Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1504/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der kommunale Träger hat über die Erteilung einer beantragten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach seinem pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn - anders als von § 22 Abs. 2 SGB II für einen gebundenen Anspruch vorausgesetzt - aktuell keine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht. Auf diesem Wege kann dem Bedürfnis nach einer verbindlichen Klärung der gerichtlich voll überprüfbaren Frage der Erforderlichkeit des Umzuges i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG Rechnung getragen werden.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 verpflichtet, den Klägern eine Zusicherung für eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 EUR zu erteilen. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zusicherung der Aufwendungen der Kläger für eine andere Wohnung.
Die 1974 geborene Klägerin Ziff 1. (im Folgenden: Klägerin) ist geschieden und bewohnt seit September 2001 - nunmehr gemeinsam mit ihrem am xx.xx.2004 geborenen Sohn, dem Kläger Ziff 2. (im Folgenden: Kläger) - eine etwa 45 m² große Zweizimmerwohnung unter der angegebenen Adresse, die von der Freiburger Stadtbau GmbH (im Folgenden: FSB) vermietet wird. Die Kaltmiete beträgt 201,70 EUR monatlich, hinzu kommen Nebenkosten von 51 EUR monatlich sowie Vorauszahlungen u. a. für Erdgas zu leisten, die zuletzt insoweit 77 EUR monatlich betragen.
Die Klägerin beantragte am 19.1.2006 erstmals eine Kostenzusage für eine Dreizimmerwohnung, da ihr Sohn ein eigenes Zimmer brauche. Der Antrag wurde von der Beklagte abgelehnt, da die bisherige Wohnung von der Größe her angemessen sei.
Die Klägerin beantragte am 9.1.2007 erneut die Übernahme der Kosten für eine Dreizimmerwohnung. Sie begründete den Antrag damit, dass ihr Sohn in der bisherigen Wohnung kein Zimmer habe. Er habe kein eigenes Bett, da sie keinen Platz dafür habe. Ferner komme aus allen Türen und Fenstern kalte Luft. Ihr Sohn sei ständig krank. Die Beklagte beauftragte ihren Außendienst mit der Prüfung der Notwendigkeit eines Umzuges. Dieser kam am 26.01.2007 zu dem Ergebnis, dass ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Wegen Wohnungsmängeln sei die Vermieterin zuständig. Die Klägerin sei darüber aufgeklärt worden, dass sie im Moment keine Kostenzusage erhalte.
Mit Bescheid vom 6.2.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die bisherige Wohnung angemessen und die Klägerin daher ausreichend wohnraumversorgt sei. Eine "Notwendigkeit im Sinne des SGB II" liege nicht vor.
Die Klägerin legte am 20.2.2007 bei der Beklagte persönlich Widerspruch gegen den Bescheid ein, weil ihr Sohn seit Monaten trotz intensiven Heizens krank sei. Sie legte ein konkretes Wohnungsangebot der FSB vom 06.02.2007 für eine Dreizimmerwohnung im N.-weg 13 in F. mit einer Wohnfläche von ca. 71 m² mit Ausstattung mit Bad/Dusche, Zentralheizung und zentraler Warmwasserversorgung vor. Die monatliche Kaltmiete betrug 361,70 EUR, hinzu kamen Nebenkosten von 122 EUR. Die Klägerin wurde nach dem gefertigten Aktenvermerk darauf hingewiesen, dass die übersteigende Miete in Höhe von 24,50 EUR von ihr selbst zu tragen sei.
Die Klägerin teilte am 21.2.2007 mit, der Ofen sei in ihrer jetzigen Wohnung bereits vom Wohnzimmer in die Küche umgestellt worden. Die Wohnverhältnisse seien jedoch sehr schlecht, so dass an die Badenova ein monatlicher Betrag von 192 EUR zu zahlen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin zeigte der Beklagte am 8.3.2007 seine Vertretung an und wies darauf hin, dass der Umzug zwingend erforderlich und das Wohnungsangebot der Miete nach angemessen sei. Die Vermieterin habe zugesagt, die Wohnung noch bis zum 16.3.2007 freizuhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Wohnungsbedarf sei durch die Wohnung gedeckt. Hierzu genüge regelmäßig eine einfache und bescheidene Wohnung in ausreichender Größe. Die beiden Zimmer würden derzeit als gemeinsames Schlafzimmer und als Wohnzimmer genutzt. Die Wohnung könne so umgestaltet werden, dass künftig je ein Zimmer für die beiden Kläger eingerichtet werde. Die Klägerin könne dem nicht entgegenhalten, sie habe einen großen Bekanntenkreis und brauche daher ein Wohnzimmer. Die Quadratmeterzahl von 60m² für einen Haushalt mit zwei Familienmitgliedern stelle die maximale Obergrenze dar und besage nicht, wo die Untergrenze anzusiedeln sei. Ein Zusammenhang zwischen der Beschaffenheit der Wohnung und den Erkrankungen des Sohnes sei nicht nachgewiesen. Dass das bisherige Wohnumfeld nach Ansicht der Klägerin zunehmend verwahrlose, sei nicht ausreichend, um die Erforderlichkeit eines Umzuges zu begründen.
