Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 5868/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1298/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Nachzahlung von großer Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000.
Die am 1949 geborene Klägerin beantragte am 28. Januar 1991 bei der Beklagten Witwenrente aus der Versicherung ihres am 18. Dezember 1990 verstorbenen Ehemannes. In dem Antrag gab sie an, sie sei als Geschäftsführerin der Autohaus F. GmbH tätig und beziehe Erwerbseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen. Mit Bescheid vom 15. März 1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin zunächst (große) Witwenrente ab dem 18. Dezember 1990 in Höhe von monatlich DM 510,60 für die Zeit vom 18. Dezember 1990 bis 17. März 1991 sowie DM 306,30 ab 18. März 1991. Mit Bescheid vom 02. August 1991 berechnete die Beklagte ab dem 01. Mai 1991 die (nunmehr kleine) Witwenrente der Klägerin neu. Der monatliche Zahlbetrag betrug ab 01. Mai 1991 DM 204,20 und ab 01. Juli 1991 DM 213,80. Ausweislich des Rentenbescheids wurde Einkommen der Klägerin nicht auf diese Rente angerechnet. Nachdem die Autohaus F. GmbH am 17. September 1991 eine Entgeltbescheinigung vorgelegt hatte, nach der die Klägerin im Jahre 1990 brutto DM 16.560,00 verdient hatte, teilte die Beklagte unter dem 01. Dezember 1991 mit, die laufende Rente betrage ab 01. Januar 1992 - weiterhin - DM 213,80 monatlich, weil das berücksichtigte monatliche Einkommen von DM 897,00 den Freibetrag von DM 1.093,92 nicht übersteige. Am 02. September 1992 teilte die Autohaus F. GmbH der Beklagten das Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin des Jahres 1991 mit DM 36.000,00 und des ersten Halbjahrs 1992 mit DM 18.000,00 mit. Unter dem 13. Oktober 1993 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 01. Juli 1992 neu. Der Zahlbetrag ab dem 01. Dezember 1993 betrug unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens monatlich DM 74,45. Der Neuberechnung legte die Beklagte ein Einkommen der Klägerin aus dem Jahre 1991 in Höhe von DM 36.000,00 zugrunde, woraus sich ein monatliches Einkommen von DM 1.950,00 (DM 36.000,00 abzüglich 35 v.H. ÷ 12) und ein anzurechnendes Einkommen ergab. Mit Bescheid vom 18. Februar 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. Februar 1994 - erneut - große Witwenrente, nunmehr mit einem monatlichen Zahlbetrag unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens von DM 143,08. Auch der Berechnung der Rente in diesem Bescheid legte die Beklagte ausgehend von einem Einkommen von jährlich DM 36.000,00 bzw. monatlich DM 3.000,00 ein Einkommen der Klägerin von DM 1.950,00 zugrunde. In der Entgeltmitteilung vom 20. Juni 1994 teilte die Autohaus F. GmbH der Beklagten mit, die Klägerin habe 1993 monatlich brutto DM 3.500,00 verdient. Unter dem 27. Juni 1994 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 01. Juli 1994 neu mit einem Zahlbetrag unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens von monatlich DM 70,29. In der Mitteilung wies sie darauf hin, dass die Rente wegen Zusammentreffens mit anderen Ansprüchen nur teilweise zu leisten sei, und forderte die Klägerin - wie auch in den vorangegangenen Bescheiden - auf, sie - die Beklagte - zu informieren, wenn sich die anderen Leistungen minderten oder wegfielen. Aus der Anlage 8 zu dieser Mitteilung ist ersichtlich, dass die Beklagte nunmehr ausgehend von einem jährlichen Bruttoentgelt der Klägerin von DM 42.000,00 ein monatliches Einkommen von DM 2.275,00 (DM 42.000,00 abzüglich 35 v.H. ÷ 12) zugrunde legte und von dem Einkommensteil, der den Freibetrag von monatlich DM 1.214,40 überstieg, 30 v.H., nämlich DM 318,18, auf den Rentenanspruch der Klägerin anrechnete.
Unter dem 17. November 1994 - abgesandt am 28. November 1994 - teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Rente wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht mehr zu zahlen sei. Aus Anlage 8 zu dieser Mitteilung ist ersichtlich, dass die Beklagte nach wie vor ein monatliches Einkommen der Klägerin von DM 2.275,00 zu Grunde legte, aber nunmehr von dem Einkommensanteil, der den Freibetrag von DM 1.214,40 (26,4-fache des aktuellen Rentenwerts von DM 46,00) überstieg, 40 v.H. anrechnete. Die Beklagte führte aus, das anzurechnende Einkommen sei neu zu ermitteln, weil sich der maßgebliche Vomhundertsatz geändert habe. Das anzurechnende Einkommen liege nunmehr bei DM 424,24 monatlich. Der Rentenanspruch der Klägerin betrage DM 388,47. Die Zahlung der Rente werde ab dem 01. Januar 1995 eingestellt. Ferner wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, sie - die Klägerin - sei nach wie vor verpflichtet, ihr - der Beklagten - das Hinzutreten oder die Veränderung bestimmter Leistungen mitzuteilen. Ebenso wiederholte sie die Aufforderung aus der vorherigen Mitteilung, sie zu informieren, wenn die anderen - angerechneten - Leistungen sich minderten oder wegfielen. Die Mitteilung vom 17. November 1994 enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Beklagte zahlte der Klägerin bis 31. Dezember 1994 monatlich DM 70,29.
Die AOK Baden-Württemberg beendete die freiwillige Versicherung der Klägerin zum 31. August 1994 und sah die Klägerin ab 01. September 1994 auf Grund der Witwenrente als pflichtversichertes Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner an (Schreiben vom 08. April 1998). Auf Anfrage der AOK Baden-Württemberg teilte die Beklagte am 25. Mai 1998 mit, die Rente der Klägerin sei wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zu zahlen.
Am 07. April 2005 rief die Klägerin bei der Beklagten an und teilte mit, sie beziehe eine "Nullrente", habe jedoch kein Gewerbe mehr und lebe lediglich von Erträgen aus Vermietung und Verpachtung. Sie bat um Mitteilung der Freibetragshöhen. Bei einem Rückruf am 08. April 2005 gab die Klägerin an, sie habe ihr Geschäft bereits 1994 verpachtet und seitdem kein Einkommen mehr. Die Beklagte sei - damals - über die Aufgabe der Beschäftigung informiert worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Bürgermeisteramt Schönaich mit Schreiben vom 27. April 2005 mit, die Klägerin habe ihr Gewerbe zum 31. August 1994 durch Verpachtung aufgegeben, seitdem kein Erwerbs- oder dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen bezogen und ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch Vermietung und Verpachtung bestritten. Beigefügt war eine Kopie der Gewerbeabmeldung vom 31. August 1994, nach der die Klägerin den "An- und Verkauf und die Reparatur von Kraftfahrzeugen durch die Autohaus F. GmbH" zum 31. August 1994 aus Gesundheitsgründen aufgegeben und an einen Nachfolger verpachtet habe.
Mit Bescheid vom 03. Mai 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert, die Rente sei daher neu berechnet worden, für die Zeit ab dem 01. Juni 2005 würden monatlich laufend EUR 220,67 gezahlt und für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Mai 2005 betrage die Nachzahlung EUR 11.520,00. Die Witwenrente der Klägerin sei nach Wegfall des anrechnungspflichtigen Einkommens neu festgestellt worden, der Bescheid vom 17. November 1994 werde gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 (gemeint: des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB X -) zurückgenommen. Jedoch würden Sozialleistungen gemäß § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 (SGB X) längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Die Leistung könne daher erst ab dem 01. Januar 2001 gezahlt werden. Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aus ihrer Rente seien ab dem 01. April 2004 Beiträge zur Pflegeversicherung einzubehalten, außerdem hätten sich die Berechnungsgrundlagen (Einbehaltung des Beitragsanteils und des zusätzlichen Beitrags zur Krankenversicherung) geändert. Für die Zeit ab dem 01. Juli 2005 würden monatlich laufend EUR 199,49 gezahlt. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden für die Zeit ab 01. Januar 2001 abgeführt. Für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2005 ergebe sich eine Überzahlung von EUR 966,36, die die Klägerin zu erstatten habe.
