Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 3 AS 693/08 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 50/09 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren des
Einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht wegen fehlender Erfolgsaussichten richtet sich gemäß §
73a Abs 1 S 1 SGG nach § 127 Abs 2 S 2 ZPO. Die Beschwerde ist danach nicht statthaft, wenn gemäß §
144 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm § 172 Abs 3 Nr 1 SGG der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 € nicht
übersteigt.
2. Darüber hinaus ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe zusätzlich und
unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ausgeschlossen, wenn das
Sozialgericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verneint.
Einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht wegen fehlender Erfolgsaussichten richtet sich gemäß §
73a Abs 1 S 1 SGG nach § 127 Abs 2 S 2 ZPO. Die Beschwerde ist danach nicht statthaft, wenn gemäß §
144 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm § 172 Abs 3 Nr 1 SGG der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 € nicht
übersteigt.
2. Darüber hinaus ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe zusätzlich und
unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ausgeschlossen, wenn das
Sozialgericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verneint.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 (Az. S 3 AS 693/08 ER), soweit ihr dadurch Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versagt worden ist.
Die Antragstellerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Nachdem die Antragstellerin ihre Nebenbeschäftigungen bei der Antragsgegnerin angezeigt hatte, änderte diese den Bewilligungsbescheid vom 25. November 2008 durch Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2008 ab; unter Berücksichtigung eines anzurechnenden Erwerbseinkommens reduzierte sie die Regelleistung von 351,00 EUR auf 12,00 EUR für den Monat Januar 2009.
Mit ihrem Eilantrag vom 31. Dezember 2009 hat die Antragstellerin begehrt, ihr für den Monat Januar 2009 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, indem ein ermäßigtes fiktives Nettoerwerbseinkommen – unter Zugrundelegung eines Bruttoerwerbseinkommens von 391,80 EUR – angerechnet werde.
Nachdem die Antragstellerin persönlich die Stundennachweise bei der Antragsgegnerin vorgelegt hatte, führte diese weitere Ermittlungen durch. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse berechnete die Antragsgegnerin das zu berücksichtigende Einkommen der Antragstellerin neu und erließ am 6. Januar 2009 einen Änderungsbescheid. Diesem hatte sie einen Bruttoarbeitslohn von 326,50 EUR zugrunde gelegt und daraus eine Nachzahlung in Höhe von 191,94 EUR errechnet.
Nach Rückkehr aus ihrem Urlaub hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 15. Januar 2009 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin gestellt.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 hat das Sozialgericht Schleswig sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Eilantrag sei unzulässig, weil die Antragsgegnerin dem Begehren der Antragstellerin in höherem Maße abgeholfen habe, als diese es beantragt habe. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe lägen nicht vor, weil zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages – nach Erlass des Änderungsbescheides vom 6. Januar 2009 – keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) mehr bestanden habe.
Mit ihrer am 5. März 2009 beim Sozialgericht Schleswig eingelegten Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe macht die Antragstellerin geltend, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei ihr trotz Eintritts eines erledigenden Ereignisses mit Erlass des Bescheides vom 6. Januar 2009 noch Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5. März 2009 und 20. März 2009 verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, und
2. ihr Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin Ulrike Jäger-Mohrhagen zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Sie ist nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" in diesem Sinne enthält § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO findet gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Vorschrift nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. In § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist geregelt, dass die Berufung nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt.
§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar. Die Anwendbarkeit entspricht dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften; auch die Gesetzeshistorie spricht dafür (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, L 8 AS 4968/08 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 13. Mai 2009, L 34 B 2136/08 AS PKH; 4. Juni 2009, L 33 R 130/09 B PKH und 17. September 2009, L 20 B 2247/08 AS PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS, L 5 B 304/08 AS; Hessisches LSG, Beschlüsse vom 6. Juli 2009, L 9 B 274/08 AS und 8. Juli 2009, L 6 AS 174/09 B; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. August 2009, L 8 B 258/09, jeweils zitiert nach juris).
