Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2844/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2628/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.2.2009 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind nach einem Arbeitsunfall der Zeitpunkt des Endes der Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit im Streit.
Der 1968 geborene Kläger erlitt bei einem Arbeitsunfall am 13.11.2004 Verletzungen am Kopf. Der Kläger stand unten neben einem Gerüst, als Kollegen von ihm versuchten, eine Holzpalette zu lösen, welche an einer Gerüststange hängengeblieben war. Hierbei löste sich die Gerüststange auf einer Seite und kippte nach unten weg, wobei die Stange dem Kläger an den Kopf schlug. Aufgrund des Schlags fiel der Kläger nach hinten um in eine Absperrung (vgl. den Unfalluntersuchungsbericht vom 24.03.2005, Bl. 89 der Verwaltungsakte).
Im Durchgangsarztbericht vom 15.11.2004 gab der behandelnde Chirurg Dr. M. eine schwere Schädelkontusion, eine Platzwunde der Oberlippe, eine HWS-Distorsion sowie einen gelockerten oberen Schneidezahn links an. Der Kläger war in der Folgezeit arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten Verletztengeld. Der behandelnde Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. gab am 17.11.2004 an, dass der Kläger aufgrund des Unfallgeschehens erheblich reaktiv depressiv verstimmt sei, und diagnostizierte einen Zustand nach Commotio cerebri mit HWS-Distorsion, Tensionscephalgien sowie eine reaktive Dysthymie.
In einem Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme teilte der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. am 08.03.2005 mit, dass als Unfallfolge auf neurologisch- psychiatrischem Fachgebiet eine folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung vorliege, die keine weiteren Behandlungsmaßnahmen erfordere; als unfallunabhängige Gesundheitsstörung bestehe eine ischämische Kleinhirnläsion rechts ohne klinisches Korrelat. Bei seiner Beurteilung bezog Prof. Dr. S. ein psychologisches Zusatzgutachten der Dipl. Psych. G. M. vom 11.03.2005 ein. Insgesamt sei nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit seitens des neurologisch- psychiatrischen Fachgebiets nicht mit einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu rechnen.
Prof. Dr. W., Dr. V. und Dr. F. gaben in einem Befund- und Entlassbericht vom 10.03.2005 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 17.02. bis zum 09.03.2005 in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. als Diagnosen eine Commotio cerebri, eine Distorsion der HWS sowie eine Somatisierungsstörung an. Unfallunabhängig bestünden ein Infarkt Zerebellum rechts, ein Spannungskopfschmerz (chronisch), eine depressive Episode, eine Zahnlockerung, ein Schwindel, ein Nikotinabusus und ein Zustand nach Polytoxikomanie. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß ergebe sich nicht.
Der den Kläger weiterhin behandelnde Dr. Z. widersprach den Ausführungen der Gutachter mit Arztbericht vom 08.04.2005 da sich bereits aus dem Entlassungsbericht der Unfallklinik T. ein psychischer Befund ergebe, wie er in den Gutachten nicht beschrieben werde. Eine Übereinstimmung mit den Ausführungen des Prof. Dr. S. gebe es lediglich dahingehend, dass die Commotio cerebri als solche folgenlos ausgeheilt sei. Auch der behandelnde Chirurg Dr. M. gab gegenüber der Beklagten an (Telefonvermerk vom 11.04.2005, Bl. 93 der Verwaltungsakte), dass er den Kläger aufgrund des von ihm angegebenen Schwindels weiterhin für arbeitsunfähig halte, wozu Dr. M. auf die vom Kläger zu verrichtenden Dacharbeiten verwies.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. vertrat hierzu am 21.04.2005 die Auffassung, dass vom Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ab dem 12.04.2005 auszugehen sei.
Die Beklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 21.04.2005 die behandelnden Dres. M. und Z., eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers längstens bis zum 01.05.2005 zu bescheinigen und die Behandlung abzuschließen. Dieses Schreiben gab sie dem Kläger zur Kenntnis. Zudem wies sie die Krankenkasse des Klägers an, über den 01.05.2005 hinaus kein Verletztengeld zu ihren Lasten auszuzahlen.
Die Bevollmächtigten des Klägers widersprachen dieser Auffassung der Beklagten mit Schriftsatz vom 13.05.2005 und begründeten dies damit, dass die behandelnden Ärzte Dres. Z. und M. den Kläger wesentlich besser kennen und häufiger gesehen hätten als Prof. Dr. S ... Es sei nicht erkennbar, dass die Einwände der Dres. Z. und M. ausreichend berücksichtigt worden seien. Dem Widerspruch war eine Stellungnahme des Dr. M. vom 29.03.2005 beigefügt, wonach die als unfallunabhängig eingestuften Diagnosen im Entlassungsbericht des Unfallklinikums T. als falsch anzusehen seien.
Der Kläger hat im Juni 2005 schrittweise und ab Juli 2005 vollschichtig bei seinem früheren Arbeitgeber als Bauarbeiter, hierbei auch auf Gerüsten, gearbeitet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihre Entscheidung vom 21.04.2005 als unbegründet zurück. Nach Auswertung sämtlicher vorliegender ärztlicher Berichte könne vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 01.05.2005 ausgegangen werden. Aus den Mitteilungen der Unfallklinik T. und des Gutachters Prof. Dr. S. lasse sich entnehmen, dass eine unfallbedingte weiterführende neurologische und psychiatrische Behandlung nicht erforderlich sei. Den entgegenstehenden Ausführungen der behandelnden Ärzte könne nicht gefolgt werden.
Am 22.08.2005 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Das SG hat sachverständige Zeugenaussagen des Hausarztes Dr. Diesing (28.02.2006), von Dr. Z. (27.02.2006) und von Dr. M. (20.03.2006) eingeholt. Dr. Z. hat hierbei angegeben, dass beim Kläger eine erhebliche Angstdepression mit Vertigo und Somatisierungsstörungen als Unfallfolge festzustellen sei und deswegen weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliege. Dr. M. hat mitgeteilt, dass jedenfalls bis zum 13.05.2005 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.
Im Frühjahr 2006 hat der Kläger seinen Arbeitsplatz gekündigt und sich nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit im März und April 2006 im Juni 2006 selbstständig gemacht. Seitdem ist er Inhaber eines Betriebes mit vier Beschäftigten, in dem Fertigteile montiert werden.
