L 11 R 3438/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4301/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3438/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung geltend.

Der 1954 in der früheren Sowjetunion (Kasachische SR, seit 1991 Republik Kasachstan) geborene Kläger ist Inhaber des Vertriebenenausweises B. Bis zu seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland hatte er in Kasachstan seinen Angaben zufolge als Metalldreher und Kraftfahrer gearbeitet. Einen Beruf erlernte er nicht. Die bis Februar 1992 in der früheren Sowjetunion zurückgelegten Beschäftigungszeiten wurden von der Beklagten als glaubhaft gemachte Beitragszeiten anerkannt. In der Bundesrepublik Deutschland war der Kläger als Schleifer, Lackierer und LKW-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Ende 2002 ist er - von wenigen Unterbrechungen abgesehen - arbeitslos. In der Zeit vom 20. Juni 2000 bis zum 19. Juni 2005 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden.

Am 20. Juni 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung des Kläger durch den Internisten Dr. S. Dieser stellte in seinem Gutachten vom August 2005 im Wesentlichen eine beidseitige Gonarthrose, eine beginnende Polyarthrose der Hände, eine Wirbelsäulenfehlhaltung sowie ein metabolisches Syndrom fest und hielt den Kläger noch für fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen - keine Arbeiten in der Hocke oder kniend, keine häufig wiederkehrende Überkopfarbeiten, keine Arbeiten, bei denen es einer besonderen Kraftanstrengung beider Hände bedarf - mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Mit Bescheid vom 6. September 2005 und Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2005 lehnte die Beklagte die beantragte Rente mit der Begründung ab, der Kläger, der auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne, sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein und daher nicht erwerbsgemindert.

Am 27. Dezember 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung geltend gemacht. Zur Begründung hat er ua vorgetragen, die Knieschäden seien stark ausgeprägt, für beide Knie sei eine Endoprothese indiziert. Er sei nicht in der Lage, einen Arbeitsplatz im Bereich etwa der Kommunikation oder der Verwaltung auszuüben, weil ihm hierfür die Vorkenntnisse fehlten. Besonders schlimm sei auch die Entwicklung an der linken Hand, er könne nicht die Kraft aufwenden, um etwas zu halten. Selbst das Autofahren mache Probleme, wenn er längere Zeit das Steuer halte. Auch habe er eine Zuckerkrankheit und leide seit einer Gallenoperation im Jahre 1999 häufig an Durchfällen. Im Januar 2006 sei festgestellt worden, dass in beiden Schultergelenken eine Arthrose bestehe. Ferner habe er in der Lendenwirbelsäule (LWS) Spritzen zur Schmerzlinderung erhalten. Auch sei er in eine depressive Situation geraten, weil er den Verlust des Arbeitsplatzes als Entwertung seiner Person empfinde.

Mit Schriftsatz vom 17. August 2006 hat der Kläger den Befundbericht des Radiologen Dr. K. über eine am 4. August 2006 durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) des linken Kniegelenks vorgelegt. Darin wird im Rahmen der Beurteilung ausgeführt, Hauptbefund sei sicherlich die medial ausgerichtete Facettendestruktion mit bis zu IV° Knorpelverlust. Lateral bestehe eine ebenfalls schon fortgeschrittene, im Wesentlichen noch den III. Grad beinhaltende arthrotische Veränderung.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört (Schreiben Dr. M. vom 30. März 2006, Bl 25 ff der SG-Akte und Dr. S. vom 8. Mai 2006, Bl 30 ff der SG-Akte) und anschließend von Amts wegen Prof. Dr. C., Leiter der Gutachtenambulanz an der Orthopädischen Universitätsklinik H., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten (Untersuchung am 1. August 2006) hat der Sachverständige minimale degenerative Veränderungen an der LWS, eine Fingerpolyarthrose beidseits ohne Einschränkung der Greiffunktion sowie der Feinmotorik beider Hände, eine medial betonte Gonarthrose, links ausgeprägter als rechts, jedoch ohne Bewegungseinschränkung der Kniegelenke, eine geringradig ausgeprägte Klumpfußstellung des rechten Fußes nach Verletzung im Kindesalter sowie geringradig ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter ohne Funktionseinschränkung festgestellt und die Auffassung vertreten, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung gewisser Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ferner Dr. I., W., gutachtlich gehört worden. Dieser hat in seinem Gutachten (Untersuchung am 16. Januar 2007) unter Darlegung der von ihm erhobenen Befunde ausgeführt, sowohl von Seiten der LWS als auch von Seiten der Kniegelenke bestünden chronische Schmerzen, weswegen der Kläger auf die dauernde Einnahme von schmerzlindernden Medikamenten (Diclo 3 Tabletten täglich, ggf in Kombination mit Paracetamol) angewiesen sei. Der Kläger sei weder in der Lage, längere Zeit zu stehen noch längere Zeit zu sitzen. Beim Sitzen träten nach längerer Zeit Krämpfe in beiden Oberschenkeln auf. Bei Zustand nach Cholezystektomie bestehe eine Neigung zu Durchfällen. Laut hausärztlichem Attest bestünden Hinweise für eine exokrine Pankreasinsuffizienz, ein metabolisches Syndrom, einen Diabetes mellitus und die Leber sei bei der Untersuchung zwei Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar gewesen. Aus diesen Gründen komme er zusammenfassend zu der Bewertung, dass dem Kläger eine regelmäßige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zuzumuten sei.

