 13.05.2002 führte die Beklagte die angeregten Auskunftsersuchen aus. Mit Schreiben vom 12.07.2002 legten die Klägerinnen schriftliche Zeugenaussagen von Frau O. und Frau H. vor, nach denen die Mutter der Klägerinnen und B. zusammengelebt und die Klägerinnen als gemeinsame Kinder gehabt hätten.
Eine Antwort der tadschikischen Behörden auf dieses Auskunftsersuchen wurde trotz mehrfacher Mahnung durch die Beklagte nicht vorgelegt. Nachdem die Beklagte dies den Klägerinnen mit Schreiben vom 29.11.2004 mitgeteilt hatte, baten die Klägerinnen mit Schreiben vom 18.02.2005 um eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass eine Vaterschaft von B. nicht nachgewiesen sei. Die vorgelegten Zeugenaussagen seien im Übrigen auch nicht geeignet, eine Vaterschaft des B. nachzuweisen.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 12.07.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung erhoben, dass B. ihr Vater gewesen sei. Dies werde durch die Zeugenaussagen der Zeuginnen O. und H. sowie durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter belegt. Die Beklagte habe im Übrigen unterlassen, einen DNA-Abgleich durchzuführen und so die Vaterschaft konkret nachzuweisen.
Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass ihr ein DNA-Abgleich nicht möglich gewesen sei, da B. nie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Klägerinnen sei vor dem Tod des B. abgegeben worden. Es stelle sich daher die Frage, warum B. nicht bereits zu diesem Zeitpunkt ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben habe, da er damals noch gelebt habe. Zwar bestehe für sie nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - die Pflicht zur Amtsermittlung, die Klägerinnen seien jedoch nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - verpflichtet, Beweismittel beizubringen.
Hierauf haben die Klägerinnen im Weiteren ausgeführt, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis von B. deswegen nicht angefordert worden sei, da sein Tod im Bürgerkrieg sehr überraschend gekommen sei.
Auf Anfrage des SG haben die Klägerinnen mitgeteilt, dass sie keine Bilder von B. in ihrem Besitz hätten. Die Mutter der Klägerinnen habe jedoch vor, Ende 2006 nach Tadschikistan zu reisen, um dort schriftliche Unterlagen und gegebenenfalls die Bestätigung der dort noch lebenden Ehefrau des B. zu erhalten, dass B. ihr gegenüber die Vaterschaft der Klägerinnen zugegeben habe.
In der Folgezeit hat die Beklagte das Schreiben der Deutschen Botschaft in S. vom 16.01.2006 übersandt, in welchem mitgeteilt wird, dass die Mutter der Klägerinnen nicht unter der angegebenen Adresse gemeldet gewesen sei. Auch die Mutter von B., Frau B., geboren 1934, sei derzeit nicht in U.-T. gemeldet.
Ergänzend haben die Klägerinnen ausgeführt, dass B., damit ihre Ausreise überhaupt möglich war, Ende 1989/Anfang 1990 gegenüber dem KGB die Vaterschaft anerkannt und das Einverständnis, dass sie ausreisen dürften, erteilt habe.
Im Erörterungstermin vom 13.09.2006 hat die Mutter der Klägerin erneut an Eides statt versichert, dass B. der Vater ihrer Kinder sei, und dass er von 1979 bis zu seinem Tode im Jahr 1992 Leiter des Friseur- und Kosmetikstudios gewesen sei.
Im Wege der Rechtshilfe hat das SG Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin C. in einem nichtöffentlichen Termin vor dem SG Hannover am 05.06.2007. Die Zeugin C. hat insoweit erklärt, dass B. der Vater der Klägerinnen gewesen sei, da die Klägerinnen ihm ähnlich gesehen hätten und er ihr gegenüber auch gesagt habe, dass es seine Kinder seien. Er habe 1990 geweint, als die Klägerinnen gemeinsam mit ihrer Mutter das Land verlassen hätten. Sie selber habe als Friseurin von 1974 bis 1992 in dem Betrieb gearbeitet, da B. ein Sportstudium absolviert habe, habe er sie öfter um Rat gefragt, da sie Friseurmeisterin gewesen sei. B. habe rund fünf Jahre vor seinem Tod angefangen, in dem Betrieb als Leiter zu arbeiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar sei aufgrund der eidesstattlichen Versicherung im Erörterungstermin der Nachweis der Vaterschaft erbracht, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien jedoch nach wie vor nicht erfüllt, da bezüglich der Beschäftigung von B. unterschiedliche und keine konkreten Angabe vorlägen. Dies könne jedoch deswegen dahinstehen, weil B. nicht zu dem nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berechtigten Personenkreis gehöre. Lediglich die Klägerinnen seien Vertriebene nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und gehörten damit zum berechtigten Personenkreis des FRG. B. als tadschikischer Staatsbürger gehöre jedoch nicht zum berechtigten Personenkreis. Bereits aus diesem Grund seien den Klägerinnen keine Halbwaisenrenten zu gewähren.
Gegen den Gerichtsbescheid haben die Klägerinnen am 17.12.2007 Berufung eingelegt, die sie zunächst damit begründet haben, dass B. aufgrund seiner Verwicklungen in den tadschikischen Bürgerkrieg einem Vertriebenen gleichzustellen sei. Später haben sie unter Hinweis auf die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.12.1979 - GS 1/79 - vorgebracht, dass es für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ausreiche, wenn der Vertriebene die Voraussetzungen der §§ 1 und 4 FRG erfülle. Nicht notwendig sei, dass auch der Versicherte diese Voraussetzungen erfülle. Beitragszeiten und Vaterschaft des B. seien glaubhaft gemacht. Demnach stünden ihnen die Halbwaisenrenten zu.
Ergänzend haben sie mitgeteilt, das ein weiterer früherer Mitarbeiter von B. bestätigen könne, dass dieser Anfang der Achtziger Jahre drei Jahre lang in leitender Position in einem Geschäft tätig gewesen sei. Auch sei ihnen durch einen anderen Fall bekannt, dass die Vertriebeneneigenschaft bzw. die deutsche Staatsangehörigkeit des Verstorbenen nicht zwingend erforderlich sei, um Waisenrente zu erhalten.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. November 2007 sowie den Bescheid vom 21. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen unter Aufhebung der Bescheide vom 26. Oktober 1998 ab 16. Dezember 1992 Halbwaisenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend. Weder die Beschäftigungszeiten noch die Vaterschaft von B. sei glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich. Ansprüche auf Halbwaisenrenten der Klägerinnen bestünden daher nicht.
Die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten wie auch auf den Inhalt der Niederschrift des Erörterungstermins vom 14.05.2009 wird zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerinnen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheidet, ist zulässig, insbesondere liegen keine Ausschließungsgründe nach § 144 SGG vor.
Die Berufung ist indessen unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 26.10.1998 sowie der Bescheid vom 31.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Eine Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht, da die Beklagte das Recht nicht unrichtig angewandt hat und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente ab dem 16.12.1992.
Für den Zeitraum vom 16.12.1992 bis zum 01.05.1996 besteht schon aus formellen Gründen kein Anspruch auf Halbwaisenrente. Nach § 99 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung wird eine Hinterbliebenenrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Nach § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI wird sie bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI wird sie aber nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.
Die Klägerinnen haben die Hinterbliebenenrente am 14.05.1997 beantragt, so dass wegen § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI eine Rentengewährung ohnehin erst ab 01.05.1996 in Betracht käme (zur Berechnung vgl. KassKomm-Niesel, Stand Dez. 1995, § 99 SGB VI RdNr. 23).