Das SG hat ein Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 07.11.2006 ist angegeben, dass als Folge des Unfalls eine Anpassungsstörung mit einer Neigung zu gereizten Verstimmungen und einem phobischen Schwankschwindel vorliege. Es handele sich um eine psychiatrische Folgestörung, nicht um hirnorganische Folgezustände der stattgehabten Gehirnerschütterung. Daneben bestehe eine gering ausgeprägte Neigung zu Spannungskopfschmerzen, welche als nicht mehr krankheitswertig einzustufen sei. Der phobische Schwankschwindel sei im Zusammenwirken der Unfallbelastung mit den zuvor vorhandenen Persönlichkeitsmerkmalen des Klägers entstanden. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen habe bis zum 01.07.2005 bestanden, danach sei die Leistungsfähigkeit nur noch subjektiv leicht eingeschränkt gewesen.
Der Klägerbevollmächtigte hat eine Stellungnahme des Dr. Z. vom 24.11.2006 vorgelegt, wonach dieser der Diagnose einer Anpassungsstörung mit einer Neigung zu "verdrießlicher Stimmung" zustimmte, diese jedoch als nicht von mäßiger, sondern von deutlicher Ausprägung beurteilte. Insgesamt sei eine MdE von 30 v.H. anzunehmen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. M. vom 10.02.2007 vorgelegt, wonach beim Kläger keine objektivierbaren pathologischen organischen oder eindeutig krankhafte psychische Befunde vorlägen. Der Kläger habe sich nach dem Unfall am 13.11.2004 erst nach zwei Tagen beim Durchgangsarzt vorgestellt, andererseits aber auch im Juni 2005 wieder seine Arbeit aufgenommen und ab Juli 2005 wieder regulär gearbeitet. Nach dem Verlauf und der Aktenlage gehe er davon aus, dass beim Kläger lediglich subjektive Beschwerden im Sinne einer Somatisierungsstörung vorlägen. Die Kriterien einer Anpassungsstörung nach ICD-10 seien jedenfalls nicht erfüllt.
Sowohl Dr. Z. (Stellungnahme vom 21.06.2007) als auch der Gutachter Dr. B. (ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 27.08.2007) sind den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. M. entgegengetreten. Nach Dr. B. sei eine Anpassungsstörung gemäß den Kriterien der ICD-10 Definition nachgewiesen, was er in seinem Gutachten dargelegt habe. Seiner Auffassung nach habe bis zum Zeitpunkt der Begutachtung Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Eine weitere Behandlungsbedürftigkeit habe sich danach nicht mehr begründen lassen, da mit einer spontanen weiteren Besserung und Rückbildung der Restsymptomatik zu rechnen gewesen sei.
In einer zweiten Sachverständigenzeugenaussage vom 05.10.2007 hat Dr. Z. die Auffassung vertreten, dass als Unfallfolge eine manifeste Depression vorliege, welche über eine Anpassungsstörung hinaus gehe. Daraufhin hat der Kläger über seine Bevollmächtigten als weitere Unfallfolge auch eine manifeste Depression wie von Dr. Z. mitgeteilt geltend gemacht.
Im Auftrag des SG ist von Dr. B. am 18.12.2007 ein zweites Gutachten erstellt worden. Darin wird das Vorliegen einer depressiven Störung wie von Dr. Z. behauptet abgelehnt. Es bestehe eine Anpassungsstörung mit einer Neigung zu gereizten Verstimmungen, einer Kopfschmerzneigung und einem Schwankschwindel. Die beschriebene Anpassungsstörung sei nur noch zum Teil Folge des Unfalles, da sich im letzten Jahr im zunehmenden Maße unfallunabhängige Faktoren in den Vordergrund gedrängt hätten. Im Zeitraum der zurückliegenden 12 Monate komme den unfallbedingten Faktoren bei der Krankheitssymptomatik eine nur noch untergeordnete ursächliche Bedeutung zu. Bis November 2006 habe indes als Unfallfolge eine Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.2) von mäßiger Ausprägung mit einer Neigung zu verdrießlicher Stimmung und einem phobischen Schwankschwindel vorgelegen. Arbeitsunfähigkeit habe gemäß den Ausführungen im Vorgutachten bis zum 01.07.2005, eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit nur bis November 2006 vorgelegen.
Anschließend wurde auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Gutachten durch den Psychiater und Psychotherapeuten Dr. S. eingeholt. Im Gutachten vom 20.11.2008 werden als Diagnosen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychogenem Schwindel, ein Zustand nach Schädelprellung sowie ein Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung angegeben. Als Grund für die Entstehung der Beschwerden sei von einem Zusammenwirken verschiedener auslösender und aufrechterhaltender Bedingungen auszugehen, wobei der Arbeitsunfall Auslöser gewesen sei. Die Beschwerden seien jedoch aufrecht erhalten und teilweise noch verstärkt worden durch das Umfeld sowie Persönlichkeitseigenschaften des Klägers, für dessen Selbstwertgefühl körperliche Leistungsfähigkeit und die aktive Übernahme der Männerrolle als Ernährer der Familie von wesentlicher Bedeutung seien. Durch den Unfall und dessen Folgen habe er eine erhebliche Verunsicherung und eine länger dauernde, zunehmende Angstentwicklung durchlitten. In der Anfangsphase habe insoweit auch eine depressive Verstimmung als Reaktion auf den Unfall bestanden. Eine Anpassungsstörung habe zunächst als zeitlich begrenzte Reaktion auf ein belastendes Ereignis vorgelegen, die insoweit zu Beginn bestehenden depressiven Beschwerden seien jedoch abgeklungen und das subjektive Erleben habe Überhand genommen, so dass an die Stelle der anfänglichen Anpassungsstörung eine somatoforme Störung mit phobischem Schwindel getreten sei. Die Gesundheitsstörung sei zusammenfassend nicht ursächlich auf den Unfall vom 13.11.2004 zurückzuführen, ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Gesundheitsstörungen bestehe nicht. Der Kläger habe seine Berufstätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber zum 01.07.2005 wieder vollschichtig aufgenommen; Gründe für die Annahme einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit über den 01.05.2005 hinaus bestünden nicht. Schwerwiegende körperliche oder neurologische Störungen hätten während des Krankheitsverlaufs nicht bestanden, die psychische Beschwerdesymptomatik habe sich teilweise gebessert. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Über den 01.05.2005 hinaus hätten als Unfallfolgen nur noch der Schwindel und die Angst davor bestanden, beim Arbeiten auf Gerüsten einen Schwindel zu erleiden. Außerdem verwies der Gutachter hierbei auf die Definition der Anpassungsstörung nach der ICD-10, wonach die Symptome meistens nicht länger als 6 Monate anhielten (mit Ausnahme der längeren depressiven Reaktion, welche nicht vorliege).
