L 4 KR 1573/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2918/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1573/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Überprüfungsverfahren gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) aus einer Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung. Verfahrensrechtlich steht im Streit, ob die Klage wegen Verfristung unzulässig ist.

Der im August 1942 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Am 01. August 2005 zahlte ihm die S.-Lebensversicherung AG (im Folgenden: S.) aus einer betrieblichen Altersversorgung EUR 35.937,00 aus. Die S. teilte dies unter dem 04. August 2005 der Beklagten mit. Mit zwei Bescheiden vom 08. August 2005 erhoben die Beklagte und die Pflegekasse der Beklagten aus dieser Kapitalleistung aus einem auf zehn Jahre umgerechneten monatlichen beitragspflichtigen Versorgungsbezug von EUR 299,48 ab dem 01. September 2005 monatliche Beiträge zur KV (allgemeiner Beitragssatz 13,8 v.H. und zusätzlicher Beitragssatz 0,9 v.H.) von EUR 44,02 und zur sozialen Pflegeversicherung (PV) von EUR 5,10. Beide Bescheide enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung mit Hinweis auf den Widerspruch.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2007, bei der Beklagten am 13. Februar 2007 eingegangen, erhob der Kläger "Einspruch" gegen die seit September 2005 zusätzlich erhobenen Beiträge in Höhe von (zusammen) EUR 49,12 monatlich. Er trug vor, in dem am 05. März 1987 geschlossenen Vertrag zwischen seinem früheren Arbeitgeber und der S. sei nicht erwähnt worden, dass bei Auszahlung der Versicherung Ansprüche der KV entstünden. Die Kapitalleistung habe eine Altersversorgung sein sollen. Der Kläger bestand auf einer Rückerstattung der Beiträge. Mit Schreiben vom 14. Februar 2007 wies die Beklagte darauf hin, dass Kapitalleistungen nach § 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ab dem 01. Januar 2004 als Versorgungsbezug beitragspflichtig seien, wenn der Versorgungsfall nach dem 31. Dezember 2003 eingetreten sei, die Kapitalleistung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit diene und einen Bezug zum früheren Erwerbsleben habe. Hiernach sei die Kapitalleistung der S. in vollem Umfang heranzuziehen. Sie werde für die Beitragsberechnung auf zehn Jahre umgelegt. Die Beklagte wies in dem Schreiben auch darauf hin, dass die Bescheide vom 08. August 2005 zwischenzeitlich bindend geworden seien, sodass ein Widerspruch gegen sie vom Grundsatz her nicht mehr möglich sei. Sie forderte den Kläger auf, mitzuteilen, ob er an seinem Widerspruch festhalte. Der Kläger erwiderte unter dem 25. Februar 2007, er halte an dem Einspruch fest.

Unter dem 23. März 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich sein zusätzlicher Beitrag zur KV aus der Kapitalleistung aufgrund einer Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes auf 14,5 v.H. ab dem 01. April 2007 auf monatlich insgesamt EUR 46,12 erhöhe. Statt einer Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieses Schreiben den Hinweis, dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Er führte aus, das Schreiben des Klägers vom 25. Februar 2007 werde als Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2007 gewertet, mit dem sinngemäß die Rechtmäßigkeit des bindenden Beitragsbescheides vom 08. August 2005 bestätigt worden sei. Der Bescheid vom 23. März 2007 über die Erhöhung der Beiträge sei Gegenstand des Verfahrens geworden. Dem Widerspruch könne nicht abgeholfen werden. Der Bescheid vom 08. August 2005 sei rechtmäßig ergangen und könne daher nicht zurückgenommen werden. Die Kapitalleistung aus der betrieblichen Altersversorgung des Klägers in Höhe von EUR 35.937,00 sei beitragspflichtig. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteilen vom 13. September 2006 (B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R) entschieden, dass es sich immer dann um eine Rente der betrieblichen Altersversorgung handele, wenn ein formaler Bezug zum Arbeitsleben bestehe. Hierbei sei es ausreichend, dass der Versicherungsvertrag von dem Arbeitgeber abgeschlossen worden sei. Es komme nicht darauf an, dass der Versicherungsvertrag bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts zum 01. Januar 2004 abgeschlossen oder der Großteil der Beiträge vor diesem Zeitpunkt geleistet worden sei. Ebenso sei es unerheblich, ob und inwieweit der Arbeitgeber die laufenden Versicherungsbeiträge erbracht habe. Selbst wenn der Arbeitnehmer die Beiträge vollständig allein getragen habe, handele es sich um eine Rente der betrieblichen Altersversorgung. Diese Anforderungen erfülle auch die Kapitalzahlung an den Kläger. Soweit der Kläger geltend mache, dass die Rechtsänderung verfassungswidrig sei, könne er (der Widerspruchsausschuss der Beklagten) nach dem Gesetz Grundrechtsverletzungen durch Normen des einfachen Rechts nicht feststellen. Die Krankenkasse habe als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge das Gesetz anzuwenden. Über die Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz entscheide allein das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dieser Widerspruchsbescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis, gegen ihn könne binnen eines Monats Klage bei dem zuständigen Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben werden.