Ausgehend vom Wortlaut ist die Verweisung in § 73a SGG, die durch das Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom 13. Juni 1980 (BGBl. I, S. 677) eingeführt worden ist, als dynamische Verweisung zu verstehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.). Dies bedeutet, dass das Gesetz, auf das verwiesen wird, in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden ist. Eine dynamische Verweisung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm auf die Vorschriften eines anderen Gesetzes ohne Beschränkung auf eine bestimmte Fassung verweist – wie § 73a ZPO auf die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe - (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1990, 1 RR 2/88, NJW 1991, 3051f zu Art. 5 II 3 des 4. GewOÄndG). Das hat zur Folge, dass auch die erst nach Einführung des § 73a SGG in Kraft getretene Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist. Dass der Gesetzgeber etwas anderes vor Augen hatte, ist – auch unter Berücksichtigung der Systematik des Gesetzes - nicht erkennbar. Denn andernfalls hätte er einen von der Verweisung abweichenden Weg einer spezialgesetzlichen Regelung im SGG gewählt. So ist er etwa in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG verfahren, wo er die entsprechende Anwendbarkeit von Vorschriften der Zivilprozessordnung auf einzelne Normen bzw. einzelne Absätze von Normen begrenzt hat; auch in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für das Prozesskostenhilferecht im Sozialgerichtsverfahren getroffen. Abweichend von § 121 Abs. 1 bis 3 ZPO in der ursprünglich vorgesehenen Fassung des Gesetzentwurfs vom 17. Juli 1979 (vgl. BT-Drs. 8/3068) hat er eine sozialgerichtliche Sonderregelung geschaffen, dass auf Antrag der Beteiligten das Gericht einen beizuordnenden Anwalt auswählen darf. Spätestens mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) hätte er zudem die Gelegenheit gehabt, die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auszuschließen. Dies hat er in Kenntnis der Rechtsprechung, die von einer Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ausgeht (z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005, L 8 AL 1862/05 PKH-B; LSG Niedersachsen-Bremen vom 6. Dezember 2005, L 8 B 147/05 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2008, L 20 B 1778/07 AS PKH, jeweils zitiert nach juris), jedoch gerade nicht getan.
Die Verweisungsnorm des § 73a SGG führt allerdings nicht zu einer unmittelbaren Anwendung der Regelungen des Prozesskostenhilferechts der ZPO. Das Gesetz spricht von einer "entsprechenden Geltung". Dies bedeutet zum einen, dass gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe nicht die in der ZPO vorgesehene sofortige Beschwerde, sondern die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft ist. Zum andern gilt auch nicht der Wert des Beschwerdegegenstandes des § 511 ZPO in Höhe von mehr als 600 EUR, sondern der des § 144 SGG bzw. für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 SGG (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009, a.a.O.). Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR (Satz 1 Nr. 1) nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Hieran anknüpfend regelt § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Ausschluss der Beschwerde, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig wäre.
Für die Anwendbarkeit von Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des § 127 ZPO spricht auch, dass nach einhelliger Auffassung andere Regelungen der Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen sollen. So ist unstreitig, dass § 127 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO, der das Beschwerderecht der Staatskasse regelt, Anwendung findet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73a Rn. 12d).
Zudem erfordern Sinn und Zweck des SGG die Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren. Ausdrückliches Ziel des SGGArbGG-Änderungsgesetzes vom 26. März 2008 ist es, die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren herbeizuführen (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 1; BR-Drs. 820/07, S. 1). Einen entsprechenden Sinn und Zweck verfolgt im Prozesskostenhilferecht § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO lag die Erwägung zugrunde, den Rechtsschutz in einem Nebenverfahren – wie dem der Prozesskostenhilfe – nicht weiter auszugestalten als in der Hauptsache. Dadurch sollte nach Auffassung des Gesetzgebers insbesondere der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begegnet werden, zu denen es käme, wenn das Beschwerdegericht die Erfolgsaussicht abweichend von dem in der Hauptsache abschließend entscheidenden Gericht des ersten Rechtszugs beurteilt (vgl. BT-Drs. 14/3750, S. 51; 14/4722, S. 75 f.). Dies führt gleichzeitig zu einer Entlastung der Gerichte.
Auch § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, der durch das SGGArbGG-Änderungsgesetz vom 26. März 2008 eingeführt wurde, steht der Geltung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. § 172 Absätze 2 und 3 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung enthalten keine abschließende Regelung für alle denkbaren Fälle, in denen abweichend von § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde ausgeschlossen sein soll. So sind "andere Bestimmungen" im Sinne von § 172 Abs. 1 SGG etwa in §§ 18 Abs. 4 SGG, 22 Abs. 3 Satz 2, 67 Abs. 4 Satz 2, 75 Abs. 3 Satz 3 SGG enthalten, die die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen regeln.