Bereits mit Schreiben vom 23. Mai 2005 hatte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 eingelegt. Sie führte aus, sie habe ihr Gewerbe bereits zum 01. September 1994 abgemeldet. Das "Schreiben" der Beklagten vom 17. November 1994 habe trotz der Gewerbeabmeldung ein Einkommen zu Grunde gelegt, obwohl Einkommen aus Vermietung und Verpachtung nicht habe angerechnet werden können. Die Klägerin bat die Beklagte zu prüfen, ob die Hinterbliebenenrente nicht erst vom 01. Januar 2001, sondern bereits vom 01. Januar 1995 an nachbezahlt werden könne. Sie stehe ihr - der Klägerin - zu und den Fehler habe nicht sie gemacht. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den "Bescheid vom 03. Mai 2005" zurück. Es wurde ausgeführt, der Bescheid vom 17. November 1994 über die Einstellung der Rentenzahlungen sei mit dem Bescheid vom 03. Mai 2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X aufgehoben worden. Gemäß § 48 Abs. 4 SGB X gelte § 44 Abs. 4 SGB X entsprechend. Hiernach würden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Verwaltungsakts erbracht. Bei dieser gesetzlichen Ausschlussfrist spiele es keine Rolle, ob die Klägerin die ab 1995 wegen Einkommensanrechnung erfolgte Zahlungseinstellung der Witwenrente zu vertreten habe. Auch sei es unerheblich, ob die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sei, Veränderungen des Arbeitsentgelts unverzüglich mitzuteilen.
Am 13. September 2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie begehrte, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005 zur Zahlung von Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 zu verurteilen. Sie meinte, § 44 Abs. 4 SGB X sei hier nicht anzuwenden. Ein Verwaltungsakt müsse nicht zurückgenommen werden, weil es einen rechtskräftigen Bescheid über den Wegfall der Rente ab 17. November 1994 nicht gebe. Der Bescheid vom 17. November 1994 habe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, sodass sie mit ihrem Widerspruch vom 23. Mai 2005 gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 auch noch Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 1994 habe einlegen können. Auch lasse er nicht erkennen, dass überhaupt eine Regelung habe vorgenommen werden sollen. Sie habe davon ausgehen können, dass es sich nur um ein Informationsschreiben handle. Falls es doch ein Bescheid sein sollte, sei er nichtig. Weiterhin trug die Klägerin vor, sie selbst habe der Beklagten niemals mitgeteilt, anrechnungsfähiges Einkommen zu haben, dies habe die Beklagte von sich aus fehlerhaft angenommen. Da die Beklagte bei ihr - der Klägerin - nicht zurückgefragt habe, liege auf deren Seite ein schweres Verschulden in der fehlerhaften Sachbehandlung vor, wofür sie ihr - der Klägerin - zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der ihr - der Klägerin - entstandene Schaden sei mit der pflichtgemäß ab 17. November 1994 nachzuzahlenden Rente identisch. Eine Begrenzung materiell geschuldeter Nachzahlungen auf vier Jahre zurück sei jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Verschulden des Leistungsträgers vorliege, verfassungswidrig.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie meinte, bei dem Bescheid vom 17. November 1994 habe es sich eindeutig um einen Verwaltungsakt gehandelt. Eine fehlerhafte oder fehlende Rechtsbehelfsbelehrung habe keine Auswirkungen auf die getroffenen Feststellungen, sondern lediglich auf die Dauer der Rechtsbehelfsfrist. Jener Bescheid sei nach Ablauf eines Jahres rechtskräftig geworden. Er sei sodann mit Bescheid vom 03. Mai 2005 rückwirkend gemäß § 48 SGB X aufgehoben und die Witwenrentenzahlung ab Juni 2005 laufend wiederaufgenommen sowie in Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X die Rente für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Mai 2005 nachgezahlt worden. Diese Vorschriften seien korrekt angewandt worden. Die Leistungsbegrenzung auf vier Jahre sei zwingend. Sie habe keinen Ermessensspielraum. Auf ein etwaiges Verschulden auf ihrer Seite komme es nicht an. Die Klägerin hätte diesen Folgen aus dem Wege gehen können, wenn sie den in den insgesamt sechs Bescheiden vom 02. August 1991 bis zum 17. November 1994 aufgetragenen Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre. Selbst wenn ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben wäre, von dem sie nicht ausgehe, käme es ebenso zu einer Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X. Eine eventuelle Schadensersatzforderung wäre im Rahmen des Zivilrechts einzuklagen.
Das SG holte bei der AOK Baden-Württemberg die Auskunft vom 16. Februar 2007 ein, wonach die Klägerin dort seit dem 01. September 1994 als Rentnerin versichert sei und nach den dortigen Unterlagen nur eine Hinterbliebenenrente beziehe.
Mit Urteil vom 12. Dezember 2007 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, bei dem Schreiben vom 17. November 1994 habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Dass ihm keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei, hindere die Verwaltungsaktqualität nicht, sondern wirke sich lediglich auf die Dauer der Rechtsmittelfrist aus, die sich auf ein Jahr verlängert habe. Im Unterschied zu einem unverbindlichen Informationsschreiben sei in dem Bescheid vom 17. November 1994 die konkrete Leistungseinstellung ab dem 01. Januar 1995 verfügt worden. Zwar habe bei Erlass dieses Bescheids zum einen kein anzurechnendes Einkommen vorgelegen und zum anderen seien auch die vorangegangenen Bescheide wie jener vom 27. Juni 1994 nicht aufgehoben worden. Dies habe jedoch lediglich zur Rechtswidrigkeit des Bescheids geführt, der in der Folge in Bestandskraft erwachsen sei. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit lägen nicht vor. Die Beklagte habe den Bescheid vom 17. November 1994 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten der Klägerin vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an, also rückwirkend zum 01. Januar 1995, aufgehoben. Jedoch sei eine Rentennachzahlung nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X nur rückwirkend für maximal vier Jahre möglich. Bei dieser Regelung handele es sich um eine Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten sei. Die Frage, ob schuldhaftes Handeln vorliege, hindere die Anwendbarkeit dieser Regelung im Rahmen der Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts nicht. Auch habe das Bundessozialgericht (BSG) die Verfassungsmäßigkeit des § 44 Abs. 4 SGB X wiederholt bestätigt (Verweis auf BSG SozR 1300 § 44 Nr. 13 S. 22). Auch aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf Rentennachzahlung für den strittigen Zeitraum. Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen dieses Anspruchs gegeben seien, sei § 44 Abs. 4 SGB X nach der Rechtsprechung des BSG auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch anwendbar (Verweis auf BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 13 R 58/06 R). Soweit die Klägerin ihr Begehren auf einen Schadensersatzanspruch stütze, sei darauf hinzuweisen, dass auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch lediglich auf Naturalrestitution gerichtet sei, während eine eventuelle Schadensersatzforderung vor dem zuständigen Zivilgericht einzuklagen sei.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Bevollmächtigten am 18. Februar 2008 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 14. März 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie meint, das Schreiben vom 17. November 1994 habe keinen Verwaltungsakt, sondern nur eine Rentenanpassungsmitteilung dargestellt, weil es im Gegensatz zu den früheren Bescheiden nicht deutlich mit "Rentenbescheid" überschrieben gewesen sei und keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Auch sei das Schreiben entgegen § 33 SGB X von der Ausstellungsbehörde nicht unterschrieben worden. Es habe sich um eine Rentenanpassungsmitteilung gehandelt, die bei Nachweis ihrer ganzen oder teilweisen Unrichtigkeit jederzeit geändert werden könne. Dass das Schreiben keinen Verwaltungsakt dargestellt habe, folge auch daraus, dass sie - die Klägerin - vor Erlass nicht nach § 24 SGB X angehört worden sei. Weiterhin habe sie zu der unrichtigen Mitteilung der Beklagten nichts beigetragen. Die Beklagte habe in der Anlage 1 zu dem Schreiben vom 17. November 1994 auch nicht auf veränderte Einkommensarten hingewiesen, sondern nur darauf, dass sich der Vomhundertsatz für die Anrechnung auf 40 geändert habe. Weiterhin trägt die Klägerin vor, dass § 44 Abs. 4 SGB X jedenfalls dann verfassungswidrig sei, wenn - wie hier - dem Rentenversicherer ein grobes Verschulden zur Last falle. Selbst dann, wenn eine Verjährungs- oder Ausschlussfrist gälte, könne sich die Beklagte hierauf nicht berufen, weil dies in gröblichster und sittenwidrigster Weise gegen Treu und Glauben verstoße.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 große Witwenrente ohne Anrechnung von Einkommen mindestens in Höhe von EUR 6.035,70 nachzuzahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Da die Klägerin aus dem angegriffenen Urteil des SG um mehr als EUR 500,00 beschwert ist, war die Berufung auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier noch maßgeblich ist, weil die Berufung vor dem 01. April 2008 eingelegt worden ist, zulassungsbedürftig.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist der weitere Bescheid vom 31. Mai 2005. In diesem Bescheid regelte die Beklagte allein den Einbehalt der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber die Zahlung der Witwenrente vor dem 01. Januar 2001. Demgemäß war der Bescheid vom 31. Mai 2005 auch nicht nach § 86 SGG in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen worden, entsprechend hat die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 auch nicht über diesen Bescheid entschieden.
2. Das Begehren der Klägerin geht dahin, dass ihr die große Witwenrente ebenso wie für die Zeit ab dem 01. Januar 2001 auch für den davor liegenden Zeitraum vom 17. November 1994 bis 31. Dezember 2000 ohne Anrechnung von Einkommen gezahlt wird. Dass die Klägerin in dem in der Berufungsschrift vom 04. April 2008 formulierten Antrag zusätzlich den Nachzahlungsbetrag mit EUR 6.035,70 bezifferte, änderte an dem von der Klägerin "Gewollten" (§ 123 SGG) nichts. Sie versuchte lediglich den ihrer Auffassung nach sich ergebenden Nachzahlungsbetrag zu beziffern.
3. Die Klägerin kann ihr Begehren auf Nachzahlung der Witwenrente von 17. November 1994 bis 31. Dezember 2000 nicht auf den die große Witwenrente bewilligenden Bescheid vom 18. Februar 1994, geändert durch den Bescheid vom 27. Juni 1994, stützen. Abgesehen davon, dass die Beklagte auch in dem genannten Bescheid Einkommen der Klägerin auf ihren Rentenanspruch angerechnet hatte und daher nur einen Teil des grundsätzlichen Rentenanspruchs bewilligt hatte, die Klägerin nunmehr aber für den gesamten Zeitraum Rentennachzahlung ohne jede Einkommensanrechnung verlangt, hat die Beklagte den genannten Bescheid später wieder aufgehoben, und zwar durch den Bescheid vom 17. November 1994 als actus contrarius:
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob einer behördlichen Willenserklärung eine rechtliche Außenwirkung bzw. ein Regelungscharakter zukommt, ist entsprechend den allgemeinen Vorschriften über die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen in §§ 133, 154 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vom Horizont eines objektiven, durchschnittlichen Empfängers zu ermitteln. Wie eine behördliche Willenserklärung überschrieben ist, ist unerheblich. Auch das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung ändert den Charakter eines Verwaltungsaktes nicht, dies hat nur Einfluss auf die Dauer der Rechtsbehelfsfrist (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sofern eine notwendige Anhörung vor Erlass des Bescheids (§ 24 SGB X) unterblieben ist, kann dies zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führen, ändert jedoch seinen Charakter ebenfalls nicht.
Die Anforderungen des § 31 SGB X erfüllt die Mitteilung vom 17. November 1994. Aus ihr geht ausreichend deutlich hervor, dass eine rechtlich relevante Regelung getroffen werden sollte, nämlich dass die laufenden Zahlungen aus dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ab 01. Januar 1995 eingestellt wurden. Ob diese Mitteilung eine "Rentenanpassungsmitteilung" im üblichen Sinne darstellt, also die Mitteilung über die Erhöhung des Rentenzahlbetrags auf Grund einer Veränderung des aktuellen Rentenwerts, kann hier offen bleiben. Selbst wenn es nur als solche "Rentenanpassungsmitteilung" zu qualifizieren wäre, wäre sie als Bescheid zu werten. Auch allgemeine Rentenanpassungsmitteilungen stellen Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X dar, weil insoweit die Höhe des Zahlungsanspruchs (neu) geregelt wird (vgl. BSG SozR 4-2600 § 65 Nr. 2; BSG, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13).
b) Mit dem Bescheid vom 17. November 1994 hob die Beklagte auch den zuletzt an die Klägerin ergangenen Rentenbescheid vom 18. Februar 1994 in der Fassung des Bescheids vom 27. Juni 1994 insoweit auf, als dass nunmehr kein Zahlungsanspruch mehr bewilligt wurde. Aus dem Bescheid vom 17. November 1994 geht deutlich hervor, dass die Rentenzahlungen an die Klägerin für die Zukunft auf Dauer wegen übersteigenden Einkommens eingestellt wurden. Dies ist der Regelungsgehalt des Bescheids.
c) Der Bescheid vom 17. November 1994 ist nicht nichtig. Weder liegt einer der in § 40 Abs. 2 SGB X genannten Nichtigkeitsgründe vor noch sind die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB X gegeben. Dass der Bescheid vom 17. November 1994 rechtswidrig ist, weil zu Unrecht Einkommen auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet wurde, führt nicht zugleich zur Nichtigkeit.
4. Die Klägerin kann auch den Bescheid vom 17. November 1994 nicht mehr erfolgreich anfechten, weil er bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG), um dann gegebenenfalls mit einer isolierten Leistungsklage aus den zuvor erlassenen Rentenbescheiden, zuletzt der Bewilligung vom 18. Februar 1994 in der Fassung des Bescheids vom 27. Juni 1994, Zahlung der Witwenrente zu verlangen.
Zum einen hat die Klägerin in diesem Prozess keinen Anfechtungsantrag gegen den Bescheid vom 17. November 1994 gestellt. Sie hatte zwar in der Klagebegründung vom 02. Mai 2006 ausgeführt, ihr Widerspruch vom 23. Mai 2005 gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 sei dahin auszulegen gewesen, dass er sich auch und insbesondere gegen den Bescheid vom 17. November 1994 gerichtet habe. Sie hat diesen Vortrag in der Berufungsinstanz jedoch nicht aufrechterhalten und auch keinen entsprechenden Antrag gestellt. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der Widerspruch der Klägerin vom 23. Mai 2005 tatsächlich so auszulegen war, dass er sich auch gegen den Bescheid vom 17. November 1994 richtete, und ob die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 - zumindest konkludent - auch über den Bescheid vom 17. November 1994 entschieden hat, also auch insoweit das nach § 78 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt hat.
Zum anderen wäre ein Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. November 1994 unzulässig. Mit einem am 23. Mai 2005 erhobenen Widerspruch konnte die Klägerin die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 17. November 1994 nicht mehr wahren. Es trifft zwar zu, dass der Bescheid vom 17. November 1994 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hatte, dies bedeutet jedoch lediglich, dass sich gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Widerspruchsfrist auf ein Jahr ab Bekanntgabe jenes Bescheids verlängert hat. Die Klägerin hat nicht bestritten, den Bescheid vom 17. November 1994 zeitnah erhalten zu haben. Es greift daher die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein, wonach ein Bescheid mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt. Der Bescheid vom 17. November 1994 enthält einen unterschriebenen Abgangsvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten vom 28. November 1994. Der Bescheid gilt daher als am 01. Dezember 1994 zugegangen. Die einjährige Widerspruchsfrist gegen ihn ist mithin am 01. Dezember 1995 abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung der Klägerin in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gemäß § 67 Abs. 1 SGB X sind weder vorgetragen noch ersichtlich,
5. Wie das SG in dem angegriffenen Urteil zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin eine Rentennachzahlung für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 aus ihrem materiellen Witwenrentenanspruch nicht verlangen. Ihr stand zwar auch in der genannten Zeit der Anspruch ungeschmälert zu, da sie nach Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994 nicht mehr über anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 2.275,00 monatlich verfügte. Auch nahm die Beklagte zu Recht den Bescheid vom 17. November 1994 von Beginn an zurück, konnte jedoch gleichzeitig die Zahlung der Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 verweigern.
a) Grundlage für die Rücknahme des Bescheids vom 17. November 1994 war allerdings nicht, wie es die Beklagte und das SG angenommen hatten, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Diese Vorschrift greift ein, wenn sich nach Erlass eines Bescheids mit Dauerwirkung die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben und daher eine Aufhebung zugunsten des Adressaten notwendig würde. Die Klägerin verfügte jedoch - zwischen den Beteiligten unstreitig - bereits seit der Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994, mithin auch am 17. November 1994 nicht (mehr) über Einkommen, das auf ihren Witwenrentenanspruch anzurechnen gewesen wäre. Der Bescheid vom 17. November 1994 war daher von Anfang an rechtswidrig und ist dies nicht durch eine spätere Änderung der Verhältnisse geworden.