Aber auch ab 01.05.1996 sind die Anspruchsvoraussetzungen für eine Halbwaisenrente der Klägerinnen nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB VI in der ab 01.01.1992 (insoweit unveränderten) Fassung haben Kinder nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn
1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Die allgemeine Wartezeit beträgt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bei Renten wegen Todes, worunter gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI auch die Waisenrenten fallen, fünf Jahre. Da B. sich nie auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und hier keine Versicherungszeiten zurückgelegt hat, kommt eine Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nur über die Anwendung des FRG in Betracht, welches die in Tadschikistan zurückgelegten Beschäftigungszeiten so behandelt, als habe B. sein Arbeits- und Versicherungsleben in Deutschland zurückgelegt (sog. Eingliederungsprinzip; BSG, Beschluss vom 06.12.1979 - GS 1/79 -, in SozR 5050 § 15 Nr. 12 unter Hinweis auf BT-Drucks. 3/1109, Teil B zu § 1 S. 36).
Nach der Überzeugung des Senats ist das FRG in der hier vorliegenden Fallkonstellation jedoch nicht anzuwenden.
Gemäß § 1 FRG findet dieses Gesetz Anwendung auf Vertriebene im Sinne von § 1 BVFG sowie auf Spätaussiedler im Sinne von § 4 des BVFG, welche als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind, ferner auf Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), heimatlose Ausländer und auf Hinterbliebene der genannten Personen bezüglich der Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene.
Nach dem Wortlaut des § 1 FRG findet dieses daher auf die Beitrags- und Versicherungszeiten von B. in Tadschikistan keine Anwendung, da er weder Vertriebener, Spätaussiedler noch Deutscher oder heimatloser Ausländer war. Der Einwand der Klägerinnen, dass er wegen seiner Beteiligung im Bürgerkrieg in Tadschikistan einem Vertriebenen gleichzustellen sei, ist unbeachtlich, da § 1 FRG ausdrücklich die Anerkennung als Vertriebener voraussetzt. Diese liegt aber nicht vor.
Zwar hat der Große Senat des BSG - wie die Klägerinnen zutreffend ausgeführt haben - (Beschluss vom 06.12.1979 - GS 1/79 - SozR 5050 § 15 Nr. 13) entschieden, dass es für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ausreicht, wenn der Hinterbliebene Berechtigter nach § 1 FRG ist, auch wenn der Versicherte selbst keine der Voraussetzungen nach § 1a bis d FRG erfüllt. Er hat ferner entschieden, dass alle vom Versicherten zurückgelegten Beitragszeiten nach den §§ 14 und 15 FRG und seine Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG (bis zum Zeitpunkt der Vertreibung des Hinterbliebenen) zu berücksichtigen sind, selbst wenn der Versicherte erst nach der Vertreibung des Hinterbliebenen verstorben ist (ebd.). Dabei hat sich der Große Senat auf die Motive des Gesetzgebers (BT Drucks 3/1109, Teil B, § 1 S.37), den Wortlaut des § 1 FRG und den Sinn des das FRG beherrschenden Eingliederungsprinzips gestützt. Das Eingliederungsprinzip gebiete es, den Hinterbliebenen eine eigenständige Berechtigung auf Hinterbliebenenleistungen zu verschaffen. Gehöre der Versicherte selbst - etwa wegen Vorversterbens im Vertreibungsgebiet nicht zum Personenkreis des § 1 FRG, werde die vom Gesetzgeber gewollte Eingliederung seiner Hinterbliebenen nur dann wirklich erreicht, wenn auch bei diesen das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten so behandelt werde, als ob es im Geltungsbereich des Gesetzes zurückgelegt worden wäre. Diesen Hinterbliebenen solle, soweit ihnen selbst die Vertriebeneneigenschaft zuerkannt worden sei, in ihrer Rechtsposition zur Rentenversicherung eine dem Versicherten selbst zustehende Gleichrangigkeit eingeräumt werden, d.h. das Guthaben des Versicherten aus den im Herkunftsland zurückgelegten Versicherungszeiten als eigenes Guthaben zugerechnet werden (BSG, ebd.). Insoweit hat der Große Senat den sonst im Rentenrecht vorherrschenden Grundsatz verlassen, dass das Hinterbliebenenrecht nur ein von dem Versichertenrecht abgeleitetes Recht sein könne (BSG, Urteil vom 22.04.1986 - 1 RA 73/94 - juris.de).