Soweit der Gesetzgeber in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG einen Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe normiert hat, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, handelt es sich um einen zusätzlichen Fall des Beschwerdeausschlusses im Prozesskostenhilferecht. Dieser gilt neben dem Beschwerdeausschluss für Fälle, in denen Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Hauptsache verneint und der Beschwerdewert der Berufung nicht erreicht wird (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO) und zwar als sozialgerichtliche Spezialregelung abweichend von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2007, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 8. Juli 2009, a.a.O.; Thüringer LSG, Beschluss vom 19. Mai 2009, L 8 B 246/08 AY, zitiert nach juris). Im Zivilprozess ist demgegenüber in Fällen, in denen das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat, gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO die sofortige Beschwerde des Antragstellers unabhängig vom Streitwert der Hauptsache zulässig.
Allein diese Auslegung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG entspricht dem bereits erwähnten Ziel des Gesetzgebers, die Sozialgerichtsbarkeit zu entlasten und sozialgerichtliche Verfahren zu straffen (vgl. BT-Drs. 16/7716, a.a.O.; BR-Drs. 820/07, a.a.O.).
Der gegenteiligen Ansicht (vgl. z. B. Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. Oktober 2009, L 7 AS 294/09 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2009, L 19 B 228/08 AS; Beschluss vom 7. Juli 2008, L 1 B 17/08 AS; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Februar 2009, L 13 AS 3835/08 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2008, L 29 B 1004/08 AS PKH; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2008, L 9 B 117/08 AS, jeweils zitiert nach juris), die unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien davon ausgeht, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde gegen ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG abschließend geregelt habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
In der Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 22) heißt es wörtlich: "Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft." Diese Aussage verdeutlicht lediglich, dass die Beschwerde nur in Konstellationen zulässig ist, in denen das erstinstanzliche Gericht die Erfolgsaussichten der Hauptsache verneint hat. Einen ausdrücklichen Ausschluss der Geltung von § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO enthält sie demgegenüber nicht. Hätte der Gesetzgeber einen solchen Ausschluss gewollt, hätte er dies in der Gesetzesbegründung explizit zum Ausdruck bringen können.
Für die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO, der auf den Wert des Beschwerdegegenstandes in § 511 ZPO verweist, bedarf es auch keines Analogieschlusses (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008, a.a.O.), der eine planwidrige Regelungslücke voraussetzte. Die Anwendbarkeit ergibt sich vielmehr aus der ausdrücklichen Regelung in § 73a SGG. Der Verweis in § 73a SGG bedeutet über die Formulierung "gelten entsprechend", dass die Vorschriften der ZPO nicht unmittelbar, sondern ihrem Rechtsgedanken nach in das sozialgerichtliche Verfahren übernommen werden. In Bezug auf § 511 ZPO bedeutet dies nicht eine Anbindung an den dort genannten Wert des Beschwerdegegenstandes. Vielmehr lautet die ratio der Regelung (§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 511 ZPO), dass bei Nichterreichen des Beschwerdewertes der Berufung in der Hauptsache ein Rechtsmittel auch gegen die Prozesskostenhilfeablehnung ausgeschlossen sein soll. Im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt sich im Unterschied zur Regelung in der ZPO der Beschwerdewert in "entsprechender" Anwendung allerdings nach § 144 SGG.
Soweit teilweise vertreten wird, das Gebot der Rechtsmittelklarheit erfordere, dass der Gesetzgeber eine eindeutige Ausschlussregelung von Rechtsmitteln trifft – wie etwa in § 172 Abs. 3 SGG - (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2008, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008, a.a.O.), ist dem entgegen zu halten, dass er mit § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO eine hinreichend deutliche gesetzliche Regelung getroffen hat (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.).
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, weil in der Hauptsache der Beschwerdewert nicht erreicht wird. Der Wert des Beschwerdegegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Schleswig zum Az. S 3 AS 693/08 ER entspricht maximal dem durch Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 bewilligten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 191,94 EUR. Die Antragstellerin hatte die von ihr begehrte Leistung nicht genau beziffert, sondern sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr – der Antragstellerin - im Januar 2009 die gesetzlich zustehenden Leistungen unter Anrechnung eines ermäßigten fiktiven Netto-Erwerbseinkommens, das sich nach einem Bruttoeinkommen von 391,80 EUR berechnet, zu gewähren. Die Antragsgegnerin bewilligte mit Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 jedoch höhere Leistungen als von der Antragstellerin beantragt, indem von einem niedrigeren Bruttoerwerbseinkommen (369,41 EUR) ausgegangen wurde.