Grundlage für die Rücknahme des Bescheids ist vielmehr § 44 Abs. 1 SGB X. Hier ist § 44 Abs. 1 SGB X einschlägig, weil die Klägerin im Nachgang zu der Aufhebung der damaligen Bescheide die Erbringung von Sozialleistungen begehrt. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bescheid vom 17. November 1994 war, wie ausgeführt, von Anfang an rechtswidrig. Der Bescheid ging von dem unrichtigen Sachverhalt aus, dass die Klägerin nach wie vor über anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 2.275,00 monatlich verfügte. Dies war seit der Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994 nicht mehr der Fall. Aufgrund dieses fehlerhaften Bescheids wurden der Klägerin Sozialleistungen zu Unrecht nicht ausgezahlt.
b) Nach der Rücknahme des Bescheids vom 17. November 1994 von seinem Erlass an musste die Beklagte jedoch die Witwenrente der Klägerin lediglich ab dem 01. Januar 2001 nachzahlen.
aa) Für die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen nach der Aufhebung eines Bescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X enthält § 44 Abs. 4 SGB X eine zeitliche Beschränkung: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Die Klägerin hatte sich am 07. April 2005 telefonisch bei der Beklagten gemeldet. Dies war ihr erster Kontakt zur Beklagten nach Erlass des Bescheids vom 17. November 1994. Die Beklagte hatte diesen Anruf zu Recht als Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheids vom 17. November 1994 aufgefasst. Nachdem sie diesem Antrag stattgegeben hatte, musste sie der Klägerin die Witwenrente für den bereits abgelaufenen Zeitraum des Jahres 2005 und die vier vorangegangenen Kalenderjahre, mithin zurück bis zum 01. Januar 2001, nachzahlen.
bb) § 44 Abs. 4 enthält keine Ausnahmevorschriften. Die Norm schließt eine rückwirkende Gewährung von Sozialleistungen für einen Zeitraum früher als vier Jahre vor Rücknahme des rechtswidrigen Bescheids bzw. Stellung des Überprüfungsantrags durchgängig aus. Angesichts der besonderen Ausgestaltung des § 44 Abs. 4 SGB X, der eine Ausschluss- und keine Verjährungsfrist begründet (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 28), kann der Gläubiger des Nachzahlungsanspruchs auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Frist könne nach dem - auch im öffentlichen Recht geltenden - Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht eingreifen. Der Gesetzgeber hat die Interessen des Versicherten an einer rückwirkenden Leistungsgewährung bereits mit der Vier-Jahres-Frist in der Norm selbst ausreichend berücksichtigt. Er hat sich hierbei auf die Erwägung gestützt, dass Sozialleistungen wegen ihres Unterhaltscharakters nicht für längere Zeiträume nachzuzahlen sein sollten (Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 8/2034, S. 34). Anders als eine Verjährung hängt § 44 Abs. 4 SGB X nicht davon ab, dass sich der Leistungsträger als Schuldner auf den Fristablauf beruft.
cc) Selbst wenn im Bereich des § 44 Abs. 4 SGB X über den Normtext hinaus Ausnahmen wegen eines überwiegenden Verschuldens des Leistungsträgers, wie es hier die Klägerin geltend macht, möglich wären, lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Am Erlass des fehlerhaften Bescheids vom 17. November 1994 trifft die Beklagte kein Verschulden. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Klägerin weiterhin monatlich EUR 2.275,00 in ihrem Unternehmen verdiente. Die Autohaus F. GmbH hatte kurz zuvor, unter dem 20. Juni 1994, die Entgeltbescheinigung für 1993 vorgelegt. Bei Erlass des Bescheids vom 17. November 1994 konnte eine neue Jahresbescheinigung noch gar nicht vorliegen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, bei der Klägerin oder der Autohaus F. GmbH nach einer aktuellen Entgeltbescheinigung nachzufragen, nachdem die letzte vorliegende Bescheinigung nur fünf Monate alt war. Die Klägerin bezog eine einkommensabhängige Witwenrente. Es oblag daher allein ihr, unaufgefordert Veränderungen bei den Voraussetzungen ihres Rentenanspruchs der Beklagten mitzuteilen. Insbesondere musste sie Änderungen in der Höhe ihres zusätzlich bezogenen Einkommens, insbesondere Erwerbseinkommens, der Beklagten mitteilen. Diese Obliegenheiten folgten aus § 60 Abs. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Die Klägerin war über ihre Mitteilungsobliegenheiten auch ausreichend aus den zuvor erhaltenen Rentenbescheiden unterrichtet worden. Auch für die Zeit nach Erlass des Bescheids vom 17. November 1994 wäre ein Verschulden der Beklagten nicht ersichtlich. Ein Rentenversicherungsträger ist nicht verpflichtet, regelmäßig bei seinen Versicherten nachzufragen, ob sich die für die Rentengewährung relevanten Verhältnisse geändert haben. Es oblag vielmehr weiterhin allein der Klägerin, Veränderungen in ihren Einkommensverhältnissen mitzuteilen. Wenn die Klägerin trotz der Einstellung der Rentenzahlung der Beklagten über zehn Jahre lang nicht mitteilte, kein Einkommen mehr zu beziehen, dann trifft das alleinige Verschulden sie.
dd) § 44 Abs. 4 SGB X ist auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt es nicht gegen die Grundrechte der Versicherten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die Vorschrift eine etwaige Nachzahlung von Sozialleistungen strikt auf die vier Jahre vor Rücknahme des rechtswidrigen Bescheids oder Stellung des Überprüfungsantrags beschränkt und keine Ausnahmen hiervon zulässt (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23; zur Frage des Vertrauensschutzes bei der Einführung von § 44 SGB X vgl. auch BSG, Großer Senat, SozR 1300 § 44 Nr. 3). Ähnlich wie im Verjährungsrecht ist es statthaft, wenn der Gesetzgeber nach Ablauf gewisser Zeiten dem Rechtsfrieden Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit gibt und die Bestandskraft früherer Bescheide in ihren Auswirkungen unberührt lässt.
c) Im Übrigen führte es auch zu keinem anderen Ergebnis, wenn man dem Vortrag der Klägerin folgte, der Bescheid vom 17. November 1994 habe keinen Verwaltungsakt dargestellt. Wenn ein Sozialleistungsträger eine laufende Zahlung ohne förmlichen Bescheid zu Unrecht einstellt, greift zwar nicht § 44 Abs. 4 SGB X ein, wohl aber die allgemeinen Verjährungsvorschriften. Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren jedoch nach § 45 Abs. 1 SGB I - ebenfalls - in vier Jahren ab dem Ende des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Gegen die Verjährungseinrede eines Sozialleistungsträgers kann der Gläubiger des Leistungsanspruchs zwar grundsätzlich den Einwand der Treuwidrigkeit erheben. Die Klägerin jedoch hätte damit keinen Erfolg, da wie ausgeführt - die Beklagte kein Verschulden an der Einstellung der Rentenzahlungen zum 31. Dezember 1994 trifft.
5. Letztlich kann die Klägerin auch aus den Erwägungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs heraus keine weitergehende Nachzahlung verlangen. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des BSG die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entsprechend anwendbar (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9). Außerdem trifft die Beklagte kein Verschulden an der Einstellung der Rentenzahlungen zum 31. Dezember 1994, sodass auch die materiellen Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorliegen.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Nachzahlung von großer Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000.