Mit Urteil vom 25.02.2009 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. S. vom 20.11.2008 habe Behandlungsbedürftigkeit lediglich bis zum 01.05.2005 fortbestanden und danach auch keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Das Gutachten des Dr. S. entspreche im Wesentlichen den ebenfalls überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. B. in seinen gutachterlichen Äußerungen vom 07.11.2006, 27.08.2007 und 18.12.2007. Die danach bei dem Kläger vorübergehend aufgetretene Anpassungsstörung entsprechend den ICD 10-Kriterien habe jedenfalls am 01.05.2005 nicht mehr fortbestanden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Symptome für eine Anpassungsstörung innerhalb eines Zeitraums von einem Monat nach dem belastenden Ereignis aufträten und selten - abgesehen von depressiven Reaktionen, welche in der Regel nicht länger als 2 Jahre anhielten - länger als 6 Monate andauerten (unter Hinweis auf Schönberger / Mertens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 228). Zwar habe Dr. B. insoweit die Auffassung vertreten, dass die Anpassungsstörung auch über den 01.05.2005 hinaus fortbestanden habe, doch sei dies von Dr. B. nicht näher begründet worden und entspreche insoweit auch nicht den Grundlagen der ICD 10. Ab dem 01.05.2005 habe vielmehr statt einer Anpassungsstörung eine somatoforme Störung mit phobischem Schwindel vorgelegen, die jedoch wesentlich durch weitere Faktoren wie familiäre Spannungen und Unzufriedenheit mitausgelöst worden seien. Die gering ausgeprägte Neigung zu Spannungskopfschmerzen sei sowohl nach Dr. B. als auch nach Dr. S. ohne Krankheitswert. Die von Dr. Z. vertretene depressive Episode bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung seien abzulehnen, da nach den überzeugenden Ausführungen der Dres. B. und S. hierfür die typischen Symptome einer generellen Freudlosigkeit, Antriebsstörung bzw. Appetit- oder Libidostörung nicht festgestellt worden seien. Da andere Faktoren nach dem 01.05.2005 insoweit maßgeblich seien, habe auch keine Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des Unfallereignisses über den 01.05.2005 mehr vorgelegen. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit am 01.05.2005 werde auch dadurch indiziert, dass der Kläger bereits am 01.07.2005 wieder vollschichtig gearbeitet habe. Die fortbestehenden Beschwerden über den 01.05.2005 seien nicht mehr kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen, weswegen die insoweit bestehende Behandlungsbedürftigkeit nicht zu Lasten der Beklagten bestanden habe. Das Urteil des SG wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 11.05.2009 zugestellt.
Am 09.06.2009 haben die Bevollmächtigten des Klägers beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Vor seinem Arbeitsunfall habe der Kläger weder an einer depressiven noch an einer psychischen Erkrankung gelitten. Die Annahme der Gutachter, insoweit sei der Krankheitsverlauf des Klägers auch im Wesentlichen durch zuvor vorhandene Faktoren bzw. Persönlichkeitsmerkmale bestimmt, sei nicht haltbar. Bis zum heutigen Tag habe der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalles bei entsprechenden Assoziationen "Flashbacks", Schwindelanfälle, Kopfschmerzen sowie Konzentrationsschwächen und Erschöpfungszustände. Das SG sei insoweit in unzulässiger Weise den Ausführungen der Gutachter gefolgt und habe die Argumentation behandelnder Ärzte Dr. M. und Dr. Z. nicht ausreichend berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2005 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 01.05.2005 hinaus fortbestanden haben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.
Streitgegenstand ist vorliegend entsprechend den erstinstanzlich gestellten Anträgen ausschließlich die Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie der Behandlungsbedürftigkeit des Klägers aufgrund des Unfalles vom 13.11.2004. Insofern ist die grundsätzlich subsidiäre Feststellungsklage nach § 55 SGG vorliegend zulässig, weil sich aus der Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit eine Vielzahl von Ansprüchen gegen die Beklagte ergeben können und das genannte Feststellungsinteresse über das Interesse an der Verurteilung zu einzeln näher bestimmten Leistungen hinausgeht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rdnrn. 18 - 19b).
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten. Arbeitsunfähigkeit (AU) ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Verletztengeld wird nach Absatz 2 der Vorschrift auch erbracht, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind und die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können.
Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII endet das Verletztengeld unter anderem mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme. Damit normiert § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII die bereits aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII abzuleitende Folge, dass das Verletztengeld endet, wenn eine unfallbedingte AU nicht mehr vorliegt (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R -).
Solange durch die Unfallfolgen eine ärztliche Heilbehandlung veranlasst ist, ergibt sich der Anspruch gegenüber der Beklagten hierauf aus den §§ 26 ff. SGB VII. Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach § 26 Abs. 2 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Die Unfallversicherungsträger bestimmen nach § 26 Abs. 5 SGB VII im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei Gesundheitsschäden, bei denen wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist, wird diese in besonderen Einrichtungen erbracht (§ 33 Abs. 3 SGB VII).
Unstreitig hat der Kläger einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten, für den die Beklagte ursprünglich entschädigungspflichtig war. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens besteht nach den voranstehend genannten Vorschriften jedoch seit dem 01.05.2005 weder eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit, weshalb eine Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VII aufgrund des Unfallereignisses vom 13.11.2004 nicht mehr bestand.
