L 7 AL 35/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 2 AL 455/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 35/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Insolvenzgeld für den Zeitraum ab 1. Oktober 2003 zu zahlen ist.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm Insolvenzgeld wegen nicht gezahlten Arbeitsentgelts aufgrund einer behaupteten Beschäftigung als Arbeitnehmer bis zum 31. Dezember 2003 im Betrieb seiner Mutter (Zeugin) zu zahlen.

Die 1930 geborene Zeugin übernahm den von ihrem in den neunziger Jahren gestorbenen Ehemann am 15. Januar 1983 als Gewerbe angemeldeten Glas- und Gebäudereinigungs- sowie Hochstrahltechnikbetrieb als Einzelfirma C., Inhaberin D. in E. (Insolvenzbetrieb). Der 1968 geborene Kläger und Sohn der Zeugin stieg ebenfalls nach dem Tod seines Vaters in den Betrieb ein. Er ist gelernter Industriekaufmann sowie Gebäudereinigermeister. Der Kläger meldete ab 1. Januar 2002 eine weitere Gebäudereinigungsfirma "F." als Gewerbe (Klägerbetrieb) an, die er vorher als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen mit einem weiteren Gesellschafter betrieb.

Nachdem die Zeugin am 21. November 2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und mit Schreiben vom 3. Dezember 2003, tatsächlich wohl vom Kläger unterschrieben, das behauptete Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2003 gekündigt hatte, stellte der Kläger am 23. Januar 2004 bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld. Er gab im Antrag an, im Insolvenzbetrieb seiner Mutter als Bauleiter bis zum 31. Dezember 2003 beschäftigt gewesen zu sein. Er habe für den Zeitraum vom 1. September 2003 bis 31. Dezember 2003 kein Arbeitsentgelt erhalten. Als weitere Belege fügte er die Entgeltabrechnungen für die Monate September bis November 2003 bei. Weiter legte er später ein Schreiben der Einzugsstelle vom 26. April 2004 vor, nach dem er seit dem 1. Januar 1998 bei dem Insolvenzbetrieb als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein soll. Maßgeblich hierfür sei gewesen, dass der Kläger eine ansonsten erforderliche andere Arbeitskraft ersetzt hätte, weisungsgebunden gewesen wäre, ein tarifliches Entgelt erhalten habe, über seine Bezüge habe frei verfügen dürfen und einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt habe.

Der Kläger gründete am 1. März 2004 einen weiteren Betonsanierungsbetrieb G. GmbH.

Im vorläufigen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Zeugin erstattete der Insolvenzverwalter ein Sachverständigengutachten vom 13. Juli 2004. Dabei führte er aus, die am 1. Dezember 1985 gegründete Kommanditgesellschaft H. KG sei ab 5. November 1997 als Einzelfirma der Zeugin fortgeführt worden. Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass die Zeugin sich im Insolvenzverfahren nicht kooperativ gezeigt habe. In einem Termin vor dem Insolvenzgericht am 29. März 2004 habe die Zeugin mitgeteilt, sie habe 10 Mitarbeiter beschäftigt; dem letzten sei zum 31. Dezember 2003 gekündigt worden. Dem Insolvenzverwalter gegenüber habe sie hingegen angegeben, dass nur acht Mitarbeiter bei ihr beschäftigt gewesen seien. Es hätten noch 32 Ordner mit Unterlagen des Insolvenzbetriebs sichergestellt werden können. Weitere Angaben könnten nicht mehr nachvollzogen werden, weil bei einem Brand am 23. Mai 2004 in den Büroräumen des Insolvenzbetriebs sämtliche Firmenunterlagen durch Feuer und Löschwasser vernichtet worden seien. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 2. März 2004 habe sich der Insolvenzbetrieb nicht mehr im werbenden Zustand befunden.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Zeugin eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 14. Juli 2004 in dem Insolvenzverfahren mit dem Az.: xxx.

Der Insolvenzverwalter teilte der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 19. November 2004 mit, es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger bei der Zeugin als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei. Mit weiterem Schreiben vom 2. Februar 2005 bestätigte der Insolvenzverwalter seinen Verdacht mit der Begründung, die Arbeitnehmertätigkeit des Klägers sei zum 31. Dezember 2002 beendet worden. Das hätten die Prüfbeamten des Rentenversicherungsträgers bestätigt. Seither seien keine Entgeltzahlungen mehr an den Kläger erfolgt. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen Familienbetrieb gehandelt habe. Schließlich sei dafür bedeutsam, dass der Kläger im selben Zeitraum Geschäftsführer einer eigenen Firma gewesen sei. Beigefügt war das Schreiben der Prüfstelle des Rentenversicherungsträgers vom 1. Februar 2005 aufgrund von Betriebsprüfungen am 1. Dezember 2004 und 1. Februar 2005.