Die am 1949 geborene Klägerin beantragte am 28. Januar 1991 bei der Beklagten Witwenrente aus der Versicherung ihres am 18. Dezember 1990 verstorbenen Ehemannes. In dem Antrag gab sie an, sie sei als Geschäftsführerin der Autohaus F. GmbH tätig und beziehe Erwerbseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen. Mit Bescheid vom 15. März 1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin zunächst (große) Witwenrente ab dem 18. Dezember 1990 in Höhe von monatlich DM 510,60 für die Zeit vom 18. Dezember 1990 bis 17. März 1991 sowie DM 306,30 ab 18. März 1991. Mit Bescheid vom 02. August 1991 berechnete die Beklagte ab dem 01. Mai 1991 die (nunmehr kleine) Witwenrente der Klägerin neu. Der monatliche Zahlbetrag betrug ab 01. Mai 1991 DM 204,20 und ab 01. Juli 1991 DM 213,80. Ausweislich des Rentenbescheids wurde Einkommen der Klägerin nicht auf diese Rente angerechnet. Nachdem die Autohaus F. GmbH am 17. September 1991 eine Entgeltbescheinigung vorgelegt hatte, nach der die Klägerin im Jahre 1990 brutto DM 16.560,00 verdient hatte, teilte die Beklagte unter dem 01. Dezember 1991 mit, die laufende Rente betrage ab 01. Januar 1992 - weiterhin - DM 213,80 monatlich, weil das berücksichtigte monatliche Einkommen von DM 897,00 den Freibetrag von DM 1.093,92 nicht übersteige. Am 02. September 1992 teilte die Autohaus F. GmbH der Beklagten das Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin des Jahres 1991 mit DM 36.000,00 und des ersten Halbjahrs 1992 mit DM 18.000,00 mit. Unter dem 13. Oktober 1993 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 01. Juli 1992 neu. Der Zahlbetrag ab dem 01. Dezember 1993 betrug unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens monatlich DM 74,45. Der Neuberechnung legte die Beklagte ein Einkommen der Klägerin aus dem Jahre 1991 in Höhe von DM 36.000,00 zugrunde, woraus sich ein monatliches Einkommen von DM 1.950,00 (DM 36.000,00 abzüglich 35 v.H. ÷ 12) und ein anzurechnendes Einkommen ergab. Mit Bescheid vom 18. Februar 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01. Februar 1994 - erneut - große Witwenrente, nunmehr mit einem monatlichen Zahlbetrag unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens von DM 143,08. Auch der Berechnung der Rente in diesem Bescheid legte die Beklagte ausgehend von einem Einkommen von jährlich DM 36.000,00 bzw. monatlich DM 3.000,00 ein Einkommen der Klägerin von DM 1.950,00 zugrunde. In der Entgeltmitteilung vom 20. Juni 1994 teilte die Autohaus F. GmbH der Beklagten mit, die Klägerin habe 1993 monatlich brutto DM 3.500,00 verdient. Unter dem 27. Juni 1994 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem 01. Juli 1994 neu mit einem Zahlbetrag unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens von monatlich DM 70,29. In der Mitteilung wies sie darauf hin, dass die Rente wegen Zusammentreffens mit anderen Ansprüchen nur teilweise zu leisten sei, und forderte die Klägerin - wie auch in den vorangegangenen Bescheiden - auf, sie - die Beklagte - zu informieren, wenn sich die anderen Leistungen minderten oder wegfielen. Aus der Anlage 8 zu dieser Mitteilung ist ersichtlich, dass die Beklagte nunmehr ausgehend von einem jährlichen Bruttoentgelt der Klägerin von DM 42.000,00 ein monatliches Einkommen von DM 2.275,00 (DM 42.000,00 abzüglich 35 v.H. ÷ 12) zugrunde legte und von dem Einkommensteil, der den Freibetrag von monatlich DM 1.214,40 überstieg, 30 v.H., nämlich DM 318,18, auf den Rentenanspruch der Klägerin anrechnete.
Unter dem 17. November 1994 - abgesandt am 28. November 1994 - teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Rente wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht mehr zu zahlen sei. Aus Anlage 8 zu dieser Mitteilung ist ersichtlich, dass die Beklagte nach wie vor ein monatliches Einkommen der Klägerin von DM 2.275,00 zu Grunde legte, aber nunmehr von dem Einkommensanteil, der den Freibetrag von DM 1.214,40 (26,4-fache des aktuellen Rentenwerts von DM 46,00) überstieg, 40 v.H. anrechnete. Die Beklagte führte aus, das anzurechnende Einkommen sei neu zu ermitteln, weil sich der maßgebliche Vomhundertsatz geändert habe. Das anzurechnende Einkommen liege nunmehr bei DM 424,24 monatlich. Der Rentenanspruch der Klägerin betrage DM 388,47. Die Zahlung der Rente werde ab dem 01. Januar 1995 eingestellt. Ferner wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, sie - die Klägerin - sei nach wie vor verpflichtet, ihr - der Beklagten - das Hinzutreten oder die Veränderung bestimmter Leistungen mitzuteilen. Ebenso wiederholte sie die Aufforderung aus der vorherigen Mitteilung, sie zu informieren, wenn die anderen - angerechneten - Leistungen sich minderten oder wegfielen. Die Mitteilung vom 17. November 1994 enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Beklagte zahlte der Klägerin bis 31. Dezember 1994 monatlich DM 70,29.
Die AOK Baden-Württemberg beendete die freiwillige Versicherung der Klägerin zum 31. August 1994 und sah die Klägerin ab 01. September 1994 auf Grund der Witwenrente als pflichtversichertes Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner an (Schreiben vom 08. April 1998). Auf Anfrage der AOK Baden-Württemberg teilte die Beklagte am 25. Mai 1998 mit, die Rente der Klägerin sei wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zu zahlen.
Am 07. April 2005 rief die Klägerin bei der Beklagten an und teilte mit, sie beziehe eine "Nullrente", habe jedoch kein Gewerbe mehr und lebe lediglich von Erträgen aus Vermietung und Verpachtung. Sie bat um Mitteilung der Freibetragshöhen. Bei einem Rückruf am 08. April 2005 gab die Klägerin an, sie habe ihr Geschäft bereits 1994 verpachtet und seitdem kein Einkommen mehr. Die Beklagte sei - damals - über die Aufgabe der Beschäftigung informiert worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Bürgermeisteramt Schönaich mit Schreiben vom 27. April 2005 mit, die Klägerin habe ihr Gewerbe zum 31. August 1994 durch Verpachtung aufgegeben, seitdem kein Erwerbs- oder dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen bezogen und ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch Vermietung und Verpachtung bestritten. Beigefügt war eine Kopie der Gewerbeabmeldung vom 31. August 1994, nach der die Klägerin den "An- und Verkauf und die Reparatur von Kraftfahrzeugen durch die Autohaus F. GmbH" zum 31. August 1994 aus Gesundheitsgründen aufgegeben und an einen Nachfolger verpachtet habe.
Mit Bescheid vom 03. Mai 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert, die Rente sei daher neu berechnet worden, für die Zeit ab dem 01. Juni 2005 würden monatlich laufend EUR 220,67 gezahlt und für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Mai 2005 betrage die Nachzahlung EUR 11.520,00. Die Witwenrente der Klägerin sei nach Wegfall des anrechnungspflichtigen Einkommens neu festgestellt worden, der Bescheid vom 17. November 1994 werde gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 (gemeint: des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB X -) zurückgenommen. Jedoch würden Sozialleistungen gemäß § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 (SGB X) längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Die Leistung könne daher erst ab dem 01. Januar 2001 gezahlt werden. Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aus ihrer Rente seien ab dem 01. April 2004 Beiträge zur Pflegeversicherung einzubehalten, außerdem hätten sich die Berechnungsgrundlagen (Einbehaltung des Beitragsanteils und des zusätzlichen Beitrags zur Krankenversicherung) geändert. Für die Zeit ab dem 01. Juli 2005 würden monatlich laufend EUR 199,49 gezahlt. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden für die Zeit ab 01. Januar 2001 abgeführt. Für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2005 ergebe sich eine Überzahlung von EUR 966,36, die die Klägerin zu erstatten habe.