Am 09. Mai 2007 ging bei der Beklagten das Schreiben des Klägers vom 07. Mai 2007 ein. Der Kläger führte darin aus, die Ablehnung seines "Widerspruchsbescheids" vom 14. Februar 2007 verwundere ihn nicht, sie bestätige nur "die Verabscheuung der Krankenkasse". Für ihn bleibe die Forderung der Beklagten Betrug an den Krankenversicherten. Das neue Gesetz habe der Beklagten Anlass gegeben, sich "als Selbstbedienungsladen" durchzusetzen. Die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden der gesetzlichen Krankenkassen und auch des "DAK-Chefs" von EUR 223.973,00 im Jahr seien unangemessen. Die Beklagte gleiche "einem stinkenden Wasserkopf". Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Beitragssatz aus der betrieblichen Altersversorgung zum 01. April 2007 zu erhöhen. Der Kläger schloss sein Schreiben mit der Frage, ob dies eine Erhöhung oder ein Betrug sei. Den am 24. Oktober 2007 vom Kläger telefonisch gestellten Antrag, die Vollziehung der Beitragserhebung auszusetzen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom selben Tag ab.

Am 23. Juli 2007 ging bei dem SG ein Schreiben des Klägers ohne Datum ein, in dem dieser "Widerspruch" erhob und ausführte, er habe die Kapitalleistung aus der Lebensversicherung bei der S. in 25 Jahren seines Arbeitslebens zur Hälfte selbst angespart. Die Beitragsforderung der Beklagten sei nicht berechtigt. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten habe ihm schriftlich mitgeteilt, er solle sich an das SG wenden.

Die Beklagte, die das SG im Rubrum des Verfahrens als einzige Beklagte führte, trat der Klage unter Berufung auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 ordnete das SG im Hinblick auf die beim BVerfG anhängigen Verfahren gegen die fragliche Neuregelung und im Einverständnis beider Beteiligter das Ruhen des Verfahrens an.

