L 2 RA 429/03

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 13 RA 4291/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 RA 429/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 39/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau U. A.

Der 1951 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1980 in der Bundesrepublik Deutschland und heiratete im Mai 1980 die am 15. Oktober 1949 geborene und am 4. Oktober 1997 verstorbene Versicherte U. A. Aus der Ehe waren 3 Kinder hervorgegangen. Der Kläger war in Deutschland als Geschäftsmann im eigenen Gewerbebetrieb tätig. Im Juli 1997 heiratete der Kläger in Marokko die marokkanische Staatsangehörige N. K., die weiterhin in Marokko lebt. Die Mehrehe war nach marokkanischem Recht genehmigt worden. Hierzu lag insbesondere eine Einwilligung seiner verstorbenen Ehefrau vor.

Im November 1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Im Rentenantrag beantwortete der Kläger die Frage, ob er nach dem Tode der Versicherten wieder geheiratet habe mit: "Nein". Mit Bescheid vom 26. August 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger große Witwenrente ab 1. November 1997, die in der Folgezeit mehrfach neu berechnet wurde. Unter dem 29. September 1998 teilte der Rechtsanwalt T. W. dem Kläger u. a. mit, für ihn seien maßgeblich die Vorschriften der §§ 46, 243 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Danach falle die Witwerrente bei Wiederheirat weg. Da der Kläger jedoch vor dem Tod der ersten Ehefrau eine Zweitehe eingegangen sei, läge eine Wiederheirat nicht vor. Es käme allenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht. Dazu gäbe es noch keine Gerichtsentscheidungen.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2001 benachrichtigte die Stadt N-Stadt die Beklagte darüber, dass bei einer Überprüfung der Personenstandsdaten des Klägers im Einwohnermelderegister aufgefallen sei, dass der Kläger verheiratet sei. Es wurde die Kopie einer Heiratsurkunde des Königreichs Marokko, Justizministerium, Tribunal der 1. Instanz von Tanger, Notariatsabteilung, vorgelegt. Nach Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X hob die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2001 den Bescheid vom 26. August 1998 mit Wirkung für die Zukunft auf und stellte die laufende Rentenzahlung bis Ende Oktober 2001 ein. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2001 zurück. Nach § 45 SGB X könne der Bescheid vom 26. August 1998 für die Zukunft aufgehoben werden, weil er rechtswidrig sei. Eine Weitergewährung der Witwenrente aus der Versicherung der verstorbenen Ehefrau komme nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Witwerrente habe von Beginn an nicht vorgelegen, da der Kläger im Zeitpunkt des Todes der Versicherten mit einer zweiten Ehefrau verheiratet gewesen sei. Nach § 46 Abs. 1 SGB VI habe ein Witwer Anspruch auf Witwerrente nach dem Tode der Versicherten, wenn die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien und der Witwer nicht wieder geheiratet habe. Dem Sozialgesetzbuch liege ein Witwerbegriff zugrunde, der von einer monogamen Ehe bestimmt sei. Dem Kläger dürfe bekannt sein, dass eine polygame Ehe im europäischen Kulturkreis grundsätzlich nicht als gesellschaftsfähig anerkannt werde. Gegen ein Absehen von einem dem deutschen Recht allein entsprechenden Begriff des Witwers spreche, dass ein Marokkaner bei Bejahung eines Witwerrentenanspruchs besser gestellt sei als ein deutscher monogamer Versicherter, der sich nach dem Tode der versicherten Ehefrau wieder verheirate. Denn dieser erfülle vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwerrente. Für eine solche Besserstellung gebe es keinen vernünftigen Grund. Letztlich könne sich ein in polygamer Ehe lebender Witwer auf diese Weise mehrere Witwerrenten verschaffen, was dem deutschen Ehebild im deutschen bürgerlichen Recht und im Sozialrecht zuwider liefe. Der Kläger habe auch keinen