Bereits mit Schreiben vom 23. Mai 2005 hatte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 eingelegt. Sie führte aus, sie habe ihr Gewerbe bereits zum 01. September 1994 abgemeldet. Das "Schreiben" der Beklagten vom 17. November 1994 habe trotz der Gewerbeabmeldung ein Einkommen zu Grunde gelegt, obwohl Einkommen aus Vermietung und Verpachtung nicht habe angerechnet werden können. Die Klägerin bat die Beklagte zu prüfen, ob die Hinterbliebenenrente nicht erst vom 01. Januar 2001, sondern bereits vom 01. Januar 1995 an nachbezahlt werden könne. Sie stehe ihr - der Klägerin - zu und den Fehler habe nicht sie gemacht. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den "Bescheid vom 03. Mai 2005" zurück. Es wurde ausgeführt, der Bescheid vom 17. November 1994 über die Einstellung der Rentenzahlungen sei mit dem Bescheid vom 03. Mai 2005 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X aufgehoben worden. Gemäß § 48 Abs. 4 SGB X gelte § 44 Abs. 4 SGB X entsprechend. Hiernach würden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Verwaltungsakts erbracht. Bei dieser gesetzlichen Ausschlussfrist spiele es keine Rolle, ob die Klägerin die ab 1995 wegen Einkommensanrechnung erfolgte Zahlungseinstellung der Witwenrente zu vertreten habe. Auch sei es unerheblich, ob die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sei, Veränderungen des Arbeitsentgelts unverzüglich mitzuteilen.
Am 13. September 2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie begehrte, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005 zur Zahlung von Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 zu verurteilen. Sie meinte, § 44 Abs. 4 SGB X sei hier nicht anzuwenden. Ein Verwaltungsakt müsse nicht zurückgenommen werden, weil es einen rechtskräftigen Bescheid über den Wegfall der Rente ab 17. November 1994 nicht gebe. Der Bescheid vom 17. November 1994 habe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, sodass sie mit ihrem Widerspruch vom 23. Mai 2005 gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 auch noch Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 1994 habe einlegen können. Auch lasse er nicht erkennen, dass überhaupt eine Regelung habe vorgenommen werden sollen. Sie habe davon ausgehen können, dass es sich nur um ein Informationsschreiben handle. Falls es doch ein Bescheid sein sollte, sei er nichtig. Weiterhin trug die Klägerin vor, sie selbst habe der Beklagten niemals mitgeteilt, anrechnungsfähiges Einkommen zu haben, dies habe die Beklagte von sich aus fehlerhaft angenommen. Da die Beklagte bei ihr - der Klägerin - nicht zurückgefragt habe, liege auf deren Seite ein schweres Verschulden in der fehlerhaften Sachbehandlung vor, wofür sie ihr - der Klägerin - zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der ihr - der Klägerin - entstandene Schaden sei mit der pflichtgemäß ab 17. November 1994 nachzuzahlenden Rente identisch. Eine Begrenzung materiell geschuldeter Nachzahlungen auf vier Jahre zurück sei jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Verschulden des Leistungsträgers vorliege, verfassungswidrig.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie meinte, bei dem Bescheid vom 17. November 1994 habe es sich eindeutig um einen Verwaltungsakt gehandelt. Eine fehlerhafte oder fehlende Rechtsbehelfsbelehrung habe keine Auswirkungen auf die getroffenen Feststellungen, sondern lediglich auf die Dauer der Rechtsbehelfsfrist. Jener Bescheid sei nach Ablauf eines Jahres rechtskräftig geworden. Er sei sodann mit Bescheid vom 03. Mai 2005 rückwirkend gemäß § 48 SGB X aufgehoben und die Witwenrentenzahlung ab Juni 2005 laufend wiederaufgenommen sowie in Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X die Rente für die Zeit vom 01. Januar 2001 bis 31. Mai 2005 nachgezahlt worden. Diese Vorschriften seien korrekt angewandt worden. Die Leistungsbegrenzung auf vier Jahre sei zwingend. Sie habe keinen Ermessensspielraum. Auf ein etwaiges Verschulden auf ihrer Seite komme es nicht an. Die Klägerin hätte diesen Folgen aus dem Wege gehen können, wenn sie den in den insgesamt sechs Bescheiden vom 02. August 1991 bis zum 17. November 1994 aufgetragenen Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre. Selbst wenn ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben wäre, von dem sie nicht ausgehe, käme es ebenso zu einer Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X. Eine eventuelle Schadensersatzforderung wäre im Rahmen des Zivilrechts einzuklagen.
Das SG holte bei der AOK Baden-Württemberg die Auskunft vom 16. Februar 2007 ein, wonach die Klägerin dort seit dem 01. September 1994 als Rentnerin versichert sei und nach den dortigen Unterlagen nur eine Hinterbliebenenrente beziehe.
Mit Urteil vom 12. Dezember 2007 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, bei dem Schreiben vom 17. November 1994 habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Dass ihm keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei, hindere die Verwaltungsaktqualität nicht, sondern wirke sich lediglich auf die Dauer der Rechtsmittelfrist aus, die sich auf ein Jahr verlängert habe. Im Unterschied zu einem unverbindlichen Informationsschreiben sei in dem Bescheid vom 17. November 1994 die konkrete Leistungseinstellung ab dem 01. Januar 1995 verfügt worden. Zwar habe bei Erlass dieses Bescheids zum einen kein anzurechnendes Einkommen vorgelegen und zum anderen seien auch die vorangegangenen Bescheide wie jener vom 27. Juni 1994 nicht aufgehoben worden. Dies habe jedoch lediglich zur Rechtswidrigkeit des Bescheids geführt, der in der Folge in Bestandskraft erwachsen sei. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit lägen nicht vor. Die Beklagte habe den Bescheid vom 17. November 1994 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten der Klägerin vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an, also rückwirkend zum 01. Januar 1995, aufgehoben. Jedoch sei eine Rentennachzahlung nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X nur rückwirkend für maximal vier Jahre möglich. Bei dieser Regelung handele es sich um eine Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten sei. Die Frage, ob schuldhaftes Handeln vorliege, hindere die Anwendbarkeit dieser Regelung im Rahmen der Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts nicht. Auch habe das Bundessozialgericht (BSG) die Verfassungsmäßigkeit des § 44 Abs. 4 SGB X wiederholt bestätigt (Verweis auf BSG SozR 1300 § 44 Nr. 13 S. 22). Auch aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf Rentennachzahlung für den strittigen Zeitraum. Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen dieses Anspruchs gegeben seien, sei § 44 Abs. 4 SGB X nach der Rechtsprechung des BSG auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch anwendbar (Verweis auf BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 13 R 58/06 R). Soweit die Klägerin ihr Begehren auf einen Schadensersatzanspruch stütze, sei darauf hinzuweisen, dass auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch lediglich auf Naturalrestitution gerichtet sei, während eine eventuelle Schadensersatzforderung vor dem zuständigen Zivilgericht einzuklagen sei.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Bevollmächtigten am 18. Februar 2008 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 14. März 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie meint, das Schreiben vom 17. November 1994 habe keinen Verwaltungsakt, sondern nur eine Rentenanpassungsmitteilung dargestellt, weil es im Gegensatz zu den früheren Bescheiden nicht deutlich mit "Rentenbescheid" überschrieben gewesen sei und keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Auch sei das Schreiben entgegen § 33 SGB X von der Ausstellungsbehörde nicht unterschrieben worden. Es habe sich um eine Rentenanpassungsmitteilung gehandelt, die bei Nachweis ihrer ganzen oder teilweisen Unrichtigkeit jederzeit geändert werden könne. Dass das Schreiben keinen Verwaltungsakt dargestellt habe, folge auch daraus, dass sie - die Klägerin - vor Erlass nicht nach § 24 SGB X angehört worden sei. Weiterhin habe sie zu der unrichtigen Mitteilung der Beklagten nichts beigetragen. Die Beklagte habe in der Anlage 1 zu dem Schreiben vom 17. November 1994 auch nicht auf veränderte Einkommensarten hingewiesen, sondern nur darauf, dass sich der Vomhundertsatz für die Anrechnung auf 40 geändert habe. Weiterhin trägt die Klägerin vor, dass § 44 Abs. 4 SGB X jedenfalls dann verfassungswidrig sei, wenn - wie hier - dem Rentenversicherer ein grobes Verschulden zur Last falle. Selbst dann, wenn eine Verjährungs- oder Ausschlussfrist gälte, könne sich die Beklagte hierauf nicht berufen, weil dies in gröblichster und sittenwidrigster Weise gegen Treu und Glauben verstoße.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 große Witwenrente ohne Anrechnung von Einkommen mindestens in Höhe von EUR 6.035,70 nachzuzahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Da die Klägerin aus dem angegriffenen Urteil des SG um mehr als EUR 500,00 beschwert ist, war die Berufung auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier noch maßgeblich ist, weil die Berufung vor dem 01. April 2008 eingelegt worden ist, zulassungsbedürftig.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2005. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist der weitere Bescheid vom 31. Mai 2005. In diesem Bescheid regelte die Beklagte allein den Einbehalt der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber die Zahlung der Witwenrente vor dem 01. Januar 2001. Demgemäß war der Bescheid vom 31. Mai 2005 auch nicht nach § 86 SGG in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen worden, entsprechend hat die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 auch nicht über diesen Bescheid entschieden.
