Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 702/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 66/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er als geschäftsführender Gesellschafter der Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 4. September 1979 bis 31. Dezember 1992 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei.
Der Kläger ist Kaufmann und gründete am 4. September 1979 mit Herrn H F die Beigeladene zu 2). Zuvor war der Kläger von 1974 bis 1979 beim Vater seines Mitgesellschafters A F angestellt gewesen. In § 5 des Gesellschaftsvertrages bestimmten die Gesellschafter, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst würden, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibe. Auf je angefangene 1.000,- DM Geschäftsanteile entfalle eine Stimme. Der Kläger übernahm 17.000,- DM (ein Drittel), Herr F 34.000,- DM des Stammkapitals (§ 3). Nach § 6 wurde der Kläger zum Geschäftsführer bestellt.
Am 21. Dezember 1992 beschlossen die Gesellschafter die Teilung des Gesellschaftsanteiles des bisherigen Mehrheitsgesellschafters und die Abtretung eines Geschäftsanteiles in Höhe von 8.500,- DM an den Kläger, so dass nunmehr beide Gesellschafter jeweils die Hälfte des Stammkapitals als Einlage übernahmen.
Am 28. August 2006 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung und einen von ihm und der Beigeladenen zu 2) - unterschrieben vom Mitgesellschafter F - unterschriebenen Fragebogen ein. Er sei in seiner Tätigkeit weder nach Ort, Zeit oder Art weisungsgebunden gewesen. Sämtliche Verantwortungsbereiche innerhalb der Beigeladenen zu 2) seien vom Mitgesellschafter und ihm in absolut gleichberechtigter Stellung betreut worden. Entscheidungen seien gemeinsam getroffen worden. Er sei als Geschäftsführer allein vertretungsbefugt und von § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit gewesen. Insgesamt sei er der Meinung, dass im streitgegenständlichen Zeitraum seine Unternehmereigenschaft überwogen habe und beantrage eine diesbezügliche Entscheidung. Im Fragebogen gab er an, durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern zu können. Er habe eine Bürgschaft für den Kontokorrentkredit übernommen. Seine Vergütung in Höhe von 6.800,- DM brutto sei als Gehalt und Betriebsausgabe verbucht worden. Beigefügt waren u. a. Vertragsunterlagen (Darlehen und Bürgschaft) aus dem Jahre 2001.
Die Beklagte gelangte im Bescheid vom 22. November 2006 zu der Beurteilung, dass im streitgegenständlichen Zeitraum ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorgelegen habe.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er sei zuvor nicht angehört worden. Zwar sei er damals Minderheitengesellschafter gewesen, er habe aber seiner Position nach eine Sperrminorität gehabt. Der Mehrheitsgesellschafter sei in dem vom Vater übernommenen väterlichen Betrieb tätig gewesen und habe sich der Beigeladenen zu 2) nicht gewidmet. Einzig er, der Kläger, habe eine herausragende Position eingenommen. Ein wesentliches Indiz gegen Abhängigkeit sei die Abbedingung des Selbstkontrahierungsverbotes nach § 181 BGB. Niemand habe schließlich bei ihm Urlaub oder Krankheit erfasst oder kontrolliert. Der Kläger habe so gut wie nie Urlaub genommen, sondern sich allenfalls einmal ein freies Wochenende gegönnt. Er habe sich sechzig bis siebzig Wochenstunden für sein Unternehmen engagiert.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 5. Februar 2007 zurück. Er habe als Minderheitsgesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 2) gehabt, habe insbesondere keine Sperrminorität besessen.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Er habe bei der Unternehmensgründung selbst nicht genügend Geld für die Hälfte des Stammkapitals zur Verfügung gehabt. Intern hätten mündliche Absprachen bestanden, ihm alle Freiheiten für die Führung der Firma zu gewähren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Januar 2009 abgewiesen.
