L 11 R 1744/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 963/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1744/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Februar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen S. S. (im Folgenden Versicherter), insbesondere das Vorliegen einer sogenannten Versorgungsehe, streitig.

Der am 17. Oktober 1947 geborene Versicherte war mit der Klägerin vom 2. Januar 1971 bis 30. September 1993 erstmalig verheiratet. Aus dieser Ehe gingen vier gemeinsame Kinder hervor. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts B. vom 19. Januar 1995 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Die Scheidung wurde am 27. November 1996 durch das Gemeindegericht in V. anerkannt.

Im Januar 2004 begab sich der Versicherte mit den Symptomen eines grippalen Infekts in Behandlung bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S ... Nachdem bei der CT-Thoraxuntersuchung ein großer mediastinaler Lymphknotenkonglomerattumor festgestellt worden war, wurde während des stationären Aufenthalts vom 19. Januar bis 1. Februar 2004 in der Klinik L. ein kleinzelliges Bronchialkarzinom diagnostiziert, das nicht mehr operabel war und deswegen palliativ mit Chemotherapie in der Klinik L. behandelt wurde. Bei der Erstdiagnose wurde eine Tumorerkrankung im Stadium IV B (T1 N3 Mx) festgestellt, d.h. ein Lungentumor mit fortgeschrittenem Lymphknotenbefall ohne Fernmetastasen. Der Allgemeinzustand des Versicherten war deutlich reduziert, er klagte über Schmerzen im Brustkorb sowie über eine allgemeine Schwäche. Im Verlauf der Behandlung trat eine transfusionspflichtige Anämie mit begleitender Thrombozytopenie auf, seine Prognose war infaust (Arztbrief von Dr. S. vom 5. April 2004). Die Chemotherapie wurde in vier stationären Zyklen Ende Februar, Anfang und Ende März sowie Ende April 2004 durchgeführt. Aufgrund der fehlenden Compliance wurde die Fortführung der Chemotherapie als nicht sinnvoll erachtet, deswegen war zur weiteren Behandlung eine Strahlentherapie vorgesehen. Der Versicherte wurde über seinen Gesundheitszustand unterrichtet.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2004 stellte das Versorgungsamt H. bei dem Versicherten einen GdB von 100 seit 18. März 2004 sowie die Merkzeichen "G", "B", "H", "aG" und "RF" fest.

Am 27. April 2004 heirateten die Klägerin und der Versicherte erneut. Zu der geplanten palliativen Schädelbestrahlung erschien er am 3. August 2004 nicht. Das Klinikum L. teilte mit, dass der Kläger die Behandlung nicht mehr gewünscht habe. Am 4. November 2004 verstarb der Versicherte.

Am 6. Mai 2004 beantragte der Versicherte wegen der Krebserkrankung eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 gewährte die Beklagte diese Rente unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 13. Januar 2004 ab dem 1. Mai 2004 auf Dauer. Die monatliche Rentenleistung des Versicherten betrug 412,88 EUR. Die Klägerin bezog Leistungen zur bedarfsorientierten Grundsicherung in Höhe von 215,28 EUR sowie Wohngeld in Höhe von monatlich 111,- EUR (Bescheide des Landratsamts L. vom 3. und vom 11. August 2004).

Am 24. November 2004 beantragte die am 1. Februar 1955 geborene Klägerin die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Sie gab an, über keinerlei Einkünfte zu verfügen und legte eine ärztliche Bescheinigung von Dr. S. vor, wonach die Diagnose der Krebserkrankung im Januar 2004 gesichert worden wäre. Eine entsprechende Therapie sei umgehend eingeleitet worden. Der Verlauf der Erkrankung sei nicht absehbar gewesen. Der Versicherte sei während und nach der Therapie vollständig auf die Pflege durch seine Ehefrau angewiesen gewesen.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei der Heirat sei damit zu rechnen gewesen, dass der Ehegatte der Klägerin in näherer Zukunft versterben werde. Es sei daher zu unterstellen, dass die Heirat eine Hinterbliebenenversorgung begründen sollte. Ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nicht.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe sich mit ihrem Ehemann bereits 2003 versöhnt und sei Mitte 2003 wieder zu ihm gezogen. Die im Jahr 2003 geplante Eheschließung sei nicht möglich gewesen, da die Registrierung der deutschen Ehescheidung in Jugoslawien nicht mehr nachvollziehbar gewesen sei. Erst mit Eintrag vom 8. April 2004 habe der Standesbeamte von D. M. bestätigt, dass die Ehescheidung in Jugoslawien anerkannt werde und somit eine Neuverheiratung nach jugoslawischem Recht möglich sei. Man habe dann am 29. April 2004 in D. M. geheiratet. Der überwiegende Zweck der Heirat sei daher nicht die Begründung von Ansprüchen auf Hinterbliebenenversorgung gewesen. Sie habe vielmehr einen eigenen Anspruch auf Grundversorgung wegen Erwerbsunfähigkeit gehabt, der durch die Eheschließung reduziert worden sei.

