L 16 B 7/09 SV

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 13 SV 8/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 7/09 SV
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin vom 8./13. Juli 2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 5. Juni 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Landgericht auch über die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht zu entscheiden hat. Die Kosten des Verfahrens der Rechtswegbeschwerde vor dem Landessozialgericht trägt die Klägerin. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird nicht zugelassen. Einer Streitwertfestsetzung für die Rechtswegbeschwerde bedarf es nicht.

Gründe:

I. Die Klägerin (Kl) wendet sich gegen die Verneinung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten durch das Sozialgericht (SG) Detmold und gegen die Verweisung ihres Rechtsstreites an das Landgericht (LG) Bielefeld.

Die 1952 geborene Kl, jedenfalls von 2002/2003 bis Januar 2005 Rentnerin wegen Erwerbsminderung, erlitt 2004 einen Verkehrsunfall. Ansprüche auf Schmerzensgeld und Feststellung einer weiteren Ersatzpflicht gegen den Unfallgegner (P) sowie das hier beklagte Versicherungsunternehmen wurden nach Einholung medizinischer Gutachten durch das Amtsgericht (AmtsG) und das LG Bielefeld rechtskräftig abgewiesen (Urteile vom 12.12.2007 - 17 C 823/05 - und vom 28.05.2008 - 21 S 33/08 -).

Mit einer am 15.04.2009 beim SG eingegangenen Klage hat die Kl von der Beklagten (Bekl) und anschließend auch von dem Unfallgegner erneut Schadensersatzleistungen, und zwar zur Abgeltung von Verdienstausfall und mit dem Ziel einer Verdienstausfallrente, begehrt. Seit dem Autounfall leide sie an einer zunehmenden Schwäche der Beine; das Treppensteigen sei erheblich erschwert. Der Wert der geltend gemachten Ansprüche dürfte über 5.000 Euro liegen.

Die Bekl hat hinsichtlich der gegen sie gerichteten Klage den Rechtsweg als unzulässig angesehen und das LG Bielefeld für zuständig gehalten. Über die Ansprüche der Kl aus dem Verkehrsunfall vom 24.05.1991 sei rechtskräftig entschieden worden sei (Hinweis auf die genannten Urteile). Im Übrigen sei nicht ersichtlich, wer einen eventuellen Verdienstausfallschaden zu ersetzen habe.

Nach entsprechender Belehrung hat das SG - beschränkt auf die Klage gegen die Haftpflichtversicherung - den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und die Klage an das LG Bielefeld verwiesen (Beschluss vom 05.06.2009, der Kl zugestellt am 12.06.2009).

Mit einem am 08.07.2007 beim SG eingegangenen Schriftsatz, der nach Angaben der Kl als Beschwerde angesehen werden soll (Schreiben vom 11.07.2009, Eingang beim SG am 13.07.2009), verfolgt die Kl ihr Begehren weiter. Sie hält offenbar den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für gegeben, regt aber das Ruhen des Verfahrens an, weil eine außergerichtliche Lösung durch eine soziale Einrichtung angestrebt werde. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Detmold vom 05.06.2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist.

Die Bekl hat sich nicht geäußert.

Der Senat hat der Kl mitgeteilt, dass kein Anlass bestehe, das Verfahren ruhen zu lassen, und die Beschwerderücknahme angeregt.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 17a Absatz (Abs) 4 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in Verbindung mit (iVm) § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Sie richtet nach den Erklärungen der Kl im Klageverfahren zwar auch gegen den Unfallgegner P; jedoch hat das SG nur im Verhältnis zur Bekl entschieden. Es besteht kein Anlass, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Darüber hinaus liegt kein Einverständnis der Bekl vor (§ 202 SGG iVm § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Kl hat trotz Zuwartens des Senats nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, (kostengünstig) die Beschwerde zurückzunehmen.