Die für die Entscheidung nach § 7 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) maßgebliche vertragliche Rechtslage sei hier durch den (ersten) Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 2) vom 4. September 1979 geprägt. Danach habe der Kläger nur ein Drittel des Stammkapitals inne gehabt. Nach § 5 des Vertrages seien Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zu fassen gewesen. Der Kläger habe also über keine Sperrminorität verfügt. Der Kläger habe allein aufgrund der rechtlichen Verhältnisse keinen Einfluss auf die Gesellschaft in der Form nehmen können, dass er gegen den Willen des zweiten Gesellschafters habe schalten und walten können, wie er gewollt habe. Sonderrechte, die der Kläger nicht konkretisiert habe, hätten sich lediglich aus mündlichen Absprachen ergeben. An dieser rechtlichen Position habe sich auch nichts dadurch geändert, dass der Mitgesellschafter primär das Unternehmen seines Vaters weitergeführt und selbst keine oder kaum Tätigkeiten für die Beigeladene zu 2) ausgeübt habe. Der Mitgesellschafter sei jedenfalls aus der gleichen Branche gekommen und habe die gleichen Kenntnisse gehabt und hätte jederzeit in der Werbeagentur voll mitarbeiten können. Erst 1992 sei der Mitgesellschafter bereit gewesen, so viel von seinem Gesellschaftsanteil abzugeben, dass eine hälftige Verteilung des Kapitals entstanden sei. Dies mache hinreichend deutlich, dass der Kläger bis dahin von dem Mehrheitsgesellschafter in den bedeutenden Fragen abhängig gewesen sei. Da die Kammer die Aussagen des Klägers als wahr unterstellt habe, habe der Mehrheitsgesellschafter nicht gehört werden müssen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Es sei despektierlich, wenn das Gericht ihm nicht glaube 1979 zwar 17.000,- DM, aber nicht 25.000,- DM zur Gründung der GmbH aufbringen haben zu können. Es dürfe ihm auch nicht vorgeworfen werden, siebenundzwanzig Jahre lang den Status eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgenutzt zu haben, da er diesbezüglich gerade einem Irrtum unterlegen sei. Nach der Rechtsprechung dürften aus der fehlerhaften Entrichtung von Beiträgen und deren widerspruchsloser Entgegennahme durch die Einzugsstellen keine Rückschlüsse auf den Status gezogen werden.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.Februar 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Fa. S, Sstr. , B in der Zeit vom 4. September 1979 bis 31. Dezember 1992 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das SG von einer Beweiserhebung wegen Wahrunterstellung abgesehen habe und dass das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zum GmbH-Geschäftsführer stehen dürfte. Im Erörterungstermin am 8. Juni 2009 ist weiter der Hinweis auf eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht zu dieser Vorgehensweise hingewiesen worden.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Es fehlt nicht am erforderlichen berechtigten Interesse nach § 55 Abs. 1 SGG, einer besonderen Ausformung des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses. Ganz allgemein ist eine Klage unzulässig, wenn ein Rechtsstreit dem Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4 - 2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Dies ist hier jedoch nicht sicher der Fall. Möglicherweise könnte der Kläger bei einem Erfolg Beiträge zurückfordern, ohne dass der Einwand der Verjährung greifen müsste.
Die Klage ist danach zulässig aber unbegründet, wie das SG im angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975). Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum fehlenden rechtlichen Einfluss als Minderheitsgesellschafter. Auf den Umstand, dass der Kläger ausweislich des GmbH-Gründungsvertrags entgegen seinem Vortrag als Geschäftsführer nicht vom Verbot des § 181 BGB befreit war, kommt es dabei nicht einmal an. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, reicht ein tatsächliches Einvernehmen zwischen dem GmbH-Geschäftsführer, der nicht mindestens 50 % der GmbH-Anteile hält oder über eine rechtlich gesicherte Sperrminorität verfügt, nicht aus. Dass die beiden Gesellschafter über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten und der Kläger faktisch wie ein Alleingesellschafter agieren konnte, ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständig bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Die Übernahme einer Bürgschaft für den Kontokorrentkredit der Beigeladenen zu 2) und die Stellung eines kapitalersetzenden Darlehens können zwar ein Unternehmerrisiko beträchtlichen Umfanges bedeuten, der Kläger ist jedoch die Verpflichtungen erst zu einem Zeitpunkt eingegangen, welcher nicht zum streitgegenständlichen Zeitraum gehört.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er als geschäftsführender Gesellschafter der Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 4. September 1979 bis 31. Dezember 1992 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei.
