L 18 AS 1814/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 156 AS 11571/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1814/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2009 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe Unter Beiordnung von Rechtsanwalt MW, O, B, bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Dem Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren bei dem Sozialgericht (SG) Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt W zu bewilligen (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Entgegen der vom SG vertretenen Rechtsauffassung lässt sich die hinreichende Erfolgsaussicht für die von dem - bedürftigen - Kläger angestrengte Rechtsverfolgung nicht verneinen.

Die erforderliche Erfolgsaussicht ist deswegen begründet, weil die entscheidungserhebliche Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) auch bei nichtdeutschen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union - wie dem Kläger - zum Tragen kommt, höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist. Die Ablehnung der Bewilligung von PKH kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellte Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 und 2 BvR 656/06 - juris - m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009 - C-22/08 - juris) kann sich nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates hergestellt hat, auf Art. 39 Abs. 2 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung kann sich danach bereits daraus ergeben, dass der Betreffende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedstaat gesucht hatte, wie dies der Kläger auch behauptet. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 EG vom 29. April 2004 (ABl. L 158 vom 30. April 2004, 77) betrifft demgegenüber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe"; insoweit wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Anspruchsvoraussetzung wie die der Erwerbsfähigkeit in § 8 SGB II, die in der Bundesrepublik Deutschland für die Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen ist, ein Hinweis darauf sein kann, dass diese Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern soll (vgl. EuGH a.a.O.). Im letztgenannten Fall wäre aber Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 von vornherein nicht einschlägig mit dem Ergebnis, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bei europarechtskonformer Auslegung der Norm dem Anspruch des Klägers nicht entgegenstünde. In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird die entscheidungserhebliche Frage des Leistungsausschlusses bislang jedenfalls unterschiedlich beantwortet (vgl. zum Meinungsstand: Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rz. 15-19).

Der Klage konnte und kann daher eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, zumal das SG verfahrensfehlerhaft über den bereits im Zusammenhang mit der Klageerhebung gestellten PKH-Antrag vom 4. April 2008 (!) erst zeitgleich mit dem instanzbeendenden Gerichtsbescheid vom 21. September 2009 entschieden und die Ablehnung des Antrags mit dem aus dem Gerichtsbescheid ersichtlichen Fehlen einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg des Hauptsacheverfahrens begründet hat (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 – B 2 U 165/06 B = SozR 4-1500 § 62 Nr. 9).). Im Verfahren des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - S 65 AS 18112/07 ER - hatte das SG zudem "bei summarischer Prüfung" einen Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verneint (Beschluss vom 22. August 2007 unter Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 ER - juris).

Eine Kostenentscheidung hat im PKH- Beschwerdeverfahren nicht zu ergehen (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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