Die Klägerin hat hierzu eine beglaubigte Übersetzung des Auszugs aus dem Geburtsregister, eine beglaubigte Übersetzung einer Geburtsurkunde sowie die Mietverträge über den Beginn der jeweiligen Mietverhältnisse am 1. Juli 2003 und am 1. August 2003 vorgelegt.

Die Beklagte holte beim Bürgermeisteramt M. eine Meldebestätigung ein, wonach die Klägerin ab dem 8. Juli 2003 bis fortlaufend sowie der Versicherte vom 10. Mai 2003 bis 4. November 2004 in der H ... 79 in 7. M. gemeldet gewesen sei.

Die Klägerin legte eine vom Bruder des Versicherten, G. S., unterzeichnete Erklärung vor. Die Erklärung hat den Inhalt, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann seit Anfang Juni 2003 wieder zusammengelebt und erneut hätten heiraten wollen. Sie hätten ihn bereits damals gefragt, ob er Trauzeuge sein könne. Die Eheschließung habe sich dann verzögert, weil erst die deutsche Scheidung in Kroatien hätte registriert werden müssen. Nachdem die kroatischen Papiere in Ordnung gewesen seien, was ewig gedauert habe, sei die Heirat erfolgt. Der Freund der Familie, U. N., konnte wegen seiner Inhaftierung nicht vernommen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Zeugenaussage des G. S. sei aufgrund der Familienbande nicht als Nachweis geeignet. Auch belege der vorgelegte Mietvertrag nicht, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Heirat beabsichtigt gewesen sei. Er besage lediglich, dass die Klägerin und der Versicherte wieder zusammengelebt hätten. Die gemeinsamen Kinder seien erwachsen und nicht Grund für die zweite Eheschließung gewesen. Die Gesamtabwägung der Umstände habe ergeben, dass die Klägerin nicht hinreichend nachweisen könne, dass die Eheschließung bereits im Sommer 2003 hätte vollzogen werden sollen. Deswegen sei die Hinterbliebenenrente zu Recht abgelehnt worden.

Mit ihrer dagegen am 12. März 2007 beim Sozialgerichts Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie den Freund der Familie, U. N., sowie den Bruder ihres verstorbenen Ehemannes, G. S., bereits im Sommer 2003 gebeten habe, als Trauzeugen für eine erneute Eheschließung im Konsulat von K. in S. zur Verfügung zu stehen. Sie beziehe eine eigene Grundsicherungsrente, so dass der Versorgungsgedanke bei ihr sicherlich nicht ausschlaggebend gewesen sei. An den Heiratsplänen habe sie festgehalten, obwohl sie erfahren habe, dass ihr Ehemann an Krebs erkrankt sei. Sie habe ihn auch bis zu seinem Tod gepflegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt, außerdem die Schwerbehindertenakte des Verstorbenen beim Landratsamt L. beigezogen und die Tochter der Klägerin, M. B., als Zeugin vernommen.

Dr. S. hat angegeben, dass er den Versicherten seit 5. Januar 2004 wegen des kleinzelligen Bronchialkarzinoms behandelt habe. Bei diesem Befund hätten keine Heilungschancen mehr bestanden, deswegen habe nur noch eine palliative Behandlung durchgeführt werden können. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass er nicht glaube, dass der Versicherte die Schwere seiner Erkrankung hätte richtig einschätzen können und sich darüber bewusst gewesen wäre, dass er in absehbarer Zeit sterben müsse. Wahrscheinlich sei es eine Art Selbstschutz, dass viele Patienten die Schwere ihrer Erkrankung nicht wahrhaben wollten und unbewusst verdrängten. Dies sei bei dem Versicherten ganz sicher der Fall gewesen. PD Dr. F. hat mitgeteilt, dass es unter der Chemotherapie zur Rückbildung des Tumors im linken Oberlappen gekommen sei. Bei der ambulanten Untersuchung am 11. Mai 2004 habe der Versicherte über guten Appetit und geringen trockenen Husten berichtet. Man habe ihn über seinen Gesundheitszustand unterrichtet.