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des von dem Kläger benannten Gutachters Dr. S. vom 20.11.2008, der sich zusammenfassend mit allen zuvor ergangenen ärztlichen Stellungnahmen auseinander gesetzt hat, bestehen beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychogenem Schwindel, ein Zustand nach Schädelprellung sowie ein Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung. Zwar ist der Arbeitsunfall Auslöser dieser Beschwerden gewesen, doch werden die Beschwerden aufrecht erhalten und teilweise noch verstärkt durch das Umfeld sowie Persönlichkeitseigenschaften des Klägers. Eine anfängliche depressive Verstimmung als Reaktion auf den Unfall und die Anpassungsstörung hat danach zwar zunächst als zeitlich begrenzte Reaktion auf ein belastendes Ereignis vorgelegen, die insoweit zu Beginn bestehenden depressiven Beschwerden sind jedoch abgeklungen, und das subjektive Erleben hat dann den wesentlichen Einfluss ausgeübt. Anstelle dieser zuerst aufgetretenen Beschwerden liegt nunmehr die somatoforme Störung mit phobischem Schwindel vor, die maßgeblich durch die Primärpersönlichkeit des Klägers geprägt ist. Ein Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit mit der Folge des Anspruchs auf die Gewährung von Verletztengeld hat danach nur bis zum 30.04.2005 vorgelegen.
Für diese Auffassung spricht insbesondere, dass der Kläger seine Berufstätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber zum 01.07.2005 wieder vollschichtig aufgenommen und mehr als sechs Monate lang ausgeübt hat. Auch die nachfolgende Existenzgründung eines Betriebes mit vier Beschäftigten belegt, dass eine Arbeitsunfähigkeit dauerhaft ab dem 01.05.2005 jedenfalls aufgrund des Arbeitsunfalles nicht mehr vorgelegen hat. Der Gutachter Dr. S. weist überzeugend darauf hin, dass schwerwiegende körperliche oder neurologische Störungen während des gesamten Krankheitsverlaufs nicht vorgelegen haben und die psychische Beschwerdesymptomatik sich gebessert hat.
Sofern der Gutachter Dr. B. für das Wiedervorliegen der Arbeitsfähigkeit auf den 01.07.2005 abstellt, vermag dies nicht zu überzeugen. Zum einen lag bereits im Juni die Wiederaufnahme der Beschäftigung beim alten Arbeitgeber - wenn auch in Teilzeit - vor. Zum anderen ergibt sich aus den zeitnäheren Beurteilungen des Gutachters Prof. Dr. S. vom 07.03.2005 und von Prof. Dr. W. und der Dres. V. und F. vom 10.03.2005 (nach stationärer Beobachtung des Klägers vom 17.02. bis zum 09.03.2005), dass eine die Arbeitsunfähigkeit stützende Diagnose bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestellt werden konnte. Im Hinblick auf den auch nachträglich genannten Schwindel konnten in der Untersuchung bei Prof. Dr. S. die vorgenommenen erschwerten Gang- und Standproben am 07.03.2005 ohne Weiteres und ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden, der Kläger konnte sich frei bewegen.
Soweit Dr. M. als sachverständiger Zeuge (Aussage vom 20.03.2006) eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 13.05.2005 behauptet, vermag dem der Senat bereits deswegen nicht zu folgen, weil sich aus der sachverständigen Zeugenaussage ergibt, dass diese Aussage alleine auf der Selbsteinschätzung des Klägers am 13.05.2005 beruht, er könne noch nicht wieder arbeiten.
Die von Dr. Z. getroffenen Diagnosen einer Depression (sachverständige Zeugenaussagen vom 27.02.2006 und vom 05.10.2007) oder einer posttraumatischen Belastungsstörung können zur Überzeugung des Senats im Hinblick auf die deutlich anderslautenden Ausführungen der Gutachter Dr. S., Dr. B. und Prof. Dr. S. ausgeschlossen werden. Die Ausführungen von Dr. Z. werden auch dadurch entwertet, dass die von ihm angenommene MdE von 30 v.H. angesichts der zunächst erfolgten Wiederaufnahme der alten Tätigkeit des Klägers kaum zu überzeugen scheint.
Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 [Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme] 2007) beinhaltet nach der Ziff. F 43.1 der ICD 10 (2007) eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R -). Vorliegend waren aber weder das Unfallereignis noch die nachfolgenden gesundheitlichen Komplikationen des Klägers geeignet, eine solche Störung anzunehmen.
Die von Dr. Z. angenommene depressive Episode würde nach der ICD 10 unabhängig vom Schweregrad (von leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) bis zu schweren (F32.2 und F32.3) Episoden) eine gedrückte Stimmung und eine Verminderung von Antrieb und Aktivität mit sich bringen. Der hierfür erforderliche umfangreiche Interessenverlust kann insbesondere unter Berücksichtigung der 2006 erfolgreich durchgeführten Existenzgründung und den Angaben des Klägers in der Anamnese bei Dr. B., wonach unter anderem ein unveränderter Arbeitsantrieb bestand und ihm auch zahlreiche Verrichtungen "Spaß machten" (S. 5 des Gutachtens vom 07.11.2006), nicht angenommen werden. Insofern hält der Senat die Entgegnungen des Beratungsarztes Dr. M. auf die Ausführungen des Dr. Z., wonach anhand des Gutachtens nicht vom Vorliegen eindeutig krankhafter psychischer Befunde ausgegangen werden kann, für überzeugend. Dr. M. weist insofern auch zu Recht darauf hin, dass der von Dr. Z. behauptete Verlauf einer Verschlimmerung der Gesundheitssituation über zwei Jahre nach dem Unfall nach wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht zu erwarten wäre (Stellungnahme vom 14.12.2007).
Ob die Anpassungsstörung (Ziff. F 43.2 der ICD 10), die Dr. S. insoweit zunächst als zeitweise bestehend diagnostiziert, von wesentlicher Bedeutung für die Frage der Arbeitsfähigkeit ist, kann offengelassen werden, da diese Anpassungsstörung auch nach Dr. S. längstens bis zum 01.05.2005 vorgelegen hat. Sofern Dr. Berger basierend auf der Anpassungsstörung eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis November 2006 zu begründen versucht, erscheint dies im Hinblick auf das zeitnäher erstatteten Gutachten von Prof. Dr. S. und den Entlassungsbericht der Unfallklinik T. aus dem Monat März nicht überzeugend. Auch hier hält der Senat für maßgeblich, dass der Kläger bereits seit Juli 2005 wieder vollschichtig in seinem bisherigen Beruf arbeiten konnte. Weitere Ermittlungen hielt der Senat angesichts dieses Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht für erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind nach einem Arbeitsunfall der Zeitpunkt des Endes der Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit im Streit.