Zu diesen Gutachten haben sich sowohl der Kläger als auch die Beklagte geäußert.

Das SG hat schließlich noch von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. B. eingeholt. Dieser hat bei seiner ambulanten Untersuchung des Kläger am 31. Mai 2007 keine neurologischen Defizite feststellen können. Auf psychiatrischem Gebiet hat der Sachverständige aufgrund der Angaben des Kläger bei der Anamneseerhebung eine zeitweise bestehende negativ-getönte subjektive Befindlichkeit im Sinne einer Dysthymie beschrieben, ansonsten aber einen unauffälligen psychopathologischen Befund erhoben. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ergebe sich aus den von ihm erhobenen Befunden nicht.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zudem vorgetragen, beim Kläger bestünden ein schwer einstellbarer Diabetes und im Rahmen der hypertensiven Krisen massive Kopfschmerzen mit Schwindel und Sehstörungen sowie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom. Hierzu hat er den Arztbrief des C.-Krankenhauses B. M. vom 7. Mai 2007 (Bl 208 der SG-Akte) vorgelegt, in dem über einen stationären Aufenthalt des Klägers wegen eines entgleisten Diabetes mellitus Typ II berichtet wird.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. April 2008, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 20. Juni 2008, abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. S., Prof. Dr. C. und Prof. Dr. B ... Dagegen könne der Beurteilung durch Dr. I. nicht gefolgt werden.

Am Montag, den 21. Juli 2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er bemängelt, dass das SG seinen Anträgen auf Einholung weiterer Gutachten nicht gefolgt sei. Außerdem hält er die vom SG vorgenommene Beweiswürdigung für unzutreffend. Insbesondere der internistische Befund und die Schmerzbelastung seien nicht ausreichend untersucht und gewürdigt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Juni 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat zunächst ein internistisches Gutachten eingeholt. Dr. S., der den Kläger am 10. Oktober 2008 in seiner Praxis untersucht hat, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch leichte und auch mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten kann. Der insulinpflichtige Diabetes mellitus sei gut eingestellt. Dies gelte tagesaktuell für die Hypertonie nicht, was aber auf die Nichteinnahme blutdrucksenkender Mittel zurückzuführen sei. Relevante klinische Hinweise auf ein Schlafapnoe-Syndrom fehlten. Befunde, die die Annahme einer exokrinen Pankreasinsuffizienz rechtfertigen könnten, seien zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ist außerdem Prof. Dr. J., Ärztlicher Direktor am Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in L., gutachtlich gehört worden. Dieser hat in seinem Gutachten (Untersuchung am 1. April 2009) ein leichtgradiges depressives Syndrom im Rahmen einer prolongierten Anpassungsstörung aufgrund psychosozialer Belastungsfaktoren diagnostiziert, das sich aber auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht nachteilig auswirke.

