Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 3142/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1252/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 17. Dezember 2004 sowie über die Rückforderung von Alg für den Zeitraum vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 in Höhe von 2.184,39 EUR.
Der 1958 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, war zuletzt als Zahnradprüfer bei der Firma L.-A. L. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 14. August 2003 war er arbeitsunfähig krank und erhielt in der Zeit vom 22. September 2003 bis 16. Dezember 2004 Krankengeld für die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen. Am 15. November 2004 meldete sich der Kläger - bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis - zum 17. Dezember 2004 arbeitslos. Den Antrag auf Alg reichte er am 17. Februar 2005 bei der Beklagten zusammen mit einer Veränderungsmitteilung vom gleichen Tag ein, wonach er seine Tätigkeit bei der Firma L. mit einem Umfang von wöchentlich mehr als 15 Stunden am 7. Februar 2005 wieder aufgenommen habe. Mit Bescheid vom 1. März 2005 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 in Höhe von wöchentlich 293,79 EUR.
Durch eine Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg erfuhr die Beklagte, dass die Firma L. den Kläger zum 1. Januar 2005 "in Arbeit" gemeldet habe. Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2006 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. Januar bis 6. Februar 2005 auf und forderte die Erstattung des für diesen Zeitraum gezahlten Alg in Höhe von 1.554,84 EUR. Auf den Widerspruch des Klägers fragte die Beklagte beim Arbeitgeber wegen des Zeitpunkts der Arbeitsaufnahme nach und erfuhr hierdurch, dass der Kläger die Arbeit am 17. Dezember 2004 aufgenommen und ab 20. Dezember 2004 Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe; Lohn sei ab 17. Dezember 2004 wieder gezahlt worden. Die Beklagte nahm daraufhin den Bescheid vom 23. Mai 2006 zurück und sodann - nach neuerlicher Anhörung des Klägers - die Bewilligung von Alg ab 17. Dezember 2004 ganz zurück und forderte die Erstattung des in der Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 gezahlten Alg in Höhe von 2.184,39 EUR (Bescheid vom 17. August 2006).
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei am 17. Dezember 2004 bei der Arbeitgeberin erschienen, habe jedoch lediglich Urlaub beantragt, weshalb ihm nicht bewusst gewesen sei, dass sein Anspruch auf Alg entfallen sein könnte. Außerdem sei er nicht mehr bereichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13. November 2006 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger ergänzend geltend gemacht, er habe nicht grob fahrlässig gegen Mitteilungspflichten verstoßen und habe auch nicht wissen müssen oder können, dass für den in Rede stehenden Zeitraum sein Anspruch auf Alg entfallen sein könnte - auch deswegen, weil er seinem Arbeitsplatz weiterhin hätte fern bleiben können. In diesem Fall hätte die Beklagte das Alg weiter bezahlen müssen. Sein Urlaub wäre dann entweder verfallen oder in Geld abgegolten worden, ohne dass die Beklagte bei der letzten Alternative Gelegenheit gehabt hätte, auf eine eventuelle Zahlung Rückgriff zu nehmen. Bei Verfall der Urlaubsansprüche wäre er ohnehin nicht bereichert gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien auf der Grundlage von § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rechtmäßig. Die Bewilligung sei rechtswidrig gewesen, weil dem Kläger für den Zeitraum 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Alg zugestanden habe. Der Kläger sei ab 17. Dezember 2004 nicht mehr arbeitslos gewesen, denn er habe in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. An diesem Tag habe er nach einer langen Zeit der Arbeitsunfähigkeit, während der Beschäftigungslosigkeit bestanden habe, die Arbeit wieder aufgenommen und sich damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet. Das Beschäftigungsverhältnis habe im gesamten streitigen Zeitraum bestanden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger ab 20. Dezember 2004 Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe. Ein Beschäftigungsverhältnis werde durch die Inanspruchnahme von Urlaub oder Gleitzeit nicht unterbrochen. Sollte es im Streit befangenen Zeitraum an einer Beschäftigung gefehlt haben, wäre Alg dennoch nicht zu zahlen gewesen, weil ab 17. Dezember 2004 Lohn gezahlt worden sei und gemäß § 143 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) der Anspruch auf Alg während einer Zeit ruhe, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhalte oder zu beanspruchen habe. Auch darauf werde im Merkblatt für Arbeitslose hingewiesen. Wer solche Hinweise nicht beachte, handele in der Regel grob fahrlässig. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht im Stande gewesen sei, solche Hinweise zu verstehen. Selbst wenn er diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen haben sollte, habe er schwerlich davon ausgehen können, dass er gleichzeitig Arbeitsentgelt (bezahlter Urlaub) und Alg beanspruchen könne. Da die Bewilligung zu Recht zurückgenommen worden sei, habe der Kläger die erbrachten Leistungen zwingend zu erstatten.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 22. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16. März 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Ab dem 17. Dezember 2004 sei nicht etwa "normaler Lohn" gezahlt worden, sondern vielmehr Urlaub bzw. Gleitzeit gewährt worden. Diese Sondersituation sei nicht damit vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich arbeite und hierfür Gehalt erhalte. Einem juristischen Laien müsse es nicht klar sein, dass kein Anspruch auf Alg bestehe, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erfolge. Dies zumal auch deswegen, weil der Kläger ansonsten seinen Urlaub hätte verfallen lassen müssen, ohne dass dies der Beklagten zu Gute gekommen wäre. Hier liege eine Sondersituation vor, der Hinweis im Merkblatt sei nicht auf die vorliegende Konstellation zugeschnitten gewesen. Schließlich sei die Rücknahme der Bewilligung von Alg auch ermessenfehlerhaft. Der Kläger sei überschuldet und habe die ihm gezahlten Leistungen komplett verbraucht. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte dies auch nur ansatzweise berücksichtigt habe, zumal der Kläger mitgeteilt habe, er gehe "zum Arbeiten". Der Beklagten seien somit schon bei Leistungsbewilligung die relevanten Tatsachen bekannt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass kein Vertrauensschutz bestehe, der einen Verbleib des zu Unrecht erhaltenen Alg beim Kläger rechtfertige. Der Kläger habe den Antrag am 17. Februar 2005 eingereicht und hierbei unvollständige Angaben gemacht. Er hätte den Erhalt von Arbeitsentgelt bzw. Urlaubsgeld mitteilen müssen. Dem Kläger sei bei Antragstellung das Merkblatt ausgehändigt worden. Diesem habe er entnehmen können, dass er alle Änderungen mitzuteilen habe, die den Leistungsanspruch beeinflussen könnten. Er habe erkennen können, dass er nur im Fall der Beschäftigungslosigkeit einen Anspruch auf Alg habe und Arbeitgeberleistungen einem Leistungsbezug entgegen stünden. Ob er das Merkblatt trotz seiner Sprachprobleme verstanden habe, sei ohne Belang. Zum einen sei er verpflichtet, sich entsprechende Kenntnis zu verschaffen und das Merkblatt ggf. übersetzen zu lassen, zum anderen sei Allgemeingut, dass nicht gleichzeitig Arbeitslohn und Alg bezogen werden dürfe (unter Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. August 2007 - L 7 AL 1335/07 -). Unbeachtlich sei, dass es sich um bezahlten Urlaub gehandelt habe und der Kläger nicht tatsächlich gearbeitet habe. Die grobe Fahrlässigkeit des Klägers ergebe sich auch aus dem Bußgeldbescheid vom 20. August 2002. In diesem sei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen seien. Auch aus diesem Grund habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Bewilligung von Alg für denselben Zeitraum, für den er Arbeitsentgelt erhalten habe, nicht rechtmäßig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg für den Zeitraum 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 zurückgenommen und die Erstattung der überzahlten Leistungen gefordert. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Entscheidung der Beklagten ist mit Blick auf den hier maßgebenden Bewilligungsbescheid vom 1. März 2005 die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 3 SGB III. § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32). Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell-rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18).
