S 49 AY 35/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
49
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AY 35/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 AY 8/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – PKH – für das gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 49 AY 35/08 anhängige Klageverfahren. In diesem ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetzt - AsylbLG - in Höhe der Leistungen nach § 2 AsylbLG streitig.

Der Kläger, der über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – verfügt, bezieht zumindest seit März 2000 Leistungen nach dem AsylbLG in Form der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG von dem Beklagten, unter Anwendung des § 1a AsylbLG zunächst gekürzte Leistungen, jedenfalls ab Dezember 2007 die ungekürzten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

Der Kläger beantragte am 31. August 2007 bei dem Beklagten die Gewährung von höheren Leistungen auf der Grundlage des § 2 AsylbLG. Mit Bescheid vom 26. November 2007 gewährte der Beklagte Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG in Höhe von ungekürzten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Nachdem das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 08. Januar 2008 einen auf die einstweilige Verpflichtung des Beklagten zur Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG gerichteten Antrag mit Beschluss zurückgewiesen hatte, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 28. Februar 2008 u.a. mit der Begründung zurück, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG, weil er den Aufenthalt in Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst habe.

Daraufhin hat der Kläger am 23. März 2008 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Den Antrag, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Juli 2009 zurückgewiesen und unter Bezugnahme auf die Gründe des Beschlusses vom 08. Januar 2008 ausgeführt, die Rechtsverfolgung biete keine Aussicht auf Erfolg.

Gegen den am 27. Juli 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 30. Juli 2009 eingelegte Beschwerde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss vom 23. Juli 2009 aufzuheben und ihm für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Klageverfahren (SG Berlin S 49 AY 35/08) und der Gerichtsakte zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren (SG Berlin S 49 AY 219/07 ER) sowie auf den Inhalt der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Band 4 bis 5) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.

Der Anspruch auf PKH setzt nach § 73 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - u. a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist dann zu bejahen, wenn eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Die bloße Möglichkeit eines Erfolges reicht nicht aus, es muss vielmehr eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestehen, die Anforderungen daran dürfen jedoch nicht überspannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1486/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag des Klägers auszugehen, der ggf. auszulegen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die Klage des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Der Beklagte dürfte es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26. November 2007 zu Recht abgelehnt haben, dem Kläger für den Monat Dezember 2007 Leistungen nach dem AsylbLG auf der Grundlage des § 2 AsylbLG zu gewähren, so dass die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage jedenfalls unbegründet sein dürfte.

Soweit der Kläger im Klageverfahren auch höhere Leistungen nach dem AsylbLG für Zeiten ab Januar 2008 begehrt, dürfte die Klage schon unzulässig sein, da der Beklagte mit dem Bescheid vom 26. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2008 nur über den Leistungsanspruch des Klägers im Dezember 2007 entschieden hat. Zulässigerweise dürfte deshalb nur die Höhe der Leistungen für diesen Monat Gegenstand des Klageverfahrens sein. Der Beklagte hat hier mit dem streitgegenständlichen Bescheid über einen zeitlich begrenzten Zeitraum entschieden (Dezember 2007) und auch nicht etwa mit dem Widerspruchsbescheid eine Leistung auf Dauer versagt oder bewilligt. Dem Kläger sind mit dem Bescheid vom 26. November 2007 Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt worden, ohne dass mit der Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbLG gleichzeitig eine hiervon abtrennbare Verwaltungsentscheidung auf Dauer vorliegt (vgl. BSG v. 17.06.2008, B 8 AY 3/07 R, juris; v. 24.03.2009, B 8 AY 10/07 R, juris).

Das danach zulässig nur auf die Gewährung höherer Leistungen nach dem AsylbLG für den Monat Dezember 2007 gerichtete Verpflichtungsbegehren dürfte allein deshalb unbegründet sein, weil der Kläger höhere Leistungen für vergangene Zeiträume begehrt.

Der Kläger macht nicht geltend, welcher (nach § 3 AsylbLG oder über Leistungen nach § 2 AsylbLG) zu deckende Bedarf bei ihm nicht gedeckt worden ist, weil keine Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt wurden. Der Bedarf des Klägers an Unterkunft und Heizung ist durch die Unterbringung in einem Wohnheim durch Sachleistungen gedeckt worden. Der Kläger hat weiter für den Bedarf an Ernährung, für Bekleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts eine Barleistung in Höhe von 161,37 Euro erhalten, da von dem Betrag nach § 3 Abs. 2 AsylbLG (für Wertgutscheine) in Höhe von 184,07 Euro der bereits durch die Unterkunft in einem Wohnheim über Sachleistung gedeckte Bedarf abzuziehen war. Daneben hat der Kläger den Barbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens in Höhe von 40,90 Euro nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG erhalten, insgesamt also Barmittel zur Deckung des nach § 3 AsylbLG vorgesehenen Bedarfs in Höhe von 202,27 Euro. Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe und damit auch die besonderen Leistungen der Sozialhilfe für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG setzen eine Bedarfslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den geltend gemachten Anspruch voraus. Leistungen für die Sozialhilfe sind grundsätzlich nicht für vergangene Zeiträume zu gewähren (BVerwGE 90, 154, 164). An diesem von der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte entwickelten Strukturprinzip, welches auch den Leistungsregelungen des AsylbLG zu Grunde liegt, da auch nach diesen Regelungen nur ein aktuell bestehender Bedarf zu decken ist, wird auch unter Geltung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - und im Rahmen des AsylbLG festgehalten. So weist das BSG darauf hin, dass bei der Prüfung eines Leistungsanspruchs nach § 2 AsylbLG zu beachten ist, das nicht mehr bestehende Bedarfe nicht mehr gedeckt werden können (BSG v. 17. Juni 2008, B 8 AY 9/07 R, juris, Rn. 19 ("Aktualitätsprinzip”); B 8 AY 5/07 R, juris, Rn. 16). Es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe und auch nicht der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG, nachträglich Leistungen zu erbringen, wenn der Bedarf weggefallen ist (so ausdrücklich: BSG v. 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, juris, Rn. 11, SGb 2008, 95). Voraussetzung für eine Leistung für die Vergangenheit ist, dass noch ein fortdauernder Bedarf oder ein Ersatzanspruch für Kosten, die durch eine "Selbstbeschaffung" entstanden sind (vgl. BSG v. 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, a.a.O.), besteht. Dies ist nicht ersichtlich.

