L 12 AL 1848/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1848/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Wiederaufnahmeklage des Klägers wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens.

Der 1946 geborene Kläger stammt aus der Ukraine. Er war nach seinen eigenen Angaben von 1975 bis 1982 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften in O. tätig. Nach einer Inhaftierung war er ohne feste Anstellung und führte (wohl) seine wissenschaftliche Arbeit freiberuflich weiter, bis er im September 1990 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste. Hier war er von Oktober 1990 bis Februar 1992 Assistent im Fachbereich Grundlagen der Fachhochschule F. und von März bis August 1992 Aushilfe in der dortigen Bibliothek. Von September 1992 bis Mai 1993 war er als Sägewerksarbeiter beschäftigt und nebenbei stundenweise bis 1997 als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule F. und bis Juli 1999 mit einem geringfügigen Lehrauftrag an einer Grund- und Hauptschule tätig. Außerdem führte er seine wissenschaftliche Arbeit weiter. 1995/1996 nahm der Kläger an einer Fortbildungsmaßnahme "praxisorientierte Systementwicklung in heterogenen Netzwerken" teil.

Der Kläger bezog von Oktober 1993 zur Erschöpfung des Anspruchs Arbeitslosengeld, danach Arbeitslosenhilfe, sowie zwischenzeitlich Unterhaltsgeld.

Am 9.1.2002 schlug die Beklagte dem Kläger die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung "Arbeitsförderungsbetrieb für Langzeitarbeitslose" in V. vor, die vom 14.1.2002 bis 13.1.2003 dauern sollte. Der Kläger nahm an der Maßnahme nicht teil und lehnte mit Schreiben vom 21.1.2002 die Teilnahme mit der Begründung ab, er sei Wissenschaftler und Forscher und führe wissenschaftliche Arbeiten aus. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18.2.2002 den Eintritt einer Sperrzeit vom 15.1. bis 8.4.2002 fest, den Widerspruch dagegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.3.2002 zurück. Dagegen hat der Kläger am 3.4.2002 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 9 AL 918/02) erhoben.

Nachdem der Kläger noch mehrfach betont hatte, er sei Wissenschaftler und Forscher, Weiterbildungsmaßnahmen seien für ihn unzumutbar, weil sie nichts mit seinem Beruf zu tun hätten, forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15.1. und 31.1.2002 zur Stellungnahme zu seiner Verfügbarkeit auf. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 13.2.2002 mit, er sei Berufsforscher, seine wissenschaftliche Arbeit werde er weiterführen. Er finde es nicht in Ordnung, dass die Beklagte versuche, ihn zu stören, seine Forschungsarbeit zu Ende zu bringen. Mit Bescheid vom 28.3.2002 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 2.4.2002 mit der Begründung auf, der Kläger stehe dem Arbeitsmarkt nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4.6.2002 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 4.7.2002 Klage zum SG (S 9 AL 1729/02) erhoben.

Das SG hat mit Beschluss vom 15.7.2002 die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 28.8.2003 die Klagen abgewiesen. Es habe keinerlei Zweifel, dass sich der Kläger durch seine Weigerung, trotz Rechtsfolgenbelehrung an einer zumutbaren Trainingsmaßnahme für Langzeitarbeitslose teilzunehmen, zu Recht eine zwölfwöchige Sperrzeit zugezogen habe. Auch bezüglich der Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung ab 2.4.2002 bestehe für die Kammer kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, jede ihm zumutbare Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des für ihn erreichbaren Arbeitsmarktes auszuüben, es fehle deswegen an der Verfügbarkeit.