Vertrauensschutz in den Bestand des Bescheides vom 26. August 1998. Ihm sei nach seinem langen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bekannt gewesen, dass eine polygame Ehe nicht von dem deutschen Recht anerkannt werde. Auch ergebe sich aus dem Genehmigungsverfahren für die zweite in Marokko geschlossene Ehe, dass diese dort nicht ohne Kenntnis und Zustimmung der deutschen Ehefrau rechtlich zulässig gewesen sei. Die marokkanischen Bestimmungen über die Polygamie seien nicht bekannt. Aus dem umfangreichen Genehmigungsverfahren sei aber zu schließen, dass auch nach marokkanischem Recht die Problematik der Polygamie nicht verkannt werde, weil es die vorherige Zustimmung der bereits verheirateten Ehefrau verlange. Darüber hinaus sei das Einverständnis der verstorbenen Versicherten vor dem marokkanischen Konsulat verlangt worden. Dem Kläger sei damit bekannt gewesen, dass nur nach marokkanischem Recht die Zustimmung und Genehmigung zur Zweitehe abgegeben werden durfte. In Kenntnis des Vorbehaltes des deutschen Rechts gegen die Zweitehe habe der Kläger auch die auf dem Rentenantrag gestellte Frage nach einer Wiederheirat zwar zutreffend mit nein beantwortet, er sei sich aber der Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung bewusst gewesen. Dies folge daraus, dass er unmittelbar nach der Rentenbewilligung rechtskundigen Rat bei einem Anwalt eingeholt habe. Dieser habe allerdings ebenso letzte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rentenbewilligung nicht ausräumen können (Schreiben vom 29.September 1998). Durch eine einfache Anfrage beim Rentenversicherungsträger habe er diese Zweifel beheben können, dies aber bewusst unterlassen. Eine gefestigte Vertrauenshaltung auf die Rechtmäßigkeit der Witwerrentengewährung habe somit bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt entstehen können.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 12. Dezember 2001 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Er hielt die Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides vom 26. August 1998 für nicht rechtmäßig. Er habe nach marokkanischem Recht rechtswirksam eine zweite Ehe eingehen können. Besonderheiten nach marokkanischem Recht seien eingehalten worden. Die verstorbene erste Ehefrau habe ihre Einwilligung zur zweiten Ehe vor dem marokkanischen Konsulat in Marokko abgegeben. Die Ehe nach marokkanischem Recht sei nach deutschem Recht eine so genannte Nichtehe. Gleichwohl sei die im Ausland geschlossene zweite Ehe fortführungsfähig und nach herrschender Meinung des deutschen Strafrechts nicht strafbar. Als Folge dessen sei festzustellen, dass nach deutschem Recht er lediglich mit der verstorbenen Versicherten wirksam verheiratet gewesen sei. Sterbe diese, sei er Witwer im Sinne des deutschen Rentenrechts. Nach § 46 SGB VI falle die Witwerrente dann weg, wenn der Witwer sich wieder verheirate. Ein solcher Fall sei vorliegend nicht gegeben, da es sich nicht um eine Wiederheirat handle, sondern um eine vor dem Tod der Versicherten bereits eingegangene zweite Ehe. Eine Analogie dahingehend, dass ihm die Witwerrente für die Zukunft zu versagen sei, weil dem Witwerrentenbegriff des SGB VI ein Begriff zugrunde läge, der von der monogamen Ehe geprägt sei, sei nicht möglich, da es einzig und allein auf den Gesetzeswortlaut ankomme. Dies führe dazu, dass der die Witwerrente gewährende Bescheid rechtmäßig gewesen sei. Im Übrigen berief sich der Kläger auf den Vertrauensschutz des § 45 Abs. 2 SGB X. Er habe bei Stellung des Rentenantrags keine unzutreffenden Angaben gemacht. Er habe auch nicht bösgläubig die Rechtswidrigkeit des Bescheides gekannt. Er hab sich auf den Rechtsrat seines Rechtsanwaltes verlassen dürfen. Auch habe die Beklagte im Rentenantragsformular nicht nach dem Bestehen einer weiteren Ehe (Mehrehe) gefragt, obwohl bei einem marokkanischen Antragsteller grundsätzlich von dem Bestehen einer Mehrehe ausgegangen werden könne.