Die Tochter der Klägerin, M. B., hat angegeben, sie habe ihre Eltern das erste Mal nach der Scheidung wieder 2002 zusammen gesehen. Danach habe ihr Vater ihre Mutter häufiger besucht. Ihr Vater habe ihre Mutter überredet, wieder mit ihm zusammen zu ziehen. Sie habe das nicht so ernst genommen. Ihre Mutter sei damals an Zucker erkrankt gewesen, es sei ihr ganz schlecht gegangen. 2004 hätten ihre Eltern sie dann in der Haft in S. G. besucht. Damals sei die Krankheit bei ihrem Vater bereits vorangeschritten gewesen, er habe schon keine Haare mehr gehabt. Die Chemotherapie habe anscheinend nichts gebracht. Er habe immer wieder über Kopfschmerzen geklagt und habe auch den Besuch vorzeitig abbrechen müssen. Sie sei sich ganz sicher, dass es im Raum gestanden habe zu heiraten. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie die Krankheit gemeinsam mit ihrem Vater durchstehen wolle. Ob die Krankheit der Grund gewesen sei zu heiraten, könne sie nicht sagen. Bei den Planungen sei sie außen vor gewesen.

Mit Urteil vom 18. Februar 2009, der Beklagten zugestellt am 1. April 2009, hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Witwenrente aus der Versicherung des Herrn S. S. zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, das Ehepaar habe sich wegen Alkoholproblemen und Streit scheiden lassen. Es sei dann 2003 wieder zu einer Annäherung gekommen, so dass man wieder zusammengezogen sei. Insofern sei unbeachtlich, dass sich die Zeugin B. um ein Jahr geirrt habe. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit gemeinsamem Zusammenwohnen habe zwar lediglich acht Monate betragen, hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin und der Versicherte bereits bis 1995 verheiratet gewesen wären und nach kurzer Unterbrechung nach der Scheidung wieder Kontakt gehabt hätten. Nach den Angaben der Klägerin habe ihr der Versicherte bereits vor 2003 einen neuen Heiratsantrag gemacht. Den Entschluss zu heiraten hätten sie nach ihren Angaben 2003 getroffen. Dies werde auch durch die Aussage der Zeugin B. bestätigt. Sofern die Zeugin B. als Heiratsmotiv die Erkrankung genannt habe, bleibe hier offen, um welche Krankheit es sich gehandelt habe. Dagegen, dass es sich um die Krebserkrankung des Versicherten gehandelt habe, spreche, dass die Zeugin ausgesagt habe, dass 2002 im Raum gestanden habe zu heiraten, bevor die Klägerin und der Versicherte zusammengezogen wären. Dabei sei weiter zu beachten, dass die Zeugin wegen ihrer Haft keinen Kontakt mehr zur Klägerin und dem Versicherten gehabt hatte. Die Klägerin sei auch selbst an Zucker erkrankt gewesen. Die geschilderten Schwierigkeiten bei der erneuten Heirat sowie die Anerkennung der Scheidung in dem Herkunftsland seien zwar nicht belegt, erschienen aber glaubhaft. Es sei nicht dokumentiert, dass die Eheleute wegen der Hochzeit beim Generalkonsulat vorgesprochen hätten, dies werde jedoch durch die Erklärung des Bruders des Versicherten bestätigt. Auch wenn hier ein Näheverhältnis zum Versicherten bestanden habe, könne nicht dessen Erklärung grundsätzlich in Frage gestellt und unbeachtet bleiben. Soweit die Klägerin erklärt habe, dass sie und der Versicherte nach Kroatien hätten fahren wollen, wenn sie Rente bekomme, hätten sie auch durchaus eine gemeinsame Zukunftsplanung gehabt. Unter der Chemotherapie sei es zu einer Rückbildung des Tumors am linken Oberlappen gekommen. Auch wenn die Behandlung im April noch nicht abgeschlossen gewesen sei und von einer Heilung nicht habe ausgegangen werden können, habe doch Dr. S. bestätigt, dass es zu einer Besserung des Zustandes gekommen sei. Der Versicherte sei auch ausreichend mobil gewesen, um die Reise nach Kroatien auf sich zu nehmen. Gegen eine Versorgungsehe sprächen auch die finanziellen Verhältnisse der Klägerin. Nach der vorgelegten hypothetischen Berechnung der Witwenrente würde diese ab 1.12.2004 412,88 EUR, für die Zeit ab 1. März 2005 227,08 EUR, für die Zeit ab 1. Juli 2005 225,96 EUR, für die Zeit ab 1. Dezember 2005 226,08 EUR und für die Zeit ab 1. April 2007 225,33 EUR betragen. Die Klägerin habe hingegen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen, die im Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2007 bei 628,46 EUR gelegen hätten. Damit seien die Grundsicherungsleistungen mehr als doppelt so hoch wie die zu erwartende Witwenrente. Insofern stelle der Bezug der Witwenrente keinen wesentlichen finanziellen Vorteil dar. Zwar könne die Klägerin die Witwenrente auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erhalten, dies spreche jedoch nicht für eine Versorgungsehe. Weiter müsse beachtet werden, dass die Klägerin und der Versicherte bereits einmal verheiratet gewesen wären und kurze Zeit nach der Scheidung wieder Kontakt gehabt hätten. Sie hätten vier gemeinsame Kinder, auch wenn diese bei der erneuten Heirat bereits erwachsen gewesen seien. Sie seien ein Jahr vor dem Tod des Versicherten wieder zusammengezogen und die Schilderung der Klägerin über das Scheitern ihrer Heirat im Jahr 2003 sei glaubhaft.

