Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 116/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 18.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2007 der Klägerin für die angeschafften Hörgeräte, Typ Syncro VC, nebst Zubehör die Kosten voll, d.h. auch bezüglich des Eigenanteils von 3.411 Euro (ohne die gesetzliche Zuzahlung), zu erstatten.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für ihre Hörgeräte hat.
Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 16.08.2004 wurde der Klägerin von der HNO-Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. D./ Dr. O. wegen hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits eine neue Hörhilfe verordnet, da die bisherigen Geräte nicht mehr ausreichend seien. Am 18.08.2004 reichte die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenvoranschlag über zwei Hörgeräte des Typs Synchro VC mit einem Endbetrag von 4.655,00 Euro ein, der von der Firma H. B. GmbH erstellt worden war. Beigefügt waren eine Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 30.07.2004 hinsichtlich der angepassten beidseitigen Hörgeräte und Angaben zur Hörgeräteanpassung nach den entsprechenden Richtlinien: Es sei durch das vorgesehene Gerät ein ausreichend gutes Sprachverstehen zu erreichen gewesen.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18.08.2004 fest, dass von den im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Kosten die Beklagte Aufwendungen in Höhe des entsprechenden Festbetrages übernehme, der bei 1.224,00 Euro liege. Die Klägerin habe die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von 20,00 Euro zu leisten und ihr verbleibe ein Eigenanteil von 3.411,00 Euro.
Mit Schreiben vom 24.08.2004 wandte die Klägerin sich gegen diesen Bescheid und machte geltend, dass sie den Antrag auf volle Kostenübernahme durch die Beklagte stelle und gegebenenfalls eine Untersuchung des Medizinischen Dienstes [der Krankenversicherung in Bayern] beantrage, da erst durch die angepassten Geräte ein entsprechendes Sprachverstehen, eine Orientierungsmöglichkeit im Alltag und eine Integration in das Leben mit Hörenden erreicht werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 28.08.2004 legte sie auch förmlich gegen den Bescheid Widerspruch ein.
Im Folgenden wurde von der Beklagten eine Stellungnahme des Dr. O.
zur Hörgeräteversorgung eingeholt, die dieser am 18.01.2005 vorlegte. Sodann wurde der HNO-Arzt Dr. D. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) um eine sozialmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage gebeten. Dieser führte aus, dass die bestehende Festbetragsregelung eine ausreichende Versorgung auch im individuellen Fall ermögliche.
Die Beklagte wandte sich an die Beigeladene und bat um Übermittlung der Anpassberichte für zwei zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge, die die Beigeladene aufgrund des bestehenden Vertrages habe der Klägerin anbieten müssen. Die Beigeladene verwies auf ihre bereits vorgelegten Unterlagen, in denen jedoch nur die Dokumentation für die Geräte vom Typ Oticon Synchro Compact VC und ergänzend die Mitteilung von Sprachverstehenswerten für drei andere Geräte enthalten waren. Auf Nachfragen äußerte die Beigeladene mit Schreiben vom 27.04.2005, dass von der Klägerin zwei weitere Hörgeräte getestet worden seien und zwar das Festbetragsgerät der Firma O. Swift 70 + und das Hörgerät der Firma P. S. BTE. Beide seien nur in der Hörkabine erprobt worden und hätten nur 45 % Sprachverstehen im Störgeräusch aufgewiesen.
Am 27.06.2005 äußerte sich erneut Dr. D. vom MDK: Demnach ergebe ein Einsilberverständnis von 60 % ein Satzverständnis von 75 %, was auch noch als ausreichende Versorgung gesehen werden könne. Dieser Stellungnahme schloss sich der HNO-Arzt Dr. S. vom MDK-Beratungszentrum Regensburg an.
Die Beklagte hat die Beigeladene mit Schreiben vom 10.07.2006 aufgefordert, gemäß den vertraglichen Vereinbarungen zwei geeignete Versorgungsvorschläge zu unterbreiten, da die getesteten Alternativgeräte nur 45 % Sprachverstehen im Störgeräusch aufgewiesen hätten.
Die Beigeladene äußerte sich dahingehend, dass bei den erprobten Festbetragsgeräten der Unterschied primär im Sprachverstehen im definierten Störgeräusch liege und es hierfür keine Vorschrift bzw. Regelung gebe. Sie sei der Meinung, ihre Leistungspflicht erbracht zu haben.