Unter Hinweis auf die vorgenannten Betriebsprüfungen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 8. Februar 2005 mit der Begründung ab, Insolvenzgeld könne nicht gezahlt werden, weil er im maßgeblichen Zeitraum nicht in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Insolvenzbetrieb gestanden habe. Hiergegen legte der Kläger am 9. März 2005 Widerspruch ein. Er führte aus, eine Betriebsprüfung sei überhaupt nicht möglich gewesen, weil die wesentlichen Unterlagen durch einen Brand vernichtet worden seien. Außerdem sei die Einzugsstelle zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung gab sie nochmals an, der Kläger habe einen weiteren Betrieb unter derselben Anschrift geführt und seit Januar 2003 kein Arbeitsentgelt mehr erhalten.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Mai 2005 zunächst in Form einer echten Leistungsklage auf Zahlung eines Betrags von knapp 7.000,00 EUR bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben. Der Kläger hat erstmals im Klageverfahren einen Arbeitsvertrag zwischen ihm und der Zeugin ab 1. Januar 2003 als Betriebsleiter vorgelegt. Weiter hat der Zeuge I. bestätigt, als Buchhalter des Insolvenzbetriebs die Beitragsnachweise für 2003 nach den gesetzlichen Vorschriften erbracht zu haben.

Der Insolvenzverwalter gab für das Insolvenzverfahren in seinem Schlussbericht vom 7. April 2008 an, bereits für 1999 sei ein Verlust in Höhe von 20.208,36 DM und für 2000 in Höhe von 112.363,17 DM des Insolvenzbetriebs festzustellen. Schon als die Zeugin den Insolvenzantrag gestellt habe, sei der Betrieb eingestellt gewesen. Nach Angaben der Zeugin sei allen Arbeitnehmern zum 31. Dezember 2003 gekündigt worden. Die exakte Anzahl sei aber unklar. Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 mangels Masse eingestellt.

Die Kammer hat den Kläger im Verhandlungstermin vom 27. November 2008 persönlich befragt. Der Kläger hat dabei angegeben, den Betrieb habe 1983 sein Vater J. gegründet. Er selber sei nach dem Tod seines Vaters circa 1994 oder 1995 eingestiegen. Der Insolvenzbetrieb habe Gebäudereinigungs- und Untergrundvorbereitungsdienstleistungen für Bausanierungen erbracht. Der schriftliche Arbeitsvertrag sei 2003 nur abgefasst worden, weil das die Handwerkskammer verlangt habe. Es seien circa sechs bis sieben gewerbliche Arbeitnehmer neben weiteren nur geringfügig Beschäftigten beschäftigt gewesen. Im Büro seien weitere drei bis vier Personen angestellt gewesen. Er selber habe sich um die Kunden und Personalbetreuung vor Ort gekümmert. Weiter hätten die Materiallogistik, Lieferungen sowie Sichtung öffentlicher Ausschreibungen und Auswahl des Personals zu seinem Aufgabenbereich gehört. Die Zeugin sei als Firmeninhaberin im Büro tätig gewesen. Sie sei hinzugezogen worden, wenn Verträge hätten abgeschlossen werden müssen. Diese habe aber auch der Kläger vorbereitet. Ein ähnliches Aufgabengebiet hätten die Mitarbeiter K. und L. innegehabt. 1999 sei auf Anraten der Bank ein Unternehmensberater hinzugezogen worden. Er habe den Betrieb "F." daneben führen können, weil dieser alleine Graffitis entfernt habe und sich die Tätigkeit daher mit dem Insolvenzbetrieb nicht überschnitten habe.

Der Kläger hat darauf hingewiesen, als Arbeitnehmer geführt worden zu sein und sich aus Rücksichtnahme als Sohn mit nur sporadischen Gehaltszahlungen zufrieden gegeben zu haben. Die Beklagte hat die Gründe ihrer angefochtenen Bescheide wiederholt.

