L 4 KR 45/09 B RG

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
L 4 KR 4/09 B
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 45/09 B RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anhörungsrüge nur bei Verstoß gegen Art. 103 Grundgesetz
Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Senats vom 29. September 2009 (L 4 KR 4/09 B) wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 29. September 2009 hat der Senat die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers in einem Vergabeverfahren zurückgewiesen. Mit der am 2. Oktober 2009 erhobenen Anhörungsrüge begehrt der Beschwerdeführer die Fortsetzung des Vergabeverfahrens und zugleich die weitere Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Die Anhörungsrüge ist statthaft und zulässig, denn der Beschwerdeführer hat sie innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 178a Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben und mit einer hinreichenden Begründung im Sinne des Abs. 1 der genannten Vorschrift versehen.

Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Nach § 178a Abs. 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dagegen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch zu folgen. Es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen; je umfangreicher das Vorbringen ist, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und gegebenenfalls auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen Fragen zu verzichten (vgl. BSG, Beschluss vom 28. September 2006, B 3 P 1/06 C, zitiert nach juris). Diesen Ansprüchen genügt der Beschluss des Senats vom 29. September 2009.

Es war nicht erforderlich, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 28. September 2009 zu geben. Nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. September 2009 seine Rechtsansicht nochmals untermauert hatte, veranlasste der Vorsitzende des Senates mit Verfügung vom 23. September 2009 die Übersendung dieses Schreibens an die Beschwerdegegnerin mit der Aufforderung, kurz darzulegen, wie die Beschaffung mit den umstrittenen Hilfsmitteln früher erfolgte. Diese Aufforderung verband er mit dem Zusatz "soweit es sich nicht vollständig aus den umfangreichen Verfahrensunterlagen ergibt". Mit dem am 28. September 2009 sowohl bei Gericht als auch bei dem Beschwerdeführer eingegangenen Schreiben vom 28. September machte die Beschwerdegegnerin Ausführungen zum Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. September und zur Verfügung des Gerichts. Im Wesentlichen enthielt dieses Schreiben eine Zusammenfassung der bereits mehrfach auch von der Beschwerdegegnerin geäußerten Rechtsauffassung, die dem Beschwerdeführer schon aus dem Vergabeverfahren vor der Vergabekammer hinreichend bekannt gewesen sein dürfte. Über die frühere Gestaltung der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln auf vertraglicher Grundlage war der Beschwerdeführer als ehemaliger Vertragspartner ebenfalls ausführlich im Bilde, so dass er sich dazu nicht schriftlich zu äußern brauchte, zumal es sich dabei auch um keine entscheidungserhebliche Frage gehandelt hat. Soweit die Beschwerdegegnerin darüber hinaus anhand des vorgelegten Zahlenmaterials Ausführungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Losaufteilung gemacht hat, sind diese Zahlen vom Senat in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vor der mündlichen Verhandlung nicht eingehend geprüft und auch nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden. Auch insoweit bestand kein Anlass, den Beschwerdeführer zu einer ergänzenden Stellungnahme aufzufordern oder ihm hierzu Gelegenheit zu geben.