In einer nochmaligen Stellungnahme des Dr. D. vom MDK vom 21.11.2006 führte dieser aus, dass es für eine abschließende Beurteilung sinnvoll sei, den Anpassbericht auszuwerten, aus dem auch das Einsilberverständnis ohne Störschallbedingungen hervorgehe.
Die Klägerseite äußerte sich dahingehend, dass keine Festbetragsgeräte Probe getragen worden seien, da dies aufgrund der ursprünglichen Versorgung nach Aussage des HNO-Arztes keinerlei Sinn gemacht hätte. Bereits die frühere Versorgung habe in teilweise digitalisierbaren Geräten bestanden. Auch habe die Beigeladene der Klägerin wiederholt mitgeteilt, dass ein Festbetragsgerät ihr Hörproblem nicht lösen würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wenn für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) festgesetzt sei, trage die Beklagte gemäß § 33 Abs. 2 SGB V die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages. Der Klägerin seien von der Beigeladenen mehrere Hörgeräte angeboten worden, die aus technischer Sicht den Leistungsanforderungen der ermittelten Hörschwäche entsprechen würden. Die Kasse habe zu Recht die volle Kostenübernahme für die beantragten Hörgeräte abgelehnt und die Kostenübernahme entsprechend der Versorgungspauschale auf einen Betrag in Höhe von 1.224,00 Euro begrenzt.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2007 am 12.04.2007 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Aus dem Sachleistungsprinzip (§ 2 SGB V) erfolge ein Anspruch auf Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderungen. Der Festbetrag begrenze die diesbezügliche Leistungspflicht nicht. Die Klägerin legte auf Anforderung durch das Gericht eine Rechnung der Beigeladenen vom 31.01.2005 über die von ihr geforderte Zahlung in Höhe von 3.431,00 Euro vor. Die Beigeladene bestätigte – später im Prozess - auf Nachfrage des Gerichts, dass die Klägerin den Betrag von 3.431,00 Euro auch tatsächlich gezahlt habe.
Das Gericht holte im Folgenden ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. N. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 26.11.2008 aus, dass bei der Klägerin eine gering- bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links vorliege sowie zusätzlich Ohrgeräusche auftreten würden. Der Begriff der ausreichenden Hörgeräteversorgung ergebe sich nicht aus einem Absolutwert, sondern daraus, ob die Hörgeräteversorgung bereits so gewählt worden sei, dass eine weitere Verbesserung um 20 Prozentpunkte oder mehr ausgeschlossen sei. Da im vorliegenden Fall zwischen den angegebenen Hörgeräten eine Differenz von 25 % liege, sei die Versorgung mit dem Gerät mit dem geringsten Wert als nicht ausreichend anzusehen. Insgesamt ergebe sich aus der Untersuchung, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles eine Hörgeräteversorgung mit einem Mehrkanalgerät und einer Störgeräuschunterdrückung erforderlich sei, da die Hörstörung ohne diese Voraussetzung nur unzureichend zu versorgen sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht zu ersehen, dass mit einem einfachen Hörsystem ein ähnlicher Behinderungsausgleich erreicht werden könne. Hierzu müssten entsprechende Anpassungsberichte des Akustikers vorliegen.
Mit Beschluss vom 23.01.2009 lud das Gericht die Hörakustikfirma B. GmbH zum Verfahren bei. Die Beklagte stellte auf Anforderung dem Gericht den "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" vom 01.01.2004 zur Verfügung. Nach § 3 Abs. 2 dieses Vertrages habe der Versicherte bei Wahl eines nichteigenanteilsfreien Versorgungsangebotes zwar eine Erklärung abzugeben und zu unterschreiben. Sämtliche Unterlagen in der Abrechnungsstelle seien im vorliegenden Fall jedoch wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen bereits vernichtet worden, so dass für den konkreten Fall keine genauen Belege vorgelegt werden könnten, ob das Procedere eingehalten wurde.