Mit ihrer dagegen am 15. April 2009 eingelegten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, die Ehe habe nur etwas über sechs Monate und damit deutlich weniger als ein Jahr gedauert. Hier gelte die gesetzliche Vermutung, dass das Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung gewesen sei. Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters einer Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung schließe auch die Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin reichten nicht aus. Die Diagnosestellung des kleinzelligen Bronchialkarzinoms sei mehr als drei Monate vor der Eheschließung erfolgt. Der Versicherte sei auch über sein Grundleiden aufgeklärt worden. Seine Prognose sei infaust gewesen. Die später ausgestellte Bescheinigung, dass für den Versicherten der Verlauf der Erkrankung nicht absehbar gewesen wäre, entbehre somit jeglicher Grundlage und sei nicht nachvollziehbar. Dem stünden auch nicht die Ausführungen der Klinik L. entgegen, wonach es unter der palliativen Therapie zu einer Rückbildung des Tumors und einem verbesserten Allgemeinbefinden des Versicherten gekommen sei. Schließlich sei es Sinn und Zweck der palliativen Therapie, eine Linderung der Beschwerden des Patienten zu erreichen bzw. die Lebensqualität zu verbessern. Die palliative Chemotherapie verhindere lediglich, dass die Krankheit ungebremst weiter voranschreite. Gleichzeitig könne der Tumor verkleinert werden, so dass sich die Beschwerden und Schmerzen verringerten und Komplikationen abwenden ließen. Zu einer vollständigen Heilung komme es dennoch nicht. Letztlich sei selbst medizinischen Laien bekannt, dass bei einem Bronchialkarzinom und lediglich noch palliativer Chemotherapie mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen sei. Ein konkreter Heiratsentschluss für die Zeit vor dem Bekanntwerden der zum Tode führenden Krankheit sei nicht belegt. Die Zeugin B. habe auch nicht bestätigt, dass es bereits kurz nach der Scheidung wieder zu einem Kontakt ihrer Eltern gekommen sei. Vielmehr habe der Versicherte erst 1996, 1997 angerufen und die Klägerin auch mal besucht. Es habe dann zwei Gegenbesuche gegeben. Erst 2002 habe sie ihre Eltern dann wieder zusammen gesehen. Der Versicherte habe sich am 17. Februar 2002 wegen eines Antrags auf Sucht-Reha-Leistungen beim Psychosozialen Beratungsdienst L. vorgestellt, hierbei sei ein ausführlicher Bericht erstellt worden. Danach habe er zusammen mit einem Bekannten in einer Dreizimmerwohnung zur Miete gewohnt. Zu den Beratungsterminen sei er stets in Begleitung dieses Bekannten gekommen. Er habe damals von seiner Scheidung berichtet und vom Kontakt zu seiner Tochter und dem Sohn. Anhaltspunkte für einen Kontakt mit der Klägerin hätten sich aus dem Bericht nicht ergeben. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre dies sicher zur Sprache gekommen. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts, wann wieder Kontakt aufgenommen und wann es zum Entschluss zum Zusammenziehen gekommen sei, unterschieden sich die Zeugenaussagen. Dies habe das SG nicht sachgerecht gewürdigt. Das SG hätte auch den Bruder G. S. persönlich anhören müssen, da der Beweiswert seiner Erklärung höchst zweifelhaft sei. Die Klägerin habe ihre Schwierigkeiten mit der erneuten Heirat in keiner Weise belegt. Es sei nicht dokumentiert, dass sie wegen der Hochzeit beim Generalkonsulat vorgesprochen hätten. Es lägen auch keinerlei Nachweise dafür vor, wann eine Änderung der Papiere in Kroatien beantragt worden sei und ob diese Änderung tatsächlich längere Zeit in Anspruch genommen hätte. Belegt sei lediglich eine Eintragung des Standesbeamten von D. M. vom 8. April 2004 über die Scheidung und ein Eintrag über die erneute Eheschließung am 27. April 2004. Schließlich müsse ein eigenes Einkommen der Witwe schon deshalb unerheblich bleiben, da andernfalls gut situierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt würden. Der Vollbeweis, dass keine Versorgungsehe geschlossen sei, sei damit nicht erbracht worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Februar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei leicht nachvollziehbar, dass der Bürgerkrieg auf dem Balkan eine ordnungsgemäße Führung von Personenstandsbüchern nicht zugelassen habe. Sie sei nach den Personenstandsbüchern im Herkunftsland noch mit Herrn S. S. verheiratet gewesen, weshalb eine erneute Eheschließung dort zunächst nicht möglich gewesen wäre. Motiv der Eheschließung sei gewesen, ihrem Partner bei der Überwindung einer schweren Erkrankung beizustehen. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) belege, dass es divergente medizinische Meinungen der Ärzte zu dem Gesundheitszustand des Versicherten gegeben habe. Deswegen sei es auch nachvollziehbar, dass dieser bei der Eheschließung nicht erkannt habe, in welchem Umfang er erkrankt gewesen sei. Er habe seinen Überlebenswillen nach den vorliegenden Unterlagen erst im August 2004 aufgegeben.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Unterlagen der AOK L./R.-M. beigezogen und G. S. als Zeugen gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Aussagen wird auf die Niederschrift vom 20. Oktober 2009 verwiesen. Der Zeuge U. N. ist unbekannt verzogen, die Zeugin M. B. ist nicht erschienen und der Zeuge B. S. hat sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn die Berufung umfasst einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung der Witwenrente.

