Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AS 5249/09 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein unter 25-jähriger Hilfeempfänger, der bereits außerhalb des Leistungsbezuges eigenständig gewohnt hatte, muss keine Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II einholen, wenn er umziehen möchte.
Bemerkung
Ein unter 25-jähriger Hilfeempfänger, der bereits außerhalb des Leistungsbezuges eigenständig gewohnt hatte, muss keine Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II einholen, wenn er umziehen möchte.
Wenn die Behörde den obdachlosen Hilfeempfänger auf di
Wenn die Behörde den obdachlosen Hilfeempfänger auf di
1. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig Leistungen für die Unterkunft und Heizung in der Wohnung in der G. straße X in R. als Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft mit einer weiteren Person nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu erbringen. 2. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zustimmung zu einem beabsichtigten Umzug gemäß § 22 Abs. 2a Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der am 1989 geborene Antragsteller ist derzeit obdachlos. Der Mutter des Antragstellers war im Jahr 2004 die elterliche Sorge entzogen worden. Der Antragsteller hatte sodann in einem Kinderheim gelebt, war jedoch im Jahr 2006 auf Grund schulischer Schwierigkeiten in die Wohnung seiner Mutter und deren Lebensgefährten zurückgekehrt. Seit Dezember 2007 wohnen seine Mutter, ihr Lebensgefährte und zwei weitere Kinder in einer Wohnung in der B. str. X in R ... Die Familie bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller war zunächst in diese Wohnung mit eingezogen, Anfang 2009 aber zu seiner damaligen Freundin nach D. gezogen. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in einem Ausbildungsverhältnis und nahm in D. kein Arbeitslosengeld II in Anspruch. Am 01.06.2009 musste der Antragsteller aus der Wohnung seiner früheren Freundin ausziehen, nachdem es zu einem Zerwürfnis gekommen war. Seitdem hat der Antragsteller keinen festen Wohnsitz und übernachtet bei Freunden, seiner Schwester und gelegentlich bei seiner Mutter. Mit Bescheid vom 09.07.2009 bewilligte die Agentur für Arbeit Dresden dem Antragsteller Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 148,20 EUR. Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach, ohne dass es hierfür jegliche Rechtsgrundlage gäbe, wieder weggeschickt hatte, gelang es dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 24.09.2009 auf postalischem Wege, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für den Antragsteller beim Antragsgegner anzubringen. Der Antragsteller beabsichtigte nunmehr, mit Frau G. in Form einer Wohngemeinschaft in eine Wohnung in der G. straße X in R. zu ziehen. Hierzu legte er ein Wohnungsangebot des Vermieters vor, demzufolge die Grundmiete 255 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 73,50 EUR, die Kabel-TV-Kosten 10,50 EUR und die Heizkostenvorauszahlung 46 EUR, die Warmmiete insgesamt also monatlich 385 EUR beträgt. Mit Bescheid vom 19.10.2009 lehnte der Antragsgegner die Zusicherung für den Umzug ab. Mit Bescheid vom 23.10.2009 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für Sep-tember 2009 3,68 EUR und für Oktober 2009 bis Februar 2010 monatlich 168,80 EUR. Der Antragsteller erhob am 21.10.2009 Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.10.2009, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2009 zurückwies. Am selben Tag führte der Antragsgegner einen Hausbesuch bei der Mutter des Antragstellers durch. Der Antragsteller hat am 23.10.2009 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dresden gestellt und zugleich Klage erhoben, die unter dem Az. S 10 AS 5266/09 geführt wird und über die bislang noch nicht entschieden ist. In der Familie bestünden seit Jahren erhebliche soziale Probleme. Das Zimmer in der Wohnung der Mutter, in das er einziehen solle, sei nur 7,6 m² groß. Mit dem Lebensgefährten der Mutter bestünden weiterhin erhebliche Differenzen. Es komme zu verbalen Entgleisungen und ständigen Zankereien. Der Antragsteller beantragt, Der Antragsgegner wird einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller die An-gemessenheit der Wohnung G. str. X, R. zu bestätigen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Notwendigkeit des Umzuges zu bestätigen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen. Es fehle ein schlüssiger Vortrag zum Aufenthaltsort des Antragstellers. Zwar lägen Meinungsverschiedenheiten vor, allerdings reichten diese allein für einen Auszug nicht aus. Es bestehe kein Anordnungsgrund. Es sei fraglich, wieso der Antragsteller gerade in diese Wohnung ziehen müsse. Am 02.11.2009 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Antragsteller ausführlich persönlich angehört und seine Mutter, Frau H. , als Zeugin vernommen worden ist. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte S 10 AS 5266/09 und der vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung, d.h. bis zur Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsverfahren und bis zu einer Entscheidung des Gerichts im ggf. anschließenden Klageverfahren, müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR 42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern (Säch-sisches LSG, Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers handeln (Berlit, info also 2005, 3, 7; Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.04.2005 - L 3 B 30/05 AS/ER; Beschluss vom 19.09.2005 -L 3 B 155/05 AS/ER). Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie nach gebotener summarischer Prüfung der Sachlage zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass ei-ner einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist es zur Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dass die beantragte einstweilige Anordnung erlassen wird. Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Wohnung in der G. straße X in R. gegen den Antragsgegner hat. Die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II ist nicht erforderlich. Selbst wenn sie erforderlich wäre, wäre jedenfalls der Antragsgegner verpflichtet, sie wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu erteilen. Es ist bereits keine gesetzliche Grundlage dafür ersichtlich, vom Antragsteller die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II zu verlangen. Denn die Anwendbarkeit dieser erheblich in die Freiheitsrechte junger Hilfebedürftiger eingreifende Vorschrift bleibt nach der einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur jedenfalls auf die Fälle des Erstbezuges einer eigenen Wohnung begrenzt (Berlit, in: Münder, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn. 87; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 80b). In den Fällen, in denen ein unter 25-jähriger Hilfeempfänger ohne Leistungsbezug außerhalb des elterlichen Hauhalts gelebt hat, kann ein Leistungsausschluss nur dann angenommen werden, wenn die strengen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II gegeben sind (LSG Hamburg, Beschluss vom 24.01.2008 – L 5 B 504/07 ER AS –). Davon, dass der Antragsteller absichtlich die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung herbeiführen würde, spricht nicht einmal der Antragsgegner; dies ist in Anbetracht aller Umstände des Falles auch auszuschließen. Der Bescheid vom 19.10.2009 entbehrt bereits aus diesem Grunde jeglicher Rechtsgrundlage. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung in der Wohnung in der G. straße X in R. für den Antragsteller als Mitbewohner in einer Wohnge-meinschaft mit einer weiteren Person nicht angemessen wären, sind weder vom Antragsgegner vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Selbst wenn man jedoch wie der Antragsgegner annähme, dass vom Antragsteller die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II verlangt werden könnte, hätte der Antragsgegner diese jedenfalls gemäß § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II erteilen müssen, weil der Antragsteller aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden kann. Zwar mag dem Antragsgegner dahingehend zugestimmt werden, dass bloße Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern nicht als schwerwiegende soziale Gründe in diesem Sinne angesehen werden könnten. Woher allerdings der Antragsgegner die Erkenntnis gewonnen hat, dass zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater "bloße Meinungsverschiedenheiten" vorlägen, bleibt im Dunkeln. Der Antragsgegner blendet in diesem Zusammenhang völlig aus, dass es zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater jahrelange Auseinan-dersetzungen gegeben hat, die in massive Tätlichkeiten gipfelten und letztlich die Heimunterbringung des Antragstellers begründeten. Die Mutter des Antragstellers hat als Zeugin glaubhaft geschildert, dass die Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und ihrem Lebensgefährten nach der vorübergehenden Rückkehr des Antragstellers in die mütterliche Wohnung angedauert hätten und sie deshalb vielfach ohne Erfolg um behördliche Hilfe ersucht habe. Unter diesen Umständen hätte es sich dem Antragsgegner aufdrängen müssen, die Akten des Jugendamtes und des Amtes für Arbeit und Soziales bezüglich der Vorsprachen der Mutter des Antragstellers beizuziehen, um die aktenkundige Geschichte des Konfliktes zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater nachvollziehen zu können. Ferner hätte der Antragsgegner – sofern er den Antragsteller auf die Rückkehr in die mütterliche Wohnung verweisen will – die familiäre Situation fachkundig und professionell erheben und bewerten müssen. Hierzu dürften dem Antragsgegner Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Familientherapeuten, Jugend- oder Familienhelfer oder ähnlich qualifizier-te Experten zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte sich der Antragsgegner externen fachkundigen Rat einholen müssen. Denn es erscheint dem Gericht ausgeschlossen, dass in der Widerspruchsstelle des Antragsgegners fachkundiger Sachverstand vorhanden ist, der die aktuelle familiäre Situation und die (Un-)Wahrscheinlichkeit eines erneuten Eskalierens der Konflikte in der Familie des Antragstellers fundiert bewerten könnte. Jedenfalls hat der Antragsgegner es unterlassen, die entsprechende fachkundige Einschätzung dem Gericht vorzulegen. In diesem Zusammenhang ist der Antragsgegner dringend auf seine Verpflichtungen nach §§ 14, 15 SGB I hinzuweisen. Es ist für das Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Mutter des Antragstellers sich permanent in familiären Notsituationen an verschiedene Ämter des Antragsgegners wendet, ohne dass ihr ein brauchbares Hilfsangebot unterbreitet wird, der Antragsgegner sich dann aber anmaßt, die familiäre Situation durch die Antragsablehnung gegenüber dem Antragsteller weiter zu eskalieren, ohne die möglichen Folgen dieser Handlungsweise ansatzweise nachvollziehbar und fachkundig durchdacht zu haben. Besonders bedenklich erscheint dem Gericht diese Einstellung und Verfahrensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die erst vor wenigen Monaten in der Presse umfangreich diskutierten Missstände innerhalb des Jugendamtes des Antragsgegners. Vor diesem Hintergrund hält es das Gericht für dringend angezeigt, dass der Antragsgegner grundlegende organisatorische und strukturelle Ände-rungen in seinen Ämtern vornimmt, um Hilfesuchenden die ihnen nach §§ 14, 15 SGB I zustehende Betreuung zu gewährleisten und Gefahrenlagen familiärer Gewalt wirksam entgegenzutreten. Ein Anordnungsgrund ist ohne Weiteres zu bejahen, da ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass ein Rechtsverlust seitens des Antragstellers eintreten würde. Es wäre lebensfremd zu erwarten, dass der Vermieter die Wohnung für den Antragsteller bis zum Abschluss des Rechtsstreits in der Hauptsache bereit halten würde. Das Gericht schließt sich der Auffassung des LSG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 22.07.2008 – L 10 B 203/08 –) an, dass eine Zusi-cherung in den in § 22 SGB II geregelten Fällen nur unter sehr engen Voraussetzungen im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig erteilt werden kann. Letztlich konnte offen bleiben, ob ein solcher Fall hier vorliegt. Jedenfalls gebietet es der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, für den Antragsteller bereits im Vorfeld des Mietsvertragsabschlusses die Möglichkeit zu eröffnen, eine gewisse vorläufige Klärung der Rechtslage herbeiführen zu können. Da der Antragsteller derzeit obdachlos ist, ist eine erhebliche Eilbedürftigkeit gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Vorsorglich wird auf § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG hingewiesen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zustimmung zu einem beabsichtigten Umzug gemäß § 22 Abs. 2a Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der am 1989 geborene Antragsteller ist derzeit obdachlos. Der Mutter des Antragstellers war im Jahr 2004 die elterliche Sorge entzogen worden. Der Antragsteller hatte sodann in einem Kinderheim gelebt, war jedoch im Jahr 2006 auf Grund schulischer Schwierigkeiten in die Wohnung seiner Mutter und deren Lebensgefährten zurückgekehrt. Seit Dezember 2007 wohnen seine Mutter, ihr Lebensgefährte und zwei weitere Kinder in einer Wohnung in der B. str. X in R ... Die Familie bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller war zunächst in diese Wohnung mit eingezogen, Anfang 2009 aber zu seiner damaligen Freundin nach D. gezogen. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in einem Ausbildungsverhältnis und nahm in D. kein Arbeitslosengeld II in Anspruch. Am 01.06.2009 musste der Antragsteller aus der Wohnung seiner früheren Freundin ausziehen, nachdem es zu einem Zerwürfnis gekommen war. Seitdem hat der Antragsteller keinen festen Wohnsitz und übernachtet bei Freunden, seiner Schwester und gelegentlich bei seiner Mutter. Mit Bescheid vom 09.07.2009 bewilligte die Agentur für Arbeit Dresden dem Antragsteller Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 148,20 EUR. Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach, ohne dass es hierfür jegliche Rechtsgrundlage gäbe, wieder weggeschickt hatte, gelang es dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 24.09.2009 auf postalischem Wege, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für den Antragsteller beim Antragsgegner anzubringen. Der Antragsteller beabsichtigte nunmehr, mit Frau G. in Form einer Wohngemeinschaft in eine Wohnung in der G. straße X in R. zu ziehen. Hierzu legte er ein Wohnungsangebot des Vermieters vor, demzufolge die Grundmiete 255 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 73,50 EUR, die Kabel-TV-Kosten 10,50 EUR und die Heizkostenvorauszahlung 46 EUR, die Warmmiete insgesamt also monatlich 385 EUR beträgt. Mit Bescheid vom 19.10.2009 lehnte der Antragsgegner die Zusicherung für den Umzug ab. Mit Bescheid vom 23.10.2009 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für Sep-tember 2009 3,68 EUR und für Oktober 2009 bis Februar 2010 monatlich 168,80 EUR. Der Antragsteller erhob am 21.10.2009 Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.10.2009, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2009 zurückwies. Am selben Tag führte der Antragsgegner einen Hausbesuch bei der Mutter des Antragstellers durch. Der Antragsteller hat am 23.10.2009 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dresden gestellt und zugleich Klage erhoben, die unter dem Az. S 10 AS 5266/09 geführt wird und über die bislang noch nicht entschieden ist. In der Familie bestünden seit Jahren erhebliche soziale Probleme. Das Zimmer in der Wohnung der Mutter, in das er einziehen solle, sei nur 7,6 m² groß. Mit dem Lebensgefährten der Mutter bestünden weiterhin erhebliche Differenzen. Es komme zu verbalen Entgleisungen und ständigen Zankereien. Der Antragsteller beantragt, Der Antragsgegner wird einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller die An-gemessenheit der Wohnung G. str. X, R. zu bestätigen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Notwendigkeit des Umzuges zu bestätigen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen. Es fehle ein schlüssiger Vortrag zum Aufenthaltsort des Antragstellers. Zwar lägen Meinungsverschiedenheiten vor, allerdings reichten diese allein für einen Auszug nicht aus. Es bestehe kein Anordnungsgrund. Es sei fraglich, wieso der Antragsteller gerade in diese Wohnung ziehen müsse. Am 02.11.2009 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Antragsteller ausführlich persönlich angehört und seine Mutter, Frau H. , als Zeugin vernommen worden ist. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte S 10 AS 5266/09 und der vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung, d.h. bis zur Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsverfahren und bis zu einer Entscheidung des Gerichts im ggf. anschließenden Klageverfahren, müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR 42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern (Säch-sisches LSG, Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers handeln (Berlit, info also 2005, 3, 7; Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.04.2005 - L 3 B 30/05 AS/ER; Beschluss vom 19.09.2005 -L 3 B 155/05 AS/ER). Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie nach gebotener summarischer Prüfung der Sachlage zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass ei-ner einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist es zur Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dass die beantragte einstweilige Anordnung erlassen wird. Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Wohnung in der G. straße X in R. gegen den Antragsgegner hat. Die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II ist nicht erforderlich. Selbst wenn sie erforderlich wäre, wäre jedenfalls der Antragsgegner verpflichtet, sie wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu erteilen. Es ist bereits keine gesetzliche Grundlage dafür ersichtlich, vom Antragsteller die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II zu verlangen. Denn die Anwendbarkeit dieser erheblich in die Freiheitsrechte junger Hilfebedürftiger eingreifende Vorschrift bleibt nach der einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur jedenfalls auf die Fälle des Erstbezuges einer eigenen Wohnung begrenzt (Berlit, in: Münder, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn. 87; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 80b). In den Fällen, in denen ein unter 25-jähriger Hilfeempfänger ohne Leistungsbezug außerhalb des elterlichen Hauhalts gelebt hat, kann ein Leistungsausschluss nur dann angenommen werden, wenn die strengen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II gegeben sind (LSG Hamburg, Beschluss vom 24.01.2008 – L 5 B 504/07 ER AS –). Davon, dass der Antragsteller absichtlich die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung herbeiführen würde, spricht nicht einmal der Antragsgegner; dies ist in Anbetracht aller Umstände des Falles auch auszuschließen. Der Bescheid vom 19.10.2009 entbehrt bereits aus diesem Grunde jeglicher Rechtsgrundlage. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung in der Wohnung in der G. straße X in R. für den Antragsteller als Mitbewohner in einer Wohnge-meinschaft mit einer weiteren Person nicht angemessen wären, sind weder vom Antragsgegner vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Selbst wenn man jedoch wie der Antragsgegner annähme, dass vom Antragsteller die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II verlangt werden könnte, hätte der Antragsgegner diese jedenfalls gemäß § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II erteilen müssen, weil der Antragsteller aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden kann. Zwar mag dem Antragsgegner dahingehend zugestimmt werden, dass bloße Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern nicht als schwerwiegende soziale Gründe in diesem Sinne angesehen werden könnten. Woher allerdings der Antragsgegner die Erkenntnis gewonnen hat, dass zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater "bloße Meinungsverschiedenheiten" vorlägen, bleibt im Dunkeln. Der Antragsgegner blendet in diesem Zusammenhang völlig aus, dass es zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater jahrelange Auseinan-dersetzungen gegeben hat, die in massive Tätlichkeiten gipfelten und letztlich die Heimunterbringung des Antragstellers begründeten. Die Mutter des Antragstellers hat als Zeugin glaubhaft geschildert, dass die Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und ihrem Lebensgefährten nach der vorübergehenden Rückkehr des Antragstellers in die mütterliche Wohnung angedauert hätten und sie deshalb vielfach ohne Erfolg um behördliche Hilfe ersucht habe. Unter diesen Umständen hätte es sich dem Antragsgegner aufdrängen müssen, die Akten des Jugendamtes und des Amtes für Arbeit und Soziales bezüglich der Vorsprachen der Mutter des Antragstellers beizuziehen, um die aktenkundige Geschichte des Konfliktes zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater nachvollziehen zu können. Ferner hätte der Antragsgegner – sofern er den Antragsteller auf die Rückkehr in die mütterliche Wohnung verweisen will – die familiäre Situation fachkundig und professionell erheben und bewerten müssen. Hierzu dürften dem Antragsgegner Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Familientherapeuten, Jugend- oder Familienhelfer oder ähnlich qualifizier-te Experten zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte sich der Antragsgegner externen fachkundigen Rat einholen müssen. Denn es erscheint dem Gericht ausgeschlossen, dass in der Widerspruchsstelle des Antragsgegners fachkundiger Sachverstand vorhanden ist, der die aktuelle familiäre Situation und die (Un-)Wahrscheinlichkeit eines erneuten Eskalierens der Konflikte in der Familie des Antragstellers fundiert bewerten könnte. Jedenfalls hat der Antragsgegner es unterlassen, die entsprechende fachkundige Einschätzung dem Gericht vorzulegen. In diesem Zusammenhang ist der Antragsgegner dringend auf seine Verpflichtungen nach §§ 14, 15 SGB I hinzuweisen. Es ist für das Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Mutter des Antragstellers sich permanent in familiären Notsituationen an verschiedene Ämter des Antragsgegners wendet, ohne dass ihr ein brauchbares Hilfsangebot unterbreitet wird, der Antragsgegner sich dann aber anmaßt, die familiäre Situation durch die Antragsablehnung gegenüber dem Antragsteller weiter zu eskalieren, ohne die möglichen Folgen dieser Handlungsweise ansatzweise nachvollziehbar und fachkundig durchdacht zu haben. Besonders bedenklich erscheint dem Gericht diese Einstellung und Verfahrensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die erst vor wenigen Monaten in der Presse umfangreich diskutierten Missstände innerhalb des Jugendamtes des Antragsgegners. Vor diesem Hintergrund hält es das Gericht für dringend angezeigt, dass der Antragsgegner grundlegende organisatorische und strukturelle Ände-rungen in seinen Ämtern vornimmt, um Hilfesuchenden die ihnen nach §§ 14, 15 SGB I zustehende Betreuung zu gewährleisten und Gefahrenlagen familiärer Gewalt wirksam entgegenzutreten. Ein Anordnungsgrund ist ohne Weiteres zu bejahen, da ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass ein Rechtsverlust seitens des Antragstellers eintreten würde. Es wäre lebensfremd zu erwarten, dass der Vermieter die Wohnung für den Antragsteller bis zum Abschluss des Rechtsstreits in der Hauptsache bereit halten würde. Das Gericht schließt sich der Auffassung des LSG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 22.07.2008 – L 10 B 203/08 –) an, dass eine Zusi-cherung in den in § 22 SGB II geregelten Fällen nur unter sehr engen Voraussetzungen im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig erteilt werden kann. Letztlich konnte offen bleiben, ob ein solcher Fall hier vorliegt. Jedenfalls gebietet es der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, für den Antragsteller bereits im Vorfeld des Mietsvertragsabschlusses die Möglichkeit zu eröffnen, eine gewisse vorläufige Klärung der Rechtslage herbeiführen zu können. Da der Antragsteller derzeit obdachlos ist, ist eine erhebliche Eilbedürftigkeit gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Vorsorglich wird auf § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG hingewiesen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved