L 12 AS 4909/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 3345/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4909/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Mannheim vom 14.10.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der alleinstehende Antragsteller begehrt die Übernahme von Stromschulden in Höhe von 1.668,63 EUR durch den Antragsgegner. Der Antragsteller lebt seit 01. August 2006 in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 84 m2. Ausweislich des Mietvertrages vom 17. Juli 2006 beträgt der monatliche Mietzins 360,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung 40,00 EUR monatlich. Die Wohnung wird mit einer Elektroheizung beheizt. Heiz- und Verbrauchsstrom bezog der Antragsteller bisher von der E. mbH. Er erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes von der Agentur für Arbeit Schwetzingen, die ihm zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 09. Juni 2009 für den Zeitraum vom 01. Juli bis 31. Dezember 2009 Leistungen in Höhe von 359,00 EUR monatlich bewilligte. Vom Antragsgegner erhält er seit 01. September 2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung. Bereits mit Bewilligungsbescheid vom 24. August 2006 wies der Antragsgegner darauf hin, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Es könnten nur die angemessenen Kosten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommen werden. Zuletzt bewilligte der Antragsgegner mit Bewilligungsbescheid vom 10. Juni 2009 Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01. Juli bis 31. Dezember 2009 in Höhe von 351,00 EUR monatlich. Der Betrag setzt sich zusammen aus einem Mietanteil in Höhe von 261,00 EUR, einem Nebenkostenanteil in Höhe von 50,00 EUR sowie einem Heizkostenanteil in Höhe von 40,00 EUR, zuvor wurde bis 31.12.2008 ein Heizkostenanteil in Höhe von 65,00 EUR bewilligt. Im April 2009 wurde der Antragsteller gebeten, den offenen Betrag in Höhe von 1.668,63 EUR bis 28. April 2009 auf das Konto der E. zu überweisen. Gehe die Zahlung nicht termingerecht ein, werde die Versorgung fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 10. September 2009 forderten die Prozessbevollmächtigten der E. mbH den Antragsteller mit einer letzten außergerichtlichen Mahnung auf, die bis dahin aufgelaufenen Zinsen und Kosten in Höhe von 1.668,22 EUR zuzüglich der Kosten der Inanspruchnahme der Prozessbevollmächtigten der E., insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.706,02 EUR, bis 24. September 2009 auf das Konto der E. zu überweisen. Mit Schreiben vom 14. September 2009 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Übernahme von Stromschulden in Höhe von 1.627,63 EUR als Darlehen. Es bestehe eine Stromsperre seit Anfang August 2009, er müsse nun bald seine Wohnung beheizen, dies sei ihm jedoch ohne Strom nicht möglich. Mit Bescheid vom 14. September 2009 lehnte der Antragsgegner die Übernahme von Stromschulden ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Kosten der Unterkunft des Antragstellers seien unangemessen hoch. Die Wohnung sei daher nicht erhaltungswürdig. Es sei aus diesem Grund nicht gerechtfertigt und nicht notwendig, Aufwendungen für unangemessen hohe Mietkosten aus Mitteln der Allgemeinheit zu decken. Die Voraussetzungen für die Übernahme von Stromschulden lägen daher nicht vor. Mit Bescheid vom 08. Oktober 2009 wies der Antragsgegner den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, nach den vorliegenden Unterlagen des Stromversorgers vom 14. Mai 2008 habe der Antragsteller die Vorauszahlungen an den Stromanbieter in nur geringem Umfang, nämlich nur in Höhe von 15,00 EUR monatlich, geleistet. Innerhalb des Zeitraumes vom 19. April 2007 bis 18. April 2008 seien jedoch Heizkosten in Höhe von insgesamt 686,38 EUR angefallen. Hätte der Antragsteller die gewährten monatlichen Heizkosten, die der Antragsgegner bis 31. Dezember 2008 in Höhe von 65,00 EUR monatlich bewilligt hatte, an den Stromversorger weitergeleitet, so wäre der jährliche Aufwand voll gedeckt gewesen. Die Stromschulden resultierten mithin lediglich aus der Nichtzahlung der Vorauszahlungen des Antragstellers. Eine erneute Übernahme der Kosten durch den Antragsgegner sei daher nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei die Wohnung des Antragstellers mit 84 m2 unangemessen groß, woraus sich ein unangemessener Mietzins ergebe. Auch hinsichtlich der Bewilligung von Heizkosten sei auf eine angemessene Wohnraumgröße, die für eine Einzelperson 45 m2 betrage, abzustellen, weshalb seit 01. Januar 2009 angemessene Heizkosten in Höhe von 40,00 EUR monatlich bewilligt würden. Am 02. Oktober 2009 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung führt er aus, er lebe seit Anfang August 2009 ohne Strom und habe seither weder kochen noch warm duschen können noch habe er Licht. Zwar sei die Wohnung nicht angemessen, doch finde er keine andere Unterkunft. Da ansonsten Obdachlosigkeit drohe, habe er die Wohnung nicht gekündigt. Jetzt sei das Leben ohne Strom nicht mehr zumutbar Er müsse in den kalten Wintermonaten warm duschen und warm essen können, auch benötige er Licht. Er beantragte den Antragsgegner im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, die Stromschulden in Höhe von 1.706,02 EUR an den Energieversorger des Antragstellers zu zahlen.