Nach § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Weiter kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheides (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82 und Nr. 39 S. 127; Wiesner in von Wulffen u.a. SGB X, 5. Aufl., § 45 Rdnr. 23).
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des genannten Bescheides für die Zeit ab 17. Dezember 2004 sind gegeben. § 330 Abs. 2 SGB III schreibt die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zwingend vor (vgl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 13; SozR 3-4100 § 152 Nr. 8), so dass weder Raum für eine gesonderte Vertrauensschutzprüfung noch eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von Härtegesichtspunkten verbleibt.
Der Kläger hatte, wie das SG zutreffend erkannt hat, im streitigen Zeitraum ab 17. Dezember 2004 keinen Anspruch auf Gewährung von Alg, weil er nicht arbeitslos war. Nach § 117 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgebenden Fassung vom 24. März 1997 - BGBl. I S. 594) haben Anspruch auf Alg u.a. Arbeitnehmer, die arbeitslos sind. Arbeitslos ist nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III u.a., wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, also beschäftigungslos ist. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, steht ein Arbeitnehmer leistungsrechtlich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist oder der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer nicht mehr beansprucht. Der Kläger hat sich nach Auslaufen des Krankengeldes am 17. Dezember 2004 wieder bei seinem Arbeitgeber gemeldet. Er hat die Arbeit wieder aufgenommen und sich damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet. Insoweit bestand das Beschäftigungsverhältnis während des gesamten hier streitigen Zeitraumes fort, ohne dass die Inanspruchnahme bezahlten Urlaubs oder Gleitzeit hieran etwas zu ändern vermag. Im Übrigen hat der Kläger für den gesamten hier streitigen Zeitraum Lohn erhalten, so dass selbst wenn ein Anspruch auf Alg dem Grunde nach bestanden hätte, dieser nach § 143 Abs. 1 SGB IIII geruht hätte. Damit war der Bewilligungsbescheid (von Anfang an) rechtswidrig.
Gegenüber der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Entgegen seines Vortrags im Berufungsverfahren hat der Kläger nicht bereits bei Abgabe des Antrags am 17. Februar 2005 auf eine Arbeitsaufnahme ab 17. Dezember 2004 hingewiesen. Er hat vielmehr im Rahmen der Erklärung zur Arbeitssuchendmeldung nach § 37b SGB III ausgeführt, dass er inzwischen die Arbeit aufgenommen habe. Hierzu hat er die Veränderungsmitteilung vorgelegt über eine Aufnahme der Tätigkeit ab 7. Februar 2005. Auch bei einer persönlichen Vorsprache am 22. Februar 2005 hat der Kläger lediglich die Arbeitsaufnahme ab 7. Februar 2005 mitgeteilt. Insoweit ist dem Kläger eine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten gegenüber der Beklagten vorzuwerfen. Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger wusste oder diesbezüglich zumindest grob fahrlässig war, dass er im Hinblick auf den Bezug von Arbeitslohn für die Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 keinen Anspruch auf Alg für denselben Zeitraum hatte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt ist. Es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 43, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 54, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt und konnte er dies nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand erkennen, begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Ob der Kläger das Merkblatt für Arbeitslose 1 mit der erneuten Antragstellung am 17. Februar 2005 tatsächlich erhalten hat, ist unklar, da er insoweit den Erhalt nicht mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Auf die zutreffenden Hinweise im Merkblatt kann somit nicht abgehoben werden. Allerdings wurde gegen den Kläger im Jahr 2002 bereits eine Geldbuße festgesetzt, weil er die Arbeitsaufnahme nicht richtig mitgeteilt hatte. Gemeldet hatte er die (tatsächliche) Arbeitsaufnahme ab 3. September 2001, nicht jedoch, dass er bereits ab 1. September 2001 Arbeitslohn bezogen hatte. In dem Bußgeldbescheid vom 20. August 2002 werden die insoweit bestehenden