Nach § 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten Anspruch auf Gewährung einer sog. kleinen bzw. großen Witwenrente, sofern der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI ist der Rentenanspruch allerdings ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ausschlussregelung des § 46 Abs. 2a SGB VI kommt aufgrund der Übergangsvorschrift des § 242a Abs. 3 SGB VI allerdings nicht zur Anwendung bei Ehen, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden sind.

Zwar hat der Versicherte ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 18. Oktober 2004 die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren entsprechend § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt, so dass insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente gegeben sind. Da die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten jedoch weder vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde noch mindestens ein Jahr gedauert hat, steht der Klägerin nach § 46 Abs. 2a SGB VI eine Witwerrente nur zu, sofern sie auch den weiteren Anforderungen des § 46 Abs. 2a SGB VI genügt.

§ 46 Abs. 2a SGB VI, der durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I 2001, 403) in das SGB VI eingefügt wurde, geht davon aus, dass der überlebende Ehegatte bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr in den meisten Fällen von seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Eheschließung noch keinen so großen Abstand genommen hat, dass er diese nicht nach dem Tod des anderen Ehegatten fortsetzen oder wieder aufnehmen oder sich eine selbstständige Lebensführung neu erarbeiten könnte. Dementsprechend stellt die Regelung die – widerlegbare - gesetzliche Vermutung auf, dass die Heirat bei einer weniger als einjährigen Ehedauer in erster Linie der Versorgung des überlebenden Ehegatten diente, es sich also um eine sog. Versorgungsehe handelte. Diese Vorschrift ist verfassungsgemäß (ausführlich hierzu BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 53/08 R, zit. nach juris).

Die Anknüpfung an eine Ehedauer von weniger als einem Jahr enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war (so BT-Drucks. 14/4595 S. 44). Diese gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert den vollen Beweis des Gegenteils (BSG SozR 3100 § 38 Nr. 5). Ergeben sich anhand des konkreten Einzelfalls nicht genügend beweiskräftige Anhaltspunkte gegen die Annahme, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu begründen, verbleibt es bei der Annahme einer Versorgungsehe. Auch wenn die maßgeblichen Umstände von Amts wegen zu ermitteln und zu bewerten sind, trifft die materielle Beweislast, also die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises, denjenigen, der den Anspruch auf Versorgung geltend macht (BSG SozR Nr. 84 zu § 128 SGG). Die gesetzliche Vermutung folgt einer Typisierung und verfolgt auch den Zweck, den Leistungsträger und das Gericht der Ausforschung im Bereich der Intimsphäre zu entheben. Zu würdigen ist freilich, dass das Motiv, Betreuung und Pflege des Erkrankten sicherzustellen, nicht mit einer Versorgungsehe gleichgesetzt werden darf, jedenfalls dann nicht, wenn das Ableben nach den gesundheitlichen Verhältnissen zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten war (BSGE 60, 204). Andererseits ist zu fordern, dass keine deutlichen Anhaltspunkte für die Besorgnis eines vorzeitigen Ablebens bestanden haben, die Ehe also ihrem Wesen entsprechend auf Dauer eingegangen war (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Bd. 1 § 46 SGB VI Rdnr. 46 a ff.).

Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet überwiegend oder zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, zit. nach juris).

Der Senat ist ausgehend hiervon in Auswertung der medizinischen Ermittlungen sowie der Zeugenaussagen zu dem Ergebnis gelangt, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung am 27. April 2004 eine Überlebenswahrscheinlichkeit des Versicherten von einem Jahr höchst ungewiss war und dies den Eheleuten - worauf es als subjektive Voraussetzung letztlich nicht ankommt - ausreichend bekannt war.

Bei dem Versicherten wurde im Januar 2004 in der Klinik L. ein kleinzelliges Bronchialcarzinom diagnostiziert, das nicht mehr operabel und deswegen palliativ mit Chemotherapie behandelt wurde. Der Kläger wurde über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Angaben von PD Dr. F.r fest. Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. S. hat deswegen gegenüber dem Versorgungsamt ausgeführt, dass bei diesem Befund keine Heilungschancen mehr bestanden. Er hat weiter bestätigt, dass die Prognose infaust gewesen ist. Somit entbehrt seine spätere Bescheinigung, dass für den Versicherten der Verlauf der Erkrankung nicht absehbar war, jeglicher Grundlage und ist auch für den Senat nicht nachvollziehbar.

Zwar ist es nach dem Bericht der Klinik L. unter der palliativen Therapie zu einer Rückbildung des Tumors und einem verbesserten Allgemeinbefinden des Versicherten gekommen. Dies ist aber Sinn und Zweck der palliativen Therapie, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Sie wird eingesetzt zur Behandlung einer weit fortgeschrittenen Erkrankung, die auf kurative Behandlung nicht anspricht. Die palliative Therapie soll die bestmögliche Lebensqualität durch optimale Schmerztherapie und Systemkontrolle erhalten werden. Der Sterbeprozess wird dadurch aber weder aktiv beschleunigt noch künstlich verzögert (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007, S. 1420).

Dass der Versicherte sich durchaus der Schwere seiner Erkrankung bewusst war, ergibt sich auch daraus, dass er seine Anerkennung als Schwerbehinderter betrieben und Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und hierbei jeweils auf seine seit Januar 2004 bekannte Krebserkrankung abgehoben hat. Den "Erstantrag auf Feststellungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)" hat er am 15. März 2004 persönlich unterschrieben (Bl. 50 ff. der SG-Akte) und als zu berücksichtigende Gesundheitsstörung u.a. "Lungenkrebs" angegeben. Das Versorgungsamt H. hat auf seinen Antrag auch einen GdB von 100 zuerkannt und der Versicherte hat von der Beklagten auf seinen Antrag Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles vom 13. Januar 2004 erhalten.

Die Kenntnis des Versicherten von Art und Ausmaß seiner lebensbedrohenden Erkrankung wird auch durch die Zeugenaussage B. belegt. Die Zeugin hat geschildert, 2004 hätten ihre Eltern sie in der Haft in S. G. besucht. Dort habe sie schon gesehen, dass bei ihrem Vater die Krankheit vorangeschritten sei, er habe keine Haare mehr gehabt. Die Chemotherapie habe anscheinend nichts gebracht. Er habe immer wieder Kopfschmerzen gehabt und sei auch frühzeitig beim Besuch weggegangen (Niederschrift vom 18. Februar 2009). Zu diesem Zeitpunkt waren die Eltern noch nicht wieder verheiratet, sie haben sie vielmehr von dem Heiratsentschluss unterrichtet. Dass die Zeugin sich insoweit nicht zeitlich geirrt hat, ist daran festzumachen, dass damals noch die Chemotherapie durchgeführt wurde, also muss es zwischen dem Beginn der Chemotherapie Ende Februar 2004 und dem 8. April 2004 gewesen sein. Denn vom 8. April 2004 an war die Zeugin im Rahmen des Maßregelvollzuges nach § 64 Strafgesetzbuch in der M., Zentrum für Psychiatrie, in Z. untergebracht (Bescheinigung der Klinik vom 21. Februar 2005, Bl. 01/8 des Feststellungsbogens Waisenrente der Beklagten).