Die Klägerin hat am 14.03.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Zugleich hat sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 13 AS 1483/07 ER). Der Antrag richtete sich ebenso wie die Klage auf die Verpflichtung der Beklagten, die Zusicherung zu der Anmietung der von der FSB angebotenen Wohnung zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Umzug sei aufgrund der schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers erforderlich. Die Wohnung sei baulich in schlechtem Zustand. Der Kläger sei daher sehr krankheitsanfällig. Die Kläger legten ein Attest des Kinderarztes Dr. R. vom 8.3.2007 vor, nach dem der Kläger seit Oktober 2006 in rascher Folge fünf fieberhafte Infekte erlitten hatte. Nach der Einschätzung von Dr. R. lag, da die Wohnung nach den Angaben der Klägerin zu 1. kalt und zugig und nur ungleichmäßig beheizbar sei, der Zusammenhang mit den zum Teil komplizierten Luftwegsinfekten auf der Hand. Ferner gebe die Enge der Wohnverhältnisse dem lebhaften und bewegungsfreudigen Kind zu wenig Raum und beeinträchtige seine Entwicklung. Vorgelegt wurde ferner ein Arztbericht des Universitätsklinikums Freiburg vom 11.12.2006 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. bis 11.12.2006 wegen einer akuten fieberhaften Infektion der oberen Atemwege. In einem weiteren Schriftsatz vom 19.3.2007 führte sie aus, die Beklagte habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zusicherung unabhängig von der Größe und den Kosten der neuen Wohnung nicht erteilen werde. Die ihr angebotene Wohnung sei mit 71 m² zwar relativ groß. Die abstrakte Angemessenheitsgrenze müsse aber angesichts der Realität für eine Wohnung in Freiburg mit einer Größe von 60 m² bei ca. 7,50 EUR liegen. Die Wohnung übersteige den von der Klägerin für angemessen erachteten Wert um einen relativ geringen Betrag von 24,50 EUR. Das Gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23.03.2007 abgelehnt, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht seien. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die bisherige Wohnung den Wohnbedarf der Kläger nicht decken könne. Die Aufwendungen für die neue Wohnung seien auch nicht angemessen. Die Kläger haben ihre hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde (Az. L 13 AS 1881/07 ER-B) zurückgenommen, da die in Aussicht stehende Wohnung in der Zwischenzeit anderweitig vergeben worden war.
Die Kläger haben ihre Klage aufrechterhalten. Sie sind der Auffassung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis auch hinsichtlich der Frage bestehe, ob der Umzug an sich - unabhängig von einer konkret anzumietenden Wohnung - erforderlich sei. Die Beklagte habe die Erforderlichkeit abstrakt verneint und dies im Widerspruchsbescheid bestätigt.
Die Kläger beantragen zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 zu verpflichten, ihnen die Zusicherung für die angemessenen Aufwendungen für eine andere Wohnung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält einen Umzug der Kläger nach wie vor nicht für erforderlich.
Das Gericht hat bei der FSB als Vermieterin der Kläger eine Auskunft dazu eingeholt, ob sich die Kläger wegen baulicher Mängel an sie gewandt haben, welche baulichen Mängel vorhanden waren bzw. sind und welche Mängel behoben wurden, sowie um einen Grundriss der derzeitigen Wohnung gebeten. Hinsichtlich der Auskunft der FSB wird auf Bl. 87 der Gerichtsakte verwiesen. Das Gericht hat ferner den den Kläger behandelnden Kinderarzt Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Hinsichtlich der Aussage von Dr. R. wird auf Bl. 102/105 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Kläger haben noch einen Bericht der Kindertagesstätte KiTa V. vom 23.07.2007 und einen Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter Dr. R. vom 26.10.2007 über den Kläger vorgelegt.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Verpflichtungsklage auf Erteilung einer von der Beklagten abgelehnten Zusicherung nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig.
Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007. Mit dem Bescheid wurde zwar in erster Linie die Zusicherung zu den Aufwendungen für die konkret in Aussicht stehende Wohnung abgelehnt. Aus der Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides folgt aber, dass die Beklagte auch die Erforderlichkeit eines Umzuges an sich verneint, was auch durch die Auffassung der Beklagten im Klageverfahren bestätigt wird. Die Klage betrifft hier lediglich die Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II. Eine Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II war hingegen nicht Gegenstand des vorausgegangenen Verwaltungs- und Vorverfahrens und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht.
Die Kläger haben den Klageantrag dahingehend beschränkt, dass anstatt der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die damals konkret in Aussicht stehende Wohnung die Verpflichtung zur Erteilung der Zusicherung zu für die Kosten einer angemessenen Wohnung begehrt wird. Diese Beschränkung des Klageantrages ist als teilweise einseitige Erledigterklärung und damit als teilweise Rücknahme der Klage anzusehen (§ 102 SGG; vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 4). Eine Klageänderung liegt darin nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht, so dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine solche Klageänderung hier nicht zu prüfen sind.
Die Klage ist auch begründet, weil der angefochtene Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 insoweit rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, als darin die Erforderlichkeit des Umzuges verneint wurde und die Erteilung auch einer allgemeinen bzw. abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft (sogenannte "abstrakte Kostenzusage") abgelehnt wurde.
Die Kläger haben zur Überzeugung der erkennenden Kammer einen Anspruch auf Erteilung einer solchen abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft.
Ein gebundener Anspruch scheidet vorliegend allerdings aus, weil keine Zusicherung zu den Aufwendungen für eine bestimmte Unterkunft begehrt wird. Denn die Beklagte ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Erteilung einer Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Daraus folgt, dass nach dem gesetzgeberischen Konzept des § 22 Abs. 2 SGB II eine bestimmte Unterkunft in Aussicht stehen muss, weil nur dann die Aufwendungen für diese neue Unterkunft auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden können. Dies ist hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) der Fall.
Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte über die Erteilung einer beantragten Zusicherung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn noch keine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht (so SG Freiburg, Urteil vom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06 - Berufungsverfahren bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängig unter Az. L 13 AS 3036/07; a.A. wohl Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 70). Im Klageverfahren ist dabei eine auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Erforderlichkeit, hilfsweise auf die Verpflichtung zur Entscheidung über die Erforderlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen, gerichtete Klage nach § 54 Abs. 1 SGG (so SG Freiburg, Urteil vom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06; offen gelassen von dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, U. v. 31.08.2007 - L 5 AS 29/06 - juris) in Betracht zu ziehen. Andernfalls könnte auch eine Feststellungsklage nach § 55 SGG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2006 - L 5 B 1147/06 AS ER - juris: "ausnahmsweise zulässige Elementenfeststellungsklage") in Betracht gezogen werden. Für die hier vertretene Lösung spricht nach Auffassung der Kammer das praktische Bedürfnis nach einer verbindlichen Vorabklärung der Frage der Erforderlichkeit des Umzuges i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG in den Fällen, in denen noch keine konkrete andere Unterkunft in Aussicht steht. Dieses Bedürfnis besteht insbesondere deshalb, weil ansonsten eine Entscheidung über die Erforderlichkeit des Umzuges (genauer: des Auszuges) erst bei Vorliegen einer konkreten Wohnungsangebotes getroffen würde. Dies entspricht nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 SGB II zwar der gesetzgeberischen Konzeption, führt aber in den Fällen, in denen der Leistungsträger die Erforderlichkeit des Umzuges unabhängig von der Angemessenheit der neuen Wohnung verneint, zu einer Einschränkung des Rechtsschutzes. Denn realistischerweise wird dem Hilfebedürftigen eine Wohnung nur eine kurze Zeit angeboten werden. Die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege einer Klage dürfte - wie auch der vorliegende Fall zeigt - nahezu ausgeschlossen sein, so dass allenfalls einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könnte. Zieht der Hilfebedürftige in die neue Wohnung, so trägt er dann unter Umständen das Risiko, dass die Kosten wegen § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht in voller Höhe übernommen werden. Dem erwähnten Bedürfnis nach einer Vorabklärung der Erforderlichkeit des Umzuges trägt im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten Rechnung, nach der sogenannte "abstrakte Kostenzusagen" unter Angabe der für angemessen gehaltenen Kaltmiete erteilt werden. Im Ergebnis enthält eine solche abstrakte Zusicherung nach Auffassung der Kammer neben einer Information über die Angemessenheitsgrenze und einer Zusicherung der Übernahme der Kaltmiete bis zu jener Grenze auch eine Feststellung, dass der Umzug erforderlich ist, so dass sich der Leistungsträger bei Anmietung der neuen Unterkunft nicht mehr auf die Begrenzung der Aufwendungen für die Unterkunft auf den bisherigen Betrag nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen kann. Im Ergebnis unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung daher nicht wesentlich von der zitierten Rechtsprechung des SG Freiburg, nach der durch die Beklagte isoliert die Erforderlichkeit des Umzuges festzustellen sein kann. Eine Feststellungsklage nach § 55 SGG kommt demgegenüber - unabhängig von der Problematik einer Elementenfeststellung - bereits wegen ihrer Subsidiarität gegenüber einer Verpflichtungsklage (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 55 Rdnr. 19 ff.) nicht in Betracht.
Die Kläger haben nach Überzeugung der Kammer einen Anspruch auf eine derartige Ermessensentscheidung der Beklagten, weil der von ihnen angestrebte Umzug i.S.d. § 22 Abs. 2 SGB II erforderlich ist.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit des Umzuges unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Ein Umzug ist insbesondere dann erforderlich, wenn durch die bisherige Unterkunft der Unterkunftsbedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht hinreichend gedeckt werden kann (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 76). Die Notwendigkeit wird dabei nach einem grundsicherungsrechtlichen Maßstab bemessen (Wieland, in: Estelmann, SGB II § 22 Rdnr. 52). Dabei ist zu beachten, dass dem Hilfebedürftigen auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Wohnungsstandard zusteht (vgl. BSG, U. v. 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Die bisherige Wohnung der Kläger kann zur Überzeugung der Kammer deren grundsicherungsrechtlichen Wohnbedarf nach den Gesamtumständen - hier Wohnungsgröße, Beheizbarkeit der Wohnung, Erkrankungen des Klägers und Schwierigkeiten mit dem Wohnumfeld - nicht mehr hinreichend decken.