Mit Beschluss vom 14.10.2009 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Es führte in den Gründen aus, Rechtsgrundlage für einen möglichen Anordnungsanspruch sei § 22 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB II. Gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II könnten, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig sei und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten drohe. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien jedoch nicht gegeben. Zwar gewähre der Antragsgegner Leistungen für Unterkunft und Heizung, so dass der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 5 SGB II eröffnet sei. Auch stelle die Sperrung der Energiezufuhr durch die E. mbH eine vergleichbare Notlage im Sinne von § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II dar. Bei einer Sperrung der Energiezufuhr sei grundsätzlich von einer faktischen Unbewohnbarkeit einer Wohnung auszugehen, so dass § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II einschlägig sei. Nach dieser Vorschrift habe der Antragsgegner ein gebundenes Ermessen auszuüben, das dahingehend eingeschränkt sei ("sollen"), dass der Leistungsträger nur in atypischen Fällen nach seinem Ermessen von der Übernahme von Stromschulden abweichen könne.

Von einem solchen atypischen Fall sei vorliegend bereits deshalb auszugehen, weil der Antragsteller bereits seit 01. August 2006 in einer nach für die Leistungen der Grundsicherung relevanten Maßstäben mit 84 m2 zu großen und mit einer Kaltmiete in Höhe von 360,00 EUR zuzüglich 40,00 EUR Nebenkostenvorauszahlung zu teueren Wohnung lebe. Die Berechnung des Antragsgegners, die im Ergebnis von einem angemessenen Mietzins in Höhe von 261,00 EUR monatlich ausgehe, sei aufgrund der im einstweiligen Rechtschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Zudem sei, wie auch der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung ausführe, festzustellen, dass der Antragsteller die ihm gewährten Leistungen für angemessene Heizkosten, die sich im Zeitraum vom 01. September 2006 bis 31. Dezember 2008 auf 65,00 EUR monatlich und seit 01. Januar 2009 auf 40,00 EUR monatlich beliefen, offensichtlich nur in einem Umfang von 15,00 EUR monatlich genutzt habe, um die Vorauszahlungsforderungen des Stromanbieters zu befriedigen. Dem Antragsgegner sei dahingehend zuzustimmen, dass, hätte der Antragsteller die ihm seitens des Antragsgegners gewährten monatlichen Heizkosten in voller Höhe an den Stromversorger weitergeleitet, der nun bestehende Rückstand nicht entstanden wäre. Mithin liege vorliegend ein atypischer Fall vor, weil der Antragsteller, indem er in einer unangemessen teuren Wohnung lebe und die ihm gewährten Heizkosten nicht zur Begleichung der Rechnungen seines Stromanbieters genutzt hat, sich unwirtschaftlich verhalten habe. Der Antragsgegner hätte daher ermessensfehlerfrei von dem ihm durch § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II an sich gebundenen Ermessen abweichen und die Übernahme von Stromschulden ablehnen können.

Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde und berief sich vor allem auf seine mangelnden Deutschkenntnisse, die es ihm nicht erlaubten, auf die Hinweise der Antragsgegnerin zur Angemessenheit des Wohnraums sowie die Forderungen des Stromversorgers richtig zu reagieren.

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Vorraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt und die beantragte einstweilige Anordnung zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist noch auszuführen, dass die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin auch unabhängig von der Frage des angemessenen Wohnraums nicht zu beanstanden ist. Diese Ermessensentscheidung ist im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls durchzuführen. Es kommt hier auf die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekostenrückstand geführt haben, ein eventuell mitbetroffener Personenkreis, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten – wie etwa erstmaliger oder wiederholter Rückstand, erkennbarer Selbsthilfewillen - an. Des Weiteren ist das Ermessen dann nicht auf Null reduziert, wenn ein Hilfeempfänger ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und die Möglichkeiten der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten gezeigt hat (Berlit in LPK-SGB II § 22 Rn 127 m.w.N.). Der Antragsteller hat von der Antragsgegnerin einen Energiekostenzuschuss erhalten, der zur Begleichung der Energierechnung ausgereicht hätte. Der Energiekostenrückstand ist selbstverschuldet und kann auch nicht mit den zu niedrigen Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt erklärt werden. Der Antragsteller hat die volle Leistungshöhe erhalten. Es sind auch keinerlei Notlagen erkennbar, die zu einem höheren Verbrauch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt hätten führen können. Das gezeigte Verhalten des Antragstellers – trotz der Mahnungen des Energieversorgers -über einen Zeitraum von fast 2 Jahren rechtfertigt nicht die Annahme einer zukünftigen Verhaltensänderung. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich eine angemessene Wohnung zu mieten und dort regelmäßig die Energiekosten aus dem entsprechenden Zuschuss zu bezahlen. Eine Möglichkeit besteht auch darin, mit dem Energieversorger eine Ratenzahlung zu vereinbaren, die ihn in mit den monatlichen Raten im Hinblick auf die Laufzeit der Verpflichtung nicht überfordert. Auch der Hinweis mangelnder Deutschkenntnisse führt zu keiner anderen Entscheidung, da sich aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Antragsteller nicht in der Lage war, seine Ansprüche und Rechte gegenüber einer deutschen Behörde geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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