Mit Urteil vom 6. März 2003 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Beklagte habe zu Recht den Rentenbewilligungsbescheid vom 26. August 1998 mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 45 SGB X aufgehoben, denn der Rentenbewilligungsbescheid sei rechtswidrig. Dem Kläger stehe die Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen ersten Ehefrau nicht zu, da er noch in rechtsgültiger Ehe verheiratet sei. Die nach marokkanischem Eherecht geschlossene Ehe sei in Marokko formgültig geschlossen worden. Sie werde in Verbindung mit dem deutsch-marokkanischen Abkommen über soziale Sicherheit im deutschen Rentenrecht anerkannt. Die Witwereigenschaft bestimme sich jedoch ausschließlich in Auslegung der deutschen gesetzlichen Vorschriften über die Rentenversicherung. Das benannte deutsch-marokkanische Abkommen gebe hierzu keine weiteren Hinweise. Das deutsche Rentenrecht kenne nach seiner Systematik und Sinn und Zweck des Gesetzes nur die Berechtigung eines überlebenden Ehegatten zum Witwen- und Witwerrentenbezug, sofern und solange keine weitere Ehe bestehe. Die Vorschrift des § 107 SGB VI regele, dass eine Witwerrente unter Zahlung einer Abfindung zum Wegfall zu kommen habe, wenn der Rentenberechtigte wieder heirate. Sie könne nur nach Auflösung der neuen Ehe wieder gewährt werden. Das deutsche Rentenrecht gehe erkennbar von der nach deutschem Recht begründeten Einehe aus, die keine Doppelehe erlaube. Eine Erweiterung im Hinblick auf die marokkanische Zweitehe erfahre dieses Recht auch nicht nach Maßgabe des § 34 SGB I. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf die Weitergewährung der rechtswidrigen Witwerrente aus Vertrauensschutzgründen zu. Es sei von einem eingeschränkten Vertrauen des Klägers auszugehen, da er offensichtlich auch zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung Zweifel an der Begründetheit seines Anspruchs auf Witwerrente gehabt habe. Er habe im September 1998 eine unrichtige Auskunft seines Bevollmächtigten erhalten, dass nach dessen Erachten die Rentenbewilligung rechtmäßig sei. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen worden, dass hierzu noch keine gerichtlichen Entscheidungen ergangen seien. Der Kläger habe bestehende Zweifel durch eine Auskunft der Beklagten ausräumen können. Eine solche Nachfrage habe er nicht gehalten. Bei dieser Sachlage überwiege das öffentliche Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes in der Form der Rücknahme des Bewilligungsbescheides für die Zukunft. Dass der Kläger eine Vermögensdisposition getroffen habe, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne, sei nicht vorgetragen worden oder ersichtlich. Die übrigen Voraussetzungen des § 45 SGB X lägen vor. Auch sei ordnungsgemäß die Anhörung durchgeführt worden.

Mit seiner am 12. Mai 2003 eingelegten Berufung richtet sich der Kläger gegen das ihm am 25. April 2003 zugestellte Urteil. Der Kläger bezieht sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. Juli 1998 (A.: B 5 RJ 58/97 R).

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 sowie den Bescheid vom 12. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts begründe keinen Anspruch zugunsten des Klägers.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte berechtigt ist, den Bescheid vom 26. August 1998 mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen.

Nach § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte dann u.a. nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. In diesen Fällen darf nach § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden (BSG, Urteil vom 7. Juli 1998, Az.: B 5 RJ 58/97 R). Allerdings ist die Behörde auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine rückwirkende Rücknahme des Verwaltungsaktes nicht gezwungen, die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit auszusprechen (z.B. Jahn, SGB, Sozialgesetzbuch für die Praxis, § 45 SGB X Rdnr. 28).