Es war auch nicht im Sinne einer Verletzung des rechtlichen Gehörs verfahrensfehlerhaft, dem Beschwerdeführer keine Akteneinsicht zu gewähren, die er ausdrücklich beantragt hatte. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit in einem Verfahren des Wettbewerbsrechts ein Verfahrensbeteiligter vollständige Akteneinsicht auch in die Bieterunterlagen von Mitbewerbern beanspruchen kann. Jedenfalls dann, wenn er selbst kein Angebot abgegeben hat und sich ausschließlich auf grundlegende Mängel des Ausschreibungsverfahrens beruft, besteht kein Anlass, die eingegangenen Angebote auszuwerten oder gar dem Beschwerdeführer diese Unterlagen zur Einsicht zu überlassen. Da er selbst lediglich vorgetragen hat, aufgrund behaupteter Mängel der Ausschreibung nicht in der Lage gewesen zu sein, ein eigenes Angebot abzugeben, brauchte sich der Senat auch nur mit den behaupteten Verfahrensmängeln zu befassen. Eine vertiefte Prüfung der Ausschreibungsunterlagen oder gar die Ausforschung der Mitbewerber war für die vom Beschwerdeführer zur gerichtlichen Prüfung gestellten Fragen nicht erforderlich. Darüber hinaus enthalten die Verwaltungsakten der Beklagten so gut wie keine Unterlagen, die dem Beschwerdeführer nicht selbst zur Verfügung gestanden hatten. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer diese Unterlagen als Anlage zur sofortigen Beschwerde vorgelegt hat, woraus für den Senat die Vollständigkeit der Unterlagen ersichtlich war.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Senat, wie der Beschwerdeführer aber meint, § 142a SGG verletzt hätte. Die Anhörungsrüge kann sich nur auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beziehen, nicht aber auf andere Verfahrensfehler (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, RdNr. 5 zu § 178a mwN). Der Gesetzgeber hat mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Möglichkeit der Selbstkorrektur des Gerichts auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschränkt und eine Rüge der Verletzung sonstiger Verfahrensgrundrechte oder Verfahrensfehler bewusst ausgeklammert (Leitherer, aaO, RdNr. 5a unter Hinweis auf die Rspr. des BSG). Davon abgesehen liegt auch keine Verletzung des § 142a SGG vor. Denn der Senat ist bei seiner Entscheidung nicht vom Beschluss des OLG Düsseldorf vom 8. September 2004 (Az. VII Verg 38/04 u.a., zitiert nach juris) abgewichen. Der Entscheidung des OLG Düsseldorf lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde, bei dem das Ausschreibungsverfahren ein Los betraf, mit dem das infrastrukturelle Gebäudemanagement für 92 Eigentumsgebäude mit einer Gesamtfläche von 500.000 m² und 80 Anmietungsobjekten mit einer Gesamtfläche von 15.000 m² ausgeschrieben worden war. Das Gebäudemanagement umfasste die Reinigungsdienstleistungen (Glasreinigung, Unterhaltsreinigung), die Sicherheits- und Empfangsdienstleistungen, die Reinigungs- und Pflegedienstleistungen in den Außenanlagen sowie die Hausmeisterleistungen. Diese Ausschreibung hatte die Vergabekammer aufgehoben und dem Antragsgegner aufgegeben, bei einer neuen Ausschreibung das von diesem Los erfasste Tätigkeitsvolumen aufzuteilen. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung diese Rechtsansicht gebilligt und in den Gründen u. a. ausgeführt (RdNr. 29): "Nach § 97 Abs. 3 GWB sind die mittelständischen Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen ( ) der öffentliche Auftraggeber hat ( ) die Möglichkeit, von einer Losaufteilung abzusehen, wenn überwiegende Gründe für eine einheitliche Auftragsvergabe sprechen. Eine solche Sachlage kann gegeben sein, wenn die Aufteilung unverhältnismäßige Kostennachteile bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde ( ). Der Antragsgegner hat (hier) nicht plausibel dargelegt, dass ihm überhaupt irgendwelche Preisnachteile entstehen ( ) ebenso wenig ist insoweit dargetan, dass eine Aufteilung in Lose im Sinne des
§ 5 Nr. 1 VOL/A eine unwirtschaftliche Zersplitterung zur Folge haben würde ( )."

Der Beschwerdeführer ist daran zu erinnern, dass nicht nur der Senat in seinem Beschluss vom 29. September 2009 von der Richtigkeit dieser Grundsätze ausgegangen ist, sondern auch die Beschwerdegegnerin bereits bei der Ausschreibung das Gebot der angemessenen Berücksichtigung der mittelständischen Interessen hinreichend berücksichtigt hat. Von einer Abweichung von der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8. September 2004 kann daher im gesamten Verfahren keine Rede sein. Davon abgesehen führt nicht jede beabsichtigte Abweichung von Entscheidungen eines der in § 142a Abs. 4 SGG Gerichte zur Vorlage des Verfahrens bei dem Bundessozialgericht, sondern nur in den Fällen, in denen das Landessozialgericht die Abweichung für grundsätzlich bedeutsam hält. Hätte es hier eine Abweichung von der Entscheidung eines anderen Gerichtes gegeben, wäre noch die Frage zu klären gewesen, ob diese Abweichung grundsätzliche Bedeutung hat.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus den Beschluss des Senats vom 29. September 2009 für sachlich unrichtig hält, ist er darauf zu verweisen, dass für die Durchsetzung dieser Rechtsauffassung kein Rechtsmittel mehr zur Verfügung steht.

Da die Anhörungsrüge erfolglos bleibt, ist auch auf den Antrag der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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