Zudem dürften auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen auf der Grundlage des § 2 AsylbLG nicht vorliegen.

Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG ist das SGB XII abweichend von den §§ 3 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigen entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (Fassung bis zum 28. August 2007) bzw. 48 Monaten (§ 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007, BGBl I Nr. 42) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. § 2 Abs. 1 AsylbLG normiert in der ab dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, unabhängig davon, aus welchen Gründen der Beklagte den geltend gemachten Anspruch abgelehnt hat. Neben einer zeitlichen Komponente bezogen auf einen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG ist daher weiter Voraussetzung, dass der Anspruchsteller die Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Hat der Antragsteller die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst, ist er unabhängig von der Dauer des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG von der Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG ausgeschlossen; ihm soll dann der Vorzug höherer Leistungen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zuteil werden.

Danach dürfte der Kläger hier von dem Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG ausgeschlossen sein, weil er die Dauer seines Aufenthaltes in Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat; auf die Frage, ob der Kläger die weitere Voraussetzung des § 2 AsylbLG erfüllt, kommt es nicht an.

Ein Rechtsmissbrauch setzt ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Hat ein Ausländer durch sein Verhalten die Aufenthaltsdauer in Deutschland und damit auch die mit § 2 Abs. 1 AsylbLG verlangte Mindestaufenthaltsdauer unredlich herbeigeführt, so kann er sich nicht hierauf berufen und etwaige daran knüpfende Vergünstigungen, nämlich die höheren Analogleistungen, in Anspruch nehmen (BSG vom 17. Juni 2008, B 8/9 b AY 1/07 R, a. a. O., Rnr. 33). Ein von der Vorschrift erfasstes unredliches Verhalten, was von der Rechtsordnung missbilligt ist, liegt hier in der Angabe einer falschen Identität. Bereits in der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 AsylbLG wird beispielhaft die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltung des Rechtsmissbrauchs angegeben (BT Drs. 15/420, S. 121;vgl. auch: BSG v. 17.06.2008, B 8 AY 5/07 R, juris, Rn. 15). Nach den Feststellungen des Sozialgerichts mit dem Beschluss vom 08. Januar 2008 hat der Kläger über seine Herkunft und Identität getäuscht, die Identität ist bis heute ungeklärt. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Sozialgerichts bei seiner Einreise angegeben, dass er aus G stamme und beharre nunmehr darauf, aus S L zu stammen. Diesen Feststellungen des Sozialgerichts in dem Beschluss vom 08. Januar 2008 ist der Kläger im Klageverfahren nicht entgegen getreten.

Die Angabe einer falschen Identität bei der Beantragung von Asyl ist von der Rechtsordnung missbilligt. Dies zeigt sich u.a. darin, dass der Gesetzgeber den Asylbewerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten verpflichtet, seine Identität, d. h. die wahre Identität, anzugeben (§ 16 Asylverfahrensgesetz AsylVfG ). Mit der Beantragung von Asyl ist dem Ausländer bis zur Entscheidung über den Antrag der Aufenthalt in Deutschland gestattet (§ 55 AsylVfG), so dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung nicht veranlasst werden können. Daraus folgt, dass mit falschen Angaben zur Identität bei der Beantragung von Asyl bereits die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland über die Dauer des Asylverfahrens beeinflusst wird, denn nach § 3 Abs. 3 AsylVfG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht.

Zur Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch auf den gesamten Aufenthalt in Deutschland abzustellen. Aus § 2 Abs. 1 AsylbLG ergibt sich keine Einschränkung hinsichtlich des Beurteilungszeitraums für die Feststellung eines solchen Verhaltens. Insbesondere führt nicht ein Aufgeben eines vormals rechtsmissbräuchlichen Verhaltens dazu, dass nunmehr keine Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 2 AsylbLG anzunehmen wäre. Es dürfte hier also nicht darauf ankommen, ob der Missbrauchstatbestand weiter andauert oder noch für die Dauer des Aufenthalts kausal ist. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG, dass derjenige Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG nicht in den Genuss höherer Leistungen während seines Aufenthaltes in Deutschland kommen soll, der rechtsmissbräuchlich Einfluss auf die Aufenthaltsdauer genommen hat (BSG, a. a. O.; GK AsylbLG, III § 2 Rnr. 72). Dass der Kläger möglicherweise gewillt ist, an der Beschaffung von Reisedokumenten mitzuwirken, dürfte also nichts an der bereits erfolgten rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung seines Aufenthalts ändern.

Für einen Anspruch auf eine Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG dürften daher die Voraussetzungen nicht vorliegen, so dass auch aus diesem Grund die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten, § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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