Die Kammer berücksichtigt dabei zum einen die Wohnfläche der bisherigen Wohnung von 45 m². Bei zwei Personen ist eine Wohnfläche von bis zu 60 m² als angemessen anzusehen (vgl. etwa Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B - bei juris, unter Hinweis auf Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) idF der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)). Eine Unterschreitung dieses Wertes ist jedenfalls dann ein Indiz für eine nicht hinreichende Deckung des Unterkunftsbedarfes, wenn der Wert für die nächstniedrigere Zahl der Haushaltsangehörigen unterschritten oder gerade erreicht wird. Dies ist bei den Klägern der Fall, weil für eine Person nach der VwV-SozWo 45m² angemessen wären. Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer daneben auch die geltend gemachten baulichen Mängel und die Erkrankungen des Klägers zu berücksichtigen. Gesundheitliche Gründe und schwere bauliche Mängel können einen Umzug in diesem Sinne erforderlich machen (vgl. Berlit, a.a.O.; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 73). Nach der Auskunft der FSB sind die baulichen Mängel - soweit gemeldet - zwar mittlerweile behoben. Die relativ hohen Heizkosten deuten aber darauf hin, dass sich die Beheizung der Wohnung mit einem Ofen und einem elektrischen Heizlüfter im Bad weiterhin schwierig gestaltet. Berücksichtigt man ferner die nach der Aussage von Dr. R. bei dem Kläger aufgetretenen Luftwegsinfekte, akute Bronchitis, Bronchopneumonie und obstruktive Bronchitis, so erscheint ein Zusammenhang mit den Wohnverhältnissen nachvollziehbar. Ein Zusammenhang zwischen der bei dem Kläger festgestellten hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und eines Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) mit den Wohnverhältnissen erscheint demgegenüber weniger plausibel. Auch Dr. R. verweist insoweit auf mögliche "genetische Teilursachen" und regt sinngemäß therapeutische Veränderungen der Gestaltung des Tagesablaufes und eine strukturierte Beschäftigung mit dem Kläger an. Es erscheint aber nachvollziehbar, dass Dr. R. hierfür qualitativ und quantitativ ausreichenden Wohnraum für unabdingbar hält. Die Kammer berücksichtigt bei ihrer Entscheidung ferner, dass das bisherige soziale Wohnumfeld nach den glaubhaften Darstellungen der Klägerin in Anbetracht ihres Status als alleinerziehende Mutter eines unter Störungen des Sozialverhaltens und ADHS leidenden Kindes kaum geeignet ist.
Da der Umzug erforderlich ist, hatte die Beklagte nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen über die Erteilung einer abstrakten Zusicherung zu entscheiden. Die Beklagte hatte dabei ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I), § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt haben die Kläger Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die gerichtliche Kontrolle dieses Teils der Verwaltungsentscheidung beschränkt sich auf die Frage, ob die Verwaltung ihr Ermessen pflichtgemäß und fehlerfrei ausgeübt hat. Dem Gericht ist es hingegen verwehrt, sein Ermessen an Stelle des Ermessens der Verwaltung zu setzen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer konkret beantragten Leistung ist deswegen nur möglich, wenn jede andere Entscheidung als die Gewährung jener Leistung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen würde, so dass das Ermessen auf eine einzige Entscheidung reduziert ist (sogenannte "Ermessensreduzierung auf Null"). Liegt ein derartiger Ausnahmefall hingegen nicht vor, kann der ermessensfehlerhafte Verwaltungsakt lediglich aufgehoben und die Verwaltung zur erneuten Bescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden.
Ein gerichtlich überprüfbarer Ermessensfehler liegt insbesondere dann vor, wenn die Verwaltung es unterlässt, das ihr zustehende Ermessen auszuüben (sogenannter Ermessensnichtgebrauch). Dies war vorliegend der Fall, weil die Beklagte keine Entscheidung über die Erteilung einer abstrakten Zusicherung getroffen hatte.
Das Ermessen der Beklagten ist vorliegend nach Auffassung der Kammer auch dahingehend reduziert, dass nur noch die Erteilung der abstrakten Zusicherung ermessensfehlerfrei ist. Dies folgt daraus, dass keine Erwägungen von der Beklagten vorgebracht wurden oder anderweitig ersichtlich sind, weshalb hier - bei gegebener Erforderlichkeit eines Umzuges - eine Zusicherung nicht zu erteilen sein sollte. Die Erteilung einer abstrakten Zusicherung bei festgestellter Erforderlichkeit eines Umzuges, aber Fehlens eines konkreten Wohnungsangebotes entspricht im Übrigen auch der gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Beklagten.
Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, den Klägern eine Zusicherung für eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 EUR zu erteilen. Dabei wurde der von der Beklagten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze regelmäßig verwendete Betrag (errechnet aus 5,87 EUR pro m² bei einer Wohnfläche von 60 m²) zu Grunde gelegt. In dem vorliegenden Zusammenhang bestanden hiergegen bereits deshalb keine Bedenken, weil damit lediglich entschieden ist, dass die Beklagte bei der Gewährung der Kosten der neuen Unterkunft eine Kaltmiete jedenfalls bis zu diesem Betrag zu berücksichtigen hat. Denn die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II hat hinsichtlich der angemessenen Kaltmiete lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion und ist nicht Voraussetzung für die spätere Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft. Gleiches gilt für die hier streitige abstrakte Zusicherung. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass der von der Beklagten verwendete Wert die abstrakte Angemessenheitsgrenze für einen Zweipersonenhaushalt in Freiburg i. Br. auch zutreffend wiedergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zusicherung der Aufwendungen der Kläger für eine andere Wohnung.