Das SG hat mit Urteil vom 27. November 2008, der Beklagten zugestellt am 29. Januar 2009, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Kläger bei dem Insolvenzbetrieb als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Der Kläger habe glaubhaft versichert, nach Weisung der Zeugin tätig gewesen zu sein. Hätten mehrere Mitarbeiter die auch vom Kläger innegehabte Funktion ausgeübt, könne dem Kläger auch keine hervorgehobene Stellung zugewiesen werden. Weiter sprächen dafür der später abgeschlossene Arbeitsvertrag, der Anspruch auf eine feste Monatsvergütung sowie der Jahresurlaub. Unschädlich sei es, dass der Kläger keine feste Arbeitszeit und keinen festen Arbeitsort innegehabt habe. Maßgeblich hierfür sei allein gewesen, dass sein Tätigkeitsbereich sich wesentlich im Außendienst abgespielt habe. Die ausgebliebenen Gehaltszahlungen seien allein auf die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzbetriebs zurückzuführen. Vor allem sei zu beachten, dass der Kläger seit circa 1994 für den Insolvenzbetrieb von Beginn an versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Eine wesentliche Änderung seiner Tätigkeit zum 1. Januar 2002 oder 1. Januar 2003 sei nicht eingetreten. In diesem Zusammenhang komme seiner Nebentätigkeit für die Firma "F." keine Bedeutung zu.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 25. Februar 2009 Berufung eingelegt. Der Senat hat Beweis erhoben zur Stellung des Klägers im Insolvenzbetrieb durch Vernehmung der Zeugin und den ehemals dort beschäftigten Herrn M. (Zeuge). Weiter ist der Kläger hierzu persönlich befragt worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass der Kläger die Zahlung eines Arbeitsentgelts jedenfalls ab 1. Januar 2003 nicht nachgewiesen habe; vielmehr habe er nur zwischenzeitlich behauptet, sporadisch Gehaltszahlungen erhalten zu haben. Unklar bliebe auch weiterhin, in welchem Umfang er die ab dem 1. Januar 2002 aufgenommene Tätigkeit für die Firma "F." vom selben Ort aus betrieben habe. Augenscheinlich habe der Kläger weiter seine Kündigung selber unterschrieben; aus den Aufzeichnungen aus anderen InsG-Verfahren ergebe sich zudem der Verdacht, dass der Kläger auch die Kündigungen für weitere Arbeitnehmer unterzeichnet habe. Ungeachtet der Frage, ob damit ein Straftatbestand verwirklicht sei, weil er die Unterschriftsleistung für die Zeugin nicht kenntlich gemacht habe, zeige sich darin doch eine hervorgehobene Stellung des Klägers. Unglaubwürdig sei der Kläger auch, weil er zunächst in seinem Insolvenzgeld-Antrag die Frage verneint habe, bereits gekündigt worden zu sein.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger räumt ein, in den letzten 13 Monaten vor der Meldung der Insolvenz kein Arbeitsentgelt mehr erhalten zu haben. Auch wenn er ab 1. Januar 2002 eine eigene Firma gegründet habe, habe er doch auch nach diesem Zeitpunkt noch in dem Insolvenzbetrieb tätig sein müssen, weil nur er über den hierfür erforderlichen Meisterbrief für das Gebäudereinigungsgewerbe verfügte.

Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Insolvenzgeldhefters (K yyyyy) und der Insolvenzgeldakte der Beklagten über den Insolvenzbetrieb verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden ist.

Es ist lediglich in dem Tenor des Grundurteils des SG nach § 130 SGG klarzustellen, dass für den Zeitraum ab 1. Oktober 2003 Insolvenzgeld zu zahlen ist, um hinreichend zum Ausdruck zu bringen, dass dem Grunde nach alle Voraussetzungen für den Anspruch gegeben sind, zu denen auch ein Zahlungsbeginn gehört (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 130 Rn. 3a m.w.N.).

Die Voraussetzungen für die Zahlung des Insolvenzgeldes liegen vor.

Gemäß § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Zur Überzeugung des Senats hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Kläger in den letzten drei Monaten seiner Beschäftigung bei dem Insolvenzbetrieb ab 1. Oktober 2003 vor Eintritt des Insolvenzereignisses nach Nr. 2 am 23. Oktober 2008 noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen den Insolvenzbetrieb. Insbesondere ist der Kläger als Arbeitnehmer im Betrieb der Zeugin beschäftigt gewesen.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Die Beschäftigung wiederum wird in § 7 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch (SGB IV) gesetzlich definiert, der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (so BSG, 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R). Das Gesamtbild bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine in Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und diese sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, so lange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (so BSG, a.a.O).

Die formal als Beschäftigungsverhältnis ausgestaltete Tätigkeit des Klägers ist auch tatsächlich so ausgeübt worden. Die Zeugin hat als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes den Insolvenzbetrieb übernommen. Daran ändert nichts, dass der Kläger in wichtigen Bereichen allein über die erforderlichen Kenntnisse und Ausbildungserfordernisse verfügte. Denn trotz familienrechtlicher Bande hat der Kläger das allein maßgebliche Weisungsrecht der Zeugin respektiert und sie nur qualifiziert beraten. Unschädlich ist es, dass der Kläger und die Zeugin dabei keine formale Hierarchie ausgebildet haben, sondern sich gemeinsam abstimmten. Das entspricht der besonderen familiären Bande, ohne ein Beschäftigungsverhältnis ausschließen zu können. Ebenso steht dem nicht entgegen, dass der Kläger für einen längeren Zeitraum auf sein Arbeitsentgelt verzichtet hat. Das Recht dazu steht einem Arbeitnehmer zu, ohne hierdurch seinen Status zu verlieren. Auch hier stellt die familiäre Bindung nur das nachvollziehbare Motiv dar, ohne der Arbeitnehmereigenschaft entgegenzustehen. Die vom Kläger ausgeübten weiteren Tätigkeiten haben nicht in einem inneren Zusammenhang zu der Tätigkeit im Insolvenzbetrieb gestanden, so dass auch dem keine andere Beurteilung zu entnehmen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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