Der Kläger ist Kaufmann und gründete am 4. September 1979 mit Herrn H F die Beigeladene zu 2). Zuvor war der Kläger von 1974 bis 1979 beim Vater seines Mitgesellschafters A F angestellt gewesen. In § 5 des Gesellschaftsvertrages bestimmten die Gesellschafter, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst würden, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibe. Auf je angefangene 1.000,- DM Geschäftsanteile entfalle eine Stimme. Der Kläger übernahm 17.000,- DM (ein Drittel), Herr F 34.000,- DM des Stammkapitals (§ 3). Nach § 6 wurde der Kläger zum Geschäftsführer bestellt.
Am 21. Dezember 1992 beschlossen die Gesellschafter die Teilung des Gesellschaftsanteiles des bisherigen Mehrheitsgesellschafters und die Abtretung eines Geschäftsanteiles in Höhe von 8.500,- DM an den Kläger, so dass nunmehr beide Gesellschafter jeweils die Hälfte des Stammkapitals als Einlage übernahmen.
Am 28. August 2006 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung und einen von ihm und der Beigeladenen zu 2) - unterschrieben vom Mitgesellschafter F - unterschriebenen Fragebogen ein. Er sei in seiner Tätigkeit weder nach Ort, Zeit oder Art weisungsgebunden gewesen. Sämtliche Verantwortungsbereiche innerhalb der Beigeladenen zu 2) seien vom Mitgesellschafter und ihm in absolut gleichberechtigter Stellung betreut worden. Entscheidungen seien gemeinsam getroffen worden. Er sei als Geschäftsführer allein vertretungsbefugt und von § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit gewesen. Insgesamt sei er der Meinung, dass im streitgegenständlichen Zeitraum seine Unternehmereigenschaft überwogen habe und beantrage eine diesbezügliche Entscheidung. Im Fragebogen gab er an, durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern zu können. Er habe eine Bürgschaft für den Kontokorrentkredit übernommen. Seine Vergütung in Höhe von 6.800,- DM brutto sei als Gehalt und Betriebsausgabe verbucht worden. Beigefügt waren u. a. Vertragsunterlagen (Darlehen und Bürgschaft) aus dem Jahre 2001.
Die Beklagte gelangte im Bescheid vom 22. November 2006 zu der Beurteilung, dass im streitgegenständlichen Zeitraum ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorgelegen habe.
Der Kläger erhob Widerspruch. Er sei zuvor nicht angehört worden. Zwar sei er damals Minderheitengesellschafter gewesen, er habe aber seiner Position nach eine Sperrminorität gehabt. Der Mehrheitsgesellschafter sei in dem vom Vater übernommenen väterlichen Betrieb tätig gewesen und habe sich der Beigeladenen zu 2) nicht gewidmet. Einzig er, der Kläger, habe eine herausragende Position eingenommen. Ein wesentliches Indiz gegen Abhängigkeit sei die Abbedingung des Selbstkontrahierungsverbotes nach § 181 BGB. Niemand habe schließlich bei ihm Urlaub oder Krankheit erfasst oder kontrolliert. Der Kläger habe so gut wie nie Urlaub genommen, sondern sich allenfalls einmal ein freies Wochenende gegönnt. Er habe sich sechzig bis siebzig Wochenstunden für sein Unternehmen engagiert.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 5. Februar 2007 zurück. Er habe als Minderheitsgesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 2) gehabt, habe insbesondere keine Sperrminorität besessen.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Er habe bei der Unternehmensgründung selbst nicht genügend Geld für die Hälfte des Stammkapitals zur Verfügung gehabt. Intern hätten mündliche Absprachen bestanden, ihm alle Freiheiten für die Führung der Firma zu gewähren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Januar 2009 abgewiesen.