Vorgelegt wurde von der Beklagten eine Stellungnahme einer Technischen Beraterin, Frau S., die im Briefkopf "o. AG, G." angibt. Nach deren Ausführungen vom 10.12.2008 habe die Klägerin mit den getesteten Festbetragsgeräten einseitig 75 % verstanden und die Anpassung von Festbetragsgeräten sei auch bei besonderer Aufgabenstellung möglich.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2007 zu verurteilen, die Kosten für die angeschafften Hörgeräte Typ Synchro VC nebst Zubehör voll, d.h. auch bezüglich des Eigenanteils in Höhe von 3.431,000 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist auch entscheidungsreif. Für das Gericht ergaben sich keine naheliegenden weiteren Ermittlungsansätze mehr, da das Gericht sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG nicht gehalten sah, von sich aus alle möglichen Hörgeräte und insbesondere Geräte, die dem damaligen technischen Stand zum Zeitpunkt der Anpassung entsprachen, für Vergleichsuntersuchungen heranzuziehen, ob diese möglicherweise eine ausreichende Versorgung der Klägerin ermöglicht hätten. Vielmehr erschien es ausreichend, die gutachterlich bewerteten Ermittlungsergebnisse zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung zu machen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass bei der Beklagten oder der Beigeladenen noch weitere Unterlagen über die Hörgeräteanpassung vorhanden wären, wie sich aus dem aktenkundigen Schriftwechsel ergibt.
Das Gericht hatte eine einfache Beiladung des Leistungserbringers im Hinblick auf eine mögliche Regressforderung der Beklagten für sinnvoll angesehen, auch wenn es sich hierbei um einen anderen Streitgegenstand handelt und eine notwendige Beiladung insofern als nicht erforderlich angesehen wird (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.03.2009, Az. L 11 R 5494/08 B – zitiert nach juris).
Die Klage ist zur Überzeugung des Gerichts auch nahezu vollumfänglich begründet. Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die Beklagte im Bescheid vom 18.08.2004 die (eigenanteilsfreie) Versorgung mit den beantragten Hörgeräten vom Typ Synchro VC zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Klägerin hat als Versicherte nach § 27 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, die die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst.
Aus dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. N. ergibt sich für das Gericht zunächst eindeutig, dass es sich bei dieser Versorgung mit diesen Hörgeräten um eine Versorgung mit geeigneten Hilfsmitteln handelte. Die Eignung wird im Übrigen auch nicht von den übrigen Beteiligten bestritten.
Weiter ist für das Gericht aus dem Gutachten zu entnehmen, dass es sich bei dieser Versorgung um eine Leistung im Rahmen der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehandelt hat, wonach Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Auch nach der Beweisaufnahme ist zur Überzeugung des Gerichtes nicht hinreichend dargelegt, dass es andere – insbesondere kostengünstigere - Geräte gegeben hätte, die einen ausreichenden Ausgleich der Hörbehinderung der Klägerin ermöglicht hätten. Dabei ist es zwar im Einzelnen schwer nachvollziehbar, welche Maßstäbe zur Auslegung des Merkmales "ausreichend" heranzuziehen sind. Nach Auswertung der Gutachten ist aus Sicht des Gerichtes bei der Auslegung dieses Begriffes eine Kombination aus dynamischen und fixen medizinischen Betrachtungsmaßstäben maßgeblich: D.h. zum einen, dass eine Versorgung dann als nicht ausreichend angesehen wird, wenn es Geräte gibt, die ein wesentlich besseres Hörverständnis und einen Verständniszuwachs von über 20 % ermöglichen. Zum anderen ist aus Sicht des Gerichtes eine Leistung aber auch dann als nicht ausreichend anzusehen, wenn ein bestimmter notwendiger Behinderungsausgleich – hier eine Alltagssprachverständlichkeit – noch nicht erreicht ist.
Das Gericht folgt in vergleichbaren Verfahren regelmäßig der Darlegung, dass beim Einsilbersprachverständnis noch entsprechende Einbußen hinnehmbar erscheinen, weil trotzdem ein wesentlich höheres Sprachverständnis erreichbar ist (vgl. Urteil des SG Würzburg vom 19.08.2008 im Verfahren S 4 KR 695/06). Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, auch das Sprachverständnis bei 75 % begrenzt bliebe, d.h. jeder vierte Satz im Zusammenhang nicht korrekt erfasst wäre, läge ein ausreichender Behinderungsausgleich nur vor, wenn tatsächlich keine anderweitigen Verbesserungsmöglichkeiten mehr bestünden.