2. Das Begehren der Klägerin geht dahin, dass ihr die große Witwenrente ebenso wie für die Zeit ab dem 01. Januar 2001 auch für den davor liegenden Zeitraum vom 17. November 1994 bis 31. Dezember 2000 ohne Anrechnung von Einkommen gezahlt wird. Dass die Klägerin in dem in der Berufungsschrift vom 04. April 2008 formulierten Antrag zusätzlich den Nachzahlungsbetrag mit EUR 6.035,70 bezifferte, änderte an dem von der Klägerin "Gewollten" (§ 123 SGG) nichts. Sie versuchte lediglich den ihrer Auffassung nach sich ergebenden Nachzahlungsbetrag zu beziffern.
3. Die Klägerin kann ihr Begehren auf Nachzahlung der Witwenrente von 17. November 1994 bis 31. Dezember 2000 nicht auf den die große Witwenrente bewilligenden Bescheid vom 18. Februar 1994, geändert durch den Bescheid vom 27. Juni 1994, stützen. Abgesehen davon, dass die Beklagte auch in dem genannten Bescheid Einkommen der Klägerin auf ihren Rentenanspruch angerechnet hatte und daher nur einen Teil des grundsätzlichen Rentenanspruchs bewilligt hatte, die Klägerin nunmehr aber für den gesamten Zeitraum Rentennachzahlung ohne jede Einkommensanrechnung verlangt, hat die Beklagte den genannten Bescheid später wieder aufgehoben, und zwar durch den Bescheid vom 17. November 1994 als actus contrarius:
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob einer behördlichen Willenserklärung eine rechtliche Außenwirkung bzw. ein Regelungscharakter zukommt, ist entsprechend den allgemeinen Vorschriften über die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen in §§ 133, 154 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vom Horizont eines objektiven, durchschnittlichen Empfängers zu ermitteln. Wie eine behördliche Willenserklärung überschrieben ist, ist unerheblich. Auch das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung ändert den Charakter eines Verwaltungsaktes nicht, dies hat nur Einfluss auf die Dauer der Rechtsbehelfsfrist (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sofern eine notwendige Anhörung vor Erlass des Bescheids (§ 24 SGB X) unterblieben ist, kann dies zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führen, ändert jedoch seinen Charakter ebenfalls nicht.
Die Anforderungen des § 31 SGB X erfüllt die Mitteilung vom 17. November 1994. Aus ihr geht ausreichend deutlich hervor, dass eine rechtlich relevante Regelung getroffen werden sollte, nämlich dass die laufenden Zahlungen aus dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ab 01. Januar 1995 eingestellt wurden. Ob diese Mitteilung eine "Rentenanpassungsmitteilung" im üblichen Sinne darstellt, also die Mitteilung über die Erhöhung des Rentenzahlbetrags auf Grund einer Veränderung des aktuellen Rentenwerts, kann hier offen bleiben. Selbst wenn es nur als solche "Rentenanpassungsmitteilung" zu qualifizieren wäre, wäre sie als Bescheid zu werten. Auch allgemeine Rentenanpassungsmitteilungen stellen Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X dar, weil insoweit die Höhe des Zahlungsanspruchs (neu) geregelt wird (vgl. BSG SozR 4-2600 § 65 Nr. 2; BSG, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13).
b) Mit dem Bescheid vom 17. November 1994 hob die Beklagte auch den zuletzt an die Klägerin ergangenen Rentenbescheid vom 18. Februar 1994 in der Fassung des Bescheids vom 27. Juni 1994 insoweit auf, als dass nunmehr kein Zahlungsanspruch mehr bewilligt wurde. Aus dem Bescheid vom 17. November 1994 geht deutlich hervor, dass die Rentenzahlungen an die Klägerin für die Zukunft auf Dauer wegen übersteigenden Einkommens eingestellt wurden. Dies ist der Regelungsgehalt des Bescheids.
c) Der Bescheid vom 17. November 1994 ist nicht nichtig. Weder liegt einer der in § 40 Abs. 2 SGB X genannten Nichtigkeitsgründe vor noch sind die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB X gegeben. Dass der Bescheid vom 17. November 1994 rechtswidrig ist, weil zu Unrecht Einkommen auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet wurde, führt nicht zugleich zur Nichtigkeit.
4. Die Klägerin kann auch den Bescheid vom 17. November 1994 nicht mehr erfolgreich anfechten, weil er bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG), um dann gegebenenfalls mit einer isolierten Leistungsklage aus den zuvor erlassenen Rentenbescheiden, zuletzt der Bewilligung vom 18. Februar 1994 in der Fassung des Bescheids vom 27. Juni 1994, Zahlung der Witwenrente zu verlangen.
Zum einen hat die Klägerin in diesem Prozess keinen Anfechtungsantrag gegen den Bescheid vom 17. November 1994 gestellt. Sie hatte zwar in der Klagebegründung vom 02. Mai 2006 ausgeführt, ihr Widerspruch vom 23. Mai 2005 gegen den Bescheid vom 03. Mai 2005 sei dahin auszulegen gewesen, dass er sich auch und insbesondere gegen den Bescheid vom 17. November 1994 gerichtet habe. Sie hat diesen Vortrag in der Berufungsinstanz jedoch nicht aufrechterhalten und auch keinen entsprechenden Antrag gestellt. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der Widerspruch der Klägerin vom 23. Mai 2005 tatsächlich so auszulegen war, dass er sich auch gegen den Bescheid vom 17. November 1994 richtete, und ob die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 - zumindest konkludent - auch über den Bescheid vom 17. November 1994 entschieden hat, also auch insoweit das nach § 78 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt hat.
Zum anderen wäre ein Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. November 1994 unzulässig. Mit einem am 23. Mai 2005 erhobenen Widerspruch konnte die Klägerin die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 17. November 1994 nicht mehr wahren. Es trifft zwar zu, dass der Bescheid vom 17. November 1994 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hatte, dies bedeutet jedoch lediglich, dass sich gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Widerspruchsfrist auf ein Jahr ab Bekanntgabe jenes Bescheids verlängert hat. Die Klägerin hat nicht bestritten, den Bescheid vom 17. November 1994 zeitnah erhalten zu haben. Es greift daher die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein, wonach ein Bescheid mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt. Der Bescheid vom 17. November 1994 enthält einen unterschriebenen Abgangsvermerk eines Mitarbeiters der Beklagten vom 28. November 1994. Der Bescheid gilt daher als am 01. Dezember 1994 zugegangen. Die einjährige Widerspruchsfrist gegen ihn ist mithin am 01. Dezember 1995 abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung der Klägerin in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gemäß § 67 Abs. 1 SGB X sind weder vorgetragen noch ersichtlich,
5. Wie das SG in dem angegriffenen Urteil zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin eine Rentennachzahlung für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 aus ihrem materiellen Witwenrentenanspruch nicht verlangen. Ihr stand zwar auch in der genannten Zeit der Anspruch ungeschmälert zu, da sie nach Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994 nicht mehr über anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 2.275,00 monatlich verfügte. Auch nahm die Beklagte zu Recht den Bescheid vom 17. November 1994 von Beginn an zurück, konnte jedoch gleichzeitig die Zahlung der Witwenrente für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 31. Dezember 2000 verweigern.
a) Grundlage für die Rücknahme des Bescheids vom 17. November 1994 war allerdings nicht, wie es die Beklagte und das SG angenommen hatten, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Diese Vorschrift greift ein, wenn sich nach Erlass eines Bescheids mit Dauerwirkung die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben und daher eine Aufhebung zugunsten des Adressaten notwendig würde. Die Klägerin verfügte jedoch - zwischen den Beteiligten unstreitig - bereits seit der Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994, mithin auch am 17. November 1994 nicht (mehr) über Einkommen, das auf ihren Witwenrentenanspruch anzurechnen gewesen wäre. Der Bescheid vom 17. November 1994 war daher von Anfang an rechtswidrig und ist dies nicht durch eine spätere Änderung der Verhältnisse geworden.