Nachdem die Beklagte mit dem genannten Schreiben vom 24. Oktober 2007 einen Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen Beitragsbescheide abgelehnt hatte, begehrte der Kläger am 05. November 2007 Eilrechtsschutz vor dem SG (9 KR 4232/07 ER). In diesem Verfahren lehnte das SG mit Beschluss vom 13. November 2007 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Klägers ab. Das SG führte aus, nach den vom BSG in mehreren Musterverfahren getroffenen Entscheidungen (zuletzt Urteil vom 25. April 2007, B 12 KR 25/05 R) bestehe nach Aktenlage an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide der Beklagten kein ernsthafter Zweifel. Auch habe der Kläger weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass für ihn die Vollziehung der Beitragsforderung eine unbillige Härte darstelle. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) wies die vom Kläger erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 zurück (L 11 KR 5736/07 ER-B). Es führte aus, der bei dem SG noch anhängigen Klage komme keine Erfolgsaussicht zu. Sie sei - nach der im Eilverfahren möglichen und zulässigen summarischen Prüfung - unzulässig. Sie sei verfristet. Der Kläger habe den angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 spätestens am 07. Mai 2007 erhalten, denn in seinem Schreiben von diesem Tage habe er auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die Klagefrist habe somit am 08. Mai 2007 begonnen und am Donnerstag, dem 07. Juni 2007 geendet. Die Klage sei jedoch am 23. Juli 2007 erhoben worden. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Nach Erlass dieses Beschlusses nahm das SG das ruhende Klagverfahren von Amts wegen wieder auf und führte es fort. Es gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage der Verfristung der Klage und zu den Gründen einer etwaigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Kläger trug vor, mit Datum vom 24. April 2007 sei ihm der Widerspruchsbescheid zugestellt worden, den er in seinem Schreiben vom 07. Mai 2007 energisch abgelehnt habe. Da er im Umgang mit Gerichten keine Erfahrung gehabt habe, habe er auf eine Antwort der Beklagten auf dieses Schreiben gewartet. Am 10. Juli 2007 habe er sich an den Niederlassungsleiter der Beklagten an seinem Wohnort gewandt, dieser habe bestätigt, dass nur eine Klage an das SG weiterführen werde. Ferner führte der Kläger aus, er habe bei seinem Schreiben vom 07. Mai 2007 nicht die Absicht gehabt, "diesen Betrug" vor Gericht austragen zu müssen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2008 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Dem Kläger könne auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da weder schlüssig vorgetragen noch ersichtlich oder glaubhaft gemacht worden sei, dass der Kläger an der Einhaltung der Frist ohne Verschulden gehindert gewesen sei. Das Schreiben des Klägers vom 07. Mai 2007 erschöpfe sich in einer Beschimpfung des Gesetzgebers, der Bundestagsabgeordneten und der Beklagten und lasse nicht erkennen, dass der Kläger entsprechend der korrekten Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids eine Überprüfung durch die zuständigen Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit angestrebt habe. Der Kläger habe in seinem Schreiben vom 10. Februar 2008 im Klagverfahren selbst eingeräumt, dass er nicht die Absicht gehabt habe, "diesen Betrug" vor Gericht auszutragen. Die Beklagte sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, das Schreiben des Klägers vom 07. Mai 2007 als (mögliche) Klagschrift dem SG zuzuleiten. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, er habe mehr als zwei Monate lang auf eine Antwort der Beklagten auf sein Schreiben warten dürfen. Er sei mit der Rechtsbehelfsbelehrung über die Notwendigkeit einer Klagerhebung binnen Monatsfrist korrekt und verständlich informiert worden. Deswegen habe ein solches mehr als zweimonatiges Zuwarten bzw. Untätigbleiben auch bei unterstellter fehlender Rechtserfahrung nicht der Sorgfalt entsprochen, die einem gewissenhaften Prozessführenden zuzumuten sei. Nach dem Inhalt seiner Schriftsätze und der Akten könne nicht angenommen werden, dass der Kläger damit überfordert gewesen sei, den Hinweis auf die einmonatige Klagfrist zu verstehen und gegebenenfalls spätestens kurz vor Ablauf der Klagfrist und nicht erst im Juli 2007 bei der Beklagten nachzufragen, was er zur Wahrung seiner Ansprüche zu tun habe. Dieser Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 01. März 2008 zugestellt.

Mit Schreiben vom 24. März 2008, bei dem SG am 27. März 2008 eingegangen, hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Er trägt vor, das Gericht habe zu überprüfen, ob der Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 rechtens sei, denn der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses der Beklagten sei zu dieser Zeit krank gewesen und im Jahre 2007 verstorben. In der Sache trägt der Kläger weiterhin vor, die Erhebung zusätzlicher KV-Beiträge aus der Kapitalleistung seiner betrieblichen Altersversorgung sei ungerecht und verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. Februar 2007 in Gestalt des Bescheids vom 23. März 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2007 zu verpflichten, den Bescheid über die Erhebung eines zusätzlichen Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 08. August 2005 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Gerichtsbescheid des SG und ihre Widerspruchsentscheidung. Sie trägt vor, das BVerfG habe mit Beschluss vom 07. April 2008 (1 BvR 1924/07) die gesetzliche Neuregelung über die Beitragspflicht von Kapitalzahlungen aus Direktlebensversicherungen der betrieblichen Altersversorgung zur KV für verfassungsmäßig erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Gegenstand des Verfahrens ist allein die Forderung der beklagten Krankenkasse auf zusätzliche Beiträge zur KV aus der Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers. Ferner ist der Bescheid vom 23. März 2007 über die Erhöhung der KV-Beiträge Gegenstand des Verfahrens.

a) Im Gegensatz zu den KV-Beiträgen ist ein Überprüfungsanspruch des Klägers hinsichtlich der zusätzlichen Beiträge zur PV vom Gerichtsverfahren nicht erfasst.