Die Ausführungen der Beigeladenen, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern und der Technischen Beraterin der Beklagten können das Gericht dagegen nicht überzeugen. So sind die Ausführungen der Beigeladenen ohne entsprechenden Substanzbezug geblieben und erschöpfen sich darin, dass sie der Auffassung sei, ihrer Leistungsverpflichtung nachgekommen zu sein. Der MDK verweist in großen Zügen auf die bestehende Rechtsprechung und macht darüber hinaus deutlich, dass für eine abschließende fundierte Einzelfallbeurteilung hinreichende Anpassungsmessungen nicht vorliegen. Die Technische Beraterin der Beklagten stützt ihre Annahmen zum Teil auf nicht aktenkundige Werte, so dass für das Gericht nicht ersichtlich ist, dass diese dem vorliegenden Einzelfall zuzuordnen wären.
Für das Gericht ergibt sich somit, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Versorgung mit den beantragten Hörgeräten hatte, weil andere – insbesondere preisgünstigere - ausreichende Hörgeräte nicht zur Verfügung standen oder nicht getestet wurden.
In § 12 Abs. 2 SGB V ist zwar festgelegt, dass die Krankenkassen ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag erfüllen, wenn für eine Leistung ein Festbetrag festgelegt ist. Für die Versorgung mit Hörgeräten ist auch unstrittig ein Festbetrag festgelegt und die Beklagte hat sich bereit erklärt, im Rahmen der tatsächlich erfolgten Versorgung die Festbeträge einzubringen. Gleichwohl lässt sich aus Sicht des Gerichtes nicht entnehmen, dass die Beklagte im Fall einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung einer bestimmten Versorgung aufgrund dieser Vorschrift von einer Leistungsverpflichtung im Rahmen des § 13 SGB V freigestellt würde. Es kann entsprechend der Systematik des SGB V nicht Aufgabe eines Versicherten sein, im Verhältnis zum Leistungserbringer die Erbringung einer bestimmten konkreten Leistung zum Festbetrag einklagen zu müssen. Vielmehr eröffnet im Fall einer Verurteilung zur Kostenerstattung im Rahmen des § 13 SGB V die Vorschrift des § 12 Abs. 2 SGB V einen Regressanspruch gegenüber dem Leistungserbringer (im Ergebnis so auch der Grundgedanke im zitierten Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg a.a.O.).
§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt, dass in Fällen, in denen eine Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war.
Nach den hier vorliegenden Ermittlungsergebnissen hat die endgültige Beschaffung des Hilfsmittels erst zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als die Ablehnung der Beklagten bereits vorlag. Zwar ist in einem längeren Anpassungsprozess meist eine zeitweilige Überlassung des Hörgerätes bereits vorher üblich; eine rechtsverbindliche Bedeutung erlangt dies jedoch regelmäßig erst mit der rechtsverbindlichen Abwicklung, d.h. der eigentlichen Kaufverpflichtung. Nähere Erkenntnisse über den zeitlichen Ablauf, insbesondere der genaue Zeitpunkt der endgültigen rechtlichen Verpflichtung zur Abnahme seitens der Klägerin, waren nicht mehr zu ermitteln, da die Unterlagen über die Bereiterklärungen und die Abrechnung von der Beklagten nicht mehr aufbewahrt wurden. Dass die Klägerin sich bereits vor der Ablehnung der konkreten Hörgeräteversorgung durch die Beklagte zur Abnahme gegenüber der Beigeladenen rechtlich verpflichtet gehabt hätte, ist somit nicht belegt.
Dementsprechend ist die Klägerin von den von ihr für die Beschaffung der notwendigen Hilfsmittel, also der beiden Hörgeräte vom Typ Synchro VC, aufgebrachten Zahlungen, die sie an die Beigeladene geleistet hat, kostenmäßig (weitgehend) freizustellen. Allerdings ist nicht der gesamte geltend gemachte Betrag von 3.431,00 Euro zu erstatten, da hierin auch die gesetzliche Zuzahlung für die beiden Hilfsmittel enthalten ist (§ 61 S. 1 SGB V). Diesen (untergeordneten) Betrag in Höhe von zusammen 20,00 Euro hat die Klägerin selbst zu tragen. Insoweit war die Klage teilweise abzuweisen. Hinsichtlich der übrigen begehrten Kostenerstattung war der Klage stattzugeben und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten waren aufzuheben.
Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage nahezu vollständig Erfolg gehabt hatte, war die Beklagte auch zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verurteilen (§ 193 SGG).
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für ihre Hörgeräte hat.
Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 16.08.2004 wurde der Klägerin von der HNO-Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. D./ Dr. O. wegen hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits eine neue Hörhilfe verordnet, da die bisherigen Geräte nicht mehr ausreichend seien. Am 18.08.2004 reichte die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenvoranschlag über zwei Hörgeräte des Typs Synchro VC mit einem Endbetrag von 4.655,00 Euro ein, der von der Firma H. B. GmbH erstellt worden war. Beigefügt waren eine Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 30.07.2004 hinsichtlich der angepassten beidseitigen Hörgeräte und Angaben zur Hörgeräteanpassung nach den entsprechenden Richtlinien: Es sei durch das vorgesehene Gerät ein ausreichend gutes Sprachverstehen zu erreichen gewesen.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18.08.2004 fest, dass von den im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Kosten die Beklagte Aufwendungen in Höhe des entsprechenden Festbetrages übernehme, der bei 1.224,00 Euro liege. Die Klägerin habe die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von 20,00 Euro zu leisten und ihr verbleibe ein Eigenanteil von 3.411,00 Euro.
Mit Schreiben vom 24.08.2004 wandte die Klägerin sich gegen diesen Bescheid und machte geltend, dass sie den Antrag auf volle Kostenübernahme durch die Beklagte stelle und gegebenenfalls eine Untersuchung des Medizinischen Dienstes [der Krankenversicherung in Bayern] beantrage, da erst durch die angepassten Geräte ein entsprechendes Sprachverstehen, eine Orientierungsmöglichkeit im Alltag und eine Integration in das Leben mit Hörenden erreicht werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 28.08.2004 legte sie auch förmlich gegen den Bescheid Widerspruch ein.
Im Folgenden wurde von der Beklagten eine Stellungnahme des Dr. O.
zur Hörgeräteversorgung eingeholt, die dieser am 18.01.2005 vorlegte. Sodann wurde der HNO-Arzt Dr. D. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) um eine sozialmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage gebeten. Dieser führte aus, dass die bestehende Festbetragsregelung eine ausreichende Versorgung auch im individuellen Fall ermögliche.
Die Beklagte wandte sich an die Beigeladene und bat um Übermittlung der Anpassberichte für zwei zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge, die die Beigeladene aufgrund des bestehenden Vertrages habe der Klägerin anbieten müssen. Die Beigeladene verwies auf ihre bereits vorgelegten Unterlagen, in denen jedoch nur die Dokumentation für die Geräte vom Typ Oticon Synchro Compact VC und ergänzend die Mitteilung von Sprachverstehenswerten für drei andere Geräte enthalten waren. Auf Nachfragen äußerte die Beigeladene mit Schreiben vom 27.04.2005, dass von der Klägerin zwei weitere Hörgeräte getestet worden seien und zwar das Festbetragsgerät der Firma O. Swift 70 + und das Hörgerät der Firma P. S. BTE. Beide seien nur in der Hörkabine erprobt worden und hätten nur 45 % Sprachverstehen im Störgeräusch aufgewiesen.
Am 27.06.2005 äußerte sich erneut Dr. D. vom MDK: Demnach ergebe ein Einsilberverständnis von 60 % ein Satzverständnis von 75 %, was auch noch als ausreichende Versorgung gesehen werden könne. Dieser Stellungnahme schloss sich der HNO-Arzt Dr. S. vom MDK-Beratungszentrum Regensburg an.
Die Beklagte hat die Beigeladene mit Schreiben vom 10.07.2006 aufgefordert, gemäß den vertraglichen Vereinbarungen zwei geeignete Versorgungsvorschläge zu unterbreiten, da die getesteten Alternativgeräte nur 45 % Sprachverstehen im Störgeräusch aufgewiesen hätten.
Die Beigeladene äußerte sich dahingehend, dass bei den erprobten Festbetragsgeräten der Unterschied primär im Sprachverstehen im definierten Störgeräusch liege und es hierfür keine Vorschrift bzw. Regelung gebe. Sie sei der Meinung, ihre Leistungspflicht erbracht zu haben.