Mitteilungspflichten nochmals darstellt. Der Vortrag im Berufungsverfahren, dass der Kläger diesen Bußgeldbescheid nie erhalten habe, stellt sich nach Überzeugung des Senats als reine Schutzbehauptung dar. Nicht nur liegt ein Zustellungsnachweis hinsichtlich des Bußgeldbescheids vor, auch wurde die Geldbuße kurz nach Zugang des Bescheides tatsächlich bezahlt. Aufgrund dieses Vorgangs, der über die bloße Rücknahme einer Bewilligung und Erstattung überzahlter Leistungen hinausgeht, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger Kenntnis von seinen Mitteilungspflichten hätte haben müssen und ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Darüber hinaus musste der Kläger wissen, dass er nicht gleichzeitig Arbeitslohn - auch vor dem Hintergrund bezahlten Urlaubs - und Alg in Anspruch nehmen konnte. Das Wissen darum, dass nicht im gleichen Zeitraum Arbeitslohn und Lohnersatzleistungen bezogen werden dürfen, kann als Allgemeingut angesehen werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1335/07 -).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Klägers, dass sein Urlaub verfallen wäre, wenn er diesen nicht in Anspruch genommen hätte und die Beklagte in diesem Fall auch hätte Alg leisten müssen. Abgesehen davon, dass schon die Prämisse fehlerhaft sein dürfte, dass der Urlaubsanspruch des Klägers verfallen wäre (vgl. zur Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - NZA 2009, 538), kann aus einer derartigen hypothetischen Betrachtung kein Recht des Klägers abgeleitet werden, das zu Unrecht bezogene Alg behalten zu dürfen. Auch im Falle einer Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hätte die Beklagte die Erstattung für den entsprechenden Zeitraum gezahlter Leistungen verlangen können (§ 143 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Streit befangenen Zeitraum überzahlten Leistungen zu erstatten. Der von der Beklagten errechnete Rückforderungsbetrag ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden; diesen Betrag hat der Kläger zu erstatten. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 S. 84).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 17. Dezember 2004 sowie über die Rückforderung von Alg für den Zeitraum vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 in Höhe von 2.184,39 EUR.
Der 1958 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, war zuletzt als Zahnradprüfer bei der Firma L.-A. L. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 14. August 2003 war er arbeitsunfähig krank und erhielt in der Zeit vom 22. September 2003 bis 16. Dezember 2004 Krankengeld für die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen. Am 15. November 2004 meldete sich der Kläger - bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis - zum 17. Dezember 2004 arbeitslos. Den Antrag auf Alg reichte er am 17. Februar 2005 bei der Beklagten zusammen mit einer Veränderungsmitteilung vom gleichen Tag ein, wonach er seine Tätigkeit bei der Firma L. mit einem Umfang von wöchentlich mehr als 15 Stunden am 7. Februar 2005 wieder aufgenommen habe. Mit Bescheid vom 1. März 2005 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 in Höhe von wöchentlich 293,79 EUR.
Durch eine Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg erfuhr die Beklagte, dass die Firma L. den Kläger zum 1. Januar 2005 "in Arbeit" gemeldet habe. Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2006 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. Januar bis 6. Februar 2005 auf und forderte die Erstattung des für diesen Zeitraum gezahlten Alg in Höhe von 1.554,84 EUR. Auf den Widerspruch des Klägers fragte die Beklagte beim Arbeitgeber wegen des Zeitpunkts der Arbeitsaufnahme nach und erfuhr hierdurch, dass der Kläger die Arbeit am 17. Dezember 2004 aufgenommen und ab 20. Dezember 2004 Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe; Lohn sei ab 17. Dezember 2004 wieder gezahlt worden. Die Beklagte nahm daraufhin den Bescheid vom 23. Mai 2006 zurück und sodann - nach neuerlicher Anhörung des Klägers - die Bewilligung von Alg ab 17. Dezember 2004 ganz zurück und forderte die Erstattung des in der Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 gezahlten Alg in Höhe von 2.184,39 EUR (Bescheid vom 17. August 2006).
