S 153 AS 12236/09 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
153
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 153 AS 12236/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
10557 Berlin

Az.: S 153 AS 12236/09 ER

Beschluss In dem Verfahren

- Antragstellerin -

Prozessbevollmächtigter:

gegen

JobCenter Steglitz-Zehlendorf, Birkbuschstr. 10, 12167 Berlin, - Antragsgegner -

hat die 153. Kammer des Sozialgerichts Berlin am 20. Mai 2009 durch die Richterin am Sozialgericht Dickmeiß beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten der Antragsstellerin hat der Antragsgegner nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung. Die 1983 geborene Antragstellerin absolviert seit dem 19. Dezember 2007 beim I ..., Bildungszentrum N. eine überbetriebliche Ausbildung zur Kosmetikerin. Die Ausbildung endet voraussichtlich am 18. Oktober 2010. Im April 2008 zog die Antragstellerin aus der Wohnung ihrer Eltern aus, da ihr nach ihren nicht näher ausgeführten - Angaben ein Verbleiben im elterlichen Haushalt nicht mehr möglich gewesen sei. Zum 1. August 2008 schloss die Antragstellerin einen Mietvertrag über die im Rubrum genannte, knapp 47 Quadratmeter große 1-Zimmer-Wohnung zu einem Mietzins in Höhe von 361,42 EUR. Die Antragstellerin erhält derzeit 331,- EUR Bundesausbildungsbeihilfe gemäß §§ 59 ff SGB III, 315,- EUR Ausbildungsvergütung sowieso vom Antragsgegner einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von 142,- EUR. Mit Schreiben vom 15. September 2008 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner u.a. die Übernahme der Erstausstattung für die Wohnung. Mit Bescheid vom 27. März 2009 lehnte der Antragsgegner dies ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Antragstellerin Leistungen nach § 22 Abs. 7 SGB II erhalte, diese gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht als Alg II gälten und die Kosten daher durch den Antragsgegner nicht erstattet werden könnten. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin nach eigenen Angaben Widerspruch ein. (In der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte ist der Widerspruch nicht enthalten.). Mit dem am 22. April 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verfolgt die Antragstellerin ihr Begehr weiter. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass eine Zusicherung des Antragsgegners für die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II vorliege, der Antragsgegner daher gemäß § 23 Abs. 6 SGB II verpflichtet sei, auch Leistungen nach § 23 SGB II zu erbringen. Im Übrigen gäbe es keinen anderen Sozialleistungsträger, der zur Leistung der Erstausstattung verpflichtet sei. Der Antragstellerin sei es trotz größter Bemühungen nicht möglich gewesen, selbst für eine Erstausstattung zu sorgen. Die Antragstellerin beantragt wörtlich, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Entscheidung ohne vorherige Anhörung zu verurteilen, der Antragstellerin Leistungen für die Erstausstattung, so für Schlafcouch (oder Bett), Kleiderschrank, Waschmaschine, Kühlschrank, Gardinen für Küche und Wohnzimmer, Küchenmöbel (Ober- und Unterschränke), Esstisch und vier Stühle, Flurgarderobe, Schuhschrank, Spiegel, Badschrank, Fernsehgerät, Bettwäsche und Geschirr in Höhe von mindestens 1.200,00 EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten in sowie der Verwaltungsakte (1 Band), welche dem Gericht vorlag.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Anspruchsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrten Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -. Danach sind, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, durch das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung – ZPO -. Eine einstweilige Anordnung darf grundsätzlich nicht gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verstoßen (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer-Keller, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rn. 31). Maßgeblicher Zeitpunkt für die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer-Keller, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rn. 41, 16 c, 42). Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn sein Bestehen überwiegend wahrscheinlich ist. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen wird. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin steht der Antragstellerin kein Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattungen für die Wohnung mit der Begründung zu, dass dies in § 23 Abs. 6 SGB II ausdrücklich geregelt sei und der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach § 22 SGB II zugesichert habe. § 23 Abs. 6 SGB II normiert eine Regelung für Fälle des § 22 Abs. 2a SGB II. § 22 Abs. 2a SGB II enthält Regelungen für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bereits diese Voraussetzung trifft auf die Antragstellerin nicht zu. Darüber hinaus hat der Antragsgegner auch keine Zusicherung nach § 22 SGB II abgegeben. Er gewährt lediglich einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II; dieser Zuschuss gilt gemäß § 19 S. 2 SGB II nicht als Arbeitslosengeld II. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattung gemäß § 23 Absatz 3 Nr. 1 SGB II zu. Gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Antragstellerin unterliegt diesem Ausschluss von Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB II [=§§ 19-35 SGB II]. Die Ausbildung der Antragstellerin ist nämlich nach §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig, die Antragstellerin erhält sogar eine Bundesausbildungsbeihilfe. Auch liegt ein Ausnahmefall im Sinne des § 7 Abs. 6 SGB II bei der Antragstellerin nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG vom 6.9.2007 – B 14/7b AS 36/06) ist der SGB II-Leistungsträger - neben dem System der Ausbildungsförderung - dann leistungspflichtig, wenn Leistungen außerhalb des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels des SGB II beansprucht werden können oder wenn eine besondere, nicht ausbildungsbezogene Bedarfslage entstanden ist. Die Begrenzung des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II bei einer besonderen, nicht ausbildungsbezogenen Bedarfslage begründet das BSG damit, dass der Gesetzgeber in Ansehung des identischen Wortlauts der früher geltenden Vorschriften des BSHG und der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Differenzierung zwischen ausbildungsbedingtem und sonstigem Bedarf die Begrenzung des Ausschlusses offensichtlich in Kauf genommen habe (vgl. BSG vom 6.9.2007 – B 14/7b AS 36/06). Nach Auffassung des BSG sind ungeachtet des eindeutigen Wortlauts des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, wenn der Bedarf durch besondere, von der Ausbildung unabhängige Umstände bedingt ist. Dies ist jedoch bei der Antragstellerin nicht der Fall. Die von der Antragstellerin begehrte Erstausstattung für die Wohnung gehört vielmehr zum ausbildungsgeprägten Bedarf und unterliegt daher dem Ausschluss des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II. Der Bedarf der Erstausstattung für die Wohnung gehört nämlich zum Bedarf der Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts und damit zu demjenigen Bedarf, für den Ausbildungsförderung geleistet wird. (vgl. BVerwG vom 3.12.1992 - C 15/90; BVerwG vom 13.5.1993 – 5 B 47/93). Es ist gerade Sinn des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II, eine doppelte Anspruchsberechtigung für den selben Bedarf auszuschließen und den SGB II-Träger von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten. (vgl. BSG vom 6.9.2007 – B 14/7b AS 36/06; vgl. BVerwG vom 3.12.1992 - C 15/90). Dieser Leistungsausschluss betrifft den gesamten von der Ausbildungsförderung erfassten Bedarfsbereich des Lebensunterhalts, also nicht nur im Ausmaß tatsächlicher Bedarfsdeckung. (vgl. BVerwG vom 3.12.1992 - C 15/90). Auch der Umstand, dass die Antragstellerin der Auffassung ist, dass ihr ein weiteres Verbleiben im elterlichen Haushalt nicht mehr möglich sei, führte zu keiner anderen Betracht. Dies ändert nichts daran, dass der von der Antragsteller begehrte Bedarf seiner Art nach den allgemeinen Lebensunterhalt betrifft, für den Ausbildungsförderung geleistet wird. Ein Anspruch bei der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus § 7 Absatz 5 Satz 2 SGB II. Danach können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt als Darlehen geleistet werden. Eine besondere Härte liegt vor, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Zum Härtefall an sich müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die SGB II-Träger von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, das heißt als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen (vgl. BSG vom 6.9.2007 – B 14/7b AS 36/06 m.w.N.). Ein solch besonderer Härtefall, der über das Maß hinausgeht, das regelmäßig mit der Versagung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist, liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Mangels Vorliegen eines Anordnungsanspruchs war der Antrag abzulehnen. Darüber hinaus bestehen bei der Kammer auch Zweifel am Vorliegen des Anordnungsgrundes (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist. Der in der Verwaltungsakte enthaltene Kontoauszug vom 1. Oktober 2008 – also vor Beantragung und Bewilligung des Zuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II - weist einen Abschlusssaldo per 30.09.2008 in Höhe von 1.188,70 EUR Haben aus. Die von der Kammer mit Fax vom 12. Mai 2009 erbetene Einreichung der Kontoauszüge seit August 2008 binnen zwei Tagen ist bis heute nicht erfolgt. Wegen der mangelnden Erfolgsaussichten des Eilantrags kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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