Dagegen hat der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung (AL 9 AL 3969/03) eingelegt. Das LSG hat den Lehr- bzw. Ausbildungsplan für die dem Kläger angebotene Maßnahme "Arbeitsförderungsbetrieb für Langzeitarbeitslose" beigezogen und sodann auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.9.2004 durch Urteil vom selben Tag die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das LSG ist der Begründung des SG gefolgt und hat sowohl den Eintritt der zwölfwöchigen Sperrzeit als auch die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung wegen des Wegfalls der Verfügbarkeit als rechtmäßig bestätigt. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Die dagegen beim Bundessozialgericht (BSG) vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist von diesem durch Beschluss vom 25.11.2004 (B 11 AL 271/04 B) als unzulässig verworfen worden.

Am 18.1.2008 hat der Kläger beim SG "Aufklärungsklage" gegen die Beklagte erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, seine Fragen, die Maßnahme "Arbeitsförderungsbetrieb für Langzeitarbeitslose" vom 14.1.2002 bis 13.1.2003 betreffend, zu beantworten. Die Beklagte habe seine diesbezüglichen Schreiben vom 22.11.2004 nicht beantwortet. In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 7.4.2009 hat der Kläger erklärt, dass er mit dem vorliegenden Verfahren die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem LSG, das durch Urteil vom 21.9.2004 geendet habe, begehre.

Das SG hat daraufhin das Verfahren zuständigkeitshalber an das LSG abgegeben. Vom Senat zur Begründung seiner Wiederaufnahmeklage aufgefordert hat der Kläger zur Begründung vorgebracht, die Beklagte habe internationales Recht verletzt, indem sie seine wissenschaftlichen Leistungen abqualifiziert habe. Es sei anzunehmen, dass die Beklagte die Maßnahme "Arbeitsförderungsbetrieb für Langzeitarbeitslose" vorgeschlagen habe, obwohl die Maßnahme zu der Zeit nicht existiert habe bzw. für ihn offensichtlich unzumutbar gewesen sei. Die Beklagte habe zudem rechtlich und tatsächlich wichtige Daten für das Urteil unterdrückt oder nicht vollständig dargestellt und somit das Gericht getäuscht. Ferner seien durch die Speicherung von beweis- wichtigen Daten Informationen über ihn als Kläger und über seine Qualifikation verfälscht und unterdrückt worden, seine wissenschaftliche Qualifikation sei nicht korrekt eingetragen und später abgewertet worden, um ihn als arbeitsunwilligen Menschen darzustellen.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21.9.2004 aufzuheben und das Verfahren wiederaufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers ist nicht zulässig.

Nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden.

Im Buch 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist in § 578 Abs. 1 geregelt, dass die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage (§ 579) und durch Restitutionsklage (§ 580) erfolgen kann.

Einen Nichtigkeitsgrund bringt der Kläger ersichtlich nicht vor, er rügt weder die Besetzung des Gerichts noch die Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder befangenen Richters oder die Vertretungsbefugnis eines Beteiligten.

Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt, 1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde; 8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Von diesen Restitutionsgründen kommt nach Lage der Dinge lediglich § 580 Nr. 7b) ZPO in Betracht, alle anderen Restitutionsgründe sind dem Vorbringen des Klägers von vornherein nicht zu entnehmen.

Nach § 589 Abs. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Zur Statthaftigkeit der Restitutionsklage gehört, dass ein zulässiger Anfechtungsgrund schlüssig behauptet wird (BSG 81,46). Bei dem Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b) ZPO ist also eine schlüssiger Vortrag erforderlich, welche Urkunde der Kläger aufgefunden hat oder zu benutzen in den Stand gesetzt wurde und inwieweit diese eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Diesem Erfordernis genügt das Vorbringen des Klägers in keiner Weise. Der Kläger benennt keine bisher nicht bekannte Urkunde, nicht einmal ein bisher nicht vorliegendes Beweismittel. Sein Vorbringen erschöpft sich in dem schon bisher geäußerten Vorwurf der unrichtigen Sachbearbeitung durch die Beklagte. Diese Sachbearbeitung ist jedoch durch das rechtskräftige Urteil des LSG vom 21.9.2004 gerade als rechtmäßig bestätigt worden.

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers ist damit nicht statthaft. Sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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