Die 1974 geborene Klägerin Ziff 1. (im Folgenden: Klägerin) ist geschieden und bewohnt seit September 2001 - nunmehr gemeinsam mit ihrem am xx.xx.2004 geborenen Sohn, dem Kläger Ziff 2. (im Folgenden: Kläger) - eine etwa 45 m² große Zweizimmerwohnung unter der angegebenen Adresse, die von der Freiburger Stadtbau GmbH (im Folgenden: FSB) vermietet wird. Die Kaltmiete beträgt 201,70 EUR monatlich, hinzu kommen Nebenkosten von 51 EUR monatlich sowie Vorauszahlungen u. a. für Erdgas zu leisten, die zuletzt insoweit 77 EUR monatlich betragen.
Die Klägerin beantragte am 19.1.2006 erstmals eine Kostenzusage für eine Dreizimmerwohnung, da ihr Sohn ein eigenes Zimmer brauche. Der Antrag wurde von der Beklagte abgelehnt, da die bisherige Wohnung von der Größe her angemessen sei.
Die Klägerin beantragte am 9.1.2007 erneut die Übernahme der Kosten für eine Dreizimmerwohnung. Sie begründete den Antrag damit, dass ihr Sohn in der bisherigen Wohnung kein Zimmer habe. Er habe kein eigenes Bett, da sie keinen Platz dafür habe. Ferner komme aus allen Türen und Fenstern kalte Luft. Ihr Sohn sei ständig krank. Die Beklagte beauftragte ihren Außendienst mit der Prüfung der Notwendigkeit eines Umzuges. Dieser kam am 26.01.2007 zu dem Ergebnis, dass ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Wegen Wohnungsmängeln sei die Vermieterin zuständig. Die Klägerin sei darüber aufgeklärt worden, dass sie im Moment keine Kostenzusage erhalte.
Mit Bescheid vom 6.2.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die bisherige Wohnung angemessen und die Klägerin daher ausreichend wohnraumversorgt sei. Eine "Notwendigkeit im Sinne des SGB II" liege nicht vor.
Die Klägerin legte am 20.2.2007 bei der Beklagte persönlich Widerspruch gegen den Bescheid ein, weil ihr Sohn seit Monaten trotz intensiven Heizens krank sei. Sie legte ein konkretes Wohnungsangebot der FSB vom 06.02.2007 für eine Dreizimmerwohnung im N.-weg 13 in F. mit einer Wohnfläche von ca. 71 m² mit Ausstattung mit Bad/Dusche, Zentralheizung und zentraler Warmwasserversorgung vor. Die monatliche Kaltmiete betrug 361,70 EUR, hinzu kamen Nebenkosten von 122 EUR. Die Klägerin wurde nach dem gefertigten Aktenvermerk darauf hingewiesen, dass die übersteigende Miete in Höhe von 24,50 EUR von ihr selbst zu tragen sei.
Die Klägerin teilte am 21.2.2007 mit, der Ofen sei in ihrer jetzigen Wohnung bereits vom Wohnzimmer in die Küche umgestellt worden. Die Wohnverhältnisse seien jedoch sehr schlecht, so dass an die Badenova ein monatlicher Betrag von 192 EUR zu zahlen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin zeigte der Beklagte am 8.3.2007 seine Vertretung an und wies darauf hin, dass der Umzug zwingend erforderlich und das Wohnungsangebot der Miete nach angemessen sei. Die Vermieterin habe zugesagt, die Wohnung noch bis zum 16.3.2007 freizuhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Wohnungsbedarf sei durch die Wohnung gedeckt. Hierzu genüge regelmäßig eine einfache und bescheidene Wohnung in ausreichender Größe. Die beiden Zimmer würden derzeit als gemeinsames Schlafzimmer und als Wohnzimmer genutzt. Die Wohnung könne so umgestaltet werden, dass künftig je ein Zimmer für die beiden Kläger eingerichtet werde. Die Klägerin könne dem nicht entgegenhalten, sie habe einen großen Bekanntenkreis und brauche daher ein Wohnzimmer. Die Quadratmeterzahl von 60m² für einen Haushalt mit zwei Familienmitgliedern stelle die maximale Obergrenze dar und besage nicht, wo die Untergrenze anzusiedeln sei. Ein Zusammenhang zwischen der Beschaffenheit der Wohnung und den Erkrankungen des Sohnes sei nicht nachgewiesen. Dass das bisherige Wohnumfeld nach Ansicht der Klägerin zunehmend verwahrlose, sei nicht ausreichend, um die Erforderlichkeit eines Umzuges zu begründen.