Dass der Versicherte noch in der Lage war, die Eheschließung in Kroatien durchzuführen, belegt gar nichts. Bei einer Krebserkrankung ist bekannt, dass es immer wieder zu einem kurzen Aufflackern des Lebenswillens und auch kurzzeitiges Phasen eines besseren Befindens kommen kann, besagt aber nicht darüber, ob die Eheschließenden bereits bei der Eheschließung davon ausgegangen sind, dass der Versicherte nicht mehr ein Jahr überleben wird.

Der Senat ist in Abwägung aller Umstände, nämlich der raschen Heirat kurz nach Abschluss der Chemotherapie, also zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Heirat überhaupt noch möglich war, überzeugt davon, dass den Eheleuten der Ernst der Erkrankung bewusst war und sie deswegen zur Versorgung der Klägerin noch rasch geheiratet haben. Wenn der lebensbedrohende Charakter einer Erkrankung des verstorbenen Ehepartners im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt ist, so kommt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutungen in aller Regel nicht in Betracht, es sei denn, die Heirat stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Entschlusses dar (so Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16. Februar 2007, 1 UZ 1948/06, FamRZ 2007, 1771). Hiervon konnte sich der Senat aber in Auswertung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, ihrer Angaben sowie der Zeugenaussagen nicht überzeugen.

Dass der Versicherte und seine Ehefrau bereits kurz nach der Scheidung wieder in Kontakt standen und bereits im Jahre 2002 wieder soweit versöhnt hatten und dass eine konkrete Eheschließung 2003 im Raum stand, wird zur Überzeugung des Senats bereits durch den vorliegenden Bericht des psychosozialen Dienstes L. vom 7. Februar 2002 widerlegt. In diesem ausführlichen Bericht ist überhaupt kein Kontakt zur Klägerin erwähnt, der Versicherte hat vielmehr nur darüber berichtet, dass er nur noch den Kontakt zu seiner Tochter und dem Sohn unterhält. Der Senat geht daher davon aus, dass es zu einer erneuten Kontaktaufnahme erst 2003 gekommen ist.

Die Klägerin und der Versicherte sind aber damals nicht im Sinne der Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengezogen, was sich auch aus den vorgelegten Mietverträgen über den Beginn eines Mietverhältnisses ab 1. Juni 2003 (des Versicherten) und ab 1. August 2003 (der Klägerin) ergibt. Die beiden haben vor dem Hintergrund des beabsichtigten Wohngeldbezugs für die Klägerin (vgl. Bescheid vom 3. August 2004, Bl. 3 der Verwaltungsakte) und dem Arbeitslosenhilfebezug des Versicherten (vgl. Versicherungsverlauf vom 18. Oktober 2004) getrennte Wohnungen mit jeweiligen Mietverträgen angemietet um die "Verhältnisse sozialrechtlich zu optimieren". Damit haben sie auch nach außen hin dokumentiert, dass sie nicht füreinander einstehen wollen und müssen sich daran auch festhalten lassen, dass sie keine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Rechtswirkung nach außen begründen wollten. Dadurch, dass sowohl die Klägerin als auch der Versicherte mit ihrer Vermieterin einen separaten Mietvertrag geschlossen haben, wird die Angabe der Klägerin vor dem SG, sie und der Versicherte wollten "zu diesem Zeitpunkt als wir zusammenzogen heiraten" (Niederschrift vom 18. Februar 2009, Bl. 103 f. der SG-Akte), widerlegt.

Die Klägerin kann auch nicht nachweisen, dass sie wegen der Hochzeit beim Generalkonsulat vorgesprochen hat (vgl. Auskunft vom 21. Juni 2006, Bl. 36 der Verwaltungsakte). Es liegen keinerlei Belege dafür vor, ob eine Änderung der Papiere in Kroatien beantragt worden ist und, wenn ja, ob diese Änderung tatsächlich längere Zeit in Anspruch genommen hat. Das Generalkonsulat der Republik K. in Stuttgart bescheinigte lediglich, dass die Klägerin und der Versicherte am 3. Juni 2003 einen Antrag auf Ausstellung eines neuen Reisepasses gestellt haben (Bl. 28 f. der SG-Akte). Für eine Vorsprache im Hinblick auf eine angebliche Heiratsabsicht in Kroatien bestand im Übrigen auch gar kein Grund. Denn der Vortrag der Klägerin in der Klageschrift, sie und der Versicherte hätten Anfang Juni 2003 beim kroatischen Konsulat in S. zwecks Eheschließung vorgesprochen und dort sei ihnen mitgeteilt worden, dass eine Eheschließung nicht durchgeführt werden könne, weil die deutsche Ehescheidung aus dem Jahr 1995 in Jugoslawien nicht registriert worden wäre, sie mithin vor den kroatischen Behörden noch als verheiratet gelten würden, ist durch den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Auszug aus dem Geburtenregister (Bl. 17 der Verwaltungsakte) widerlegt. Darin wird bestätigt, dass die Ehescheidung bereits am 27. November 1996 durch das Gemeindegericht V. anerkannt worden ist. Die Eintragung dieses Sacherhalts in das Geburtenregister des Standesamtes D. M. erst am 8. April 2004 spricht im Gegenteil sogar dafür, dass erst zu diesem Zeitpunkt ernstliche Heiratsabsichten bestanden. Auch der Zeuge G. S. hat bestätigt, dass die Papiere seines Bruders in Ordnung gewesen seien.