Der 1968 geborene Kläger erlitt bei einem Arbeitsunfall am 13.11.2004 Verletzungen am Kopf. Der Kläger stand unten neben einem Gerüst, als Kollegen von ihm versuchten, eine Holzpalette zu lösen, welche an einer Gerüststange hängengeblieben war. Hierbei löste sich die Gerüststange auf einer Seite und kippte nach unten weg, wobei die Stange dem Kläger an den Kopf schlug. Aufgrund des Schlags fiel der Kläger nach hinten um in eine Absperrung (vgl. den Unfalluntersuchungsbericht vom 24.03.2005, Bl. 89 der Verwaltungsakte).
Im Durchgangsarztbericht vom 15.11.2004 gab der behandelnde Chirurg Dr. M. eine schwere Schädelkontusion, eine Platzwunde der Oberlippe, eine HWS-Distorsion sowie einen gelockerten oberen Schneidezahn links an. Der Kläger war in der Folgezeit arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten Verletztengeld. Der behandelnde Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. gab am 17.11.2004 an, dass der Kläger aufgrund des Unfallgeschehens erheblich reaktiv depressiv verstimmt sei, und diagnostizierte einen Zustand nach Commotio cerebri mit HWS-Distorsion, Tensionscephalgien sowie eine reaktive Dysthymie.
In einem Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme teilte der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. am 08.03.2005 mit, dass als Unfallfolge auf neurologisch- psychiatrischem Fachgebiet eine folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung vorliege, die keine weiteren Behandlungsmaßnahmen erfordere; als unfallunabhängige Gesundheitsstörung bestehe eine ischämische Kleinhirnläsion rechts ohne klinisches Korrelat. Bei seiner Beurteilung bezog Prof. Dr. S. ein psychologisches Zusatzgutachten der Dipl. Psych. G. M. vom 11.03.2005 ein. Insgesamt sei nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit seitens des neurologisch- psychiatrischen Fachgebiets nicht mit einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu rechnen.
Prof. Dr. W., Dr. V. und Dr. F. gaben in einem Befund- und Entlassbericht vom 10.03.2005 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 17.02. bis zum 09.03.2005 in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. als Diagnosen eine Commotio cerebri, eine Distorsion der HWS sowie eine Somatisierungsstörung an. Unfallunabhängig bestünden ein Infarkt Zerebellum rechts, ein Spannungskopfschmerz (chronisch), eine depressive Episode, eine Zahnlockerung, ein Schwindel, ein Nikotinabusus und ein Zustand nach Polytoxikomanie. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß ergebe sich nicht.
Der den Kläger weiterhin behandelnde Dr. Z. widersprach den Ausführungen der Gutachter mit Arztbericht vom 08.04.2005 da sich bereits aus dem Entlassungsbericht der Unfallklinik T. ein psychischer Befund ergebe, wie er in den Gutachten nicht beschrieben werde. Eine Übereinstimmung mit den Ausführungen des Prof. Dr. S. gebe es lediglich dahingehend, dass die Commotio cerebri als solche folgenlos ausgeheilt sei. Auch der behandelnde Chirurg Dr. M. gab gegenüber der Beklagten an (Telefonvermerk vom 11.04.2005, Bl. 93 der Verwaltungsakte), dass er den Kläger aufgrund des von ihm angegebenen Schwindels weiterhin für arbeitsunfähig halte, wozu Dr. M. auf die vom Kläger zu verrichtenden Dacharbeiten verwies.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. vertrat hierzu am 21.04.2005 die Auffassung, dass vom Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ab dem 12.04.2005 auszugehen sei.
Die Beklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 21.04.2005 die behandelnden Dres. M. und Z., eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers längstens bis zum 01.05.2005 zu bescheinigen und die Behandlung abzuschließen. Dieses Schreiben gab sie dem Kläger zur Kenntnis. Zudem wies sie die Krankenkasse des Klägers an, über den 01.05.2005 hinaus kein Verletztengeld zu ihren Lasten auszuzahlen.
Die Bevollmächtigten des Klägers widersprachen dieser Auffassung der Beklagten mit Schriftsatz vom 13.05.2005 und begründeten dies damit, dass die behandelnden Ärzte Dres. Z. und M. den Kläger wesentlich besser kennen und häufiger gesehen hätten als Prof. Dr. S ... Es sei nicht erkennbar, dass die Einwände der Dres. Z. und M. ausreichend berücksichtigt worden seien. Dem Widerspruch war eine Stellungnahme des Dr. M. vom 29.03.2005 beigefügt, wonach die als unfallunabhängig eingestuften Diagnosen im Entlassungsbericht des Unfallklinikums T. als falsch anzusehen seien.
Der Kläger hat im Juni 2005 schrittweise und ab Juli 2005 vollschichtig bei seinem früheren Arbeitgeber als Bauarbeiter, hierbei auch auf Gerüsten, gearbeitet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihre Entscheidung vom 21.04.2005 als unbegründet zurück. Nach Auswertung sämtlicher vorliegender ärztlicher Berichte könne vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 01.05.2005 ausgegangen werden. Aus den Mitteilungen der Unfallklinik T. und des Gutachters Prof. Dr. S. lasse sich entnehmen, dass eine unfallbedingte weiterführende neurologische und psychiatrische Behandlung nicht erforderlich sei. Den entgegenstehenden Ausführungen der behandelnden Ärzte könne nicht gefolgt werden.
Am 22.08.2005 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Das SG hat sachverständige Zeugenaussagen des Hausarztes Dr. Diesing (28.02.2006), von Dr. Z. (27.02.2006) und von Dr. M. (20.03.2006) eingeholt. Dr. Z. hat hierbei angegeben, dass beim Kläger eine erhebliche Angstdepression mit Vertigo und Somatisierungsstörungen als Unfallfolge festzustellen sei und deswegen weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliege. Dr. M. hat mitgeteilt, dass jedenfalls bis zum 13.05.2005 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.
Im Frühjahr 2006 hat der Kläger seinen Arbeitsplatz gekündigt und sich nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit im März und April 2006 im Juni 2006 selbstständig gemacht. Seitdem ist er Inhaber eines Betriebes mit vier Beschäftigten, in dem Fertigteile montiert werden.