Die Klägerin hat am 14.03.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Zugleich hat sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 13 AS 1483/07 ER). Der Antrag richtete sich ebenso wie die Klage auf die Verpflichtung der Beklagten, die Zusicherung zu der Anmietung der von der FSB angebotenen Wohnung zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Umzug sei aufgrund der schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers erforderlich. Die Wohnung sei baulich in schlechtem Zustand. Der Kläger sei daher sehr krankheitsanfällig. Die Kläger legten ein Attest des Kinderarztes Dr. R. vom 8.3.2007 vor, nach dem der Kläger seit Oktober 2006 in rascher Folge fünf fieberhafte Infekte erlitten hatte. Nach der Einschätzung von Dr. R. lag, da die Wohnung nach den Angaben der Klägerin zu 1. kalt und zugig und nur ungleichmäßig beheizbar sei, der Zusammenhang mit den zum Teil komplizierten Luftwegsinfekten auf der Hand. Ferner gebe die Enge der Wohnverhältnisse dem lebhaften und bewegungsfreudigen Kind zu wenig Raum und beeinträchtige seine Entwicklung. Vorgelegt wurde ferner ein Arztbericht des Universitätsklinikums Freiburg vom 11.12.2006 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. bis 11.12.2006 wegen einer akuten fieberhaften Infektion der oberen Atemwege. In einem weiteren Schriftsatz vom 19.3.2007 führte sie aus, die Beklagte habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zusicherung unabhängig von der Größe und den Kosten der neuen Wohnung nicht erteilen werde. Die ihr angebotene Wohnung sei mit 71 m² zwar relativ groß. Die abstrakte Angemessenheitsgrenze müsse aber angesichts der Realität für eine Wohnung in Freiburg mit einer Größe von 60 m² bei ca. 7,50 EUR liegen. Die Wohnung übersteige den von der Klägerin für angemessen erachteten Wert um einen relativ geringen Betrag von 24,50 EUR. Das Gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23.03.2007 abgelehnt, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht seien. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die bisherige Wohnung den Wohnbedarf der Kläger nicht decken könne. Die Aufwendungen für die neue Wohnung seien auch nicht angemessen. Die Kläger haben ihre hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde (Az. L 13 AS 1881/07 ER-B) zurückgenommen, da die in Aussicht stehende Wohnung in der Zwischenzeit anderweitig vergeben worden war.
Die Kläger haben ihre Klage aufrechterhalten. Sie sind der Auffassung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis auch hinsichtlich der Frage bestehe, ob der Umzug an sich - unabhängig von einer konkret anzumietenden Wohnung - erforderlich sei. Die Beklagte habe die Erforderlichkeit abstrakt verneint und dies im Widerspruchsbescheid bestätigt.
Die Kläger beantragen zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 zu verpflichten, ihnen die Zusicherung für die angemessenen Aufwendungen für eine andere Wohnung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält einen Umzug der Kläger nach wie vor nicht für erforderlich.
Das Gericht hat bei der FSB als Vermieterin der Kläger eine Auskunft dazu eingeholt, ob sich die Kläger wegen baulicher Mängel an sie gewandt haben, welche baulichen Mängel vorhanden waren bzw. sind und welche Mängel behoben wurden, sowie um einen Grundriss der derzeitigen Wohnung gebeten. Hinsichtlich der Auskunft der FSB wird auf Bl. 87 der Gerichtsakte verwiesen. Das Gericht hat ferner den den Kläger behandelnden Kinderarzt Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Hinsichtlich der Aussage von Dr. R. wird auf Bl. 102/105 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Kläger haben noch einen Bericht der Kindertagesstätte KiTa V. vom 23.07.2007 und einen Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter Dr. R. vom 26.10.2007 über den Kläger vorgelegt.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Verpflichtungsklage auf Erteilung einer von der Beklagten abgelehnten Zusicherung nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig.
Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007. Mit dem Bescheid wurde zwar in erster Linie die Zusicherung zu den Aufwendungen für die konkret in Aussicht stehende Wohnung abgelehnt. Aus der Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides folgt aber, dass die Beklagte auch die Erforderlichkeit eines Umzuges an sich verneint, was auch durch die Auffassung der Beklagten im Klageverfahren bestätigt wird. Die Klage betrifft hier lediglich die Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II. Eine Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II war hingegen nicht Gegenstand des vorausgegangenen Verwaltungs- und Vorverfahrens und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht.
Die Kläger haben den Klageantrag dahingehend beschränkt, dass anstatt der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die damals konkret in Aussicht stehende Wohnung die Verpflichtung zur Erteilung der Zusicherung zu für die Kosten einer angemessenen Wohnung begehrt wird. Diese Beschränkung des Klageantrages ist als teilweise einseitige Erledigterklärung und damit als teilweise Rücknahme der Klage anzusehen (§ 102 SGG; vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 4). Eine Klageänderung liegt darin nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht, so dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine solche Klageänderung hier nicht zu prüfen sind.
Die Klage ist auch begründet, weil der angefochtene Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 insoweit rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, als darin die Erforderlichkeit des Umzuges verneint wurde und die Erteilung auch einer allgemeinen bzw. abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft (sogenannte "abstrakte Kostenzusage") abgelehnt wurde.
Die Kläger haben zur Überzeugung der erkennenden Kammer einen Anspruch auf Erteilung einer solchen abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft.