Vorliegend folgt die Zulässigkeit der Beschwerde auch nicht aus der falschen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts vom 9. Februar 2009, nach der gegen die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe die Beschwerde gegeben sei. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (Leitherer, a.a.O., vor § 143 Rdn. 14b).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 (Az. S 3 AS 693/08 ER), soweit ihr dadurch Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versagt worden ist.
Die Antragstellerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Nachdem die Antragstellerin ihre Nebenbeschäftigungen bei der Antragsgegnerin angezeigt hatte, änderte diese den Bewilligungsbescheid vom 25. November 2008 durch Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2008 ab; unter Berücksichtigung eines anzurechnenden Erwerbseinkommens reduzierte sie die Regelleistung von 351,00 EUR auf 12,00 EUR für den Monat Januar 2009.
Mit ihrem Eilantrag vom 31. Dezember 2009 hat die Antragstellerin begehrt, ihr für den Monat Januar 2009 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, indem ein ermäßigtes fiktives Nettoerwerbseinkommen – unter Zugrundelegung eines Bruttoerwerbseinkommens von 391,80 EUR – angerechnet werde.
Nachdem die Antragstellerin persönlich die Stundennachweise bei der Antragsgegnerin vorgelegt hatte, führte diese weitere Ermittlungen durch. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse berechnete die Antragsgegnerin das zu berücksichtigende Einkommen der Antragstellerin neu und erließ am 6. Januar 2009 einen Änderungsbescheid. Diesem hatte sie einen Bruttoarbeitslohn von 326,50 EUR zugrunde gelegt und daraus eine Nachzahlung in Höhe von 191,94 EUR errechnet.
Nach Rückkehr aus ihrem Urlaub hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 15. Januar 2009 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin gestellt.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 hat das Sozialgericht Schleswig sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Eilantrag sei unzulässig, weil die Antragsgegnerin dem Begehren der Antragstellerin in höherem Maße abgeholfen habe, als diese es beantragt habe. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe lägen nicht vor, weil zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages – nach Erlass des Änderungsbescheides vom 6. Januar 2009 – keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) mehr bestanden habe.
Mit ihrer am 5. März 2009 beim Sozialgericht Schleswig eingelegten Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe macht die Antragstellerin geltend, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei ihr trotz Eintritts eines erledigenden Ereignisses mit Erlass des Bescheides vom 6. Januar 2009 noch Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5. März 2009 und 20. März 2009 verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, und
2. ihr Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin Ulrike Jäger-Mohrhagen zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Sie ist nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" in diesem Sinne enthält § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO findet gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Vorschrift nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. In § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist geregelt, dass die Berufung nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt.
§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar. Die Anwendbarkeit entspricht dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften; auch die Gesetzeshistorie spricht dafür (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, L 8 AS 4968/08 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 13. Mai 2009, L 34 B 2136/08 AS PKH; 4. Juni 2009, L 33 R 130/09 B PKH und 17. September 2009, L 20 B 2247/08 AS PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS, L 5 B 304/08 AS; Hessisches LSG, Beschlüsse vom 6. Juli 2009, L 9 B 274/08 AS und 8. Juli 2009, L 6 AS 174/09 B; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. August 2009, L 8 B 258/09, jeweils zitiert nach juris).