Aus den Zeugenaussagen ließ sich für den Senat nicht schlüssig nachvollziehen, dass die Eheschließung konkret bereits zu einem Zeitpunkt geplant war, bei dem die Erkrankung des Versicherten nicht bekannt war. Die Zeugin B. konnte sich nicht zu dem geplanten Ablauf äußern, die Angaben des Zeugen G. S.a waren in vielen Punkten so widersprüchlich, dass der Senat von einem fehlenden Erinnerungsvermögen des Zeugen ausgegangen ist. Deswegen waren ihm viele Details nicht mehr erinnerlich, so auch der Inhalt der vorformulierten Erklärung vom 07. Oktober 2006 (Bl. 52 Verwaltungsakte). Der Zeuge ist vielmehr, wie dies auch die mündliche Verhandlung ergeben hat, nicht der deutschen Sprache so mächtig, dass er den Inhalt der Erklärung verstehen konnte und wusste was er unterschrieben hat. Insofern hat die konstante Aussage, man habe im Juni 2003 heiraten wollen, keinerlei Beweiswert bei sonst bestehenden Erinnerungslücken.

Ein Motiv für die Wiederheirat hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Ein solches ist dem Senat auch nicht ersichtlich. Die Eheleute hatten weder gemeinsame minderjährige Kinder zu versorgen, diese waren vielmehr erwachsen, noch wurde ein langjähriges Zusammenleben legalisiert. Die separat abgeschlossenen Mietverträge machen vielmehr deutlich, dass die Klägerin und der Versicherte jedenfalls im Jahr 2003 noch größere Vorteile im Getrenntleben erblickten. Die Heirat steht somit nach den gegebenen Umständen erkennbar in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der schweren Erkrankung des Versicherten. Im Übrigen reichen lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohenden Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses annehmen zu können (so auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 7. Dezember 2007, L 4 R 2407/05, zu einer bloß geplanten Hochzeit).

Soweit die Klägerin eingewendet hat, sie sei wegen ihrer Grundsicherungsleistungen nicht auf die Versorgung durch die Witwenrente angewiesen, muss dies unerheblich bleiben. Das SG hat in diesem Zusammenhang bereits darauf verwiesen, dass die Klägerin durchaus geplant hat, wieder nach Kroatien zurückzukehren, so dass ihr diese Grundsicherungsleistungen nicht weitergezahlt worden wären und die Witwenrente durchaus ihre finanzielle Situation verbessert hätte. Zum anderen ist ein solcher Einwand grundsätzlich unerheblich, denn andernfalls wären gut situierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt (so auch LSG Baden-Württemberg a.a.O).

Der Senat konnte über die Berufung der Beklagten in Abwesenheit der Klägerin entscheiden; einer Vertagung der mündlichen Verhandlung zur Anhörung der nicht erschienenen Zeugin M. B. oder der Klägerin bedurfte es nicht. Der Senat hat die von beiden vorliegenden Aussagen seiner Entscheidung zugrunde gelegt, die, was die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und die Nichtregistrierung der Ehescheidung in Jugoslawien angelangt, durch die vorliegenden Urkunden widerlegt werden. Der Zeuge N. ist nicht erreichbar, daher kein präsentes Beweismittel. Die Gerichte dürfen sich bei der Prüfung, ob die gesetzliche Vermutung für eine Versorgungsehe widerlegt ist, auf die Ermittlung äußerer Umstände beschränken. Der Klägerin ist lediglich die Möglichkeit einzuräumen, sich - ggf. im Rahmen einer persönlichen Anhörung - auf innere Motivationen zu berufen, über die nur sie Auskunft geben kann (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 53/08 R, zit. nach juris). Dem ist der Senat nachgekommen. Er hat der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu äußern. An der Wahrnehmung des Termins war die Klägerin nicht gehindert. Außerdem können die Angaben der Klägerin der Entscheidung zwar zugrunde gelegt werden, aber nur, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen und anderweitige Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (BSG a.a.O.). Solche anderweitigen Beweismittel lagen hier vor.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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