Das SG hat ein Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 07.11.2006 ist angegeben, dass als Folge des Unfalls eine Anpassungsstörung mit einer Neigung zu gereizten Verstimmungen und einem phobischen Schwankschwindel vorliege. Es handele sich um eine psychiatrische Folgestörung, nicht um hirnorganische Folgezustände der stattgehabten Gehirnerschütterung. Daneben bestehe eine gering ausgeprägte Neigung zu Spannungskopfschmerzen, welche als nicht mehr krankheitswertig einzustufen sei. Der phobische Schwankschwindel sei im Zusammenwirken der Unfallbelastung mit den zuvor vorhandenen Persönlichkeitsmerkmalen des Klägers entstanden. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen habe bis zum 01.07.2005 bestanden, danach sei die Leistungsfähigkeit nur noch subjektiv leicht eingeschränkt gewesen.
Der Klägerbevollmächtigte hat eine Stellungnahme des Dr. Z. vom 24.11.2006 vorgelegt, wonach dieser der Diagnose einer Anpassungsstörung mit einer Neigung zu "verdrießlicher Stimmung" zustimmte, diese jedoch als nicht von mäßiger, sondern von deutlicher Ausprägung beurteilte. Insgesamt sei eine MdE von 30 v.H. anzunehmen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. M. vom 10.02.2007 vorgelegt, wonach beim Kläger keine objektivierbaren pathologischen organischen oder eindeutig krankhafte psychische Befunde vorlägen. Der Kläger habe sich nach dem Unfall am 13.11.2004 erst nach zwei Tagen beim Durchgangsarzt vorgestellt, andererseits aber auch im Juni 2005 wieder seine Arbeit aufgenommen und ab Juli 2005 wieder regulär gearbeitet. Nach dem Verlauf und der Aktenlage gehe er davon aus, dass beim Kläger lediglich subjektive Beschwerden im Sinne einer Somatisierungsstörung vorlägen. Die Kriterien einer Anpassungsstörung nach ICD-10 seien jedenfalls nicht erfüllt.
Sowohl Dr. Z. (Stellungnahme vom 21.06.2007) als auch der Gutachter Dr. B. (ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 27.08.2007) sind den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. M. entgegengetreten. Nach Dr. B. sei eine Anpassungsstörung gemäß den Kriterien der ICD-10 Definition nachgewiesen, was er in seinem Gutachten dargelegt habe. Seiner Auffassung nach habe bis zum Zeitpunkt der Begutachtung Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Eine weitere Behandlungsbedürftigkeit habe sich danach nicht mehr begründen lassen, da mit einer spontanen weiteren Besserung und Rückbildung der Restsymptomatik zu rechnen gewesen sei.
In einer zweiten Sachverständigenzeugenaussage vom 05.10.2007 hat Dr. Z. die Auffassung vertreten, dass als Unfallfolge eine manifeste Depression vorliege, welche über eine Anpassungsstörung hinaus gehe. Daraufhin hat der Kläger über seine Bevollmächtigten als weitere Unfallfolge auch eine manifeste Depression wie von Dr. Z. mitgeteilt geltend gemacht.
Im Auftrag des SG ist von Dr. B. am 18.12.2007 ein zweites Gutachten erstellt worden. Darin wird das Vorliegen einer depressiven Störung wie von Dr. Z. behauptet abgelehnt. Es bestehe eine Anpassungsstörung mit einer Neigung zu gereizten Verstimmungen, einer Kopfschmerzneigung und einem Schwankschwindel. Die beschriebene Anpassungsstörung sei nur noch zum Teil Folge des Unfalles, da sich im letzten Jahr im zunehmenden Maße unfallunabhängige Faktoren in den Vordergrund gedrängt hätten. Im Zeitraum der zurückliegenden 12 Monate komme den unfallbedingten Faktoren bei der Krankheitssymptomatik eine nur noch untergeordnete ursächliche Bedeutung zu. Bis November 2006 habe indes als Unfallfolge eine Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.2) von mäßiger Ausprägung mit einer Neigung zu verdrießlicher Stimmung und einem phobischen Schwankschwindel vorgelegen. Arbeitsunfähigkeit habe gemäß den Ausführungen im Vorgutachten bis zum 01.07.2005, eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit nur bis November 2006 vorgelegen.
Anschließend wurde auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Gutachten durch den Psychiater und Psychotherapeuten Dr. S. eingeholt. Im Gutachten vom 20.11.2008 werden als Diagnosen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychogenem Schwindel, ein Zustand nach Schädelprellung sowie ein Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung angegeben. Als Grund für die Entstehung der Beschwerden sei von einem Zusammenwirken verschiedener auslösender und aufrechterhaltender Bedingungen auszugehen, wobei der Arbeitsunfall Auslöser gewesen sei. Die Beschwerden seien jedoch aufrecht erhalten und teilweise noch verstärkt worden durch das Umfeld sowie Persönlichkeitseigenschaften des Klägers, für dessen Selbstwertgefühl körperliche Leistungsfähigkeit und die aktive Übernahme der Männerrolle als Ernährer der Familie von wesentlicher Bedeutung seien. Durch den Unfall und dessen Folgen habe er eine erhebliche Verunsicherung und eine länger dauernde, zunehmende Angstentwicklung durchlitten. In der Anfangsphase habe insoweit auch eine depressive Verstimmung als Reaktion auf den Unfall bestanden. Eine Anpassungsstörung habe zunächst als zeitlich begrenzte Reaktion auf ein belastendes Ereignis vorgelegen, die insoweit zu Beginn bestehenden depressiven Beschwerden seien jedoch abgeklungen und das subjektive Erleben habe Überhand genommen, so dass an die Stelle der anfänglichen Anpassungsstörung eine somatoforme Störung mit phobischem Schwindel getreten sei. Die Gesundheitsstörung sei zusammenfassend nicht ursächlich auf den Unfall vom 13.11.2004 zurückzuführen, ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Gesundheitsstörungen bestehe nicht. Der Kläger habe seine Berufstätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber zum 01.07.2005 wieder vollschichtig aufgenommen; Gründe für die Annahme einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit über den 01.05.2005 hinaus bestünden nicht. Schwerwiegende körperliche oder neurologische Störungen hätten während des Krankheitsverlaufs nicht bestanden, die psychische Beschwerdesymptomatik habe sich teilweise gebessert. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Über den 01.05.2005 hinaus hätten als Unfallfolgen nur noch der Schwindel und die Angst davor bestanden, beim Arbeiten auf Gerüsten einen Schwindel zu erleiden. Außerdem verwies der Gutachter hierbei auf die Definition der Anpassungsstörung nach der ICD-10, wonach die Symptome meistens nicht länger als 6 Monate anhielten (mit Ausnahme der längeren depressiven Reaktion, welche nicht vorliege).