Zwar dürfte der Kläger mit seinem Schreiben vom 12. Februar 2007 eine Überprüfung sowohl der KV- als auch der PV-Beiträge beantragt haben. Dies ergibt sich daraus, dass er in dem Schreiben den Gesamtbeitrag von EUR 49,12 monatlich nannte, während der KV-Beitrag zu jener Zeit nur EUR 44,02 betrug. Die Pflegekasse bei der Beklagten hat jedoch über diesen Überprüfungsantrag hinsichtlich der PV-Beiträge bislang nicht entschieden. Sofern das Schreiben vom 14. Februar 2007 als Bescheid über den Überprüfungsantrag des Klägers angesehen werden kann, hat darin allein die beklagte Krankenkasse ausschließlich über die Überprüfung der Beitragslast zur KV entschieden. Nirgendwo in diesem Schreiben findet sich ein Hinweis darauf, dass es auch im Namen der Pflegekasse bei der Beklagten ergangen sei. Auch nannte die Beklagte in diesem Schreiben als Rechtsgrundlage der Beitragsforderungen gegen den Kläger allein § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, also eine Vorschrift des Krankenversicherungsrechts, jedoch nicht die entsprechende Regelung im Recht der sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB XI -). Auch mit dem Schreiben vom 23. März 2007 hat allein die beklagte Krankenkasse den zusätzlichen Beitrag des Klägers zur KV von zuvor EUR 44,02 auf nunmehr EUR 46,12 im Monat angehoben. Letztlich ist auch in dem Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 allein über die KV-Beiträge entschieden worden. Auch dieser Bescheid enthält keine Hinweise darauf, dass der Widerspruchsausschuss der beklagten Krankenkasse zugleich Widerspruchsausschuss der Pflegekasse der Beklagten sei. Auch nennt der Widerspruchsbescheid wiederum allein den monatlichen Beitrag von EUR 46,12 zur KV, nicht jedoch den PV-Beitrag des Klägers.

Entsprechend diesem Inhalt des angegriffenen Überprüfungsbescheids und des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2007 hat auch das SG als Beklagte dieses Verfahrens von Anfang an lediglich die beklagte Krankenkasse geführt, nicht jedoch die Pflegekasse bei der Beklagten.

b) Den Bescheid vom 23. März 2007 über die Erhöhung der KV-Beiträge hat die Beklagte selbst in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen (§ 86 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und über ihn sachlich mit dem Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 entschieden, obwohl der Widerspruch nicht gegen den Beitragsbescheid selbst eingelegt worden war, sondern gegen einen negativen Zugunsten-Bescheid, also gegen die Ablehnung eines Überprüfungsantrags nach § 44 Abs. 1 und 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Die Gegenstände eines solchen Überprüfungsverfahrens und des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses selbst - hier des Beitragsrechtsverhältnisses - sind unterschiedlich, so dass z.B. eine Anwendung von § 86 SGG und im Klageverfahren des § 96 SGG zweifelhaft erscheint. Ob Änderungsbescheide wie jener vom 23. März 2007 in ein laufendes Widerspruchs- oder Klagverfahren im Rahmen eines Überprüfungsantrags einbezogen werden, kann hier aber offen bleiben. Über die Einbeziehung nach § 86 SGG entscheidet die Widerspruchsbehörde in eigener Kompetenz, hieran sind die Sozialgerichte gebunden, denn nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage immer der angegriffene Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

2. Mit diesem Inhalt ist die Berufung des Klägers zulässig. Sie ist im Sinne von § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anwendbaren, bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zulassungsbedürftig. Zwar erfasst diese Zulassungsschranke nicht nur Geld- und andere Leistungen des Staates an den Bürger, sondern auch Ansprüche gegen den Bürger, insbesondere auf Beitragszahlungen wie hier (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 16; BSG, Urteil vom 25. Juli 2005, B 10 LW 6/02, veröffentlicht in Juris, Rn. 7). Der Kläger ist jedoch insoweit durch den Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert, denn er wendet sich gegen Beitragsforderungen von mehr als EUR 40,00 im Monat für einen Zeitraum von zehn Jahren. Außerdem greift hier die Gegenausnahme des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn die angegriffene Beitragslast umfasst einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers als unzulässig abgewiesen.

a) Die Klage hat die Klagfrist nicht gewahrt.