Ein gebundener Anspruch scheidet vorliegend allerdings aus, weil keine Zusicherung zu den Aufwendungen für eine bestimmte Unterkunft begehrt wird. Denn die Beklagte ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Erteilung einer Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Daraus folgt, dass nach dem gesetzgeberischen Konzept des § 22 Abs. 2 SGB II eine bestimmte Unterkunft in Aussicht stehen muss, weil nur dann die Aufwendungen für diese neue Unterkunft auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden können. Dies ist hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) der Fall.
Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte über die Erteilung einer beantragten Zusicherung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn noch keine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht (so SG Freiburg, Urteil vom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06 - Berufungsverfahren bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängig unter Az. L 13 AS 3036/07; a.A. wohl Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 70). Im Klageverfahren ist dabei eine auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Erforderlichkeit, hilfsweise auf die Verpflichtung zur Entscheidung über die Erforderlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen, gerichtete Klage nach § 54 Abs. 1 SGG (so SG Freiburg, Urteil vom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06; offen gelassen von dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, U. v. 31.08.2007 - L 5 AS 29/06 - juris) in Betracht zu ziehen. Andernfalls könnte auch eine Feststellungsklage nach § 55 SGG (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2006 - L 5 B 1147/06 AS ER - juris: "ausnahmsweise zulässige Elementenfeststellungsklage") in Betracht gezogen werden. Für die hier vertretene Lösung spricht nach Auffassung der Kammer das praktische Bedürfnis nach einer verbindlichen Vorabklärung der Frage der Erforderlichkeit des Umzuges i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG in den Fällen, in denen noch keine konkrete andere Unterkunft in Aussicht steht. Dieses Bedürfnis besteht insbesondere deshalb, weil ansonsten eine Entscheidung über die Erforderlichkeit des Umzuges (genauer: des Auszuges) erst bei Vorliegen einer konkreten Wohnungsangebotes getroffen würde. Dies entspricht nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 SGB II zwar der gesetzgeberischen Konzeption, führt aber in den Fällen, in denen der Leistungsträger die Erforderlichkeit des Umzuges unabhängig von der Angemessenheit der neuen Wohnung verneint, zu einer Einschränkung des Rechtsschutzes. Denn realistischerweise wird dem Hilfebedürftigen eine Wohnung nur eine kurze Zeit angeboten werden. Die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege einer Klage dürfte - wie auch der vorliegende Fall zeigt - nahezu ausgeschlossen sein, so dass allenfalls einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könnte. Zieht der Hilfebedürftige in die neue Wohnung, so trägt er dann unter Umständen das Risiko, dass die Kosten wegen § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht in voller Höhe übernommen werden. Dem erwähnten Bedürfnis nach einer Vorabklärung der Erforderlichkeit des Umzuges trägt im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten Rechnung, nach der sogenannte "abstrakte Kostenzusagen" unter Angabe der für angemessen gehaltenen Kaltmiete erteilt werden. Im Ergebnis enthält eine solche abstrakte Zusicherung nach Auffassung der Kammer neben einer Information über die Angemessenheitsgrenze und einer Zusicherung der Übernahme der Kaltmiete bis zu jener Grenze auch eine Feststellung, dass der Umzug erforderlich ist, so dass sich der Leistungsträger bei Anmietung der neuen Unterkunft nicht mehr auf die Begrenzung der Aufwendungen für die Unterkunft auf den bisherigen Betrag nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen kann. Im Ergebnis unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung daher nicht wesentlich von der zitierten Rechtsprechung des SG Freiburg, nach der durch die Beklagte isoliert die Erforderlichkeit des Umzuges festzustellen sein kann. Eine Feststellungsklage nach § 55 SGG kommt demgegenüber - unabhängig von der Problematik einer Elementenfeststellung - bereits wegen ihrer Subsidiarität gegenüber einer Verpflichtungsklage (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 55 Rdnr. 19 ff.) nicht in Betracht.
Die Kläger haben nach Überzeugung der Kammer einen Anspruch auf eine derartige Ermessensentscheidung der Beklagten, weil der von ihnen angestrebte Umzug i.S.d. § 22 Abs. 2 SGB II erforderlich ist.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit des Umzuges unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Ein Umzug ist insbesondere dann erforderlich, wenn durch die bisherige Unterkunft der Unterkunftsbedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht hinreichend gedeckt werden kann (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 76). Die Notwendigkeit wird dabei nach einem grundsicherungsrechtlichen Maßstab bemessen (Wieland, in: Estelmann, SGB II § 22 Rdnr. 52). Dabei ist zu beachten, dass dem Hilfebedürftigen auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Wohnungsstandard zusteht (vgl. BSG, U. v. 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R).
Die bisherige Wohnung der Kläger kann zur Überzeugung der Kammer deren grundsicherungsrechtlichen Wohnbedarf nach den Gesamtumständen - hier Wohnungsgröße, Beheizbarkeit der Wohnung, Erkrankungen des Klägers und Schwierigkeiten mit dem Wohnumfeld - nicht mehr hinreichend decken.