Ausgehend vom Wortlaut ist die Verweisung in § 73a SGG, die durch das Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom 13. Juni 1980 (BGBl. I, S. 677) eingeführt worden ist, als dynamische Verweisung zu verstehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.). Dies bedeutet, dass das Gesetz, auf das verwiesen wird, in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden ist. Eine dynamische Verweisung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm auf die Vorschriften eines anderen Gesetzes ohne Beschränkung auf eine bestimmte Fassung verweist – wie § 73a ZPO auf die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe - (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1990, 1 RR 2/88, NJW 1991, 3051f zu Art. 5 II 3 des 4. GewOÄndG). Das hat zur Folge, dass auch die erst nach Einführung des § 73a SGG in Kraft getretene Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist. Dass der Gesetzgeber etwas anderes vor Augen hatte, ist – auch unter Berücksichtigung der Systematik des Gesetzes - nicht erkennbar. Denn andernfalls hätte er einen von der Verweisung abweichenden Weg einer spezialgesetzlichen Regelung im SGG gewählt. So ist er etwa in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG verfahren, wo er die entsprechende Anwendbarkeit von Vorschriften der Zivilprozessordnung auf einzelne Normen bzw. einzelne Absätze von Normen begrenzt hat; auch in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für das Prozesskostenhilferecht im Sozialgerichtsverfahren getroffen. Abweichend von § 121 Abs. 1 bis 3 ZPO in der ursprünglich vorgesehenen Fassung des Gesetzentwurfs vom 17. Juli 1979 (vgl. BT-Drs. 8/3068) hat er eine sozialgerichtliche Sonderregelung geschaffen, dass auf Antrag der Beteiligten das Gericht einen beizuordnenden Anwalt auswählen darf. Spätestens mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) hätte er zudem die Gelegenheit gehabt, die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auszuschließen. Dies hat er in Kenntnis der Rechtsprechung, die von einer Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ausgeht (z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005, L 8 AL 1862/05 PKH-B; LSG Niedersachsen-Bremen vom 6. Dezember 2005, L 8 B 147/05 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2008, L 20 B 1778/07 AS PKH, jeweils zitiert nach juris), jedoch gerade nicht getan.
Die Verweisungsnorm des § 73a SGG führt allerdings nicht zu einer unmittelbaren Anwendung der Regelungen des Prozesskostenhilferechts der ZPO. Das Gesetz spricht von einer "entsprechenden Geltung". Dies bedeutet zum einen, dass gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe nicht die in der ZPO vorgesehene sofortige Beschwerde, sondern die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft ist. Zum andern gilt auch nicht der Wert des Beschwerdegegenstandes des § 511 ZPO in Höhe von mehr als 600 EUR, sondern der des § 144 SGG bzw. für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 SGG (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009, a.a.O.). Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR (Satz 1 Nr. 1) nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Hieran anknüpfend regelt § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Ausschluss der Beschwerde, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig wäre.
Für die Anwendbarkeit von Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des § 127 ZPO spricht auch, dass nach einhelliger Auffassung andere Regelungen der Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen sollen. So ist unstreitig, dass § 127 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO, der das Beschwerderecht der Staatskasse regelt, Anwendung findet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73a Rn. 12d).
Zudem erfordern Sinn und Zweck des SGG die Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren. Ausdrückliches Ziel des SGGArbGG-Änderungsgesetzes vom 26. März 2008 ist es, die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren herbeizuführen (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 1; BR-Drs. 820/07, S. 1). Einen entsprechenden Sinn und Zweck verfolgt im Prozesskostenhilferecht § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO lag die Erwägung zugrunde, den Rechtsschutz in einem Nebenverfahren – wie dem der Prozesskostenhilfe – nicht weiter auszugestalten als in der Hauptsache. Dadurch sollte nach Auffassung des Gesetzgebers insbesondere der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begegnet werden, zu denen es käme, wenn das Beschwerdegericht die Erfolgsaussicht abweichend von dem in der Hauptsache abschließend entscheidenden Gericht des ersten Rechtszugs beurteilt (vgl. BT-Drs. 14/3750, S. 51; 14/4722, S. 75 f.). Dies führt gleichzeitig zu einer Entlastung der Gerichte.
Auch § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, der durch das SGGArbGG-Änderungsgesetz vom 26. März 2008 eingeführt wurde, steht der Geltung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. § 172 Absätze 2 und 3 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung enthalten keine abschließende Regelung für alle denkbaren Fälle, in denen abweichend von § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde ausgeschlossen sein soll. So sind "andere Bestimmungen" im Sinne von § 172 Abs. 1 SGG etwa in §§ 18 Abs. 4 SGG, 22 Abs. 3 Satz 2, 67 Abs. 4 Satz 2, 75 Abs. 3 Satz 3 SGG enthalten, die die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen regeln.
Soweit der Gesetzgeber in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG einen Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe normiert hat, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, handelt es sich um einen zusätzlichen Fall des Beschwerdeausschlusses im Prozesskostenhilferecht. Dieser gilt neben dem Beschwerdeausschluss für Fälle, in denen Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Hauptsache verneint und der Beschwerdewert der Berufung nicht erreicht wird (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO) und zwar als sozialgerichtliche Spezialregelung abweichend von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2007, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 8. Juli 2009, a.a.O.; Thüringer LSG, Beschluss vom 19. Mai 2009, L 8 B 246/08 AY, zitiert nach juris). Im Zivilprozess ist demgegenüber in Fällen, in denen das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat, gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO die sofortige Beschwerde des Antragstellers unabhängig vom Streitwert der Hauptsache zulässig.