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei am 17. Dezember 2004 bei der Arbeitgeberin erschienen, habe jedoch lediglich Urlaub beantragt, weshalb ihm nicht bewusst gewesen sei, dass sein Anspruch auf Alg entfallen sein könnte. Außerdem sei er nicht mehr bereichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13. November 2006 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger ergänzend geltend gemacht, er habe nicht grob fahrlässig gegen Mitteilungspflichten verstoßen und habe auch nicht wissen müssen oder können, dass für den in Rede stehenden Zeitraum sein Anspruch auf Alg entfallen sein könnte - auch deswegen, weil er seinem Arbeitsplatz weiterhin hätte fern bleiben können. In diesem Fall hätte die Beklagte das Alg weiter bezahlen müssen. Sein Urlaub wäre dann entweder verfallen oder in Geld abgegolten worden, ohne dass die Beklagte bei der letzten Alternative Gelegenheit gehabt hätte, auf eine eventuelle Zahlung Rückgriff zu nehmen. Bei Verfall der Urlaubsansprüche wäre er ohnehin nicht bereichert gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien auf der Grundlage von § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rechtmäßig. Die Bewilligung sei rechtswidrig gewesen, weil dem Kläger für den Zeitraum 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Alg zugestanden habe. Der Kläger sei ab 17. Dezember 2004 nicht mehr arbeitslos gewesen, denn er habe in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. An diesem Tag habe er nach einer langen Zeit der Arbeitsunfähigkeit, während der Beschäftigungslosigkeit bestanden habe, die Arbeit wieder aufgenommen und sich damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet. Das Beschäftigungsverhältnis habe im gesamten streitigen Zeitraum bestanden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger ab 20. Dezember 2004 Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe. Ein Beschäftigungsverhältnis werde durch die Inanspruchnahme von Urlaub oder Gleitzeit nicht unterbrochen. Sollte es im Streit befangenen Zeitraum an einer Beschäftigung gefehlt haben, wäre Alg dennoch nicht zu zahlen gewesen, weil ab 17. Dezember 2004 Lohn gezahlt worden sei und gemäß § 143 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) der Anspruch auf Alg während einer Zeit ruhe, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhalte oder zu beanspruchen habe. Auch darauf werde im Merkblatt für Arbeitslose hingewiesen. Wer solche Hinweise nicht beachte, handele in der Regel grob fahrlässig. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht im Stande gewesen sei, solche Hinweise zu verstehen. Selbst wenn er diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen haben sollte, habe er schwerlich davon ausgehen können, dass er gleichzeitig Arbeitsentgelt (bezahlter Urlaub) und Alg beanspruchen könne. Da die Bewilligung zu Recht zurückgenommen worden sei, habe der Kläger die erbrachten Leistungen zwingend zu erstatten.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 22. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16. März 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Ab dem 17. Dezember 2004 sei nicht etwa "normaler Lohn" gezahlt worden, sondern vielmehr Urlaub bzw. Gleitzeit gewährt worden. Diese Sondersituation sei nicht damit vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich arbeite und hierfür Gehalt erhalte. Einem juristischen Laien müsse es nicht klar sein, dass kein Anspruch auf Alg bestehe, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erfolge. Dies zumal auch deswegen, weil der Kläger ansonsten seinen Urlaub hätte verfallen lassen müssen, ohne dass dies der Beklagten zu Gute gekommen wäre. Hier liege eine Sondersituation vor, der Hinweis im Merkblatt sei nicht auf die vorliegende Konstellation zugeschnitten gewesen. Schließlich sei die Rücknahme der Bewilligung von Alg auch ermessenfehlerhaft. Der Kläger sei überschuldet und habe die ihm gezahlten Leistungen komplett verbraucht. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte dies auch nur ansatzweise berücksichtigt habe, zumal der Kläger mitgeteilt habe, er gehe "zum Arbeiten". Der Beklagten seien somit schon bei Leistungsbewilligung die relevanten Tatsachen bekannt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 9. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass kein Vertrauensschutz bestehe, der einen Verbleib des zu Unrecht erhaltenen Alg beim Kläger rechtfertige. Der Kläger habe den Antrag am 17. Februar 2005 eingereicht und hierbei unvollständige Angaben gemacht. Er hätte den Erhalt von Arbeitsentgelt bzw. Urlaubsgeld mitteilen müssen. Dem Kläger sei bei Antragstellung das Merkblatt ausgehändigt worden. Diesem habe er entnehmen können, dass er alle Änderungen mitzuteilen habe, die den Leistungsanspruch beeinflussen könnten. Er habe erkennen können, dass er nur im Fall der Beschäftigungslosigkeit einen Anspruch auf Alg habe und Arbeitgeberleistungen einem Leistungsbezug entgegen stünden. Ob er das Merkblatt trotz seiner Sprachprobleme verstanden habe, sei ohne Belang. Zum einen sei er verpflichtet, sich entsprechende Kenntnis zu verschaffen und das Merkblatt ggf. übersetzen zu lassen, zum anderen sei Allgemeingut, dass nicht gleichzeitig Arbeitslohn und Alg bezogen werden dürfe (unter Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. August 2007 - L 7 AL 1335/07 -). Unbeachtlich sei, dass es sich um bezahlten Urlaub gehandelt habe und der Kläger nicht tatsächlich gearbeitet habe. Die grobe Fahrlässigkeit des Klägers ergebe sich auch aus dem Bußgeldbescheid vom 20. August 2002. In diesem sei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen seien. Auch aus diesem Grund habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Bewilligung von Alg für denselben Zeitraum, für den er Arbeitsentgelt erhalten habe, nicht rechtmäßig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg für den Zeitraum 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 zurückgenommen und die Erstattung der überzahlten Leistungen gefordert. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Entscheidung der Beklagten ist mit Blick auf den hier maßgebenden Bewilligungsbescheid vom 1. März 2005 die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 3 SGB III. § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32). Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell-rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18).
Nach § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Weiter kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheides (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82 und Nr. 39 S. 127; Wiesner in von Wulffen u.a. SGB X, 5. Aufl., § 45 Rdnr. 23).
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des genannten Bescheides für die Zeit ab 17. Dezember 2004 sind gegeben. § 330 Abs. 2 SGB III schreibt die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zwingend vor (vgl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 13; SozR 3-4100 § 152 Nr. 8), so dass weder Raum für eine gesonderte Vertrauensschutzprüfung noch eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von Härtegesichtspunkten verbleibt.
Der Kläger hatte, wie das SG zutreffend erkannt hat, im streitigen Zeitraum ab 17. Dezember 2004 keinen Anspruch auf Gewährung von Alg, weil er nicht arbeitslos war. Nach § 117 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgebenden Fassung vom 24. März 1997 - BGBl. I S. 594) haben Anspruch auf Alg u.a. Arbeitnehmer, die arbeitslos sind. Arbeitslos ist nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III u.a., wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, also beschäftigungslos ist. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, steht ein Arbeitnehmer leistungsrechtlich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist oder der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer nicht mehr beansprucht. Der Kläger hat sich nach Auslaufen des Krankengeldes am 17. Dezember 2004 wieder bei seinem Arbeitgeber gemeldet. Er hat die Arbeit wieder aufgenommen und sich damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet. Insoweit bestand das Beschäftigungsverhältnis während des gesamten hier streitigen Zeitraumes fort, ohne dass die Inanspruchnahme bezahlten Urlaubs oder Gleitzeit hieran etwas zu ändern vermag. Im Übrigen hat der Kläger für den gesamten hier streitigen Zeitraum Lohn erhalten, so dass selbst wenn ein Anspruch auf Alg dem Grunde nach bestanden hätte, dieser nach § 143 Abs. 1 SGB IIII geruht hätte. Damit war der Bewilligungsbescheid (von Anfang an) rechtswidrig.