Die Beschwerde ist nicht begründet, worauf die Kl vom Senat bereits hingewiesen worden ist. Zutreffend geht das SG davon aus, dass nicht ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit, sondern das für die geltend gemachten Ansprüche aus dem Bereich des Bürgerlichen Rechts örtlich zuständige ordentliche Gericht zur Entscheidung berufen ist. Dies ergibt sich aus § 51 SGG und aus § 23 GVG. Streitigkeiten nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) werden nicht durch die Rechtswegzuweisung des § 51 SGG erfasst und fallen demgemäß nach den Generalklauseln der §§ 23, 71 GVG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Mit ihrer Klage verfolgt die Kl nämlich zivilrechtliche Ansprüche aus einem privatrechtlichen Haftpflichtverhältnis (§ 823 BGB, Verkehrsunfall aus dem Jahre 2004), für das die Bekl nach den Feststellungen des AmtsG dem Grunde nach einstandspflichtig ist. Kern des Rechtsstreites sind und bleiben zivilrechtliche Ansprüche. Richtig ist zwar, dass der Kl jedenfalls zeitweilig eine Versichertenrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund) gezahlt worden ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht, im vorliegenden Fall den Sozialrechtsweg zu bejahen. Denn der Charakter der von der Kl begehrten Leistung beruht unverändert auf einer bürgerlich-rechtlichen Beziehung, weil sich die Kl gerade unmittelbar gegen die Bekl als privatrechtliche Kraftfahrzeug-Haftpflichtversichererin wendet und sie zudem keine Sozialleistung, sondern eine "Verdienstausfallrente", begehrt.

Die sachliche Zuständigkeit des maßgeblichen ordentlichen Gerichts, hier des LG, richtet sich demgemäß nach dem Streitwert (§ 23 Nr 1, § 71 Abs 1 GVG: bei Streitwerten, die 5000 Euro nicht überschreiten, sind die AmtsGe sachlich zuständig; darüber hinaus ist die Zuständigkeit der LGe zu bejahen). Dieser Wert, der für bürgerliche Streitsachen gemäß § 3 ZPO nach richterlichem Ermessen zu bestimmen ist, wird entsprechend den Angaben der Kl überschritten, was auch sachlich zutreffend erscheint, weil die Kl eine Rente als Dauerleistung begehrt. Dies rechtfertigt die Verweisung an das örtlich zuständige LG in Bielefeld (§ 32 ZPO: Gerichtsstand des Orts der unerlaubten Handlung).

Die Kostenentscheidung für das sozialgerichtliche Klageverfahren bleibt dem LG vorbehalten (§ 17b Abs 2 GVG), wie der Senat lediglich klarstellend ergänzt hat.

Die Kosten für das Beschwerdeverfahren (zur Erforderlichkeit einer entsprechenden Kostenentscheidung Bundessozialgericht (BSG), Sozialrecht (SozR) 3-1500 § 51 Nrn 26 und 27 mit weiteren Nachweisen (mwN); BSG, SozR 4-1500 § 51 Nr 2; BSG, Beschluss vom 15.11.2007, B 10 SF 13/07 S, nicht veröffentlicht; BSG, Beschluss vom 06.09.2007, B 3 SF 1/07 R, in: www.juris.de = SozR 4-1720 § 17a Nr 3; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage, 2008, § 51 RNr 74 mwN) trägt die Kl gemäß § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil sie mit ihrem Rechtsmittel nicht durchgedrungen ist. Sie ist nicht von den Gerichtskosten befreit (§ 183 SGG), denn sie hat die von ihr erhobenen Ansprüche nicht als gesetzlich Sozialversicherte, sondern in ihrer Eigenschaft als Schadensersatzberechtigte nach Bürgerlichem Recht geltend gemacht (§ 183 Satz 1 SGG).

Anlass, die weitere Beschwerde zum BSG gemäß § 17a Abs 4 GVG zuzulassen, besteht nicht.

Die Streitwertentscheidung berücksichtigt, dass die Gerichtsgebühr vorliegend streitwertunabhängig (siehe § 1 Abs 2 Nr 3, § 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG), Nr 7504 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG)) und keiner der Beteiligten anwaltlich vertreten ist, sodass eine Streitwertentscheidung auch nach §§ 1, 3, 52 GKG iVm §§ 32, 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entbehrlich bleibt.

Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil das Gericht eine weitere Beschwerde nicht zugelassen hat, § 17a Abs 4 Sätze 4 und 5 GVG iVm § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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