Die Beklagte hat den Bescheid vom 26. August 1998, mit dem sie dem Kläger Witwerrente bewilligt hatte, zu Recht mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Der Bescheid vom 26. August 1998 ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Er ist auch rechtswidrig, denn der Kläger hatte bei der Erteilung des Bescheides keinen Anspruch auf die Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau U. A. § 46 SGB VI gewährt nach dem Tode der Versicherten Anspruch auf Witwerrente für den Witwer, der nicht wieder geheiratet hat. Witwer und Anspruchsberechtigter ist der überlebende Ehegatte, der bis zum Tod der Versicherten mit diesem in rechtsgültiger Ehe verheiratet war. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger zwar unzweifelhaft; dem Anspruch steht jedoch entgegen, dass er bei dem Tode seiner ersten Ehefrau bereits in zweiter Ehe verheiratet war. § 46 SGB VI schließt den Witwerrentenanspruch für diejenigen aus, die nicht "wieder geheiratet" haben. Diese Regelung geht erkennbar davon aus, dass im Geltungsbereich der Vorschrift die Mehrehe nicht zulässig und nicht üblich ist, und daher nur eine Wiederheirat in Betracht kommt, auf Grund derer der Witwerrentenanspruch ausgeschlossen wird. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Witwerrente Unterhaltsersatzfunktion hat und diese bei einer neuen Heirat entfällt, unabhängig davon, ob durch die Wiederheirat der Unterhalt der Hinterbliebenen tatsächlich gesichert ist. Die vorliegend gegebene Sachlage ist zwar nicht von der Vorschrift des § 46 SGB VI ausdrücklich erfasst, sie ist jedoch entsprechend dahingehend zu beurteilen, dass eine vor dem Tode der verstorbenen Versicherten geschlossene Zweitehe einer Wiederheirat gleichsteht und den Witwerrentenanspruch ausschließt. Die Zweitehe ist nach marokkanischem Recht gültig und daher im Geltungsbereich des SGB VI beachtlich (vgl. Kreikebohm, SGB VI, Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung, § 46 Rdnr. 4 m.w.H.).

Der Kläger kann Vertrauensschutz in den Bestand des Bescheides vom 26. August 1998 nicht geltend machen. Hier kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger bei der Rentenantragstellung richtige Angaben unterlassen hat. Denn es sind jedenfalls die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt. Der Kläger kannte die Unrichtigkeit des Bescheides vom 26. August 1998 bzw. kannte sie lediglich infolge grober Fahrlässigkeit nicht. Bei der Prüfung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist jeweils auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Betroffenen abzustellen, sein Einsichtsvermögen und Verhalten sowie besondere Umstände des Einzelfalles (BSG, Urteile vom 8. Februar 1996, Az.: 13 RJ 35/94 und vom 8. Februar 2001, Az.: B 11 AL 21/00 R). Anders als in dem vom BSG im Urteil vom 7. Juli 1998 (s.o.) entschiedenen Fall ist der Kläger nicht einfach strukturiert und war mit der Wertung rechtlicher Zusammenhänge in der Laiensphäre nicht überfordert. Der Kläger lebt seit 1980 in Deutschland, war langjährig mit einer Deutschen verheiratet sowie in Deutschland als Geschäftsmann tätig. Er hatte offenkundig auch selbst Zweifel an seinem Anspruch auf Witwerrente. Diese Zweifel hat er deutlich gemacht durch seine im Zusammenhang mit dem Witwerrentenantrag an den Rechtsanwalt T. W. gestellte Anfrage, der ihm hierauf die Antwort vom 29. September 1998 zu der Witwerrentenberechtigung bei Mehrehe erteilt hat. Auf diese Auskunft hätte sich der Kläger nicht verlassen dürfen, da diese ausdrücklich lediglich die Auffassung des Rechtsanwaltes wiedergibt, aber nicht als verbindlich erteilt worden ist. Nahe liegend wäre gewesen, dass über die Anspruchsberechtigung bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger nachgefragt wird, allerdings mit einem zu Recht zu befürchtenden "Risiko" einer Leistungseinstellung. Dem Kläger hätte selbstverständlich ersichtlich sein müssen, dass nur der für die Leistung zuständige Versicherungsträger verbindlich hätte Auskunft geben können. Dass er es trotz ausreichender persönlicher Urteils- und Kritikfähigkeit unterlassen hat, sich bei der Beklagten über die Rechtslage zu informieren, muss er sich als grob fahrlässiges Verhalten entgegen halten lassen.

Die Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei entschieden, dass der rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakt für die Zukunft zurückgenommen wird, und die Fristen nach § 45 Abs. 3 und 4 SGB X beachtet.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG –.

Der Senat hat die Revision aus den Gründen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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