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2009 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend vorgetragen, im Zentrum der Leistungsbeurteilung stehe die chirurgisch/orthopädische Beurteilung. Er verweise insoweit auf die Auskunft des Dr. S. vom 8. Mai 2006. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) habe den Kläger nur für zwei bis drei Stunden arbeitsfähig geschrieben gehabt. Das Gutachten von Prof. C. erfasse die tatsächliche Beeinträchtigung durch die Knieschäden nicht. Dies ergebe sich aus dem MRT-Befund vom 9. August 2006. Ferner hat der Kläger den vom Radiologen Dr. K. erhobenen MRT-Befund des rechten Kniegelenks vom 19. Juni 2009 (Bl 102 der LSG-Akte) vorgelegt.

Der Berichterstatter hat auf Antrag des Klägers den MRT-Befund dem Sachverständigen Dr. I. vorgelegt. Dieser hat hierzu die Stellungnahme vom 6. August 2009 abgegeben. Darin führt er aus, durch diesen Befund, der einen hochgradigen und fortgeschrittenen Aufbrauch des rechten Innenmeniskus beschreibe, sehe er sich in seiner Leistungsbeurteilung bestätigt.

Die Beklagte hat sich durch Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. L. vom 28. August 2009 geäußert und die Auffassung vertreten, der MRT-Befund belege keine wesentliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation im Vergleich zur Untersuchung durch Prof. Dr. C ... Es gebe daher auch keinen Grund, von der bisherigen Leistungsbeurteilung abzuweichen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat noch einmal mit Schriftsatz vom 10. September 2009 vorgetragen; hierauf wird verwiesen (Bl 114 ff der LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers, die keiner Zulassung nach § 144 SGG bedarf, wurde form- und fristgerecht (vgl § 151 SGG) eingelegt; sie ist daher zulässig. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 6. September 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I Seite 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302 b Abs 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach § 43 Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach § 240 Abs 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, er ist jedoch weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Zu vermeiden sind Arbeiten in kniender Körperhaltung oder in der Hocke, häufig wiederkehrende Überkopfarbeiten, das Steigen auf Leitern oder Gerüste, Arbeiten, die eine besondere Kraftanstrengung beider Hände bedürfen sowie Tätigkeiten bei Nässe oder Kälte, ferner Schicht- und Akkordarbeit.

Im Vordergrund der die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers begrenzenden gesundheitlichen Störungen stehen die arthrotischen Beschwerden in beiden Kniegelenken. Nach dem Befundbericht des Radiologen Dr. K. über die am 4. August 2006 durchgeführte MRT des linken Kniegelenks besteht hauptsächlich eine medial ausgerichtete Facettendestruktion mit bis zu IV° Knorpelverlust. Lateral besteht eine ebenfalls schon fortgeschrittene, im Wesentlichen noch den III. Grad beinhaltende arthrotische Veränderung. Das MRT des rechten Kniegelenks vom 19. Juni 2009 zeigt eine varisierende Gonarthrose II° Grades sowie eine mäßige Femurpatellararthrose, eine Auffaserung des Innenmeniscusresiduums III-IV° und eine beginnend III° Außenmeniscusläsion. Die Seiten- und Kreuzbänder sind ausreichend stabil. Diese kernspintomografisch erhobenen Befunde erlauben, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, für sich genommen keinen Schluss auf das Vorliegen einer relevanten Leistungseinschränkung. Ausschlaggebend hierfür sind nicht die Diagnose, sondern der klinische - nicht der radiologisch oder kernspintomografisch erhobene - Befund und die aus diesem Befund resultierenden Einschränkungen der geistigen oder körperlichen Funktionen. Radiologisch oder kernspintomografisch gesicherte Befund erleichtern die Stellung einer Diagnose und bieten häufig eine zureichende Erklärung für klinisch erhobene Befunde, haben aber in Bezug auf die Beurteilung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nur eine begrenzte Aussagekraft.