Mit Urteil vom 25.02.2009 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. S. vom 20.11.2008 habe Behandlungsbedürftigkeit lediglich bis zum 01.05.2005 fortbestanden und danach auch keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Das Gutachten des Dr. S. entspreche im Wesentlichen den ebenfalls überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. B. in seinen gutachterlichen Äußerungen vom 07.11.2006, 27.08.2007 und 18.12.2007. Die danach bei dem Kläger vorübergehend aufgetretene Anpassungsstörung entsprechend den ICD 10-Kriterien habe jedenfalls am 01.05.2005 nicht mehr fortbestanden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Symptome für eine Anpassungsstörung innerhalb eines Zeitraums von einem Monat nach dem belastenden Ereignis aufträten und selten - abgesehen von depressiven Reaktionen, welche in der Regel nicht länger als 2 Jahre anhielten - länger als 6 Monate andauerten (unter Hinweis auf Schönberger / Mertens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 228). Zwar habe Dr. B. insoweit die Auffassung vertreten, dass die Anpassungsstörung auch über den 01.05.2005 hinaus fortbestanden habe, doch sei dies von Dr. B. nicht näher begründet worden und entspreche insoweit auch nicht den Grundlagen der ICD 10. Ab dem 01.05.2005 habe vielmehr statt einer Anpassungsstörung eine somatoforme Störung mit phobischem Schwindel vorgelegen, die jedoch wesentlich durch weitere Faktoren wie familiäre Spannungen und Unzufriedenheit mitausgelöst worden seien. Die gering ausgeprägte Neigung zu Spannungskopfschmerzen sei sowohl nach Dr. B. als auch nach Dr. S. ohne Krankheitswert. Die von Dr. Z. vertretene depressive Episode bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung seien abzulehnen, da nach den überzeugenden Ausführungen der Dres. B. und S. hierfür die typischen Symptome einer generellen Freudlosigkeit, Antriebsstörung bzw. Appetit- oder Libidostörung nicht festgestellt worden seien. Da andere Faktoren nach dem 01.05.2005 insoweit maßgeblich seien, habe auch keine Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des Unfallereignisses über den 01.05.2005 mehr vorgelegen. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit am 01.05.2005 werde auch dadurch indiziert, dass der Kläger bereits am 01.07.2005 wieder vollschichtig gearbeitet habe. Die fortbestehenden Beschwerden über den 01.05.2005 seien nicht mehr kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen, weswegen die insoweit bestehende Behandlungsbedürftigkeit nicht zu Lasten der Beklagten bestanden habe. Das Urteil des SG wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 11.05.2009 zugestellt.
Am 09.06.2009 haben die Bevollmächtigten des Klägers beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Vor seinem Arbeitsunfall habe der Kläger weder an einer depressiven noch an einer psychischen Erkrankung gelitten. Die Annahme der Gutachter, insoweit sei der Krankheitsverlauf des Klägers auch im Wesentlichen durch zuvor vorhandene Faktoren bzw. Persönlichkeitsmerkmale bestimmt, sei nicht haltbar. Bis zum heutigen Tag habe der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalles bei entsprechenden Assoziationen "Flashbacks", Schwindelanfälle, Kopfschmerzen sowie Konzentrationsschwächen und Erschöpfungszustände. Das SG sei insoweit in unzulässiger Weise den Ausführungen der Gutachter gefolgt und habe die Argumentation behandelnder Ärzte Dr. M. und Dr. Z. nicht ausreichend berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2005 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 01.05.2005 hinaus fortbestanden haben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.
Streitgegenstand ist vorliegend entsprechend den erstinstanzlich gestellten Anträgen ausschließlich die Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie der Behandlungsbedürftigkeit des Klägers aufgrund des Unfalles vom 13.11.2004. Insofern ist die grundsätzlich subsidiäre Feststellungsklage nach § 55 SGG vorliegend zulässig, weil sich aus der Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit eine Vielzahl von Ansprüchen gegen die Beklagte ergeben können und das genannte Feststellungsinteresse über das Interesse an der Verurteilung zu einzeln näher bestimmten Leistungen hinausgeht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rdnrn. 18 - 19b).
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten. Arbeitsunfähigkeit (AU) ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Verletztengeld wird nach Absatz 2 der Vorschrift auch erbracht, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind und die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können.
Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII endet das Verletztengeld unter anderem mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme. Damit normiert § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII die bereits aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII abzuleitende Folge, dass das Verletztengeld endet, wenn eine unfallbedingte AU nicht mehr vorliegt (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R -).
Solange durch die Unfallfolgen eine ärztliche Heilbehandlung veranlasst ist, ergibt sich der Anspruch gegenüber der Beklagten hierauf aus den §§ 26 ff. SGB VII. Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach § 26 Abs. 2 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Die Unfallversicherungsträger bestimmen nach § 26 Abs. 5 SGB VII im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei Gesundheitsschäden, bei denen wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist, wird diese in besonderen Einrichtungen erbracht (§ 33 Abs. 3 SGB VII).
Unstreitig hat der Kläger einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten, für den die Beklagte ursprünglich entschädigungspflichtig war. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens besteht nach den voranstehend genannten Vorschriften jedoch seit dem 01.05.2005 weder eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit, weshalb eine Zuständigkeit der Beklagten für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VII aufgrund des Unfallereignisses vom 13.11.2004 nicht mehr bestand.