Die hier zu entscheidende Fallkonstellation weicht jedoch in erheblichem Maße von den vom Großen Senat wie auch von den übrigen vom BSG entschiedenen Fällen ab. In den vom BSG entschiedenen Fällen konnte der Versicherte einen Vertriebenenstatus entweder deswegen nicht erwerben, weil er bereits vor Vertreibung des Hinterbliebenen verstorben oder selbst nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war. In allen vom BSG entschiedenen Fällen war der Versicherte jedoch entweder deutscher Volkszugehöriger oder heimatloser Ausländer. Die jeweiligen Versicherten hätten daher, gesetzt den Fall, sie wären in die Bundesrepublik eingereist und hätten die Feststellung der Vertriebeneneigenschaft beantragt, die Voraussetzungen nach § 1 FRG auch erfüllt.
Anders liegt es hier. Der Versicherte B. war bis zu seinem Tode im Jahr 1992 tadschikischer Staatsbürger. Weder er noch seine Eltern waren deutsche Volkszugehörige; dies haben die Klägerinnen auch nie vorgetragen.
In diesem Fall kann eine Eingliederung des Hinterbliebenen nicht gewollt sein, da der Versicherte selbst überhaupt nicht unter den Geltungsbereich des FRG gefallen wäre und bei einer Einreise in die BRD auch keine Rente nach dem FRG erhalten hätte, da er selbst die Voraussetzungen des § 1 FRG nicht erfüllt. Das FRG findet daher auch im Falle der Klägerinnen keine Anwendung.
Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob die vom Großen Senat vorgenommene Interpretation des FRG nach Inkrafttreten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - vom 25.09.1996 (Wechsel vom Eingliederungs- zum Bedürftigkeitsprinzip) und insbesondere nach Einführung des § 14a FRG (der ab 01.01.2002 die Anrechnung von Zeiten nach dem FRG bei Renten wegen Todes an Witwen oder Witwer von Personen, die nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehören, ausschließt) durch das Altersvermögensergänzungsgesetz - AVmEG - vom 21.03.2001 aufrechterhalten werden kann, zumal sie sich im Hinblick auf die Rechtssystematik Kritik gefallen lassen muss (VerbKomm, Stand Jan. 1998, § 1 FRG 5.2) und zudem die Erklärung schuldig bleibt, wieso sich der Anspruch des nicht unter § 1 FRG fallenden Versicherten aus dem Wortlaut von § 1 FRG ergibt.
Aber auch bei Anwendung des FRG sind die Voraussetzungen für eine Halbwaisenrente zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, wobei es nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG für die Feststellung der erheblichen Tatsachen genügt, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass B. mit seiner Tätigkeit in Tadschikistan die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Zwar haben die Zeuginnen O., H., und C. sowie die Mutter der Klägerinnen ausgesagt, dass B. der Leiter eines großen Friseur- und Kosmetikbetriebes gewesen sei. Aus der Auskunft der tadschikischen Behörden ist zu entnehmen, dass er ab Leiter eines Unternehmens mit der Bezeichnung X. vom 01.01.1075 bis zum 23. Mai 1992 gearbeitet habe. Bereits bei der Bezeichnung des Betriebes treten jedoch erste Unstimmigkeiten auf, während die amtliche Auskunft den Betrieb als X. bezeichnet, hat die Mutter der Klägerinnen diese als P. bezeichnet. Die Zeuginnen wiederum bezeichnen die Firma mit dem Kürzel P ... Auch die Angaben über die Beschäftigungszeiten von B. weichen in erheblichem Umfang voneinander ab. Während die Mutter der Klägerinnen vom Jahr 1979 bis zum Tod von B. im Dezember 1992 spricht, hat die Zeugin C. lediglich eine Tätigkeit in den fünf Jahren vor Bs Tod bestätigt. Die Zeugin H. kennt B. erst seit 1981 und war zudem lediglich als Kundin in dem Salon und kann daher die Anstellungs- oder gar Beitragsverhältnisse keinesfalls