Die für die Entscheidung nach § 7 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) maßgebliche vertragliche Rechtslage sei hier durch den (ersten) Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 2) vom 4. September 1979 geprägt. Danach habe der Kläger nur ein Drittel des Stammkapitals inne gehabt. Nach § 5 des Vertrages seien Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zu fassen gewesen. Der Kläger habe also über keine Sperrminorität verfügt. Der Kläger habe allein aufgrund der rechtlichen Verhältnisse keinen Einfluss auf die Gesellschaft in der Form nehmen können, dass er gegen den Willen des zweiten Gesellschafters habe schalten und walten können, wie er gewollt habe. Sonderrechte, die der Kläger nicht konkretisiert habe, hätten sich lediglich aus mündlichen Absprachen ergeben. An dieser rechtlichen Position habe sich auch nichts dadurch geändert, dass der Mitgesellschafter primär das Unternehmen seines Vaters weitergeführt und selbst keine oder kaum Tätigkeiten für die Beigeladene zu 2) ausgeübt habe. Der Mitgesellschafter sei jedenfalls aus der gleichen Branche gekommen und habe die gleichen Kenntnisse gehabt und hätte jederzeit in der Werbeagentur voll mitarbeiten können. Erst 1992 sei der Mitgesellschafter bereit gewesen, so viel von seinem Gesellschaftsanteil abzugeben, dass eine hälftige Verteilung des Kapitals entstanden sei. Dies mache hinreichend deutlich, dass der Kläger bis dahin von dem Mehrheitsgesellschafter in den bedeutenden Fragen abhängig gewesen sei. Da die Kammer die Aussagen des Klägers als wahr unterstellt habe, habe der Mehrheitsgesellschafter nicht gehört werden müssen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Es sei despektierlich, wenn das Gericht ihm nicht glaube 1979 zwar 17.000,- DM, aber nicht 25.000,- DM zur Gründung der GmbH aufbringen haben zu können. Es dürfe ihm auch nicht vorgeworfen werden, siebenundzwanzig Jahre lang den Status eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgenutzt zu haben, da er diesbezüglich gerade einem Irrtum unterlegen sei. Nach der Rechtsprechung dürften aus der fehlerhaften Entrichtung von Beiträgen und deren widerspruchsloser Entgegennahme durch die Einzugsstellen keine Rückschlüsse auf den Status gezogen werden.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.Februar 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Fa. S, Sstr. , B in der Zeit vom 4. September 1979 bis 31. Dezember 1992 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das SG von einer Beweiserhebung wegen Wahrunterstellung abgesehen habe und dass das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zum GmbH-Geschäftsführer stehen dürfte. Im Erörterungstermin am 8. Juni 2009 ist weiter der Hinweis auf eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht zu dieser Vorgehensweise hingewiesen worden.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Es fehlt nicht am erforderlichen berechtigten Interesse nach § 55 Abs. 1 SGG, einer besonderen Ausformung des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses. Ganz allgemein ist eine Klage unzulässig, wenn ein Rechtsstreit dem Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4 - 2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Dies ist hier jedoch nicht sicher der Fall. Möglicherweise könnte der Kläger bei einem Erfolg Beiträge zurückfordern, ohne dass der Einwand der Verjährung greifen müsste.
Die Klage ist danach zulässig aber unbegründet, wie das SG im angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975). Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum fehlenden rechtlichen Einfluss als Minderheitsgesellschafter. Auf den Umstand, dass der Kläger ausweislich des GmbH-Gründungsvertrags entgegen seinem Vortrag als Geschäftsführer nicht vom Verbot des § 181 BGB befreit war, kommt es dabei nicht einmal an. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, reicht ein tatsächliches Einvernehmen zwischen dem GmbH-Geschäftsführer, der nicht mindestens 50 % der GmbH-Anteile hält oder über eine rechtlich gesicherte Sperrminorität verfügt, nicht aus. Dass die beiden Gesellschafter über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten und der Kläger faktisch wie ein Alleingesellschafter agieren konnte, ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständig bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Die Übernahme einer Bürgschaft für den Kontokorrentkredit der Beigeladenen zu 2) und die Stellung eines kapitalersetzenden Darlehens können zwar ein Unternehmerrisiko beträchtlichen Umfanges bedeuten, der Kläger ist jedoch die Verpflichtungen erst zu einem Zeitpunkt eingegangen, welcher nicht zum streitgegenständlichen Zeitraum gehört.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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