In einer nochmaligen Stellungnahme des Dr. D. vom MDK vom 21.11.2006 führte dieser aus, dass es für eine abschließende Beurteilung sinnvoll sei, den Anpassbericht auszuwerten, aus dem auch das Einsilberverständnis ohne Störschallbedingungen hervorgehe.
Die Klägerseite äußerte sich dahingehend, dass keine Festbetragsgeräte Probe getragen worden seien, da dies aufgrund der ursprünglichen Versorgung nach Aussage des HNO-Arztes keinerlei Sinn gemacht hätte. Bereits die frühere Versorgung habe in teilweise digitalisierbaren Geräten bestanden. Auch habe die Beigeladene der Klägerin wiederholt mitgeteilt, dass ein Festbetragsgerät ihr Hörproblem nicht lösen würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wenn für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) festgesetzt sei, trage die Beklagte gemäß § 33 Abs. 2 SGB V die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages. Der Klägerin seien von der Beigeladenen mehrere Hörgeräte angeboten worden, die aus technischer Sicht den Leistungsanforderungen der ermittelten Hörschwäche entsprechen würden. Die Kasse habe zu Recht die volle Kostenübernahme für die beantragten Hörgeräte abgelehnt und die Kostenübernahme entsprechend der Versorgungspauschale auf einen Betrag in Höhe von 1.224,00 Euro begrenzt.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2007 am 12.04.2007 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Aus dem Sachleistungsprinzip (§ 2 SGB V) erfolge ein Anspruch auf Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderungen. Der Festbetrag begrenze die diesbezügliche Leistungspflicht nicht. Die Klägerin legte auf Anforderung durch das Gericht eine Rechnung der Beigeladenen vom 31.01.2005 über die von ihr geforderte Zahlung in Höhe von 3.431,00 Euro vor. Die Beigeladene bestätigte – später im Prozess - auf Nachfrage des Gerichts, dass die Klägerin den Betrag von 3.431,00 Euro auch tatsächlich gezahlt habe.
Das Gericht holte im Folgenden ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. N. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 26.11.2008 aus, dass bei der Klägerin eine gering- bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links vorliege sowie zusätzlich Ohrgeräusche auftreten würden. Der Begriff der ausreichenden Hörgeräteversorgung ergebe sich nicht aus einem Absolutwert, sondern daraus, ob die Hörgeräteversorgung bereits so gewählt worden sei, dass eine weitere Verbesserung um 20 Prozentpunkte oder mehr ausgeschlossen sei. Da im vorliegenden Fall zwischen den angegebenen Hörgeräten eine Differenz von 25 % liege, sei die Versorgung mit dem Gerät mit dem geringsten Wert als nicht ausreichend anzusehen. Insgesamt ergebe sich aus der Untersuchung, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles eine Hörgeräteversorgung mit einem Mehrkanalgerät und einer Störgeräuschunterdrückung erforderlich sei, da die Hörstörung ohne diese Voraussetzung nur unzureichend zu versorgen sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht zu ersehen, dass mit einem einfachen Hörsystem ein ähnlicher Behinderungsausgleich erreicht werden könne. Hierzu müssten entsprechende Anpassungsberichte des Akustikers vorliegen.
Mit Beschluss vom 23.01.2009 lud das Gericht die Hörakustikfirma B. GmbH zum Verfahren bei. Die Beklagte stellte auf Anforderung dem Gericht den "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" vom 01.01.2004 zur Verfügung. Nach § 3 Abs. 2 dieses Vertrages habe der Versicherte bei Wahl eines nichteigenanteilsfreien Versorgungsangebotes zwar eine Erklärung abzugeben und zu unterschreiben. Sämtliche Unterlagen in der Abrechnungsstelle seien im vorliegenden Fall jedoch wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen bereits vernichtet worden, so dass für den konkreten Fall keine genauen Belege vorgelegt werden könnten, ob das Procedere eingehalten wurde.