Allein diese Auslegung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG entspricht dem bereits erwähnten Ziel des Gesetzgebers, die Sozialgerichtsbarkeit zu entlasten und sozialgerichtliche Verfahren zu straffen (vgl. BT-Drs. 16/7716, a.a.O.; BR-Drs. 820/07, a.a.O.).
Der gegenteiligen Ansicht (vgl. z. B. Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. Oktober 2009, L 7 AS 294/09 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2009, L 19 B 228/08 AS; Beschluss vom 7. Juli 2008, L 1 B 17/08 AS; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Februar 2009, L 13 AS 3835/08 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2008, L 29 B 1004/08 AS PKH; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2008, L 9 B 117/08 AS, jeweils zitiert nach juris), die unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien davon ausgeht, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde gegen ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG abschließend geregelt habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
In der Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 22) heißt es wörtlich: "Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft." Diese Aussage verdeutlicht lediglich, dass die Beschwerde nur in Konstellationen zulässig ist, in denen das erstinstanzliche Gericht die Erfolgsaussichten der Hauptsache verneint hat. Einen ausdrücklichen Ausschluss der Geltung von § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO enthält sie demgegenüber nicht. Hätte der Gesetzgeber einen solchen Ausschluss gewollt, hätte er dies in der Gesetzesbegründung explizit zum Ausdruck bringen können.
Für die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO, der auf den Wert des Beschwerdegegenstandes in § 511 ZPO verweist, bedarf es auch keines Analogieschlusses (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008, a.a.O.), der eine planwidrige Regelungslücke voraussetzte. Die Anwendbarkeit ergibt sich vielmehr aus der ausdrücklichen Regelung in § 73a SGG. Der Verweis in § 73a SGG bedeutet über die Formulierung "gelten entsprechend", dass die Vorschriften der ZPO nicht unmittelbar, sondern ihrem Rechtsgedanken nach in das sozialgerichtliche Verfahren übernommen werden. In Bezug auf § 511 ZPO bedeutet dies nicht eine Anbindung an den dort genannten Wert des Beschwerdegegenstandes. Vielmehr lautet die ratio der Regelung (§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 511 ZPO), dass bei Nichterreichen des Beschwerdewertes der Berufung in der Hauptsache ein Rechtsmittel auch gegen die Prozesskostenhilfeablehnung ausgeschlossen sein soll. Im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt sich im Unterschied zur Regelung in der ZPO der Beschwerdewert in "entsprechender" Anwendung allerdings nach § 144 SGG.
Soweit teilweise vertreten wird, das Gebot der Rechtsmittelklarheit erfordere, dass der Gesetzgeber eine eindeutige Ausschlussregelung von Rechtsmitteln trifft – wie etwa in § 172 Abs. 3 SGG - (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2008, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008, a.a.O.), ist dem entgegen zu halten, dass er mit § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO eine hinreichend deutliche gesetzliche Regelung getroffen hat (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.).
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, weil in der Hauptsache der Beschwerdewert nicht erreicht wird. Der Wert des Beschwerdegegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Schleswig zum Az. S 3 AS 693/08 ER entspricht maximal dem durch Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 bewilligten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 191,94 EUR. Die Antragstellerin hatte die von ihr begehrte Leistung nicht genau beziffert, sondern sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr – der Antragstellerin - im Januar 2009 die gesetzlich zustehenden Leistungen unter Anrechnung eines ermäßigten fiktiven Netto-Erwerbseinkommens, das sich nach einem Bruttoeinkommen von 391,80 EUR berechnet, zu gewähren. Die Antragsgegnerin bewilligte mit Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 jedoch höhere Leistungen als von der Antragstellerin beantragt, indem von einem niedrigeren Bruttoerwerbseinkommen (369,41 EUR) ausgegangen wurde.
Vorliegend folgt die Zulässigkeit der Beschwerde auch nicht aus der falschen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts vom 9. Februar 2009, nach der gegen die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe die Beschwerde gegeben sei. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (Leitherer, a.a.O., vor § 143 Rdn. 14b).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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