aa) Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Ist ein Vorverfahren vorangegangen, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Die - einmonatige - Klagfrist beginnt nach § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den statthaften Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

bb) Die einmonatige Klagefrist begann spätestens am 08. Mai 2007 zu laufen. Denn spätestens am 07. Mai 2007 hatte der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 erhalten, da er in diesem Schreiben auf diesen Bezug nahm. Auch enthielt der Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung. Die Frist begann deshalb mit Beginn des folgenden Tages, 08. Mai 2007, zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG). Sie endete demgemäß mit Ablauf des 08. Juni 2007, eines Freitags, da auf den 07. Juni 2007 in Baden-Württemberg der gesetzliche Feiertag Fronleichnam fiel (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG).

cc) In dieser Frist ist keine Klage erhoben worden.

Zu Recht hat das SG entschieden, dass das Schreiben des Klägers vom 07. Mai 2007 an die Beklagte nicht als Klagschrift auszulegen war, sodass die Beklagte nicht nach § 91 Abs. 2 SGG verpflichtet war, es unverzüglich an das SG als das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit weiterzuleiten. Für die Auslegung von Prozesshandlungen wie einer Klagerhebung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) entsprechend. Hiernach ist aus der Sicht eines objektiven Empfängers der wirkliche Wille desjenigen zu erforschen, der die Erklärung abgegeben hat, ohne dass der Wortlaut hierbei bindend sei. Dieser Gedanke wird in § 106 Abs. 1 SGG und vor allem § 123 SGG auch für die Auslegung von Prozesshandlungen im sozialgerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt. Der Kläger hat in dem genannten Schreiben auch für einen objektiven Empfänger nicht zum Ausdruck gebracht, eine gerichtliche Überprüfung des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2007 erreichen zu wollen. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, erschöpft sich dieses Schreiben in einer Beschimpfung des Gesetzgebers und der Krankenkassen, insbesondere der Beklagten. Dass sein Schreiben vom 07. Mai 2007 keine Klage darstellen sollte, hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10. Februar 2008 an das SG selbst eingeräumt, denn er hat darin ausgeführt, er habe - damals - nicht die Absicht gehabt, "diesen Betrug" vor Gericht austragen zu müssen.

Die daher allein maßgebliche Klagschrift ohne Datum, bei dem SG eingegangen am 23. Juli 2007, konnte die einmonatige Klagrist nicht mehr wahren.

b) Dem Kläger war gegen die Versäumung der Klagfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

War jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 67 Abs. 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Die Voraussetzung einer solchen Wiedereinsetzung - sei es von Amts wegen, sei es, dass das Vorbringen des Klägers als konkludenter Wiedereinsetzungsantrag auszulegen ist - liegen nicht vor. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, sind keine Umstände ersichtlich, die die Versäumung der Klagfrist als unverschuldet ansehen lassen. Der Kläger war über die einzuhaltende Frist ausreichend informiert. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten enthielt eine korrekte und verständliche Rechtsbehelfsbelehrung. Insbesondere hatte die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid - nur - "innerhalb eines Monate nach Bekanntgabe" eingelegt werden könne. Selbst wenn der Kläger nach seiner Behauptung im gerichtlichen Verfahren unerfahren war, ist es nicht verständlich, warum er die konkrete und genaue Angabe in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids, Klage müsse binnen Monatsfrist erhoben werden, missachtet hat. Ein Zuwarten von mehr als zwei Monaten auf eine Reaktion der Beklagten auf das Schreiben vom 07. Mai 2007 entsprach in keiner Weise der Sorgfalt, die einem gewissenhaften Kläger nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Nach dem Inhalt seiner Schriftsätze kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung nicht verstanden hat. Denn in seinen Schriftsätzen antwortete der Kläger jeweils auf die Ausführungen, die in den ihm zuvor zugegangenen Hinweisschreiben der Gerichte enthalten waren.

4. Da die Klage unzulässig war, sind die Bescheide der Beklagten vom 14. Februar und 23. März 2007 sowie der Widerspruchsbescheid vom 25 April 2007 nicht zu überprüfen, sodass nicht darüber zu entscheiden ist, ob die Beklagte zu Recht Beiträge zur KV aus der dem Kläger am 01. August 2005 ausgezahlten betrieblichen Altersversorgung verlangt.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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