Vorgelegt wurde von der Beklagten eine Stellungnahme einer Technischen Beraterin, Frau S., die im Briefkopf "o. AG, G." angibt. Nach deren Ausführungen vom 10.12.2008 habe die Klägerin mit den getesteten Festbetragsgeräten einseitig 75 % verstanden und die Anpassung von Festbetragsgeräten sei auch bei besonderer Aufgabenstellung möglich.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2007 zu verurteilen, die Kosten für die angeschafften Hörgeräte Typ Synchro VC nebst Zubehör voll, d.h. auch bezüglich des Eigenanteils in Höhe von 3.431,000 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist auch entscheidungsreif. Für das Gericht ergaben sich keine naheliegenden weiteren Ermittlungsansätze mehr, da das Gericht sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG nicht gehalten sah, von sich aus alle möglichen Hörgeräte und insbesondere Geräte, die dem damaligen technischen Stand zum Zeitpunkt der Anpassung entsprachen, für Vergleichsuntersuchungen heranzuziehen, ob diese möglicherweise eine ausreichende Versorgung der Klägerin ermöglicht hätten. Vielmehr erschien es ausreichend, die gutachterlich bewerteten Ermittlungsergebnisse zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung zu machen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass bei der Beklagten oder der Beigeladenen noch weitere Unterlagen über die Hörgeräteanpassung vorhanden wären, wie sich aus dem aktenkundigen Schriftwechsel ergibt.
Das Gericht hatte eine einfache Beiladung des Leistungserbringers im Hinblick auf eine mögliche Regressforderung der Beklagten für sinnvoll angesehen, auch wenn es sich hierbei um einen anderen Streitgegenstand handelt und eine notwendige Beiladung insofern als nicht erforderlich angesehen wird (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.03.2009, Az. L 11 R 5494/08 B – zitiert nach juris).
Die Klage ist zur Überzeugung des Gerichts auch nahezu vollumfänglich begründet. Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die Beklagte im Bescheid vom 18.08.2004 die (eigenanteilsfreie) Versorgung mit den beantragten Hörgeräten vom Typ Synchro VC zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Klägerin hat als Versicherte nach § 27 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, die die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst.
Aus dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. N. ergibt sich für das Gericht zunächst eindeutig, dass es sich bei dieser Versorgung mit diesen Hörgeräten um eine Versorgung mit geeigneten Hilfsmitteln handelte. Die Eignung wird im Übrigen auch nicht von den übrigen Beteiligten bestritten.
Weiter ist für das Gericht aus dem Gutachten zu entnehmen, dass es sich bei dieser Versorgung um eine Leistung im Rahmen der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehandelt hat, wonach Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Auch nach der Beweisaufnahme ist zur Überzeugung des Gerichtes nicht hinreichend dargelegt, dass es andere – insbesondere kostengünstigere - Geräte gegeben hätte, die einen ausreichenden Ausgleich der Hörbehinderung der Klägerin ermöglicht hätten. Dabei ist es zwar im Einzelnen schwer nachvollziehbar, welche Maßstäbe zur Auslegung des Merkmales "ausreichend" heranzuziehen sind. Nach Auswertung der Gutachten ist aus Sicht des Gerichtes bei der Auslegung dieses Begriffes eine Kombination aus dynamischen und fixen medizinischen Betrachtungsmaßstäben maßgeblich: D.h. zum einen, dass eine Versorgung dann als nicht ausreichend angesehen wird, wenn es Geräte gibt, die ein wesentlich besseres Hörverständnis und einen Verständniszuwachs von über 20 % ermöglichen. Zum anderen ist aus Sicht des Gerichtes eine Leistung aber auch dann als nicht ausreichend anzusehen, wenn ein bestimmter notwendiger Behinderungsausgleich – hier eine Alltagssprachverständlichkeit – noch nicht erreicht ist.
Das Gericht folgt in vergleichbaren Verfahren regelmäßig der Darlegung, dass beim Einsilbersprachverständnis noch entsprechende Einbußen hinnehmbar erscheinen, weil trotzdem ein wesentlich höheres Sprachverständnis erreichbar ist (vgl. Urteil des SG Würzburg vom 19.08.2008 im Verfahren S 4 KR 695/06). Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, auch das Sprachverständnis bei 75 % begrenzt bliebe, d.h. jeder vierte Satz im Zusammenhang nicht korrekt erfasst wäre, läge ein ausreichender Behinderungsausgleich nur vor, wenn tatsächlich keine anderweitigen Verbesserungsmöglichkeiten mehr bestünden.
Die Ausführungen der Beigeladenen, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern und der Technischen Beraterin der Beklagten können das Gericht dagegen nicht überzeugen. So sind die Ausführungen der Beigeladenen ohne entsprechenden Substanzbezug geblieben und erschöpfen sich darin, dass sie der Auffassung sei, ihrer Leistungsverpflichtung nachgekommen zu sein. Der MDK verweist in großen Zügen auf die bestehende Rechtsprechung und macht darüber hinaus deutlich, dass für eine abschließende fundierte Einzelfallbeurteilung hinreichende Anpassungsmessungen nicht vorliegen. Die Technische Beraterin der Beklagten stützt ihre Annahmen zum Teil auf nicht aktenkundige Werte, so dass für das Gericht nicht ersichtlich ist, dass diese dem vorliegenden Einzelfall zuzuordnen wären.
Für das Gericht ergibt sich somit, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Versorgung mit den beantragten Hörgeräten hatte, weil andere – insbesondere preisgünstigere - ausreichende Hörgeräte nicht zur Verfügung standen oder nicht getestet wurden.
In § 12 Abs. 2 SGB V ist zwar festgelegt, dass die Krankenkassen ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag erfüllen, wenn für eine Leistung ein Festbetrag festgelegt ist. Für die Versorgung mit Hörgeräten ist auch unstrittig ein Festbetrag festgelegt und die Beklagte hat sich bereit erklärt, im Rahmen der tatsächlich erfolgten Versorgung die Festbeträge einzubringen. Gleichwohl lässt sich aus Sicht des Gerichtes nicht entnehmen, dass die Beklagte im Fall einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung einer bestimmten Versorgung aufgrund dieser Vorschrift von einer Leistungsverpflichtung im Rahmen des § 13 SGB V freigestellt würde. Es kann entsprechend der Systematik des SGB V nicht Aufgabe eines Versicherten sein, im Verhältnis zum Leistungserbringer die Erbringung einer bestimmten konkreten Leistung zum Festbetrag einklagen zu müssen. Vielmehr eröffnet im Fall einer Verurteilung zur Kostenerstattung im Rahmen des § 13 SGB V die Vorschrift des § 12 Abs. 2 SGB V einen Regressanspruch gegenüber dem Leistungserbringer (im Ergebnis so auch der Grundgedanke im zitierten Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg a.a.O.).
§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt, dass in Fällen, in denen eine Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war.
Nach den hier vorliegenden Ermittlungsergebnissen hat die endgültige Beschaffung des Hilfsmittels erst zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als die Ablehnung der Beklagten bereits vorlag. Zwar ist in einem längeren Anpassungsprozess meist eine zeitweilige Überlassung des Hörgerätes bereits vorher üblich; eine rechtsverbindliche Bedeutung erlangt dies jedoch regelmäßig erst mit der rechtsverbindlichen Abwicklung, d.h. der eigentlichen Kaufverpflichtung. Nähere Erkenntnisse über den zeitlichen Ablauf, insbesondere der genaue Zeitpunkt der endgültigen rechtlichen Verpflichtung zur Abnahme seitens der Klägerin, waren nicht mehr zu ermitteln, da die Unterlagen über die Bereiterklärungen und die Abrechnung von der Beklagten nicht mehr aufbewahrt wurden. Dass die Klägerin sich bereits vor der Ablehnung der konkreten Hörgeräteversorgung durch die Beklagte zur Abnahme gegenüber der Beigeladenen rechtlich verpflichtet gehabt hätte, ist somit nicht belegt.
Dementsprechend ist die Klägerin von den von ihr für die Beschaffung der notwendigen Hilfsmittel, also der beiden Hörgeräte vom Typ Synchro VC, aufgebrachten Zahlungen, die sie an die Beigeladene geleistet hat, kostenmäßig (weitgehend) freizustellen. Allerdings ist nicht der gesamte geltend gemachte Betrag von 3.431,00 Euro zu erstatten, da hierin auch die gesetzliche Zuzahlung für die beiden Hilfsmittel enthalten ist (§ 61 S. 1 SGB V). Diesen (untergeordneten) Betrag in Höhe von zusammen 20,00 Euro hat die Klägerin selbst zu tragen. Insoweit war die Klage teilweise abzuweisen. Hinsichtlich der übrigen begehrten Kostenerstattung war der Klage stattzugeben und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten waren aufzuheben.
Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage nahezu vollständig Erfolg gehabt hatte, war die Beklagte auch zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verurteilen (§ 193 SGG).
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