S 161 VE 61/09 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
161
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 161 VE 61/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die am ...1945 geborene Antragstellerin begehrt im hiesigen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz (vormals Az. S 48 VE 50/09 ER) die Gewährung einer stationären Behandlung in einer Kureinrichtung, und zwar einer Badekur in dem nach Angaben der Antragstellerin auf Wirbelsäulenschäden spezialisierten Thermalwasser-Heilbad Hame Yo’av / Israel, einschließlich Begutachtung durch den von ihr benannten Psychologen Prof. Dr. N D.

Ihren entsprechenden Antrag vom 27.05.2008 nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) lehnte der Antragsgegner nach Ärztlichem Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 24.02.2009 mit Bescheid vom 27.02.2009 ab.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 17.03.2009, mit dem die Antragstellerin zugleich Widerspruch gegen die genannte Verwaltungsentscheidung einlegt, begründet sie mit einer "hochgradigen Dringlichkeit" der begehrten Heilbehandlung. Sofortiges Einschreiten des Gerichts sei zur Abwendung eines weiteren "gesundheitsbedrohenden Zeitverlustes" notwendig. Hinsichtlich ihres Wirbelsäulenleidens könne sie nur unter schmerzstillender Medikation "gehalten werden".

Als Schädigungsfolgen nach dem HHG i.V.m. dem BVG sind bei der Antragstellerin mit einem Gesamt-Grad der Schädigungsfolge (GdS) i.E. anerkannt (vgl. Bescheide vom 08.11.2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008): a) Belastende Wiedererinnerungen, Misstrauen und situative Ängste (Einzel-GdS von 20), b) Wirbelkörpereinbruch (BWH-12) mit geringer statischer Auswirkung und geringer Verformung (Einzel-GdS von 10). Dagegen ist beim Sozialgericht Berlin ein Klageverfahren anhängig (Az. S V .../08, vormals Az. S ... V /08).

Nach dem Schwerbehindertenrecht (Sozialgesetzbuch IX, Teil 2) sind bei der Antragstellerin auf Grund folgender Funktionsbeeinträchtigungen ein Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt (vgl. Bescheid vom 02.10.1992 bzw. vom 23.11.2007): a) Schädigungsfolgen nach dem BVG (Einzel-GdB von 20), b) Hirnorganische Leistungsschwäche mit Halbseitenlähmung rechts und tetanischem Anfallssyndrom sowie schwerer nervlicher Fehlentwicklung (Einzel-GdB von 100), c) Degenerative Wirbelsäulenveränderungen der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule, Wirbelkörperfraktur (Einzel-GdB von 30), d) Hörminderung (Einzel-GdB von 20), e) Nächtliche Harninkontinenz (Einzel-GdB von 10).

Die Antragstellerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, welche schweren und unzumutbaren, anders als durch eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz nicht abwendbaren Nachteile ihr drohen.

Ausweislich ihres Antragsschriftsatzes beantragt die Antragstellerin,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung (Badekur) zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund mit der im Eilverfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war abzulehnen.

Nach der vorliegend einschlägigen Vorschrift des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache im Wege der sog. Regelungsanordnung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf hierbei die Entscheidung des Gerichts grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Diese summarische Prüfung erstreckt sich auf die Prüfung eines Anordnungsanspruches (im Hinblick auf das materiell geltend gemachte Recht) und eines Anordnungsgrundes (im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit); Beides ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Das Gericht beschränkt sich vorliegend auf eine Folgenabwägung, da der geltend gemachte Anspruch allenfalls auf Grund weiterer Ermittlungen bestehen könnte. Wegen ihrer voraussichtlichen Dauer sind diese Ermittlungen zur vollständigen Aufklärung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz anzustellen. Bei der Folgenabwägung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben. Stattdessen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Verfahren der Hauptsache aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Verfahren der Hauptsache indes keinen Erfolg hätte.

Diese Abwägung fiel im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sie bei der Ablehnung ihres Antrags nicht mit schweren und nicht wieder gut zu machenden Nachteilen rechnen muss. Ihr droht keine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit. Im Gegenteil: Nach dem Ärztlichen Gutachten von Dr. W vom 24.02.2009 stehen orthopädisch zunächst adäquate ambulante Maßnahmen vor Ort zur Verfügung; auf Grund der festgestellten psychischen Symptomatik ist eine Behandlung am Wohnort sogar dringend angeraten. Weitere Nachteile, für die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile in Betracht kommen, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen – sie hat die entsprechende Nachfrage des Gerichts unbeantwortet gelassen –, und solche sind auch nicht sonst ersichtlich. Der Vortrag der Antragstellerin in dem Antragsschriftsatz zum orthopädischen Zustand ("hochgradige Dringlichkeit", Vermeidung eines "gesundheitsbedrohenden Zeitverlustes") ist nur behauptend, nicht jedoch durch weitere Ausführungen dazu auch nur annähernd für das Gericht nachvollziehbar dargelegt.

Danach war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG getroffene Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Antrag keinen Erfolg hat.
Rechtskraft
Aus
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