Der Senat ist auf der Grundlage des von Prof. Dr. C. für das SG erstatteten Gutachtens davon überzeugt, dass die arthrotischen Veränderungen beider Kniegelenke beim Kläger keine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit begründen. Bei der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen war der Zehenspitzengang frei demonstrierbar, ebenso der Hackenstand. Auch der Einbeinstand war beidseitig sicher durchführbar. Lediglich die Einnahme der tiefen Hocke war dem Kläger aufgrund der Knieschmerzen beidseits nicht möglich. Die Bemuskelung der Ober- und Unterschenkel war seitengleich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke (Streckung/Beugung) war seitengleich 120/0/0 Grad. Die Seitenbänder sowie die Kreuzbänder waren stabil. Der Sachverständige hat anhand dieser klinischen Befunde nachvollziehbar dargelegt, dass dem Kläger Arbeiten in kniender Körperhaltung oder in der Hocke und das Steigen auf Leitern und Gerüsten nicht mehr möglich ist. Ebenso überzeugend ist aber auch, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke die zeitliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht einschränken. Auch ist der Kläger in der Lage, eine Wegstrecke von mehr als 500 m in weniger als 20 m zu Fuß zurückzulegen. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Sachverständigen an. Die von Dr. I. erhobenen Befunde bestätigen dieses Ergebnis zumindest teilweise. So gibt Dr. I. die Streckung/Beugung der Kniegelenke wie Prof. Dr. C. mit 120/0/0 an. Der von ihm beschriebene Patellaranpress- und -verschiebeschmerz wird auch von Prof. Dr. C. nicht in Abrede gestellt, auch dieser berichtet über einen Druckschmerz.

Zur Beurteilung der Funktionseinschränkungen aufgrund der degenerativen Veränderungen in den Kniegelenken erachtet der Senat das von Prof. Dr. C. erstellte Gutachten trotz der Tatsache, dass dieses Gutachten aus dem Jahre 2006 stammt, nach wie vor für maßgebend. Denn eine wesentliche Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seit der Untersuchung durch Prof. Dr. C. ist nicht belegt. So hat zB Prof. Dr. J., der den Kläger auf dessen Antrag nach § 109 SGG im April 2009 auch neurologisch untersucht und begutachtet hat, ein unauffälliges Gangbild beim Kläger beschrieben. Auch hat der Kläger bei dieser Untersuchung im Rahmen der Anamneseerhebung angegeben, zur Zeit seltener als früher alleine im Wald spazieren zu gehen. Dieser Umstand belegt, dass aufgrund der Befunde in beiden Kniegelenken weder die Wegefähigkeit des Klägers noch die Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht herabgesetzt war und ist. Das unauffällige Gangbild und das Fehlen einer Muskelminderung der Oberschenkel zeigen, dass es bislang noch nicht zu einer schmerzbedingten Schonung gekommen ist. Damit wird gleichzeitig die von Dr. I. vorgenommene Bewertung widerlegt, wonach vor allem die vom Kläger angegebenen chronischen Schmerzen in beiden Kniegelenken zur Begründung einer Erwerbsminderung herangezogen werden. Auffallend ist, dass Dr. I. noch von einer Medikation mit - allerdings eher schwach wirkenden - Schmerzmitteln berichtet, während der Kläger bei Prof. Dr. J. im April 2009 nur angegeben hat, Medikamente "für den Diabetes, für den Bluthochdruck, für das Herz, und für das Cholesterin" zu nehmen. Eine Schmerzmedikation wird nicht erwähnt. Bei Dr. S. hat der Kläger als Medikamente auch Paracetamol und Diclofenac 75 angegeben, hatte diese aber am Untersuchungstag nicht genommen. Dies spricht dafür, dass die von Dr. I. erhobenen Befunde auf einer akuten, aber vorübergehenden Verschlimmerung beruhen. Im Übrigen ist noch nicht berücksichtigt, dass der stark übergewichtige Kläger (Körpergewicht 110 kg bei einer Körpergröße von 170 cm, siehe S 10 des Gutachtens von Dr. I.) durch eine Gewichtsreduktion zu einer Entlastung der Kniegelenke beitragen könnte.

Die Polyarthrosen der Finger führen ebenfalls zu keiner zeitlichen Limitierung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Dr. I. bestätigt in seinem Gutachten, dass dadurch die grobe Greiffunktion der Hände nicht eingeschränkt ist. Nach Ansicht von Prof. Dr. C. ist noch nicht einmal die Feinmotorik beider Hände beeinträchtigt.

Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule gehen nicht über das altersübliche Maß hinaus. Prof. Dr. C. spricht nur von minimalen Veränderungen der LWS. Dr. I. beschreibt die degenerativen Veränderungen als schwerwiegender, was angesichts des erheblichen Übergewichts nachvollziehbar ist, nach Ansicht beider Sachverständiger liegen aber neurologische Ausfallerscheinungen nicht vor. Die neurologische Untersuchung durch Prof. J. ergab ebenfalls keine krankhaften Befunde. Damit führen von der Wirbelsäule ausgehende Beschwerden zu keiner Einschränkung für leichte Arbeiten.