beurteilen. Auch die Zeugin O., die im Betrieb beschäftigt war und angegeben hat, B. seit 1976 zu kennen, hat angegeben, dass er seit ca. 1979 dort gearbeitet habe, was aber wieder der amtlichen Bescheinigung widerspricht. Ein Arbeitsbuch von B. liegt nicht vor und angesichts der Tatsache, dass er als Leiter des Salons tätig war, kann der Senat auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass B. in dem Kosmetiksalon in dem für die Erfüllung der Wartezeit notwendigen Zeitraum dort als Angestellter beschäftigt war und auch tatsächlich Beiträge zur russischen Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Auch dass B. der Vater der beiden Klägerinnen ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht glaubhaft gemacht. Geht man von der Anwendbarkeit des FRG aus, so reicht es für den Anspruch auf Halbwaisenrente aus, dass die Vaterschaft des Versicherten glaubhaft gemacht ist, denn § 4 Abs. 2 FRG legt fest, dass die Glaubhaftmachung auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen gilt, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind (so auch BSG Urteil vom 30.04.1971 - 1/11 RA 199/69 - BSGE 32, 284). Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 SGG und eine Vorlage der Angelegenheit an das Vormundschaftsgericht ist hier nicht erforderlich, vielmehr ist es der Beklagten und auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erlaubt, eine inzidente Vaterschaftsfeststellung vorzunehmen, da § 4 FRG geringere Beweisanforderungen (Glaubhaftmachung anstelle des Nachweises) stellt. Anders als nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ist eine Vaterschaftsfeststellung nicht nur in Gestalt einer öffentlichen Urkunde oder einer gerichtliche Feststellung möglich (BSG, ebd.; a. A. Kasseler Kommentar - Gürtner § 46 Rdnr. 20).
Der Senat ist jedoch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass eine Vaterschaft von B. überwiegend wahrscheinlich ist. B. ist in den Geburtsurkunden der Klägerinnen nicht als Vater aufgeführt. Eine Bestätigung der tadschikischen Behörden, dass B. der nichteheliche Vater der Klägerinnen ist, liegt nicht vor. Auch eine Bestätigung der Behörden, dass die Mutter der Klägerinnen und B. unter einer gemeinsamen Adresse zusammengelebt haben, liegt nicht vor.
Die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Klägerinnen sowie die Aussagen der Zeuginnen C., O. und H. lassen eine Vaterschaft von B. nur als möglich, aber nicht als überwiegend wahrscheinlich erscheinen.
Weitere Ermittlungen, die von den Klägerinnen im Hinblick auf einen DNA-Abgleich angeregt werden, sind weder der Beklagten noch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit möglich, da diese auf tadschikischem Staatsgebiet keinerlei Hoheitsgewalt haben. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestünde nach der Überzeugung des Senates lediglich dann, wenn B. bereits vor seinem Ableben die Vaterschaft in einem offiziellen Dokument anerkannt hätte oder in den Geburtsurkunden der Klägerinnen als Vater aufgeführt wäre.
Demnach sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt, die Klägerinnen haben daher keinen Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente.
Dabei kann insoweit dahinstehen, ob über § 44 Abs. 4 SGB X eine Beschränkung der Rente auf die vier Jahre vor Stellung des Überprüfungsantrages vorzunehmen war. Da die Beklagte in ihren Bescheiden vom 26.10.1998 jedoch die Geltung dieser Vorschrift ausgeschlossen hat, dürfte eine Berufung der Beklagten auf die Vier-Jahres-Frist rechtsmissbräuchlich und eine Anwendung daher fraglich sein.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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