Gegenüber der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Entgegen seines Vortrags im Berufungsverfahren hat der Kläger nicht bereits bei Abgabe des Antrags am 17. Februar 2005 auf eine Arbeitsaufnahme ab 17. Dezember 2004 hingewiesen. Er hat vielmehr im Rahmen der Erklärung zur Arbeitssuchendmeldung nach § 37b SGB III ausgeführt, dass er inzwischen die Arbeit aufgenommen habe. Hierzu hat er die Veränderungsmitteilung vorgelegt über eine Aufnahme der Tätigkeit ab 7. Februar 2005. Auch bei einer persönlichen Vorsprache am 22. Februar 2005 hat der Kläger lediglich die Arbeitsaufnahme ab 7. Februar 2005 mitgeteilt. Insoweit ist dem Kläger eine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten gegenüber der Beklagten vorzuwerfen. Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger wusste oder diesbezüglich zumindest grob fahrlässig war, dass er im Hinblick auf den Bezug von Arbeitslohn für die Zeit vom 17. Dezember 2004 bis 6. Februar 2005 keinen Anspruch auf Alg für denselben Zeitraum hatte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt ist. Es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 43, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 54, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt und konnte er dies nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand erkennen, begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Ob der Kläger das Merkblatt für Arbeitslose 1 mit der erneuten Antragstellung am 17. Februar 2005 tatsächlich erhalten hat, ist unklar, da er insoweit den Erhalt nicht mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Auf die zutreffenden Hinweise im Merkblatt kann somit nicht abgehoben werden. Allerdings wurde gegen den Kläger im Jahr 2002 bereits eine Geldbuße festgesetzt, weil er die Arbeitsaufnahme nicht richtig mitgeteilt hatte. Gemeldet hatte er die (tatsächliche) Arbeitsaufnahme ab 3. September 2001, nicht jedoch, dass er bereits ab 1. September 2001 Arbeitslohn bezogen hatte. In dem Bußgeldbescheid vom 20. August 2002 werden die insoweit bestehenden Mitteilungspflichten nochmals darstellt. Der Vortrag im Berufungsverfahren, dass der Kläger diesen Bußgeldbescheid nie erhalten habe, stellt sich nach Überzeugung des Senats als reine Schutzbehauptung dar. Nicht nur liegt ein Zustellungsnachweis hinsichtlich des Bußgeldbescheids vor, auch wurde die Geldbuße kurz nach Zugang des Bescheides tatsächlich bezahlt. Aufgrund dieses Vorgangs, der über die bloße Rücknahme einer Bewilligung und Erstattung überzahlter Leistungen hinausgeht, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger Kenntnis von seinen Mitteilungspflichten hätte haben müssen und ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Darüber hinaus musste der Kläger wissen, dass er nicht gleichzeitig Arbeitslohn - auch vor dem Hintergrund bezahlten Urlaubs - und Alg in Anspruch nehmen konnte. Das Wissen darum, dass nicht im gleichen Zeitraum Arbeitslohn und Lohnersatzleistungen bezogen werden dürfen, kann als Allgemeingut angesehen werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1335/07 -).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Klägers, dass sein Urlaub verfallen wäre, wenn er diesen nicht in Anspruch genommen hätte und die Beklagte in diesem Fall auch hätte Alg leisten müssen. Abgesehen davon, dass schon die Prämisse fehlerhaft sein dürfte, dass der Urlaubsanspruch des Klägers verfallen wäre (vgl. zur Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - NZA 2009, 538), kann aus einer derartigen hypothetischen Betrachtung kein Recht des Klägers abgeleitet werden, das zu Unrecht bezogene Alg behalten zu dürfen. Auch im Falle einer Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hätte die Beklagte die Erstattung für den entsprechenden Zeitraum gezahlter Leistungen verlangen können (§ 143 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III).
Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Der Kläger ist daher nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im Streit befangenen Zeitraum überzahlten Leistungen zu erstatten. Der von der Beklagten errechnete Rückforderungsbetrag ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden; diesen Betrag hat der Kläger zu erstatten. Über die Modalitäten der Rückzahlung ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 S. 84).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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