Auf internistischem Fachgebiet liegen einige Erkrankungen vor, die aber alle nicht zu einer wesentlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit führen. Der Diabetes mellitus ist gut eingestellt und hat noch zu keinen Folgeschäden an anderen Organen geführt. Der Bluthochdruck war zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen zu hoch, was aber darauf zurückgeführt werden konnte, dass der Kläger die blutdrucksenkenden Medikamente nicht genommen hatte. Die überhöhten Blutfettwerte (Triglyceride) führen zusammen mit dem hohen Blutdruck und dem Diabetes dazu, dass beim Kläger ein sog. metabolisches Syndrom diagnostiziert werden kann. Dieses stellt eine Risikoerhöhung für vorzeitige Herzerkrankungen dar, bedingt aber keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten. Relevante klinische Hinweise für das vom Kläger vorgetragene Schlafapnoe-Syndrom fanden sich nicht. Die anamnestisch geschilderten wiederkehrenden Durchfälle stehen einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Sie haben ersichtlich auch zu keiner Beeinträchtigung des Ernährungszustandes geführt. Dr. S. ist deshalb folgerichtig zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger noch mindestens leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr möglich und zumutbar sind.

Die Sachkunde von Dr. S. und dessen Objektivität können nicht mit dem Hinweis darauf in Zweifel gezogen werden, dass Dr. S. das Gutachten von Prof. Dr. C. hinsichtlich der Leistungsbeurteilung für überzeugender hält als dasjenige von Dr. I ... Zum einen wurde er gefragt, inwieweit er von einem Vorgutachten abweicht, zum anderen hat Dr. S. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Dr. I. Erkrankungen benenne, die dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnen seien.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet haben weder Prof. Dr. B. noch Prof. Dr. J. Befunde erhoben, die eine Leistungseinschränkung des Klägers begründen könnten. Prof. Dr. J. hat im Gegenteil sogar ausgeführt, der Kläger habe auf Nachfrage angegeben, dass er sich sofort in der Lage fühle, auch acht Stunden am Tag an fünf Tagen in der Woche wieder eine regelmäßige Berufstätigkeit aufzunehmen, wenn die Arbeit leicht und mit seinen körperlichen Defiziten vereinbar sei. Die leichte depressive Verstimmtheit des Klägers beruht auf einer mangelnden Verarbeitung der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Situation.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaubt ihm weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden liegen wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Einschränkungen dergestalt, dass Arbeiten in Nässe oder Kälte sowie häufig wiederkehrende Überkopfarbeiten und Arbeiten in der Hocke vermieden werden sollen, wird bereits durch die Beschränkung auf körperlich leichte Arbeiten Rechnung getragen; sie stellen deshalb im Grunde genommen gar keine echten zusätzlichen Leistungseinschränkungen dar.

Der Kläger ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat er nicht absolviert und während seines Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Er ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.

Die Anträge des Klägers auf Einholung weiterer Gutachten wegen von Amts auf neuropsychologischem, schmerztherapeutischem und internistischem Fachgebiet werden abgelehnt. Die vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. C., Prof. Dr. B., Dr. S. und Dr. J. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und sie geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Der Antrag des Klägers, nach § 109 SGG ein schmerztherapeutisches Gutachten bei Dr. Z. einzuholen, wird ebenfalls abgelehnt. der Kläger hat sowohl im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im Berufungsverfahren von dem Antragsrecht nach § 109 SGG Gebrauch gemacht. Nach der Rechtsprechung des Senats steht einem Antragsberechtigten das Antragsrecht nach § 109 SGG grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (Urteil vom 29. September 2009, L 11 R 742/09; vgl. bereits LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 23. November 2007, L 8 SB 3553/04, und vom 6. Februar 2006, L 1 U 2572/05). Dies entspricht dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG SozR 3-1500 § 109 Nr 1). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 RdNr 10b). Abgesehen davon, dass der Senat einem wiederholten Antrag schon stattgegeben und das Gutachten von Dr. J. eingeholt hat, liegt ein besonderer Umstand, der einen erneuten Antrag nach § 109 SGG rechtfertigen könnte nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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