Grundlage für die Rücknahme des Bescheids ist vielmehr § 44 Abs. 1 SGB X. Hier ist § 44 Abs. 1 SGB X einschlägig, weil die Klägerin im Nachgang zu der Aufhebung der damaligen Bescheide die Erbringung von Sozialleistungen begehrt. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bescheid vom 17. November 1994 war, wie ausgeführt, von Anfang an rechtswidrig. Der Bescheid ging von dem unrichtigen Sachverhalt aus, dass die Klägerin nach wie vor über anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 2.275,00 monatlich verfügte. Dies war seit der Aufgabe ihres Gewerbes zum 31. August 1994 nicht mehr der Fall. Aufgrund dieses fehlerhaften Bescheids wurden der Klägerin Sozialleistungen zu Unrecht nicht ausgezahlt.
b) Nach der Rücknahme des Bescheids vom 17. November 1994 von seinem Erlass an musste die Beklagte jedoch die Witwenrente der Klägerin lediglich ab dem 01. Januar 2001 nachzahlen.
aa) Für die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen nach der Aufhebung eines Bescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X enthält § 44 Abs. 4 SGB X eine zeitliche Beschränkung: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Die Klägerin hatte sich am 07. April 2005 telefonisch bei der Beklagten gemeldet. Dies war ihr erster Kontakt zur Beklagten nach Erlass des Bescheids vom 17. November 1994. Die Beklagte hatte diesen Anruf zu Recht als Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheids vom 17. November 1994 aufgefasst. Nachdem sie diesem Antrag stattgegeben hatte, musste sie der Klägerin die Witwenrente für den bereits abgelaufenen Zeitraum des Jahres 2005 und die vier vorangegangenen Kalenderjahre, mithin zurück bis zum 01. Januar 2001, nachzahlen.
bb) § 44 Abs. 4 enthält keine Ausnahmevorschriften. Die Norm schließt eine rückwirkende Gewährung von Sozialleistungen für einen Zeitraum früher als vier Jahre vor Rücknahme des rechtswidrigen Bescheids bzw. Stellung des Überprüfungsantrags durchgängig aus. Angesichts der besonderen Ausgestaltung des § 44 Abs. 4 SGB X, der eine Ausschluss- und keine Verjährungsfrist begründet (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, Kommentar zum SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 28), kann der Gläubiger des Nachzahlungsanspruchs auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Frist könne nach dem - auch im öffentlichen Recht geltenden - Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht eingreifen. Der Gesetzgeber hat die Interessen des Versicherten an einer rückwirkenden Leistungsgewährung bereits mit der Vier-Jahres-Frist in der Norm selbst ausreichend berücksichtigt. Er hat sich hierbei auf die Erwägung gestützt, dass Sozialleistungen wegen ihres Unterhaltscharakters nicht für längere Zeiträume nachzuzahlen sein sollten (Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 8/2034, S. 34). Anders als eine Verjährung hängt § 44 Abs. 4 SGB X nicht davon ab, dass sich der Leistungsträger als Schuldner auf den Fristablauf beruft.
cc) Selbst wenn im Bereich des § 44 Abs. 4 SGB X über den Normtext hinaus Ausnahmen wegen eines überwiegenden Verschuldens des Leistungsträgers, wie es hier die Klägerin geltend macht, möglich wären, lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Am Erlass des fehlerhaften Bescheids vom 17. November 1994 trifft die Beklagte kein Verschulden. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Klägerin weiterhin monatlich EUR 2.275,00 in ihrem Unternehmen verdiente. Die Autohaus F. GmbH hatte kurz zuvor, unter dem 20. Juni 1994, die Entgeltbescheinigung für 1993 vorgelegt. Bei Erlass des Bescheids vom 17. November 1994 konnte eine neue Jahresbescheinigung noch gar nicht vorliegen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, bei der Klägerin oder der Autohaus F. GmbH nach einer aktuellen Entgeltbescheinigung nachzufragen, nachdem die letzte vorliegende Bescheinigung nur fünf Monate alt war. Die Klägerin bezog eine einkommensabhängige Witwenrente. Es oblag daher allein ihr, unaufgefordert Veränderungen bei den Voraussetzungen ihres Rentenanspruchs der Beklagten mitzuteilen. Insbesondere musste sie Änderungen in der Höhe ihres zusätzlich bezogenen Einkommens, insbesondere Erwerbseinkommens, der Beklagten mitteilen. Diese Obliegenheiten folgten aus § 60 Abs. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Die Klägerin war über ihre Mitteilungsobliegenheiten auch ausreichend aus den zuvor erhaltenen Rentenbescheiden unterrichtet worden. Auch für die Zeit nach Erlass des Bescheids vom 17. November 1994 wäre ein Verschulden der Beklagten nicht ersichtlich. Ein Rentenversicherungsträger ist nicht verpflichtet, regelmäßig bei seinen Versicherten nachzufragen, ob sich die für die Rentengewährung relevanten Verhältnisse geändert haben. Es oblag vielmehr weiterhin allein der Klägerin, Veränderungen in ihren Einkommensverhältnissen mitzuteilen. Wenn die Klägerin trotz der Einstellung der Rentenzahlung der Beklagten über zehn Jahre lang nicht mitteilte, kein Einkommen mehr zu beziehen, dann trifft das alleinige Verschulden sie.
dd) § 44 Abs. 4 SGB X ist auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt es nicht gegen die Grundrechte der Versicherten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die Vorschrift eine etwaige Nachzahlung von Sozialleistungen strikt auf die vier Jahre vor Rücknahme des rechtswidrigen Bescheids oder Stellung des Überprüfungsantrags beschränkt und keine Ausnahmen hiervon zulässt (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 23; zur Frage des Vertrauensschutzes bei der Einführung von § 44 SGB X vgl. auch BSG, Großer Senat, SozR 1300 § 44 Nr. 3). Ähnlich wie im Verjährungsrecht ist es statthaft, wenn der Gesetzgeber nach Ablauf gewisser Zeiten dem Rechtsfrieden Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit gibt und die Bestandskraft früherer Bescheide in ihren Auswirkungen unberührt lässt.
c) Im Übrigen führte es auch zu keinem anderen Ergebnis, wenn man dem Vortrag der Klägerin folgte, der Bescheid vom 17. November 1994 habe keinen Verwaltungsakt dargestellt. Wenn ein Sozialleistungsträger eine laufende Zahlung ohne förmlichen Bescheid zu Unrecht einstellt, greift zwar nicht § 44 Abs. 4 SGB X ein, wohl aber die allgemeinen Verjährungsvorschriften. Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren jedoch nach § 45 Abs. 1 SGB I - ebenfalls - in vier Jahren ab dem Ende des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Gegen die Verjährungseinrede eines Sozialleistungsträgers kann der Gläubiger des Leistungsanspruchs zwar grundsätzlich den Einwand der Treuwidrigkeit erheben. Die Klägerin jedoch hätte damit keinen Erfolg, da wie ausgeführt - die Beklagte kein Verschulden an der Einstellung der Rentenzahlungen zum 31. Dezember 1994 trifft.
5. Letztlich kann die Klägerin auch aus den Erwägungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs heraus keine weitergehende Nachzahlung verlangen. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des BSG die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entsprechend anwendbar (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 9). Außerdem trifft die Beklagte kein Verschulden an der Einstellung der Rentenzahlungen zum 31. Dezember 1994, sodass auch die materiellen Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorliegen.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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