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des von dem Kläger benannten Gutachters Dr. S. vom 20.11.2008, der sich zusammenfassend mit allen zuvor ergangenen ärztlichen Stellungnahmen auseinander gesetzt hat, bestehen beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychogenem Schwindel, ein Zustand nach Schädelprellung sowie ein Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung. Zwar ist der Arbeitsunfall Auslöser dieser Beschwerden gewesen, doch werden die Beschwerden aufrecht erhalten und teilweise noch verstärkt durch das Umfeld sowie Persönlichkeitseigenschaften des Klägers. Eine anfängliche depressive Verstimmung als Reaktion auf den Unfall und die Anpassungsstörung hat danach zwar zunächst als zeitlich begrenzte Reaktion auf ein belastendes Ereignis vorgelegen, die insoweit zu Beginn bestehenden depressiven Beschwerden sind jedoch abgeklungen, und das subjektive Erleben hat dann den wesentlichen Einfluss ausgeübt. Anstelle dieser zuerst aufgetretenen Beschwerden liegt nunmehr die somatoforme Störung mit phobischem Schwindel vor, die maßgeblich durch die Primärpersönlichkeit des Klägers geprägt ist. Ein Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit mit der Folge des Anspruchs auf die Gewährung von Verletztengeld hat danach nur bis zum 30.04.2005 vorgelegen.
Für diese Auffassung spricht insbesondere, dass der Kläger seine Berufstätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber zum 01.07.2005 wieder vollschichtig aufgenommen und mehr als sechs Monate lang ausgeübt hat. Auch die nachfolgende Existenzgründung eines Betriebes mit vier Beschäftigten belegt, dass eine Arbeitsunfähigkeit dauerhaft ab dem 01.05.2005 jedenfalls aufgrund des Arbeitsunfalles nicht mehr vorgelegen hat. Der Gutachter Dr. S. weist überzeugend darauf hin, dass schwerwiegende körperliche oder neurologische Störungen während des gesamten Krankheitsverlaufs nicht vorgelegen haben und die psychische Beschwerdesymptomatik sich gebessert hat.
Sofern der Gutachter Dr. B. für das Wiedervorliegen der Arbeitsfähigkeit auf den 01.07.2005 abstellt, vermag dies nicht zu überzeugen. Zum einen lag bereits im Juni die Wiederaufnahme der Beschäftigung beim alten Arbeitgeber - wenn auch in Teilzeit - vor. Zum anderen ergibt sich aus den zeitnäheren Beurteilungen des Gutachters Prof. Dr. S. vom 07.03.2005 und von Prof. Dr. W. und der Dres. V. und F. vom 10.03.2005 (nach stationärer Beobachtung des Klägers vom 17.02. bis zum 09.03.2005), dass eine die Arbeitsunfähigkeit stützende Diagnose bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestellt werden konnte. Im Hinblick auf den auch nachträglich genannten Schwindel konnten in der Untersuchung bei Prof. Dr. S. die vorgenommenen erschwerten Gang- und Standproben am 07.03.2005 ohne Weiteres und ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden, der Kläger konnte sich frei bewegen.
Soweit Dr. M. als sachverständiger Zeuge (Aussage vom 20.03.2006) eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 13.05.2005 behauptet, vermag dem der Senat bereits deswegen nicht zu folgen, weil sich aus der sachverständigen Zeugenaussage ergibt, dass diese Aussage alleine auf der Selbsteinschätzung des Klägers am 13.05.2005 beruht, er könne noch nicht wieder arbeiten.
Die von Dr. Z. getroffenen Diagnosen einer Depression (sachverständige Zeugenaussagen vom 27.02.2006 und vom 05.10.2007) oder einer posttraumatischen Belastungsstörung können zur Überzeugung des Senats im Hinblick auf die deutlich anderslautenden Ausführungen der Gutachter Dr. S., Dr. B. und Prof. Dr. S. ausgeschlossen werden. Die Ausführungen von Dr. Z. werden auch dadurch entwertet, dass die von ihm angenommene MdE von 30 v.H. angesichts der zunächst erfolgten Wiederaufnahme der alten Tätigkeit des Klägers kaum zu überzeugen scheint.
Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 [Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme] 2007) beinhaltet nach der Ziff. F 43.1 der ICD 10 (2007) eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R -). Vorliegend waren aber weder das Unfallereignis noch die nachfolgenden gesundheitlichen Komplikationen des Klägers geeignet, eine solche Störung anzunehmen.
Die von Dr. Z. angenommene depressive Episode würde nach der ICD 10 unabhängig vom Schweregrad (von leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) bis zu schweren (F32.2 und F32.3) Episoden) eine gedrückte Stimmung und eine Verminderung von Antrieb und Aktivität mit sich bringen. Der hierfür erforderliche umfangreiche Interessenverlust kann insbesondere unter Berücksichtigung der 2006 erfolgreich durchgeführten Existenzgründung und den Angaben des Klägers in der Anamnese bei Dr. B., wonach unter anderem ein unveränderter Arbeitsantrieb bestand und ihm auch zahlreiche Verrichtungen "Spaß machten" (S. 5 des Gutachtens vom 07.11.2006), nicht angenommen werden. Insofern hält der Senat die Entgegnungen des Beratungsarztes Dr. M. auf die Ausführungen des Dr. Z., wonach anhand des Gutachtens nicht vom Vorliegen eindeutig krankhafter psychischer Befunde ausgegangen werden kann, für überzeugend. Dr. M. weist insofern auch zu Recht darauf hin, dass der von Dr. Z. behauptete Verlauf einer Verschlimmerung der Gesundheitssituation über zwei Jahre nach dem Unfall nach wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht zu erwarten wäre (Stellungnahme vom 14.12.2007).
Ob die Anpassungsstörung (Ziff. F 43.2 der ICD 10), die Dr. S. insoweit zunächst als zeitweise bestehend diagnostiziert, von wesentlicher Bedeutung für die Frage der Arbeitsfähigkeit ist, kann offengelassen werden, da diese Anpassungsstörung auch nach Dr. S. längstens bis zum 01.05.2005 vorgelegen hat. Sofern Dr. Berger basierend auf der Anpassungsstörung eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis November 2006 zu begründen versucht, erscheint dies im Hinblick auf das zeitnäher erstatteten Gutachten von Prof. Dr. S. und den Entlassungsbericht der Unfallklinik T. aus dem Monat März nicht überzeugend. Auch hier hält der Senat für maßgeblich, dass der Kläger bereits seit Juli 2005 wieder vollschichtig in seinem bisherigen Beruf arbeiten konnte. Weitere Ermittlungen hielt der Senat angesichts dieses Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht für erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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