Die Kammer berücksichtigt dabei zum einen die Wohnfläche der bisherigen Wohnung von 45 m². Bei zwei Personen ist eine Wohnfläche von bis zu 60 m² als angemessen anzusehen (vgl. etwa Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B - bei juris, unter Hinweis auf Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) idF der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)). Eine Unterschreitung dieses Wertes ist jedenfalls dann ein Indiz für eine nicht hinreichende Deckung des Unterkunftsbedarfes, wenn der Wert für die nächstniedrigere Zahl der Haushaltsangehörigen unterschritten oder gerade erreicht wird. Dies ist bei den Klägern der Fall, weil für eine Person nach der VwV-SozWo 45m² angemessen wären. Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer daneben auch die geltend gemachten baulichen Mängel und die Erkrankungen des Klägers zu berücksichtigen. Gesundheitliche Gründe und schwere bauliche Mängel können einen Umzug in diesem Sinne erforderlich machen (vgl. Berlit, a.a.O.; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 73). Nach der Auskunft der FSB sind die baulichen Mängel - soweit gemeldet - zwar mittlerweile behoben. Die relativ hohen Heizkosten deuten aber darauf hin, dass sich die Beheizung der Wohnung mit einem Ofen und einem elektrischen Heizlüfter im Bad weiterhin schwierig gestaltet. Berücksichtigt man ferner die nach der Aussage von Dr. R. bei dem Kläger aufgetretenen Luftwegsinfekte, akute Bronchitis, Bronchopneumonie und obstruktive Bronchitis, so erscheint ein Zusammenhang mit den Wohnverhältnissen nachvollziehbar. Ein Zusammenhang zwischen der bei dem Kläger festgestellten hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und eines Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) mit den Wohnverhältnissen erscheint demgegenüber weniger plausibel. Auch Dr. R. verweist insoweit auf mögliche "genetische Teilursachen" und regt sinngemäß therapeutische Veränderungen der Gestaltung des Tagesablaufes und eine strukturierte Beschäftigung mit dem Kläger an. Es erscheint aber nachvollziehbar, dass Dr. R. hierfür qualitativ und quantitativ ausreichenden Wohnraum für unabdingbar hält. Die Kammer berücksichtigt bei ihrer Entscheidung ferner, dass das bisherige soziale Wohnumfeld nach den glaubhaften Darstellungen der Klägerin in Anbetracht ihres Status als alleinerziehende Mutter eines unter Störungen des Sozialverhaltens und ADHS leidenden Kindes kaum geeignet ist.
Da der Umzug erforderlich ist, hatte die Beklagte nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen über die Erteilung einer abstrakten Zusicherung zu entscheiden. Die Beklagte hatte dabei ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I), § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt haben die Kläger Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die gerichtliche Kontrolle dieses Teils der Verwaltungsentscheidung beschränkt sich auf die Frage, ob die Verwaltung ihr Ermessen pflichtgemäß und fehlerfrei ausgeübt hat. Dem Gericht ist es hingegen verwehrt, sein Ermessen an Stelle des Ermessens der Verwaltung zu setzen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer konkret beantragten Leistung ist deswegen nur möglich, wenn jede andere Entscheidung als die Gewährung jener Leistung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen würde, so dass das Ermessen auf eine einzige Entscheidung reduziert ist (sogenannte "Ermessensreduzierung auf Null"). Liegt ein derartiger Ausnahmefall hingegen nicht vor, kann der ermessensfehlerhafte Verwaltungsakt lediglich aufgehoben und die Verwaltung zur erneuten Bescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden.
Ein gerichtlich überprüfbarer Ermessensfehler liegt insbesondere dann vor, wenn die Verwaltung es unterlässt, das ihr zustehende Ermessen auszuüben (sogenannter Ermessensnichtgebrauch). Dies war vorliegend der Fall, weil die Beklagte keine Entscheidung über die Erteilung einer abstrakten Zusicherung getroffen hatte.
Das Ermessen der Beklagten ist vorliegend nach Auffassung der Kammer auch dahingehend reduziert, dass nur noch die Erteilung der abstrakten Zusicherung ermessensfehlerfrei ist. Dies folgt daraus, dass keine Erwägungen von der Beklagten vorgebracht wurden oder anderweitig ersichtlich sind, weshalb hier - bei gegebener Erforderlichkeit eines Umzuges - eine Zusicherung nicht zu erteilen sein sollte. Die Erteilung einer abstrakten Zusicherung bei festgestellter Erforderlichkeit eines Umzuges, aber Fehlens eines konkreten Wohnungsangebotes entspricht im Übrigen auch der gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Beklagten.
Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, den Klägern eine Zusicherung für eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 EUR zu erteilen. Dabei wurde der von der Beklagten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze regelmäßig verwendete Betrag (errechnet aus 5,87 EUR pro m² bei einer Wohnfläche von 60 m²) zu Grunde gelegt. In dem vorliegenden Zusammenhang bestanden hiergegen bereits deshalb keine Bedenken, weil damit lediglich entschieden ist, dass die Beklagte bei der Gewährung der Kosten der neuen Unterkunft eine Kaltmiete jedenfalls bis zu diesem Betrag zu berücksichtigen hat. Denn die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II hat hinsichtlich der angemessenen Kaltmiete lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion und ist nicht Voraussetzung für die spätere Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft. Gleiches gilt für die hier streitige abstrakte Zusicherung. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass der von der Beklagten verwendete Wert die abstrakte Angemessenheitsgrenze für einen Zweipersonenhaushalt in Freiburg i. Br. auch zutreffend wiedergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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